Henrike von Scheliha Familienrecht Licensed under CC-BY-4.0

13 Verwandtschaft und Schwägerschaft im Einzelnen

Begründung (§§ 1589, 1590 BGB)

Verwandtschaft gründet sich entweder auf Abstammung (§§ 1589 ff. BGB) oder auf Annahme als Kind (Adoption, §§ 1741 ff., 1754 BGB).

Zum Folgenden Röthel, Abstammung: Mutterschaft und Vaterschaft, JURA 2019, 711 ff.; dies., Abstammung (Teil 2): Adoption, JURA 2019, 1141 ff.

Zentrale Vorschrift ist § 1589 BGB. Personen sind in gerader Linie verwandt, wenn sie voneinander abstammen (§ 1589 S. 1 BGB).

Wann Personen voneinander abstammen, also Mutter- bzw. Vaterschaft, ist in §§ 1591 ff. BGB geregelt. Dazu noch eingehend Abschnitt 14.

Verwandte in gerade absteigender Li­nie werden Deszendenten oder Abkömmlinge genannt; der Abkömmling ersten Grades ist das „Kind“ (unabhän­gig vom Alter!).

Beachte: Ob die Eltern eines Kindes miteinander verheiratet sind, ist unbeachtlich. Verwandtschaft besteht auch zwischen dem Vater und dem nichtehelichen Kind. § 1589 Abs. 2 BGB a.F., nach dem ein nichteheliches Kind und dessen Vater als nicht verwandt galten, wurde im Jahr 1969 durch das NehelG aufgehoben.

Beispiel: B zeugt mit G die M. M verlangt Unterhalt von B. B meint, er sei ja gar nicht mit M verwandt, schließlich sei er immer noch mit F verheiratet. Zu Recht? – Ob B mit M verwandt ist (Verwandtschaft in gerader Linie ersten Grades), hängt allein davon ab, ob M von B abstammt, d.h. ob B der Vater von M ist. Wer Vater ist, bestimmt § 1592 BGB. Da B nicht mit G verheiratet ist und auch die Vaterschaft nicht anerkannt hat, kommt eine Vaterschaft des B nur aufgrund gerichtlicher Feststellung in Betracht. Fehlt es daran, ist B nicht unterhaltsverpflichtet.

Vertiefungshinweis: Nur ausnahmsweise kann in Unterhaltsprozessen inzident auch über die Vaterschaft entschieden werden; vgl. BGHZ 176, 327 ff. Als Grundsatz sollten Sie sich zunächst merken, dass die Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft ausschließlich in den dazu eingerichteten Verfahren erfolgen soll (insbes. § 1600d BGB; dazu noch mehr bei FamR 8).

Verwandte in gerade aufsteigender Linie (Eltern, Großeltern) werden Aszendenten genannt. Personen sind in der Seitenlinie verwandt, wenn sie von dersel­ben dritten Person abstammen, ohne in gerader Linie miteinander verwandt zu sein (§ 1589 S. 2 BGB; z. B. Geschwister, Cousins, Onkel und Neffe).

Beispiel: Als F ihr Einkommen verliert, wendet sie sich an ihre Schwester S und verlangt von ihr Unterhalt. S meint, dazu sei sie nicht verpflichtet. Wer hat Recht? – Gemäß § 1601 BGB sind nur Verwandte in gerader Linie zu Unterhalt verpflichtet. Geschwister sind aber lediglich in der Seitenlinie verwandt (§ 1589 Abs. 1 S. 2 BGB). F hat also keinen Rechtsanspruch gegen S auf Unterhalt.

Die Umschreibung der Verwandtschaft in § 1589 BGB ist abschließend. Wichtigste Konsequenz ist, dass die Ehe keine Verwandtschaft begründet. Ehegatten sind daher nicht aufgrund der Ehe miteinander verwandt (arg. e. contrario § 1589 BGB). Das Verhältnis eines Ehegatten zu den Verwandten (§ 1589 BGB) des anderen Ehegatten wird als Schwägerschaft (§ 1590 BGB) bezeichnet.

Linie und Grad der Schwägerschaft richten sich nach Linie und Grad der sie vermittelnden Verwandtschaft. Schwägerschaft wird durch die Auf­lösung der Ehe, durch die sie begründet wurde, nicht berührt (§ 1590 Abs. 2 BGB). Schwägerschaft konnte außer durch eine Ehe auch durch eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet wer­den (§ 11 Abs. 2 LPartG).

Großeltern und Enkelkinder: Verwandtschaft in gerader Linie im zweiten Grad; Halbgeschwister: Verwandtschaft in der Seitenlinie im zweiten Grad; Tante und Neffe: Verwandtschaft in der Seitenlinie im dritten Grad; Ehefrau zur Tochter ihrer Ehefrau aus erster Ehe: Schwägerschaft in gerader Linie im ersten Grad; Schwester eines Ehegatten zum Bruder des anderen Ehegatten: keine Verwandtschaft oder Schwägerschaft.

Rechtsfolgen

Unterhalt (§§ 1601 ff. BGB)

Wesentliche Rechtsfolge der Verwandtschaft ist die Unterhaltspflicht von Verwandten in gerader Linie (§ 1601 BGB). Die Unterhaltspflicht besteht sowohl gegenüber Aszendenten (also Unterhaltsverpflichtung der Kinder gegenüber ihren Eltern oder Großeltern) als auch gegenüber Deszendenten (also Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber ihren Kindern). Dabei haften die Abkömmlinge vor den Verwandten in aufsteigender Linie (§ 1606 Abs. 1 BGB). Die Unterhaltspflicht des Ehegatten oder Lebenspartners geht derjenigen der Verwandten vor (§ 1608 BGB).

Gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht

Die Verwandten zählen zu den gesetzlichen Erben (§§ 1924 ff. BGB). Abkömm­linge und die Eltern des Erblassers sind darüber hinaus pflichtteilsberechtigt (§ 2303 BGB).

Unterscheide gesetzliches Erbrecht und Pflichtteil: Auf das gesetzliche Erbrecht kommt es an, wenn der Erblasser keine oder keine wirksame Verfügung von Todes wegen errichtet. Auf den Pflichtteil kommt es an, wenn der Erblasser eine wirksame Verfügung von Todes wegen errichtet und darin die Kinder oder die Eltern übergeht oder enterbt.

Sonstige Wirkungen

Verwandte in gerader Linie sowie voll- und halbbürtige Geschwister dürfen nicht heiraten (§ 1307 BGB). Verwandtschaft kann nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, § 1824 BGB die Stellvertretung ausschließen. Verwandtschaft und Schwägerschaft können einer Mitwirkung als Richter (§§ 41 Nr. 3 ZPO, 22 Nr. 3 StPO) oder als Notar (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BeurkG, § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BeurkG, § 7 Nr. 3 BeurkG) entgegenstehen. Ferner können Verwandtschaft und Schwägerschaft Zeugnis-, Auskunfts- und Eidesverweigerungsrechte begründen (§§ 383 Abs. 1 Nr. 3, 384 Nr. 1 ZPO, 52 Abs. 1 Nr. 3, 55 Abs. 1, 61 StPO). Auch für die Staatsangehörigkeit ist die Abstammung von Bedeutung, § 4 StAG.