Henrike von Scheliha Familienrecht Licensed under CC-BY-4.0

3 Eheschließung und Eheaufhebung

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Eheschließung (§§ 13101312 BGB)

Eine Ehe im Rechtssinne wird nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen (§ 1310 Abs. 1 S. 1 BGB). Darin kommt der Grundsatz der obligatorischen Zivilehe zum Ausdruck.

Eine kirchliche Trauung kann zwar auch schon vor der rechtlichen Eheschließung durchgeführt werden (anders bis zum 1.1.2009: Ordnungswidrigkeit gemäß § 67 PStG a.F.), begründet aber keine Ehe, sondern eine nichteheliche Lebensgemeinschaft (dazu noch FamR 6).

Zum Aufbau der §§ 1303 ff. BGB:

Die wichtigste Voraussetzung der Eheschließung resultiert aus § 1310 BGB (Mitwirkung des Standesbeamten), während ein Verstoß gegen die in §§ 1303 ff. BGB geregelte Ehemündigkeit, gegen die in §§ 1306 ff. BGB formulierten Eheverbote und gegen das Erfordernis persönlicher, unbedingter und unbefristeter Erklärung (§ 1311 BGB) lediglich zur Aufhebbarkeit der Ehe führen (§§ 1313 ff. BGB). Dies klingt im Wortlaut der §§ 1306 ff. BGB zwar anders („kann nicht“, „darf nicht“, „soll nicht“…), ergibt sich aber aus § 1314 Abs. 1 BGB.

Weitere Aufhebungsgründe sind enthalten in § 1314 Abs. 2 BGB.

§§ 1303 ff., 1313 ff. BGB regeln die Beachtlichkeit und die Rechtsfolgen von Willensmängeln, Formverstößen und anderen Unwirksamkeitsgründen abschließend. §§ 104 ff., 116 ff., 119 ff. BGB sind daneben nicht anwendbar!

Ehe und Nichtehe

Die Ehe wird durch Erklärung vor dem Standesbeamten (§ 1310 Abs. 1 S. 1 BGB) geschlossen (= Ehekonsens).

Unterscheide also den in § 1310 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Ehekonsens, also das beiderseitige Einverständnis mit der Eheschließung, vom sog. Ehevertrag (§ 1414 BGB). Damit ist ein Vertrag der Ehegatten gemeint, in dem sie ihre vermögensrechtlichen Beziehungen regeln, z.B. ihren Güterstand während der Ehe bestimmen („Gütertrennung“ vereinbaren).

Eine ohne Mitwirkung eines Standesbeamten geschlossene „Ehe“ ist nicht gültig (= Nichtehe).

Möglich ist aber eine Heilung gemäß § 1310 Abs. 3 BGB, z.B. wenn später eine Erklärung über die Bestimmung des Ehenamens eingetragen wird (§§ 1310 Abs. 3 Nr. 3, 1355 Abs. 3 BGB). – Für die Eingehung einer Lebenspartnerschaft fehlt eine solche Heilungsmöglichkeit (siehe § 1 LPartG). Sollte § 1310 Abs. 3 BGB auf Lebenspartnerschaften analog angewendet werden? Bejahend etwa noch MünchKommBGB/Wacke 7. Aufl. 2017 § 1 LPartG Rn. 2, dagegen Gernhuber/Coester-Waltjen FamR § 41 Rn. 4 f.

Bis zum Jahr 2017 lag darüber hinaus eine Nichtehe vor, wenn die Erklärenden nicht geschlechtsverschieden waren (vgl. BVerfG FamRZ 1993, 164, 168). Ausdrücklich ergab sich das Erfordernis der Geschlechtsverschiedenheit indes nicht aus den §§ 1303 ff. BGB: Es war dem Gesetzgeber des BGB so selbstverständlich, dass eine ausdrückliche Anordnung entbehrlich schien.

Hinweis: Es mag erstaunen, dass gerade die selbstverständlichen Grundannahmen wie z.B. die Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten („eine Ehe kann nur aus Mann und Frau bestehen“) oder die Anzahl der Eltern („ein Kind kann nur einen Vater und eine Mutter haben“) nicht ausdrücklich im BGB niedergelegt sind, sondern nur indirekt hinter den Regelungen durchschimmern. Umso schwieriger ist es allerdings, solche ungeschriebenen Grundannahmen in Zweifel zu ziehen. Häufig errichten gerade solche ungeschriebenen Grundannahmen äußerst wirksame Denk- und Diskursgrenzen, und häufig bezeichnet der Moment, in dem sie geregelt werden, den Moment, in dem sie ins Wanken geraten. Ein Beispiel hierfür ist die Regelung der Mutterstellung (§ 1589 BGB) gerade zu dem Zeitpunkt, als sich der Gesetzgeber gegen Leihmutterschaft wandte und sicherstellen wollte, dass stets die Geburtsmutter und nicht eine von ihr verschiedene „Wunschmutter“ als Mutter angesehen werden könne. Dazu noch im Verlauf der Vorlesung.

Mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 ist dieses ungeschriebene Wirksamkeitserfordernis aufgegeben worden. Die „Öffnung der Ehe“ ist allerdings nicht in §§ 1303 ff. BGB, sondern in § 1353 BGB angeordnet: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts geschlossen.“

Vertiefungsfragen: Was sagt der Gesetzgebungsprozess und der Regelungsstandort über das rechtspolitische Klima und die deutsche Rechtskultur aus? Warum heißt es nicht „Die Ehe wird von zwei Personen geschlossen“? Wäre nicht auch denkbar gewesen, gleichgeschlechtlichen Paaren neben der Ehe auch – wie schon seit 2001 – nach wie vor die eingetragene Lebenspartnerschaft zu eröffnen? Welche Rolle spielten ausländische Rechtsentwicklungen, etwa die vorangegangene Öffnung der Ehe in Frankreich, Spanien, Niederlande, Belgien (dazu Röthel IPrax 2002, 496 ff.), für das deutsche Recht? Steht die Öffnung der Ehe in Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 GG? Enthält Art. 6 Abs. 1 GG mit dem Schutzgebot eigentlich auch ein Abstandsgebot? Oder kann sich der verfassungsrechtliche Ehebegriff wandeln? Zu einigen dieser Fragen Röthel FamRZ 2015, 1241 ff.; Dethloff FamRZ 2016, 351 ff.

Aufhebbare Ehe

Eine vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe kann ex nunc gerichtlich (§ 1313 BGB) aufgehoben werden, wenn ein Aufhebungsgrund besteht. Die Aufhebungsgründe sind abschließend in § 1314 BGB aufgezählt:

Verstoß gegen ein Eheverbot (§§ 1306, 1307 BGB)

In §§ 1306, 1307 BGB zeigt sich am deutlichsten der institutionelle Charakter der Ehe im deutschen Recht: Die Ehe hängt neben dem Konsens der Ehegatten von anderen Voraussetzungen (keine Verwandtschaft, keine bestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft mit einer anderen Person) ab.

Aus verfassungsrechtlicher Perspektive schränken die zivilrechtlichen Eheverbote die grundrechtlich geschützte Eheschließungsfreiheit, also den Zugang zum Rechtsinstitut der Ehe ein (Art. 6 Abs. 1 GG). Sie müssen sich daher als verfassungsmäßige Wahrnehmung des gesetzlichen Ausgestaltungsspielraums rechtfertigen lassen; weitere verfassungsrechtliche Grenzen ergeben sich aus Art. 3 GG. Inzwischen sind die Eheverbote stark reduziert und um Befreiungsmöglichkeiten (§ 1308 Abs. 2 BGB) ergänzt worden.

Beispiel: Max will seinen Lieblingscousin C heiraten. Ist das möglich? – Ja, § 1307 BGB steht nicht entgegen, da M und C nicht in gerader Linie verwandt sind (§ 1589 Abs. 1 S. 1 BGB), denn sie stammen nicht voneinander ab.

Vertiefungshinweis: § 1306 BGB steht einer Eheschließung zwischen Personen, die miteinander zuvor eine Lebenspartnerschaft geschlossen haben, nicht entgegen. Dazu kann es kommen, wenn einer der Lebenspartner nach Eingehen der Lebenspartnerschaft seine personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung ändert. Nicht gesetzlich geregelt ist, wie sich eine solche nachfolgende Eheschließung auf die Lebenspartnerschaft auswirkt. Nach OLG Nürnberg NJW 2016, 155 ff. führt die Eheschließung zum automatischen Erlöschen der Lebenspartnerschaft (Gedanke der Konsumtion), ohne dass es eines besonderen Aufhebungsverfahrens bedürfe. Auf diese Weise lässt sich erreichen, dass Ehe und Lebenspartnerschaft nicht nebeneinander bestehen, sondern einander stets ausschließen (Rechtsklarheit).

Verstoß gegen § 1311 BGB

Die Eheschließungserklärungen sind persönlich, bei gleichzeitiger Anwesenheit und unbedingt und unbefristet zu erklären.

Beispiel: M und F erklären vor der Standesbeamtin S, für den Fall, dass M zum Buddhismus konvertiere, die Ehe eingehen zu wollen. Die S verweigert die Eintragung der Ehe. F will dagegen vorgehen. Wie ?

F könnte beim Amtsgericht beantragen, dass das Standesamt gerichtlich angewiesen wird, die Eintragung vorzunehmen (§ 49 Abs. 1 PStG). Dieser hätte aber keinen Erfolg, weil die S sich zu Recht weigert (Verstoß gegen § 1311 S. 2 BGB – Vermeidung einer aufhebbaren Ehe, § 13 Abs. 2 PStG).

Abgrenzung: M und F erklären vor der Standesbeamtin S, die Ehe eingehen zu wollen. Insgeheim sind sie aber darüber einig, die Ehe nur für den Fall zu wollen, dass die ausländerrechtliche Duldung des M als iranischer Staatsbürger nicht verlängert wird. Als die Duldung des M doch verlängert wird, steht der F auf dem Standpunkt, dass die Ehe also „hinfällig“ sei. M meint, dann müsse er sich scheiden lassen. Wer hat Recht?

Es handelt sich nicht um eine Nichtehe, da die Voraussetzungen des § 1310 BGB eingehalten sind. Es könnte sich aber um eine aufhebbare Ehe handeln (§ 1313 BGB). Aufhebungsgrund könnte ein Verstoß gegen § 1311 S. 2 BGB sein. Allerdings wurde die Bedingung nicht vor der S erklärt, sondern war nur Inhalt eines „geheimen Vorbehalts“ i. S. des § 117 BGB. Daraus würde eigentlich die Nichtigkeit der Erklärungen folgen. Aber: § 117 BGB wird verdrängt durch §§ 1313 ff. BGB als leges speciales. Der geheime Vorbehalt könnte aber den Aufhebungsgrund des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB („Scheinehe“) erfüllen. Dazu müssten beide Ehegatten darüber einig gewesen sein, keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft begründen zu wollen. Das erscheint hier zweifelhaft, denn sie wollten immerhin für eine bestimmte Zeit solche Verpflichtungen begründen („Ehe auf Zeit“). Jedenfalls: Ausschluss der Aufhebung gemäß § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BGB, da die Ehegatten nach der Eheschließung – wie lang auch immer – als Ehegatten, d.h. in ehelicher Lebensgemeinschaft i. S. von § 1353 BGB, miteinander gelebt haben. Ergebnis: M hat Recht, F muss sich scheiden lassen.

Abwandlung:

Nehmen wir einmal an, M und F hätten tatsächlich vor der Standesbeamtin erklärt, ihre Ehe zunächst einmal für zwei Jahre schließen zu wollen („Ehe auf Probe“), und die Standesbeamtin hätte das „mitgemacht“. Der Ehekonsens würde dann gegen § 1311 S. 2 BGB verstoßen. Über die Rechtsfolgen ist man sich in diesem – akademischen – Fall uneinig: Ist die Ehe dann entsprechend dem Willen der Erklärenden als „Ehe auf Zeit“ geschlossen worden, aber auf Antrag der Beteiligten oder der zuständigen Behörde (§ 1315 Abs. 1 S. 1 BGB) aufhebbar? Oder ist nur die Befristung unwirksam, so dass den Eheschließenden, die eigentlich eine befristete Ehe gewünscht hatten, nur die Möglichkeit bleibt, sich hiervon durch Aufhebung zu lösen? Oder sollte man sogar die Aufhebungsmöglichkeit ganz ausschließen, und die Beteiligten auf die Scheidung verweisen (so Gernhuber/Coester-Waltjen § 12 Rn. 6 für die Ehe und § 41 Rn. 4 für die Lebenspartnerschaft; a.A. etwa MünchKommBGB/Wellenhofer § 1314 Rn. 2); zum Ganzen Röthel, Familienrechtliche Rechtsgeschäfte (Teil I), JURA 2017, 641 ff.

Fehlende Ehegeschäftsfähigkeit (§§ 1314 Abs. 1, 1303 f. BGB)

Nicht ehefähig ist, wer geschäftsunfähig ist (§§ 1304, 104 BGB). Abweichend von den allgemeinen Regeln ist die Ehe aber nicht unwirksam (§ 105 Abs. 1 BGB), sondern lediglich aufhebbar (§ 1314 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Hinweis: Der Wortlaut des § 1304 BGB täuscht also. Auch wer geschäftsunfähig ist, kann eine Ehe eingehen. Konsequenz ist keine Nichtehe, sondern eine aufhebbare Ehe!

Gleiches gilt, wenn sich ein Ehegatte bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit etc. befand (§ 1314 Abs. 2 BGB anstatt § 105 Abs. 2 BGB). Die Ehe ist nicht aufhebbar, wenn der Betroffene nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit bzw. der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will (= Bestätigung, § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3 BGB).

Beispiel: Als M und F die Eheschließung vor der Standesbeamtin erklären, ist M – für Dritte unerkennbar – volltrunken. Als F wenige Wochen später von der Alkoholsucht des M erfährt, kommt es zu Diskussionen. M meint, F müsse jetzt zu ihr halten: „Ehe ist Ehe“. F hält es aber nur noch sechs Wochen aus, bevor sie sich anwaltlichen Rat sucht. Was ist zu tun?

Nichtehe? (-), weil kein Verstoß gegen § 1310 BGB. Die Ehe wurde vor dem Standesbeamten geschlossen.

Aufhebbare Ehe? Aufhebungsgrund der Geschäftsunfähigkeit (§§ 1304, 1314 Abs. 1 BGB) (-), weil dies einen dauernden Zustand voraussetzt (§ 104 Nr. 2 BGB). Aufhebungsgrund der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 1314 Abs. 2 Nr. 1 BGB) hier (+). Aber Bestätigung durch M (!) gemäß § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB? Bestätigung wird hier weit, d.h. anders als bei § 141 BGB verstanden. Gemeint ist jedes Verhalten, durch das der Betroffene zu erkennen gibt, den Aufhebungsgrund auf sich beruhen zu lassen, hier (+), jedenfalls durch die Äußerung „Ehe ist Ehe“.

Eine Art „beschränkte Ehefähigkeit“ gibt es nicht, da die Eheschließung höchstpersönlicher Natur ist und daher einer Stellvertretung entgegensteht (vgl. § 1311 S. 1 BGB).

Vertiefungshinweis: Bis zum Jahr 2017 konnte eine Ehe allerdings unter Beteiligung eines 16jährigen geschlossen werden, wenn das Familiengericht von dem Erfordernis der Volljährigkeit eine Befreiung erteilt hatte (§ 1303 Abs. 2 BGB a.F.). Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen ist diese Befreiungsmöglichkeit abgeschafft worden. Jetzt gilt vielmehr: Eine Ehe unter Beteiligung eines Ehegatten, der noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hat, ist eine Nicht-Ehe, also nichtig (vgl. § 1303 S. 2 BGB: „kann nicht wirksam eingegangen werden“). Eine Ehe, die entgegen § 1303 S. 1 BGB unter Beteiligung einer Person, die das 16., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist dagegen wirksam, aber aufhebbar (§ 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Siehe ergänzend auch das Trauungsverbot in § 11 Abs. 2 PStG. Danach sind religiöse oder traditionelle Handlungen, die darauf gerichtet sind, eine der Ehe vergleichbare dauerhafte Bindung zweier Personen zu begründen, verboten, wenn eine davon das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Diese Regelung soll ebenfalls der Bekämpfung von Kinderehen und Zwangsheiraten dienen.

Verständnisfrage: Warum soll es für die Aufhebbarkeit bzw. Wirksamkeit einer Ehe entscheidend sein, dass zumindest ein Ehegatte volljährig ist? Es soll verhindert werden, dass keiner der Ehegatten Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs für die Familie selbständig tätigen kann und dass für gemeinsame Kinder ein Vormund bestellt werden müsste (§§ 1673, 1773 Abs. 1 BGB).

Irrtum (§ 1314 Abs. 2 Nr. 2 BGB)

Abweichend von § 119 BGB ist nur eine einzige Art von Irrtum relevant: Die Ehe ist aufhebbar, wenn einer der Ehegatten bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich bei dem Vorgang um eine Eheschließung handelt.

Beispiel: M und F erklären vor der Standesbeamtin S die Eheschließung. F denkt, es handelt sich um eine Generalprobe für die eigentliche Eheschließung, die für den Herbst geplant ist.

Unbeachtlich ist ein Erklärungsirrtum dergestalt, dass der Ehegatte zwar gewusst hat, an einer Eheschließung teilzunehmen, aber eine Ehewillenserklärung nicht hat abgeben wollen (kritisch Schwab FamR Rn. 82). Schließlich ist jede Form von Motivirrtum unbeachtlich, auch über wesentliche Eigenschaften des anderen Teils. Darin lag vorher der praktisch wichtigste Anwendungsbereich der Eheaufhebung. In einigen Fällen kann sich dann ein Aufhebungsgrund wegen arglistigen Verschweigens ergeben (dazu sogleich), ansonsten ist der Ehegatte auf die Scheidung verwiesen.

Arglistige Täuschung und Drohung (§ 1314 Abs. 2 Nr. 3, 4 BGB)

Abermals gilt: § 123 BGB ist verdrängt durch die speziellen Regeln des Eherechts. Gegenüber § 123 BGB sind die Aufhebungsgründe z.T. enger gefasst. Auch berechtigt eine Täuschung durch Dritte nur dann zur Aufhebung, wenn der andere Ehegatte die Täuschung kannte (= positive Kenntnis); grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht (anders § 123 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB).

Beachtlich ist nur eine Täuschung über objektiv erhebliche Umstände (§ 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Ein früher praktisch häufiger Fall – die Vorspiegelung falscher Vermögensverhältnisse – berechtigt nicht zur Aufhebung der Ehe. Außerdem ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn der getäuschte bzw. bedrohte Ehegatte zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will (§ 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB). Der Aufhebungsantrag kann nur innerhalb eines Jahres gestellt werden (§ 1317 Abs. 1 S. 1 BGB).

Fortsetzung Beispiel: Denkbar ist noch der Aufhebungsgrund der arglistigen Täuschung (§ 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB), weil M die F nicht über seinen Alkoholismus aufgeklärt hat (Täuschung durch Verschweigen, Arglist, Kausalität, Erheblichkeit). Bestätigung gemäß § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB? Argumentationssache: Stellt man darauf ab, dass F nur „versuchsweise“ mit M zusammengeblieben ist, liegt darin keine Bestätigung. Allerdings hat F zunächst zu erkennen gegeben, dass sie die Ehe fortsetzen will. Das Bedürfnis nach einer „Ehe auf Zeit“ ist nicht schutzwürdig (arg. Scheinehe, § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Demnach bleibt F nur, einen Scheidungsantrag zu stellen. Die Ehe wird geschieden, wenn sie „zerrüttet“ ist. Dazu bedarf es einer Trennung der Ehegatten (Getrenntleben); Einzelheiten später.

Aufhebung der Ehe

Die Aufhebung der Ehe ist eine Form der Auflösung der Ehe mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc, § 1313 S. 1 BGB). Im Übrigen wird die Ehe durch Scheidung und durch Tod aufgelöst.

Aufhebung und Scheidung führen beide zu einer Beendigung der Ehe ex nunc. Die Unterschiede liegen in den weiteren Rechtsfolgen: Bei der aufhebbaren Ehe gilt das Verschuldensprinzip, d.h. nur derjenige Ehegatte ist unterhaltsberechtigt, der die Aufhebbarkeit nicht kannte oder getäuscht worden ist (§ 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Zuständig ist das Familiengericht (§§ 111 Nr. 1, 121 Nr. 2 FamFG). Wesentliche Rechtsfolge der Aufhebung ist die Auflösung der Ehe für die Zukunft. Darüber hinaus können sich – ähnlich der Scheidung – weitergehende, „nachwirkende“ Rechtsfolgen ergeben (siehe § 1318 BGB, Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich, Zuweisung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen); näher Schwab FamR Rn. 100 ff.

Exkurs: Eheschließung und NS-Unrecht

Näher: Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 7. Aufl. 2012, S. 400-413; Schwab, Entwicklungen im Familienrecht vor und nach 1945, in: Görtemaker/Safferling (Hrsg.), Die Rosenburg, 2013, S. 300-326.