(1) Die Bürger einer Gemeinde können über eine wichtige Angelegenheit der Gemeinde einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Auch die Gemeindevertretung kann anstelle einer eigenen Entscheidung die Durchführung eines Bürgerentscheids beschließen; der Beschluss bedarf der Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder (Vertreterbegehren).
(2) Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über
- 1.
Weisungsaufgaben und Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem Gemeindevorstand oder dem Bürgermeister obliegen,
- 2.
Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung und die Frage, ob die Stelle des Bürgermeisters ehrenamtlich verwaltet werden soll,
- 3.
die Rechtsverhältnisse der Gemeindevertreter, der Mitglieder des Gemeindevorstands und der sonstigen Gemeindebediensteten,
- 4.
die Haushaltssatzung (einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe), die Gemeindeabgaben (außer der Entscheidung über den Erhebungsmodus des gemeindlichen Straßenbeitrags nach § 11a Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Abgaben) und die Tarife der Versorgungs- und Verkehrsbetriebe der Gemeinde,
- 5.
die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 112) der Gemeinde und der Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe,
- 5a.
Entscheidungen im Rahmen der Bauleitplanung mit Ausnahme des Aufstellungsbeschlusses nach § 2 Abs. 1 des Baugesetzbuches,
- 6.
Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren sowie über
- 7.
Anträge, die ein gesetzwidriges Ziel verfolgen.
(3) Das Bürgerbegehren ist schriftlich bei dem Gemeindevorstand einzureichen; richtet es sich gegen einen Beschluss der Gemeindevertretung, muss es innerhalb von acht Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein. Es muss die zu entscheidende Frage, eine Begründung und einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten sowie bis zu drei Vertrauenspersonen bezeichnen, die zur Entgegennahme von Mitteilungen und Entscheidungen der Gemeinde sowie zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Gemeindevorstand ermächtigt sind. Das Bürgerbegehren muss in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern von mindestens 3 Prozent, in Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern von mindestens 5 Prozent und in den sonstigen Gemeinden von mindestens 10 Prozent der bei der letzten Gemeindewahl amtlich ermittelten Zahl der wahlberechtigten Einwohner unterzeichnet sein; die Wahlberechtigung der Unterzeichner muss im Zeitpunkt der Unterzeichnung gegeben sein. § 3a des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes findet keine Anwendung. Der Gemeindevorstand unterrichtet auf Wunsch vor der Sammlung der Unterschriften über die beim Bürgerbegehren einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen.
(4) Ein Bürger- oder Vertreterbegehren darf nur Angelegenheiten zum Gegenstand haben, über die innerhalb der letzten drei Jahre nicht bereits ein Bürgerentscheid durchgeführt worden ist. Über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet die Gemeindevertretung. Der Bürgerentscheid entfällt, wenn die Gemeindevertretung die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahmen beschließt. Die Gemeindevertretung kann mit Zustimmung der Vertrauenspersonen Unstimmigkeiten im Wortlaut der Fragestellung des Bürgerbegehrens bereinigen. Eine Beanstandung des Zulassungsbeschlusses nach § 138 ist nur innerhalb von sechs Wochen nach der Beschlussfassung zulässig.
(5) Wird ein Bürgerentscheid durchgeführt, muss den Bürgern die von den Gemeindeorganen vertretene Auffassung dargelegt werden.
(6) Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern mindestens 15 Prozent, in Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern mindestens 20 Prozent und in den sonstigen Gemeinden mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet. Ist die nach Satz 1 erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden, hat die Gemeindevertretung die Angelegenheit zu entscheiden. Finden an einem Tag mehrere Bürgerentscheide statt und werden die gleichzeitig zur Abstimmung gestellten Fragen jeweils von einer ausreichenden Mehrheit so beantwortet, dass die Bürgerentscheide inhaltlich nicht miteinander zu vereinbaren sind, dann gilt die Mehrheitsentscheidung, für welche die größere Zahl von gültigen Stimmen abgegeben wurde. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, das der Gemeindewahlleiter in einer Sitzung des Wahlausschusses zieht.
(7) Der Bürgerentscheid, der die nach Abs. 6 erforderliche Mehrheit erhalten hat, hat die Wirkung eines endgültigen Beschlusses der Gemeindevertretung. Die Gemeindevertretung kann einen Bürgerentscheid frühestens nach drei Jahren abändern. Die §§ 63 und 138 finden keine Anwendung.
(8) Das Nähere regelt das Hessische Kommunalwahlgesetz.