Fall 1
(leicht vereinfachter Sachverhalt nach BGH NJW 1989, 912 - ,,Katzenkönig-Fall“)
A und Polizist P lebten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben” geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht" zusammen. A gelang es, dem leicht beeinflussbaren P zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen. Später brachte sie den P durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs” zu glauben, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe. P – in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt, aber auch aus Liebe zu A darum bemüht, ihr zu glauben – wähnte sich schließlich auserkoren, den Kampf gegen den “Katzenkönig” aufzunehmen. Als A von der Heirat ihres früheren Freundes F erfuhr, entschloss sie sich aus Hass und Eifersucht, dessen Frau (O) von P – unter Ausnutzung seines Aberglaubens – töten zu lassen. A spiegelte dem P vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange der „Katzenkönig” ein Menschenopfer in der Gestalt der Frau O; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen und die Menschheit oder Millionen von Menschen würden vom „Katzenkönig” vernichtet. P, der erkannte, dass das Mord sei, suchte auch unter Berufung auf das fünfte Gebot vergeblich nach einem Ausweg. A wies stets darauf hin, dass das Tötungsverbot für ihn nicht gelte, „da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten”. Nachdem er A „unter Berufung auf Jesus” hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, dass bei Bruch des Schwurs seine „unsterbliche Seele auf Ewigkeit verflucht" sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen ab”, die er „durch das Opfern von Frau O” retten könne. An einem Abend suchte P Frau O in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend dem ihm von A gegebenen Rat stach P mit einem ihm zu diesem Zweck von A überlassenen Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen Frau O in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. O kommt ums Leben. P ist davon ausgegangen, dass das Tötungsverbot für ihn nicht galt und hatte kein Bewusstsein, dass er mit der Tötung der O die staatliche Rechtsordnung verletzt.
Wie haben sich A und P strafbar gemacht? § 211 StGB ist nicht zu prüfen! Es ist davon auszugehen, dass P uneingeschränkt schuldfähig war.
Fall 2
M und F sind frischgebackene Eltern eines Zwillingspaars. Während der Zwillingsbruder A ein sehr ruhiges und stilles Baby ist, geht der Zwillingsbruder B durch sein häufiges Weinen und Schreien den Eltern auf die Nerven. F, die wegen der schlaflosen Nächte mit ihren Nerven am Ende ist, entschloss sich, den B aus dem Weg zu räumen, um wieder zu ihrer inneren Ruhe und durchgeschlafenen Nächten zu kommen. Sie mischt heimlich ein tödliches Gift in die Babymilch, überreicht die Babyflasche dem ahnungslosen M und bittet ihn, den B zu füttern. M verwechselt die Zwillinge und füttern den A, der durch die Wirkung des Giftes verstirbt.
Prüfen Sie die Strafbarkeit der Beteiligten nach § 212 Abs. 1 StGB.
Fall 3
(angelehnt an BGH NJW 1982, 1164)
A wollte seinen Nebenbuhler N aus Eifersucht töten. Er entschloss sich, die Tat durch einen Dritten – den B – ausführen zu lassen. B sollte über die Tötungsabsicht des A im Unklaren bleiben, durch die Aussicht auf hohe Beute für einen Raubüberfall geködert werden und sich bei der Tatausführung unwissentlich eines tödlichen Mittels bedienen. Im Dezember 1980 übergab A dem B eine Plastikflasche, die angeblich ein Schlafmittel, in Wirklichkeit aber mindestens 100 ml 35%-ige Salzsäure enthielt, die bei Aufnahme von 20 ml in den leeren Magen mit Sicherheit tödlich wirkt. B sollte alsbald den N überfallen, ihm – notfalls mit Gewalt – das angebliche Schlafmittel verabreichen und ihn dann berauben. Unterwegs öffnete B aus Neugierde den Schraubverschluss der Flasche. Der ätzende Geruch, der ihm beinahe den Atem nahm, machte ihm klar, dass es sich nicht um ein Schlafmittel, sondern um eine gefährliche Säure handelt. B nahm daraufhin von der Tat Abstand.
Hat sich A wegen versuchten Totschlags in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB strafbar gemacht?