Jens Gerlach Privatisierungs- und Vergaberecht Licensed under CC-BY-4.0

Vergaberecht 2: Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereich des Vergaberechts

Dieser Abschnitt führt durch die unionsrechtlichen und nationalen Rechtsgrundlagen des Vergaberechts und beleuchtet den Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts.

Einleitung

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns zunächst mit den Rechtsgrundlagen des Vergaberechts (B.). Wir werden sehen, dass das Vergaberecht in Deutschland zweigeteilt ist in das GWB-Vergaberecht – das die unionsrechtlichen Vergaberichtlinien umsetzt – und das rein nationalrechtlich fundierte Haushaltsvergaberecht. Wir werden uns in den weiteren Abschnitten mit dem GWB-Vergaberecht befassen. Daher betrachten wir in diesem Abschnitt ausführlich die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts eröffnet ist (C.).

Rechtsgrundlagen des Vergaberechts

Komplexität erlangt das Vergaberecht besonders dadurch, dass seine Rechtsgrundlagen auf zahlreiche unterschiedliche Rechtsakte verteilt sind, über die man sich einen Überblick verschaffen muss. Für unsere Betrachtung außen vor bleiben sollen die völkerrechtlichen Vorgaben im Agreement on Government Procurement (GPA). Wichtiger sind die unions-rechtlichen Vorgaben des Primärrechts und vor allem der Vergaberichtlinien (I.). Im deutschen Recht finden wir eine Zweiteilung des Vergaberechts in GWB-Vergaberecht und Haushaltsvergaberecht vor (II.).

Unionsvergaberecht im Primärrecht und in den Vergaberichtlinien

Bei den Grundsätzen des Vergaberechts haben wir schon gesehen, dass sich grundlegende Anforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge aus dem Unionrecht ergeben. Der EuGH leitet aus dem Unionsprimärrecht die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und der Transparenz ab, die gemeinsam verlangen, dass Auftraggeber zugunsten potenziell interessierter Unternehmen einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob ein Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden ist.EuGH, Urt. v. 13.10.2005 – C-458/03 – Parking Brixen, NZBau 2005, 644 (Rn. 48 f.). Grundsätzlich sind Aufträge daher auszuschreiben.EuGH, Urt. v. 6.4.2006 – C-410/04 – ANAV, NZBau 2006, 326 (Rn. 22). Detaillierte Anforderungen an das Vergabeverfahren und an die Auswahlentscheidung lassen sich aus dem Primärrecht aber nicht ableiten. Im Übrigen greifen die primärrechtlichen Vorgaben nach herkömmlichen Grundsätzen nur ein, wenn der betreffende Sachverhalt – das heißt die Vergabe des öffentlichen Auftrags – einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist.

Der Unionsgesetzgeber hat das Verfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzession detailliert in einem Paket an Richtlinien geregelt und diese Richtlinien stetig modernisiert beziehungsweise ersetzt. Maßgeblich sind inzwischen

Diese Richtlinien sind jeweils nur anwendbar, wenn der geschätzte Wert des zu vergebenden Auftrags oder der zu vergebenden Konzession einen bestimmten Schwellenwert erreicht oder überschreitet. Der Unionsgesetzgeber geht typisierend davon aus, dass ab diesem Schwellenwert das Interesse von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten geweckt werden kann und die Vergabe des öffentlichen Auftrags oder der Konzession damit einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Die Schwellenwerte unterscheiden sich je nach Richtlinie und Art des Auftrags. Uns interessiert vor allem die Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe. Deren Art. 4 setzt den Schwellenwert für öffentliche Bauaufträge auf 5.382.000 Euro und für öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge auf grundsätzlich 215.000 Euro fest.

Ergänzt werden diese Richtlinien von der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabeöffentlicher Liefer- und Bauaufträge (Rechtsmittelrichtlinie) und der Richtlinie 92/13/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie). Diese Richtlinien stellen an das nationale Recht die Anforderung, bei Auftrags- oder Konzessionsvergaben im Anwendungsbereich der anderen Richtlinien Primärrechtsschutz vorzusehen. Mit dem Rechtsschutz werden wir uns später befassen.

Wird der jeweilige Schwellenwert eines Auftrags oder einer Konzession in der betreffenden Richtlinie nicht erreicht, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht eröffnet. Lässt sich im Einzelfall auf Grund der Besonderheiten des Auftrags oder der Konzession – ungeachtet des nicht erreichten Schwellenwerts – trotzdem ein grenzüberschreitender Bezug begründen, greifen die (viel weniger strengen und detaillierten) oben genannten Anforderungen des Unionsprimärrechts. Andernfalls erfasst das Unionsrecht den Auftrag oder die Konzession nicht.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Das Unionsprimärrecht stellt Anforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge.
  • Die Vergabe öffentlicher Aufträge und der Primärrechtschutz werden detailliert in unionsrechtlichen Richtlinien geregelt.
  • Wenn die Schwellenwerte der Vergaberichtlinien nicht erreicht werden, ist das Unionsrecht nicht zu beachten.

Zweigeteiltes Vergaberecht in Deutschland

Unionsrechtliche Richtlinien gelten anders als Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 AEUV) nicht unmittelbar, sondern müssen von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Deutschland hat die unionsrechtlichen Vergaberichtlinien im vierten Teil des GWB und in zahlreichen, auf § 113 GWB beruhenden Rechtsverordnungen umgesetzt. Man spricht vom GWB-Vergaberecht oder, weil das GWB im Übrigen das Kartellrecht regelt, vom Kartellvergaberecht. Allerdings reicht der Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht weiter als der Anwendungsbereich der Richtlinien: Nach § 106 GWB gilt der vierte Teil des GWB nur für Aufträge und Konzessionen, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert die jeweiligen Schwellenwerte der unionsrechtlichen Vergaberichtlinien erreicht. Unterhalb dieser Schwellenwerte greifen zwar ebenfalls vergaberechtliche Vorschriften. Diese wurzeln aber im Haushaltsrecht. Man spricht daher insoweit vom Haushaltsvergaberecht. Das Vergaberecht in Deutschland ist demnach zweigeteilt.

GWB-Vergaberecht

Das GWB-Vergaberecht nimmt seinen Ausgangspunkt im vierten Teil des GWB. Der Teil gliedert sich in zwei Kapitel. Das erste Kapitel (§ 97 ff. GWB) betrifft das Vergabeverfahren, das zweite Kapitel (§§ 155 ff. GWB) das Nachprüfungsverfahren, das heißt den Primärrechtsschutz. Das erste Kapitel gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt betrifft die Grundsätze, die Definitionen und den Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich, den wir unten konkreter betrachten, wird maßgeblich von den §§ 106109 GWB umrissen. Er setzt nach § 106 GWB unter anderem voraus, dass die jeweiligen Schwellenwerte der Vergaberichtlinien erreicht oder überschritten werden.

Der zweite und der dritte Abschnitt des ersten Kapitels greifen sodann die Unterteilung aus den Vergaberichtlinien auf. Je Richtlinie gibt es einen eigenständigen Abschnitt beziehungsweise Unterabschnitt im Gesetz. Diese Bestimmungen werden dann jeweils von einer Rechtsverordnung ergänzt und konkretisiert:

Es zeigt sich: Die verschiedenen unionsrechtlichen Vergaberichtlinien werden im deutschen Recht im vierten Teil des GWB zusammengeführt, der die gemeinsamen Grundsätze der Vergabe, die Definitionen, den Anwendungsbereich, wesentliche Regeln des Vergabeverfahrens sowie den Rechtsschutz normiert. Im untergesetzlichen Recht findet sich sodann pro unionsrechtlicher Vergaberichtlinie eine Rechtsverordnung, die jeweils die detaillierten Vorschriften über das Vergabeverfahren enthält.

Eine letzte zusätzliche Komplikation ergibt sich daraus, dass die Vergabe von Bauaufträgen zwar in den Anwendungsbereich der VgV beziehungsweise der VSVgV fällt, aus historischen Gründen aber nicht dort detailliert geregelt wird, sondern im zweiten Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A). Hierbei handelt es sich im Ausgangspunkt nicht um staatliches Recht, sondern um eine DIN-Norm, die gemeinsam von Auftraggeber- und Auftragnehmerverbänden entwickelt und fortgeschrieben wird. Rechtliche Bindungswirkung erlangt die VOB/A dadurch, dass § 2 S. 2 VgV und § 2 Abs. 2 S. 2 VSVgV hinsichtlich der Vergabe von Bauaufträgen die VOB/A für anwendbar erklären.

Haushaltsvergaberecht

Das Haushaltsvergaberecht gründet ursprünglich in § 55 BHO und entsprechenden Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen (zum Beispiel § 55 LHO NRW). § 55 Abs. 1 S. 1 BHO verlangt, dass dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen muss. Nach § 55 Abs. 2 BHO ist beim Abschluss von Verträgen nach einheitlichen Regeln zu verfahren. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist ausschließlich, den kostensparenden Umgang mit Haushaltsmitteln sicherzustellen. Unternehmen können sich darauf nicht berufen.

Die Erkenntnis, dass Art. 3 Abs. 1 GG auch die öffentliche Auftragsvergabe erfasstSehr deutlich BVerfGE 116, 135 (153 f.). und bestimmte Entscheidungen der Auftraggeber auch unterhalb der unionsrechtlichen Schwellenwerte einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, hat dazu geführt, dass die Länder eigene Vergabegesetze erlassen haben, die öffentliche Aufträge im Sinne des vierten Teils des GWB (auch oder nur) unterhalb der unionsrechtlichen Schwellenwerte erfassen. In Nordrhein-Westfalen gilt das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW. Dieses Gesetz verpflichtet beauftragte Unternehmen dazu, bei der Auftragsausführung bestimmte Mindestarbeitsbedingungen einzuhalten und wenigstens Mindestlohn zu zahlen.

Die meisten Landesvergabegesetze oder die haushaltsrechtlichen Vorschriften der Länder erklären darüber hinaus die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und – für Bauleistungen – den ersten Abschnitt der VOB/A für anwendbar. Die Unterschwellenvergabeordnung ist eine Verfahrensordnung für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unterhalb der unionsrechtlichen Schwellenwerte, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bekannt gemacht hat. Sie ähnelt ihrem Inhalt nach der VgV, ist aber wie die VOB/A im Ausgangspunkt kein staatliches Recht, sondern erlangt rechtliche Bindungswirkung erst durch einen entsprechenden Anwendungsbefehl.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Das Vergaberecht ist in Deutschland einheitlich im GWB geregelt.
  • Ist der Anwendungsbereich des GWB eröffnet, finden sich detaillierte Regelungen über die Vergabe in je einer Rechtsverordnung pro Vergaberichtlinie (sowie in der VOB/A).
  • Oberhalb der unionsrechtlichen Schwellenwerte sprechen wir vom Haushaltsvergaberecht.

Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts

Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des GWB-Vergaberechts ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die in den unterschiedlichen Abschnitten und Unterabschnitten des GWB und in den auf § 113 GWB beruhenden Rechtsverordnungen beziehungsweise in der VOB/A geregelten Vorschriften über das Vergabeverfahren sowie die in den §§ 155 ff. GWB enthaltenden Vorschriften über den Primärrechtsschutz zu beachten sind. § 106 Abs. 1 S. 1 GWB ist zwar nur mit dem Begriff „Schwellenwerte“ überschrieben, fasst den Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts aber nahezu vollständig zusammen:

„Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet.“

Ergänzt wird diese Bestimmung von den §§ 107109 GWB, unter deren Voraussetzungen „dieser Teil“, das heißt der vierte Teil des GWB und damit das gesamte GWB-Vergaberecht nicht anzuwenden ist. Daraus ergibt sich für die Prüfung des Anwendungsbereichs folgendes Schema:

  1. Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession oder um die Ausrichtung eines Wettbewerbs (§ 106 Abs. 1 GWB)

  2. Erreichen oder Überschreiten des jeweils festgelegten Schwellenwerts (§ 106 Abs. 1, Abs. 2 GWB)

  3. Kein Eingreifen einer Ausnahme vom GWB-Vergaberecht

    1. Kein vergaberechtsfreier Vertragsinhalt (§ 107 GWB)

    2. Keine vergaberechtsfreie öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit (§ 108 GWB)

    3. Keine vorrangigen internationalen Verfahrensregeln (§ 109 GWB)

Vergabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen oder Ausrichtung von Wettbewerben (§ 106 Abs. 1 S. 1 GWB)

Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 103 Abs. 1 GWB)

Öffentliche Aufträge werden in § 103 Abs. 1 GWB definiert. Es handelt sich dabei um entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Nachfolgend nehmen wir diese Voraussetzungen genauer in den Blick.

Vertrag

Das Merkmal Vertrag erfordert eine rechtliche Verbindung zwischen zwei verschiedenen Rechtssubjekten und scheidet damit Fälle aus dem Anwendungsbereich des Vergaberechts aus, die sich innerhalb eines einzelnen Rechtssubjekts abspielen.

Nicht erfasst ist damit beispielsweise das Verhältnis einer Kommune zu ihrem Eigen- oder Regiebetrieb. Auch die reine Aufgabenprivatisierung, bei der sich der Staat von einer Tätigkeit vollständig zurückzieht und sie privaten zur freiwilligen Aufnahme überlässt, erfüllt mangels Vertrags nicht die Voraussetzungen eines öffentlichen Auftrags.

Ein Vertrag kommt nach deutschem Recht zustande durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande (§§ 145 ff. BGB). Dem Anwendungsbereich des Vergaberechts kann aber nicht nur der Neuabschluss, sondern auch die Änderung eines bestehenden öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit unterliegen. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 132 GWB. Erforderlich ist nach § 132 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GWB, dass die Änderung wesentlich ist, dass sich also der geänderte öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. Die Regelbeispiele in § 132 Abs. 1 S. 3 GWB machen deutlich, dass die Vorschrift ihrem Zweck nach darauf abstellt, ob die geänderten Vertragsbedingungen relevant für den Wettbewerb der Unternehmen um den Auftrag wären beziehungsweise ursprünglich gewesen wären.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Der Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts lässt sich im Wesentlichen anhand von §§ 106 Abs. 1 und 107–109 GWB bestimmen.
  • Am Merkmal des Vertrags zeigt sich, dass der Anwendungsbereich immer die Beteiligung von mindestens zwei Rechtssubjekten voraussetzt.
  • Das GWB-Vergaberecht erfasst nur den Neuabschluss von Verträgen.

Öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber

Die öffentlichen Auftraggeber definiert § 99 GWB, die Sektorenauftraggeber § 100 GWB. Gemeinsam mit den Konzessionsgebern nach § 101 GWB fallen sie unter den Oberbegriff „Auftraggeber“ nach § 98 GWB. Vor die Klammer ziehen lässt sich der Befund, dass unter die verschiedenen Varianten der Auftraggeber einerseits – wegen seiner Bindung an das Unionsrecht und die Grundrechte – der Staat selbst fallen muss (das heißt insbesondere die Gebietskörperschaften), andererseits aber auch solche Rechtssubjekte, die aufgrund staatlicher Einflussnahme eine Stellung im Markt einnehmen, die sie von ausreichendem Wettbewerbsdruck befreit. Der fehlende Wettbewerbsdruck sorgt in diesen Fällen dafür, dass diese Rechtssubjekte ihren Vertragspartner unter Umständen nicht von sich aus nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten auswählen. Die Bindung an das Vergaberecht verhindert in diesen Fällen Wettbewerbsverzerrungen, die dem Staat zurechenbar sind.

Öffentliche Auftraggeber

Institutionelle öffentliche Auftraggeber sind nach § 99 Nr. 1 GWB Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen. Die Bestimmung erfasst den Bund, die Länder und die Kommunen. Mit Sondervermögen sind insbesondere Eigen- und Regiebetriebe gemeint, wobei die gesonderte Erwähnung überflüssig ist, weil diese Sondervermögen rechtlich nicht verselbstständigt sind, sondern ohnehin zu den Gebietskörperschaften gehören.

§ 99 Nr. 2 GWB bezieht andere juristische Personen des öffentlichen Rechts und juristische Personen des Privatrechts als sogenannte funktionelle öffentliche Auftraggeber in das Vergaberecht ein, die ihrerseits auf eine besondere Weise staatsgebunden sind. Die Vorschrift verhindert zum einen, dass institutionelle öffentliche Auftraggeber dem Vergaberecht dadurch entfliehen, dass sie die Verantwortung für die Deckung von Beschaffungsbedarfen im Ergebnis auf Tochtergesellschaften verlagern, zum anderen, dass eine auf staatlicher Finanzierung beruhende Sonderstellung im Markt zu Wettbewerbsverzerrungen im Wege der Auftragsvergabe führt. Erfasst sind solche juristischen Personen unter zwei Voraussetzungen:

  • Sie wurden zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Im Allgemeininteresse liegen Tätigkeiten, die nicht allein dem Interesse des Rechtsträgers oder der an ihm Beteiligten dienen, sondern zumindest auch der Befriedigung kollektiver Bedürfnisse. Das Merkmal der Nichtgewerblichkeit erfasst Tätigkeiten, die ohne Gewinnerzielungsabsicht, ohne relevantes wettbewerbliches Risiko und ohne echte Gefahr der Insolvenz ausgeübt werden.

  • Zudem muss die juristische Person in besonderer Weise staatsgebunden, das heißt von institutionellen öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nr. 1 GWB (oder solchen nach § 99 Nr. 3 GWB, dazu sogleich) überwiegend finanziert (§ 99 Nr. 2 lit. a) GWB) oder sonst beherrscht werden (§ 99 Nr. 2 lit. b) und lit. c) GWB). Die sonstige staatliche Beherrschung wird durch die Aufsicht über die Leitung oder eine mehrheitliche Besetzung der Organe der juristischen Person begründet. Entscheidend ist die Möglichkeit des institutionellen öffentlichen Auftraggebers, auf die Vergabeentscheidung Einfluss zu nehmen.

Die Kirchen sind zwar juristische Personen des öffentlichen Rechts, erfüllen aber keines der alternativen Merkmale der besonderen Staatsgebundenheit nach § 99 Nr. 2 GWB. Die Rundfunkanstalten werden demgegenüber überwiegend staatlich (über den staatlich festgelegten Rundfunkbeitrag) finanziert und erfüllen damit die Voraussetzungen eines funktionellen öffentlichen Auftraggebers nach § 99 Nr. 2 lit. a) GWB.EuGH, Urt. v. 13. 12. 2007 - C-337/06 - Bayerischer Rundfunk, Zweites Deutsches Fernsehen u.a., NZBau 2008, 130 ff.Gleiches gilt für die gesetzlichen Krankenkassen.EuGH, Urt. v. 11. 6. 2009 - C-300/07 - Oymanns, NZBau 2009, 520 ff.Ärztekammern sollen demgegenüber nicht überwiegend von institutionellen öffentlichen Auftraggebern finanziert sein, weil es sich bei ihnen um Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung handelt. Bei der Bestimmung von Wesen, Umfang und Durchführungsmodalitäten ihrer Aufgaben wie auch bei der Festlegung der von den Mitgliedern zu entrichtenden Beiträgen seien die Kammern hinreichend frei, sodass die Finanzierung als nicht mehr dem Staat zurechenbar angesehen werden könne.EuGH, Urt. v.  12. 9. 2013 - Rs. C-526/11 - Ärztekammer Westfalen-Lippe, NZBau 2013, 717 ff.

Nach § 99 Nr. 3 GWB zählen zu den öffentlichen Auftraggebern Verbände, deren Mitglieder unter § 99 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB fallen. Erfasst ist insbesondere der klassische Zweckverband (etwa nach § 4 GkG NRW), zu dem sich Gemeinden und Gemeindeverbände zusammenschließen können. Ob der Verband öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist, spielt keine Rolle. Hat ein Verband auch private Mitglieder, kommt es in Anlehnung an § 99 Nr. 2 GWB darauf an, ob der Verband staatlich beherrscht wird.

Zu den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nr. 3 GWB zählen zum Beispiel kommunale Abwasser-, Abfall oder Wasserversorgungsverbände in der Rechtsform eines Zweckverbands.

Schließlich erklärt § 99 Nr. 4 GWB bestimmte natürliche und juristische Personen, die nicht schon unter § 99 Nr. 2 GWB fallen, zu öffentlichen Auftraggebern, wenn sie für bestimmte Baumaßnahmen oder damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen und Wettbewerbe von öffentlichen Auftraggebern Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden. Hinter der Vorschrift steht die Befürchtung, dass öffentliche Auftraggeber dem Vergaberecht ansonsten dadurch entfliehen, dass sie Subventionen an Dritte vergeben, die dann ihrerseits die Aufträge vergeben.

Sektorenauftraggeber

Sektorenauftraggeber sind nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB solche öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB, die eine Sektorentätigkeit nach § 102 GWB ausüben, das heißt tätig sind im Zusammenhang mit der Trinkwasserversorgung, der Energieversorgung (Elektrizität, Gas und Fernwärme), des Bereitstellens oder Betreibens von Verkehrsnetzen, des Bereitstellens von Häfen und Flughäfen und der Förderung fossiler Brennstoffe. In diesen sogenannten Sektoren ist der Wettbewerb eingeschränkt, weswegen die Auftragsvergabe hier einem Sondervergaberecht nach den §§ 136 ff. GWB und der SektVO unterworfen ist.

Neben öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB können aber auch natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB Sektorenauftraggeber sein, wenn sie eine Sektorentätigkeit ausüben. Hinzukommen muss entweder, dass der natürlichen Person oder juristischen Person des Privatrechts nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB von einer Behörde besondere oder ausschließliche Rechte gewährt worden sind. Gemeint sind nach § 100 Abs. 2 S. 1 GWB solche Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung der Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und andere Unternehmen daran weitgehend gehindert sind. Solche privilegierten Unternehmen sind keinem üblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Oder es muss nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) GWB ein beherrschender Einfluss öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB auf die juristische Person hinzukommen.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Nur juristische Personen des öffentlichen Rechts können öffentliche Auftraggeber sein.
  • Das Vergaberecht bezieht auch andere Rechtssubjekte ein, um staatlich zurechenbare Sonderstellungen im Markt auszugleichen.
  • Institutionelle öffentliche Auftraggeber sind der Bund, die Länder und die Kommunen.

Unternehmen

Der Begriff des Unternehmens ist weit zu verstehen und erfasst im Wesentlichen jede natürliche Person oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die als Wirtschaftsteilnehmerin ihre Leistung am Markt anbietet. Darunter fallen unter anderem auch Rechtssubjekte, die selbst die Merkmale eines öffentlichen Auftraggebers oder Sektorenauftraggebers im Sinne von § 99 und § 100 GWB erfüllen. Das heißt, dass etwa auch Verträge zwischen zwei Kommunen öffentliche Aufträge sein können. Ob diese Verträge dem Vergaberecht unterliegen, bestimmt sich maßgeblich nach der Ausnahmevorschrift in § 108 GWB (dazu unten).

Beschaffung von Leistungen

Gegenstand des Vertrags muss die Beschaffung von Leistungen sein, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Anstelle von Beschaffung ist in Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe von „Erwerb“ die Rede. Ein solcher Erwerb wird dort definiert als „Erlangung des Nutzens der jeweiligen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen“. Der EuGH spricht davon, dass der öffentliche Auftraggeber ein „unmittelbares wirtschaftliches Interesse“ an der Leistung haben muss.EuGH, Urt. v. 25.3.2010 – C-451/08 – Helmut Müller, ECLI:EU:C:2010:168 (Rn. 49). Wir haben schon gesehen, dass von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des Staates an einer Leistung dann gesprochen werden kann, wenn die Leistung einen Beitrag dazu liefert, staatliche Aufgaben zu erledigen. Das Vergaberecht greift demnach jedenfalls dann nicht ein, wenn der Staat Leistungen anbietet anstatt sie nachzufragen (etwa beim Verkauf oder der Vermietung eines Grundstücks) – hier stellt sich stattdessen die Frage nach der Anwendbarkeit beilhilfenrechtlicher Regelungen, insbesondere von Art. 107 f. AEUV.

Mit Blick auf eine Organisationsprivatisierung stellt die bloße Gründung einer juristischen Person des Privatrechts für sich genommen keine Beschaffung von Leistungen dar. Anders sieht es aber aus, wenn diese juristische Person in der Folge dazu verpflichtet wird, an der Erledigung staatlicher Aufgaben mitzuwirken oder bestimmte Aufgaben für den staatlichen Anteilseigner zu erledigen. Das gilt selbst dann, wenn die Verpflichtung im Gesellschaftsvertrag beziehungsweise in der Satzung erfolgt. Dann fehlt es zwar streng genommen an einem Vertrag zwischen zwei Rechtssubjekten. Der Vorgang ist aber funktional als Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und Unternehmen anzusehen, damit das Vergaberecht nicht unterlaufen wird. Entsprechendes gilt bei der Aufgabenübertragung an eine gegründete juristische Person des öffentlichen Rechts.

Beauftragt also beispielsweise eine Kommune die von ihr gegründete GmbH damit, den Abfall im Gebiet der Kommune zu entsorgen, handelt es sich um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags. 

Nicht mehr vom Begriff der Beschaffung werden Fälle erfasst, in denen öffentliche Stellen Aufgaben vollständig auf einen anderen Rechtsträger übertragen, sich der Aufgaben also entledigen. Werden Aufgaben auf diese Weise neu zugeordnet, erledigt die übernehmende Stelle die Aufgabe nicht mehr für die abgebende Stelle, sondern für sich selbst. Die abgebende Stelle beschafft keine Leistungen, da sie an der Erfüllung der Aufgabe durch die übernehmende Stelle kein „unmittelbares wirtschaftliches Interesse“ hat. Ebenfalls keine Beschaffung von Leistungen stellt die Aufgabenprivatisierung dar, bei der sich der Staat von der Erledigung bestimmter Aufgaben zurückzieht und die Tätigkeit künftig Privaten überlässt.

Nimmt also beispielsweise ein Landkreis eine bestimmte Aufgabe fortan aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit den kreisangehörigen Gemeinden aus eigenem Recht an deren Stelle wahr, handelt es sich bei der vertraglichen Vereinbarung nicht um einen öffentlichen Auftrag. 

Ob es sich um eine Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen handelt, ist zum einen für den maßgeblichen Schwellenwert bedeutsam, zum anderen dafür, welche vergaberechtlichen Regelungen auf die Auftragsvergabe anwendbar sind. Lieferaufträge definiert § 103 Abs. 2 S. 1 GWB als Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Bauaufträge betreffen nach § 103 Abs. 3 S. 1 GWB Bauleistungen und erfassen deren Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung. Der Begriff des Dienstleistungsauftrags in § 103 Abs. 4 GWB hat Auffangfunktion und erfasst jede Leistungserbringung, die nicht Liefer- oder Bauauftrag ist. Der Begriff gründet auf unionsrechtlichen Bestimmungen der Vergaberichtlinien und beschränkt sich insbesondere nicht auf das, was die §§ 611 ff. BGB als Dienstvertrag verstehen. Haben öffentliche Aufträge verschiedene Leistungen (Liefer-, Bau-, Dienstleistungen) zum Gegenstand (gemischte Aufträge), greift § 110 Abs. 1 S. 1 GWB: Die jeweiligen Vorschriften über das Vergabeverfahren (also insbesondere die Frage der Anwendung der VgV oder der VOB/A) richten sich danach, welche Leistungsart den Hauptgegenstand des Auftrags ausmacht.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Staatliche Rechtsträger können kein Unternehmen im Sinne des Vergaberechts sein.
  • Jeden öffentlichen Auftrag kennzeichnet ein Beschaffungselement.
  • Die vollständige Übertragung einer Aufgabe auf ein anderes Rechtssubjekt fällt in den Anwendungsbereich des Vergaberechts.

Entgeltlichkeit

Entgeltlichkeit erfordert eine Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers. Das ergibt sich mittelbar aus § 105 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB, in dem der Gesetzgeber näher bestimmt, wie die Gegenleistung bei Konzessionen ausgestaltet sein kann. Die Höhe der Gegenleistung ist irrelevant (und bestimmt sich in aller Regel ohnehin im wettbewerblichen Vergabeverfahren): Es reicht aus, dass sich die Gegenleistung auf den Ersatz der Selbstkosten beschränkt oder die Selbstkosten gar unterschreitet. Auch andere geldwerte Gegenleistungen als Geldzahlungen – wie zum Beispiel der Erlass einer schon vorher bestehenden Schuld des Unternehmens gegenüber dem Auftraggeber – erfüllen das Merkmal der Entgeltlichkeit.

Ein aus mehreren Schritten bestehender Vorgang ist in seiner Gesamtheit und unter Berücksichtigung seiner Zielsetzung zu prüfen. Das Vergaberecht darf nicht durch geschickte vertragliche Gestaltung unterlaufen werden können: Jeweils einseitige Leistungspflichten in unterschiedlichen Verträgen können so miteinander verknüpft sein, dass es sich bei der einen Leistungspflicht um eine Gegenleistung für die andere Leistungspflicht handelt.

Vergabe von Konzessionen (§ 105 GWB)

Konzessionen sind in § 105 Abs. 1 GWB definiert. Die Definition setzt sich strukturell genauso zusammen wie die Definition der Vergabe öffentlicher Aufträge. Auch hier geht es um einen Vertrag mit einem Unternehmen. Insofern gilt dasselbe wie oben. Anstelle des öffentlichen Auftraggebers oder Sektorenauftraggebers steht der Konzessionsgeber. Dieser ist in § 101 Abs. 1 GWB definiert: Konzessionsgeber sind hiernach bestimmte öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber, die Konzessionen vergeben. Allerdings ist die Vorschrift sorgfältig zu prüfen, da nicht jeder öffentliche Auftraggeber und nicht jeder Sektorenauftraggeber mit jeder Sektorentätigkeit erfasst wird.

Kleine Unterschiede ergeben sich hinsichtlich des Vertragsgegenstands. Zwar setzt auch eine Konzession die Beschaffung von Leistungen voraus. § 105 Abs. 1 GWB ist allerdings enger gefasst als § 103 Abs. 1 GWB. Es muss konkret um die Erbringung von Bauleistungen oder die Erbringung und Verwaltung von Dienstleistungen gehen. Vor allem Lieferleistungen sind damit kein tauglicher Gegenstand einer Konzession.

Der Grund dafür liegt darin, dass die Konzession sich gerade anhand der Gegenleistung des Konzessionsgebers vom öffentlichen Auftrag abgrenzt: Bei Bauleistungen besteht die Gegenleistung zumindest auch in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 GWB), bei Dienstleistungen zumindest auch in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Vereinfacht gesagt kauft die öffentliche Hand mit einem öffentlichen Auftrag etwas ein und bezahlt den Auftragnehmer dafür, während sie bei der Konzession ein Nutzungs- bzw. Verwertungsrecht vergibt, mit dem der Konzessionsnehmer Einnahmen erzielen kann.

§ 105 Abs. 2 S. 1 GWB verdeutlicht die Abgrenzung zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Danach geht bei Bau- oder Dienstleistungskonzessionen das Betriebsrisiko (Angebots- oder Nachfragerisiko, § 105 Abs. 2 S. 3 GWB) für die Nutzung des Bauwerks oder für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer über. Nach § 105 Abs. 2 S. 2 GWB darf dazu unter normalen Betriebsbedingungen nicht gewährleistet sein, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten für den Betrieb des Bauwerks oder die Erbringung der Dienstleistungen wieder erwirtschaftet werden können, und der Konzessionsnehmer muss den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt sein, sodass potenzielle geschätzte Verluste des Konzessionsnehmers nicht vernachlässigbar sind.

Ein Beispiel für die Vergabe einer Konzession ist der Vertrag eines öffentlichen Auftraggebers mit einem privaten Unternehmen, das einen Autobahnabschnitt baut und betreibt und sich durch Benutzungsentgelte (Maut) refinanziert.

Ausrichtung von Wettbewerben (§ 103 Abs. 6 GWB)

Wettbewerbe sind nach § 103 Abs. 6 GWB Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen. Zu denken ist vor allem an Architektenwettbewerbe um den besten Entwurf eines baulichen Vorhabens. Andere typische Gebiete für Wettbewerbe sind nach den Vergaberichtlinien die Raumplanung, die Stadtplanung und die Datenverarbeitung.

Anders als der öffentliche Auftrag und die Konzession setzt das Auslobungsverfahren keine Entgeltlichkeit voraus, das heißt keine Gegenleistung der öffentlichen Hand. Das Auslobungsverfahren dient in der Regel dazu, die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags vorzubereiten. In aller Regel enthält das Auslobungsverfahren aber nicht das Versprechen, mit dem Gewinner des Wettbewerbs einen entsprechenden Dienstleistungsvertrag abzuschließen. Trotzdem alledem finden auf die Ausrichtung von Wettbewerben die allgemeinen Vergaberegeln Anwendung (§ 115 GWB).

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Ist die Leistungspflicht des Auftraggebers nicht im selben Vertrag geregelt, handelt es sich nicht um einen entgeltlichen Vertrag.
  • Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung der Konzession vom öffentlichen Auftrag ist die Art der Gegenleistung.
  • Bei der Konzession übernimmt der Konzessionär das Betriebsrisiko vom Konzessionsgeber.

Erreichen oder Überschreiten des Schwellenwertes (§ 106 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GWB)

§ 106 Abs. 1 S. 1 GWB setzt weiter voraus, dass der jeweils festgelegte Schwellenwert erreicht oder überschritten wird. § 106 Abs. 2 GWB definiert die Schwellenwerte nicht selbst, sondern verweist auf die für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Ausrichtung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber (Nr. 1) beziehungsweise durch Sektorenauftraggeber (Nr. 2), die für die Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer öffentlicher Aufträge (Nr. 3) und die für die Vergabe von Konzessionen (Nr. 4) jeweils anwendbare Richtlinienbestimmung in der jeweils geltenden Fassung. Verändert also der Unionsgesetzgeber die Schwellenwerte, gilt die Veränderung angesichts der Verweisung in § 106 Abs. 2 GWB unmittelbar auch für das deutsche Recht. Der Auftragswert ist vor der Einleitung eines etwaigen Vergabeverfahrens zu schätzen. Ausführliche Bestimmungen zu dieser Schätzung finden sich in den Rechtsverordnungen, beispielsweise in § 3 VgV.

Kein Eingreifen einer Ausnahme nach § 107–109 GWB

Die §§ 107109 GWB enthalten Voraussetzungen, bei deren Erfüllung „dieser Teil“, das heißt der vierte Teil des GWB nicht anwendbar ist. Es kann sich also nach dem bisher Gesagten beispielsweise begrifflich um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb der Schwellenwerte handeln. Dennoch nehmen die Vergaberichtlinien und, darauf beruhend, die §§ 107109 GWB diesen Auftrag von ihrem Anwendungsbereich aus. Allenfalls kommt dann das Haushaltsvergaberecht zur Anwendung.

Allgemeine Ausnahmen nach § 107 GWB

§ 107 GWB nimmt bestimmte öffentliche Aufträge und Konzessionen wegen ihres Vertragsgegenstands vom Vergaberecht aus. Das betrifft vor allem Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken und vorhandenen Gebäuden, Arbeitsverträge sowie solche Verträge, bei denen die Durchführung eines Vergabeverfahrens den Auftraggeber dazu zwingen würde, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland widerspricht.

Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit nach § 108 GWB

Hintergrund der Ausnahmevorschrift

Praktisch besonders bedeutsame Ausnahmen vom Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts finden sich in § 108 GWB. Die Vorschrift erfasst knüpft an die Vertragspartner an und schließt bestimmte Fälle öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit (sogenannte vertikale Inhouse-Geschäfte und horizontale Zusammenarbeit) aus. Ihr liegt folgender Interessenwiderstreit zugrunde:

  • Einerseits soll der Staat bestimmte Tätigkeiten auch dann in der staatlichen Sphäre halten können und nicht funktional privatisieren müssen, wenn die Erledigung der Aufgabe beispielsweise in kommunaler Gemeinschaftsarbeit erfolgen soll (in Nordrhein-Westfalen nach dem GkG NRW). Dahinter steht der Zweck der erfolgreichen Erledigung staatlicher Aufgaben als Teilaspekt des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes in § 97 Abs. 1 S. 2 GWB. Der Begriff des Unternehmens in § 103 Abs. 1 GWB ist aber weit und bezieht auch solche Konstellationen mit ein, in denen zwar formal gesehen ein öffentlicher Auftrag oder eine Konzession vergeben wird, letztlich aber nur staatliche oder staatlich beherrschte Rechtssubjekte beteiligt sind. Greift das Vergaberecht hier ein, ist eine Kommune beispielsweise daran gehindert, ihrer Tochtergesellschaft ohne vorheriges Vergabeverfahren einen Auftrag zu erteilen.

  • Andererseits beteiligten sich staatliche oder staatlich beherrschte Rechtssubjekte teilweise erwerbswirtschaftlich am Markt und treten dabei in den Wettbewerb mit privaten Unternehmen. In dieser Funktion und in diesem Umfang sollen die staatlichen oder staatlich beherrschten Rechtssubjekte gegenüber ihren privaten Wettbewerbern nicht dadurch bevorzugt werden, dass sie vergaberechtsfrei von dem Erhalt eines öffentlichen Auftrags profitieren. Hinter dieser Überlegung stehen die Grundsätze der Chancengleichheit und des Wettbewerbs (§ 97 Abs. 2 und Abs. 1 S. 1 GWB).

Vertikale Inhouse-Geschäfte (§ 108 Abs. 1–5 GWB)

§ 108 Abs. 1–5 GWB erfasst vertikale Inhouse-Geschäfte. Damit gemeint ist die Vergabe öffentlicher Aufträge an und durch kontrollierte juristische Personen. Die kontrollierte juristische Person kann in Nordrhein-Westfalen ein Zweckverband (§§ 4 ff. GkG NRW), ein gemeinsames Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (§§ 27 f. GkG NRW) oder eine juristische Person des Privatrechts sein (§ 1 Abs. 3 GkG NRW). Die Auftragsvergabe von der Mutter an die Tochter nach § 108 Abs. 1 GWB ist der Grundfall. Sie hat folgende drei Voraussetzungen:

  • Der öffentliche Auftraggeber (Mutter) übt über die juristische Person (Tochter) eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen aus (Nr. 1) – das wird nach § 108 Abs. 2 S. 1 GWB vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber (Mutter) einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person (Tochter) ausübt.

  • Mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person (Tochter) dienen der Ausführung von Aufgaben, mit denen sie von dem öffentlichen Auftraggeber (Mutter) oder von einer anderen juristischen Person (Schwester), die von diesem (Mutter) kontrolliert wird, betraut wurde (Nr. 2) – dieses Merkmal stellt sicher, dass die Tochter nicht in einem Umfang von mehr als 20 Prozent am freien Markt tätig ist und dort den Wettbewerb angesichts ihrer durch öffentliche Aufträge gesicherten Finanzierung verfälschen kann.

  • An der juristischen Person (Tochter) besteht grundsätzlich keine direkte private Kapitalbeteiligung (Nr. 3) – dieses Merkmal gewährleistet, dass Private nicht darüber an der vergaberechtsfreien Auftragsvergabe profitieren können, dass sie an der Tochter beteiligt sind.

Beispiel: Schließt eine Gemeinde mit ihrer Stadtwerke-Tochter in der Rechtsform einer GmbH einen Vertrag über die entgeltliche Belieferung mit Strom für alle städtischen Gebäude, handelt es sich um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Ob dieser öffentliche Auftrag nach § 108 Abs. 1 GWB vom Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts ausgenommen ist, bestimmt sich anhand der Umstände des Einzelfalls: Jedenfalls führt eine direkt private Kapitalbeteiligung (GmbH als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen) zur Anwendbarkeit des Vergaberechts; häufig wird eine Stadtwerke-GmbH auch nicht mehr als 80 Prozent ihrer Tätigkeiten gerade für den öffentlichen Auftraggeber erbringen, sondern zu mehr als 20 Prozent auf dem Markt tätig sein und insoweit im Wettbewerb mit anderen Energieversorgungsunternehmen stehen.

Die übrigen Absätze beziehen weitere Konstellationen mit ein und modifizieren die Grundvoraussetzungen jeweils etwas. In § 108 Abs. 2 S. 2 GWB werden Enkel- und Urenkel-Konstellationen einbezogen. § 108 Abs. 3 GWB erfasst die Vergabe öffentlicher Aufträge durch eine kontrollierte juristische Person (Auftragsvergabe von der Tochter an die Mutter) und § 108 Abs. 4 GWB jeweils den Fall, in dem ein öffentlicher Auftraggeber die Kontrolle nicht allein ausübt, sondern gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern (gemeinsame Kontrolle durch mehrere Mütter). 

Horizontale Zusammenarbeit (§ 108 Abs. 6 GWB)

§ 108 Abs. 6 GWB stellt die vertragliche Zusammenarbeit mehrerer öffentlicher Auftraggeber zur Erreichung gemeinsamer Ziele vom Vergaberecht frei. Diese Konstellation unterscheidet sich von den vertikalen Inhouse-Geschäften dadurch, dass sie eine bloße vertragliche Zusammenarbeit mehrerer öffentlicher Auftraggeber ohne Kontrollverhältnis zwischen ihnen voraussetzt. Diese Vorschrift erfasst also unter ihren Voraussetzungen beispielsweise die öffentlich-rechtliche Vereinbarung (Zweckvereinbarung) zwischen Kommunen nach §§ 23 ff. GkG NRW. Auch diese Konstellation unterliegt drei Voraussetzungen:

  • Der Vertrag begründet oder erfüllt eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern, mit der sichergestellt wird, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden (Nr. 1) – es muss also darum gehen, dass die beteiligten öffentlichen Auftraggeber jeweils einen Beitrag zur gemeinsamen Erledigung bestimmter staatlicher Aufgaben erbringen, um insgesamt erfolgreicher oder effizienter zu handeln.

  • Die Durchführung der Zusammenarbeit wird ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt (Nr. 2) – die beteiligten öffentlichen Auftraggeber dürfen also keine kommerziellen Interessen verfolgen.

  • Die öffentlichen Auftraggeber erbringen auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten, die durch die Zusammenarbeit erfasst sind (Nr. 3) – dieses Erfordernis ähnlich wie § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB verhindern, dass die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privaten Unternehmen führt.

Ausnahmen für Vergaben auf der Grundlage internationaler Verfahrensregeln nach § 109 GWB

§ 109 Abs. 1 GWB schließt den Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts schließlich in Fällen aus, in denen öffentliche Aufträge, Wettbewerb oder Konzessionen auf der Grundlage vorrangiger internationaler Verfahrensregeln vergeben werden. Die Vorschrift ist für uns nicht von größerem Interesse.

Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?

  • Nach § 108 GWB sind Verträge zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts immer vom Vergaberecht befreit.
  • Vertikale Inhouse-Geschäfte setzen ein Kontrollverhältnis zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einer anderen juristischen Person voraus.
  • Die auftragnehmende juristische Person bzw. die zusammenarbeitenden öffentlichen Auftraggeber dürfen nur in bestimmtem Umfang entsprechende Tätigkeiten am Markt erbringen, wenn sie über § 108 GWB von einer vergaberechtsfreien Auftragsvergabe profitieren wollen.

Literatur

  • Burgi, Vergaberecht, 3. Auflage 2021, §§ 8–11

  • Gerlach, Kommunale Aufgabenerfüllung und Vergaberecht, VerwArch 2021, 65 ff.

  • Pünder, in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht Band 1, 4. Auflage 2019, § 17 Vergaberecht, Rn. 6–15, 18–82