Überblick
In § 244 Abs. 1 und Abs. 4 StGB sind Begehungsweisen des Diebstahls geregelt, die der Gesetzgeber als besonders gefährlich ansieht und für die er deshalb einen verschärften Strafrahmen anordnet. Es handelt sich bei der Norm um einen Qualifikationstatbestand, der anders als der besonders schwere Fall des Diebstahls iSv § 243 StGB (näher → § 2) nicht nur die Rechtsfolgen des § 242 StGB modifiziert, sondern einen eigenständigen Straftatbestand bildet. Dementsprechend sind die Tatbestandsmerkmale von § 244 Abs. 1 und Abs. 4 StGB im juristischen Gutachten auf der Ebene des Tatbestandes und nicht erst bei der Strafzumessung zu erörtern. Dasselbe gilt für den Tatbestand des schweren Bandendiebstahls iSv § 244a StGB, der den Qualifikationstatbestand des einfachen Bandendiebstahls iSv § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB seinerseits nochmals qualifiziert.
Anders als bei § 243 StGB, wo auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls oder wegen der Geringwertigkeits-Klausel in § 243 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Fall des Diebstahls ausnahmsweise verneint werden kann, obwohl ein Regelbeispiel iSv § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1-7 StGB erfüllt ist (→ § 2 Rn. 6), ist der verschärfte Strafrahmen des § 244 StGB bzw. von § 244a StGB grundsätzlich zwingend anzuwenden, wenn die Voraussetzungen von §§ 244 Abs. 1, 244a Abs. 1 StGB erfüllt sind. Insbesondere kennen die §§ 244, 244a StGB keine Geringwertigkeits-Klausel wie in § 243 Abs. 2 StGB. Allerdings besteht nach §§ 244 Abs. 2, 244a Abs. 2 StGB zumindest für Taten nach §§ 244 Abs. 1, 244a Abs. 1 StGB (und damit nicht für Taten iSv § 244 Abs. 4 StGB
Klausurhinweis: In der Klausur entstehen häufig Schwierigkeiten, wenn sowohl § 243 Abs. 1 S. 2 StGB als auch §§ 244, 244a StGB in Betracht kommen. Hier ist es besonders wichtig, das Konkurrenzverhältnis beider Normen zu kennen und daraus die richtigen Schlüsse für den Prüfungsaufbau zu ziehen. Dazu ausführlich unter → Rn. 72 ff.
In Teilen (!) ist § 244 StGB fast inhaltlich identisch mit § 250 StGB: § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und lit. b) StGB und § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist fast wortgleich zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Rechtsprechung und Literatur sind zumeist gegenseitig übertragbar. Da eine Verwirklichung von §§ 242, 244 StGB durch die Verwirklichung §§ 249, 250 StGB verdrängt wird (→ Rn. 81), sollten (wenn der Sachverhalt für einen möglichen Raub etwas hergibt) die §§ 249, 250 StGB zuerst geprüft werden.
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand der §§ 244, 244a StGB weist die folgende Struktur auf:
In § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB ist der Diebstahl mit Waffen und anderen gefährlichen Werkzeugen geregelt (→ Rn. 6 ff.).
§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB betrifft den Diebstahl mit sonstigen Werkzeugen und Mitteln, die den Widerstand einer anderen Person durch qualifizierte Nötigung verhindern oder überwinden sollen (→ Rn. 28 ff.).
§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB enthält den Bandendiebstahl, der durch den schweren Bandendiebstahl gem. § 244a Abs. 1 StGB seinerseits qualifiziert wird (→ Rn. 37 ff.).
In § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat der Gesetzgeber den Wohnungseinbruchsdiebstahl geregelt, dessen Spezialfall der Privatwohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 4 StGB ist (→ Rn. 58 ff.).
Diebstahl mit Waffen und anderen gefährlichen Werkzeugen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB)
§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB qualifiziert den Diebstahl in Fällen, in denen der Täter bei der Wegnahme einer Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Der Grund für die dadurch erzeugte Strafschärfung liegt in der abstrakten Gefahr, dass der mitgeführte Gegenstand bei der Tatbegehung zum Einsatz kommen und dabei Leib und Leben von Menschen beeinträchtigen könnte.
Begriff der Waffe
Eine Waffe ist ein Gegenstand, der objektiv gefährlich und zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen geeignet und bestimmt ist.
Der Begriff der Waffe wird auf Basis der vorstehenden Definition herrschend strafrechtsautonom, d. h. unabhängig von den Wertungen des Waffenrechts verstanden. Ein Unterschied ergibt sich hier insbesondere bei bloßen Anscheinswaffen (zB einer täuschend echt wirkenden Spielzeugwaffe), die zwar nach § 42a Abs. 1 Nr. 1 WaffG dem verwaltungsrechtlichen Waffenregime unterliegen, mangels Gefährlichkeit aber nicht unter § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB, sondern höchstens unter § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB fallen (dazu → Rn. 32).
Mit Blick auf Sinn und Zweck von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB, der auf die abstrakte Gefahr des Waffeneinsatzes abhebt, setzt eine Subsumtion unter den Begriff der „Waffe“ voraus, dass der betroffene Gegenstand gebrauchs- und einsatzbereit ist oder vom Täter ohne großen Aufwand einsatzbereit gemacht werden könnte. Umstritten ist, wann man bei Schusswaffen von einer Einsatzbereitschaft sprechen kann: Muss die Waffe dafür geladen sein
Der BGH hat sich zu der Frage noch nicht eindeutig geäußert. Zwar besagt BGHSt 45, 249 f., dass eine ungeladene Schusswaffe, deren Munition der Täter in der Jackentasche mit sich führt, nicht § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt, lässt jedoch anklingen, dass trotzdem der § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB entsprechende § 250 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB erfüllt sein kann.
Klausurhinweis: Selbst wenn man § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 1 StGB bei ungeladenen Schusswaffen verneint, kann § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 2 StGB erfüllt sein, wenn der Täter die Waffe als Schlagwerkzeug einzusetzen plant, oder § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB, wenn der Täter mit der Waffe drohen will.
Nach Rechtsprechung des BGH sind auch funktionsfähige und geladene Gaspistolen als Waffe einzustufen, wenn das verschossene Gas durch den Lauf nach vorn austritt und daher erhebliche Verletzungen herbeiführen kann, wenn die Waffe zB nah am Kopf des Opfers abgefeuert wird.
Beides – also die Subsumtion von sowohl Gas- als auch Schreckschusspistolen – unter den Begriff der Waffe ist zweifelhaft,
Begriff des gefährlichen Werkzeugs
Erhebliche Schwierigkeiten wirft der in § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 2 StGB enthaltene Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ auf, den der Gesetzgeber im Zuge des 6. Strafrechtsreformgesetzes im Jahr 1998 in das Gesetz aufgenommen hat. Zur Auslegung des Begriffs verweist die Gesetzesbegründung dabei auf den gleichlautenden Begriff in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Diese Auslegungsanweisung ist jedoch wenig hilfreich. Denn bei der gefährlichen Körperverletzung muss der Täter das Werkzeug tatsächlich einsetzen, sodass dort berechtigterweise darauf abgestellt wird, ob der Täter den betroffenen Gegenstand im Einzelfall in abstrakt gefährlicher Weise einsetzt. Im Rahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB genügt es nach dem Wortlaut aber im Unterschied zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass der Täter (oder ein anderer Beteiligter) das Werkzeug ohne jede Verwendung lediglich bei sich führt. Hat der Täter das Werkzeug aber noch nicht hervorgeholt, lässt sich anhand der Maßstäbe des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch nicht ermitteln, ob das Werkzeug für einen gefährlichen Zweck verwendet werden wird.
Um die Frage, wie dieser Konstruktionsfehler des Gesetzgebers auszubessern ist, rankt sich seit Jahrzehnten eine sehr unübersichtliche Diskussion, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Insbesondere hat sich auch in der Rechtsprechung zwar eine gewisse Tendenz, aber keine wirklich einheitliche Linie gebildet. In einer juristischen Prüfung ist es unmöglich, die Vielfalt der Lösungsvorschläge abzubilden und zu diskutieren. Man sollte sich in einer juristischen Prüfung daher darauf beschränken, die folgenden Grundkonzepte zu erörtern:
Abstrakt-objektiver Ansatz (herrschende Tendenz in der Rechtsprechung)
Die weitest denkbare Auslegung des Begriffs des gefährlichen Werkzeugs ist eine abstrakt-objektive Betrachtung, bei der es lediglich darauf ankommt, ob ein Werkzeug im Falle seines Einsatzes gegen Personen auf Grund seiner objektiven Beschaffenheit die Eignung besitzt, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, und deshalb die latente Gefahr seines Gebrauchs hervorruft. Subjektive Elemente (also zB ob der Täter plant, den Gegenstand auch wirklich als Angriffswerkzeug gegen Menschen einzusetzen), sind dabei irrelevant. Nach dieser Auffassung, der insbesondere der BGH zuneigt, fallen auch Alltagsgegenstände unter § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 2 StGB.
Beispiel: T stiehlt aus einem Supermarkt eine Packung Kondome, weil ihm der Erwerb peinlich ist. In seiner Brusttasche hat er – wie stets – ein klappbares Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 9 cm dabei.
Da man mit einem Taschenmesser, wie T es im Beispielfall mit sich führt, theoretisch erhebliche Verletzungen bei einem Menschen herbeiführen kann, muss der Sachverhalt bei rein abstrakt-objektiver Betrachtung unter § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 2 StGB gefasst werden, wenn man nicht in dubio pro reo den Vorsatz mit dem Argument verneinen will, dass dem Täter im Tatzeitpunkt gar nicht mehr bewusst war, dass er das Messer in der Tasche hat (zur Vorsatzprüfung näher → Rn. 68). Auch diese Einschränkungsmöglichkeit ist allerdings verbaut, wenn feststeht, dass der Täter das Werkzeug noch kurz vor der Tat eingesetzt hat (etwa um sich einen Apfel zu schälen) oder es sogar bei der Tatbegehung als Werkzeug benutzt.
Beispiel: T stiehlt aus dem Garten seines Nachbarn eine Rose, die er mit einer Heckenschere abschneidet.
Der hohe Strafrahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB ist in solchen Fällen häufig unverhältnismäßig. Insbesondere bei Berufswaffenträgern (Beispiel: Ein Polizist entwendet in der Dienstpause eine Dose Cola aus einem Supermarkt und hat dabei seine Dienstwaffe im Holster) werden Einschränkungen gefordert.
Alternative objektive Betrachtungsweisen
Auch im Schrifttum sind Definitionen des gefährlichen Werkzeugs vorgeschlagen worden, die grundsätzlich auf die objektive Beschaffenheit des Werkzeugs abstellen. Manche fragen dabei danach, ob das Werkzeug eine waffenähnlichen Gefährlichkeit hat und ihm bei wertender Betrachtung eine Waffenersatzfunktion zukommt.
Anwendungsbeispiel: T führt bei einem Diebstahl ein Brecheisen mit sich. Während die Literaturansicht, die auf die waffenähnliche Gefährlichkeit des Gegenstands abstellt, wohl (eindeutig ist das nicht) dazu kommen dürfte, dass es sich bei dem Brecheisen um ein gefährliches Werkzeug handelt, müsste der situationsbezogene Ansatz die Gefährlichkeit ablehnen, weil das Eisen nur als Werkzeug verwendet wurde.
Konkret-subjektive Betrachtungsweise
Eine konkret-subjektive Betrachtungsweise schließlich bezieht in Anlehnung an die ursprüngliche Gesetzesbegründung zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB eine Verwendungskomponente in die Definition mit ein. Sie fragt danach, ob der Täter dem Werkzeug in einer Art Widmungsakt die Eigenschaft eines gefährlichen Tatmittels verliehen hat.
Vertiefungshinweis: Innerhalb des Lagers der konkret-subjektiven Betrachtungsweise ist wiederum umstritten, ob der Täter sein Werkzeug speziell zur Verletzung eines Menschen widmen muss
Stellungnahme
In juristischen Prüfungssachverhalten führen die skizzierten Auslegungsmöglichkeiten üblicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass eine Stellungnahme verfasst werden muss.
Zu überlegen ist allerdings, ob man nicht den auf § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB bezogenen Vorsatz verneinen kann, s. dazu → Rn. 68. Wenn der Vorsatz fehlt, kann offengelassen werden, welcher Auffassung man folgt. Dieses Vorgehen ist in einer Klausur aber nur dann zu empfehlen, wenn Zeitnot herrscht oder der Sachverhalt sehr deutlich macht, dass der subjektive Tatbestand nicht erfüllt ist.
Eigentlich sprechen dabei die besseren Argumente für eine konkret-subjektive Betrachtungsweise. Denn die Gefährlichkeit eines Gegenstands, der mehr als eine Verwendungsmöglichkeit hat, kann überhaupt nur über die Verwendungsbestimmung eingeschätzt werden. Die objektiven Ansichten hingegen führen zu kaum vorhersehbaren Ergebnissen und missachten die durch das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) gestellten Anforderungen. Anders als von den Befürwortern der objektiven Betrachtungsweise behauptet,
Trotz guter Argumente gegen die objektive Bestimmung der Gefährlichkeit eines Werkzeugs hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich für eine solche Betrachtung ausgesprochen, ohne dabei allerdings einer speziellen Spielart dieser Position den Vorzug zu geben. Wörtlich heißt es in BT-Drucks. 17/4143, S. 7:
„§ 244 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StGB [...] [stellt] allein das Mitsichführen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges beim Diebstahl unter erhöhte Strafandrohung [...], was dazu führt, dass vom Anwendungsbereich des § 244 StGB unter Umständen auch Taten erfasst werden, die nur einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen. Schwierigkeiten bereitet insbesondere das Beisichführen von Alltagsgegenständen, von denen viele auch als Mittel zur Gewaltanwendung oder -androhung eingesetzt werden könnten (zB Schlüssel oder Gürtel). In der Rechtsprechung und Literatur wurde zur Begrenzung des Anwendungsbereiches der Strafnorm teilweise versucht, bei der Auslegung des Begriffes „gefährliches Werkzeug“ einschränkende subjektive Kriterien heranzuziehen [...]. Diesen Versuchen ist der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung [...] BGHSt 52, 257 [...] unter Verweis auf den Wortlaut der Norm, auf systematische Argumente sowie auf den Sinn und Zweck der Regelung entgegengetreten. Die Abgrenzung muss demzufolge allein nach objektiven Kriterien erfolgen, für die es eine Vielzahl von Lösungsansätzen gibt, von denen sich noch keiner durchgesetzt hat.“
Dass die objektive Betrachtung zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen kann, war dem Gesetzgeber bei der Formulierung dieser Zeilen bekannt. Er hat gerade auch deshalb in § 244 Abs. 3 StGB die Möglichkeit eingeführt, auf einen minderschweren Fall des schweren Diebstahls zu erkennen.
„Bei-Sich-Führen“ der Waffe oder des Werkzeugs bei dem Diebstahl
Eine Waffe oder ein anderes Werkzeug führt der Täter bei sich, wenn es in seiner räumlichen Nähe ist und er schnell und ohne großen Aufwand darauf zugreifen kann.
Zu weit entfernt, um noch „bei sich“ geführt zu werden, ist beispielsweise eine Waffe, die der Täter ca. 150-200 Meter vom Tatort in seinem Auto lagert.
Umstritten ist, in welchen zeitlichen Stadien der Deliktsverwirklichung das Bei-Sich-Führen einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs den § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt. Hierzu die wichtigsten Aspekte:
Methodischer Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der zeitlichen Grenzen der Anwendbarkeit des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist der Wortlaut der Norm, wo es heißt, dass der Täter die Waffe oder das gefährliche Werkzeug „bei dem“ Diebstahl bei sich führen muss.
Der Diebstahl beginnt mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Tathandlung, d. h. zur Wegnahme. Wird das Werkzeug lediglich vor dem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme bei sich geführt, liegt folglich kein Fall des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.
BGHSt 31, 105 (106 f.). Nach hM, führt der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug auch dann noch „bei dem Diebstahl“ bei sich, wenn er den Gegenstand erst gleichzeitig mit der Tatvollendung als Beute erlangt (zB bei einem Einbruch in ein Waffengeschäft).
BGH NStZ 2001, 88 (89). Soweit die Gegenauffassung dies mit dem systematischen Argument verneint, dass dann § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 StGB, der den Diebstahl bestimmter Waffen erfasst, wegen des generellen Vorrangs von § 244 StGB gegenüber § 243 StGBZum Konkurrenzverhältnis von § 244 StGB zu § 243 StGB → Rn. 77 ff. keinen eigenständigen Anwendungsbereich hätte, überzeugt das nicht. Denn § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 StGB hat auch nach hM einen eigenständigen Anwendungsbereich, wenn zB ungeladene oder defekte Waffen weggenommen werden (= kein Fall von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB), die der Täter nicht iSv § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB gebrauchen will. Auch nach hM soll es aber für ein „Bei-Sich-Führen“, nicht genügen, dass der Gegenstand zufällig am Tatort herumliegt und vom Täter zwar wahrgenommen, aber sonst ignoriert wird (wie zB ein Küchenmesser in der Küche, in die der Täter einbricht, um Essen zu stehlen).Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 4 Rn. 46.
Ein typisches Klausurproblem rankt sich schließlich um die Frage, ob der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug auch dann noch „bei dem Diebstahl“ bei sich führt, wenn er sich den Gegenstand erst nach der Tatvollendung in der sog. Beendigungsphase (also bei der Flucht mit der Beute) verschafft.
Die Rechtsprechung hatte diese Frage für § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB noch nie zu entscheiden, vertrat aber beim gleichlautenden § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB über Jahrzehnte hinweg, dass auch ein „Bei-Sich-Führen“ in der Beendigungsphase unter den Tatbestand fällt.
BGHSt 20, 194 (197); der Sache nach auch schon BGHSt 13, 259. Das (ohne Weiteres auf § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB übertragbare) Kernargument dafür lautet, dass es für die in § 250 vertypte besondere Gefährlichkeit eines Räubers keinen Unterschied mache, ob er eine Waffe bei der Wegnahme selbst oder erst bei der mit ihr in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden weiteren Verwirklichung seiner Zueignungsabsicht mit sich führt. Dies gelte allerdings nur dann, wenn der Raub erfolgreich gewesen sei, da es bei einem erfolglosen Raubversuch ohne Beute keinen fortdauernden Angriff auf das Rechtsgut „Eigentum“ (und damit auch keine qualifikationstaugliche „Beendigungsphase“) mehr gebe.Die herrschende Lehre ist dieser Argumentation des BGH zurecht entgegengetreten.
S. beispielsweise Eisele, BT II, 6. Aufl. (2021), Rn. 184, Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 4 Rn. 49 oder Rönnau/Wegner, JuS 2019, 970 (972). Dafür spricht zum einen, dass das in § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB (und genauso in § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB) enthaltene Gleichzeitigkeitserfordernis (= Waffe oder Werkzeug müssen „bei dem“ Raub bzw. Diebstahl bei sich geführt werden) sich von ihrem Wortlaut her lediglich auf den formellen Tatbestand des Raubs bzw. des Diebstahls beziehen, wie er im Gesetzestext formuliert ist. Und diese Tatbestände enthalten ihrem Wortlaut nach eine Phase der Beutesicherung schlichtweg nicht. Hinzukommt das systematische Argument, wonach der Gesetzgeber – vereinfacht gesagt – die Phase der Beutesicherung nach einer Wegnahme exklusiv durch § 252 StGB pönalisiert hat, dessen besondere Voraussetzungen – nämlich das Erfordernis der Betroffenheit auf frischer Tat sowie die Absicht der Besitzerhaltung – unterlaufen würde, wenn der Einsatz von Nötigungsmitteln auch ohne eine Betroffenheit auf frischer Tat und/oder eine Absicht der Besitzerhaltung von §§ 249, 250 StGB erfasst würde. Wie zuletzt Hsueh gezeigt hat, lässt sich aus diesem systematischen Zusammenhang mit etwas argumentativem Aufwand auch eine Sperrwirkung des § 252 gegenüber § 244 begründen.Hsueh, Abschied vom Begriff der Tatbeendigung im Strafrecht, 2013, S. 161 ff. In jüngerer Zeit hat der BGH in seiner Rechtsprechung zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB die geschilderten systematischen Bedenken der hL aufgegriffen und seine Linie zumindest etwas angepasst. Danach soll die Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach Vollendung einer Raubtat nur dann die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklichen, wenn dies – wie von § 252 StGB gefordert – dem Zweck der Beutesicherung dient (so zB BGHSt 52, 377). Zu dem zusätzlichen, in § 252 StGB verankerten Erfordernis der „Betroffenheit auf frischer Tat“ schweigt der BGH. Unklar ist bis heute auch, ob sich diese Rechtsprechung auf § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB übertragen lässt.
Das „Bei-Sich-Führen“ einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs ist ein objektives tatbezogenes Merkmal, das sich Mittäter (gem. § 25 Abs. 2 StGB) oder Teilnehmer (wegen der Akzessorietät der Teilnahme) auch dann zurechnen lassen müssen, wenn sie selbst keine Zugriffsmöglichkeit auf den Gegenstand haben. Wegen des insofern ausdrücklichen Wortlauts von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB genügt es sogar, wenn der Täter zwar keine Waffe und kein gefährliches Werkzeug bei sich führt, sondern nur „ein anderer Beteiligter“ (vorausgesetzt der Täter, hat diesbezüglich Vorsatz).
Beispiel: Der unbewaffnete A stiehlt aus einem Stall Werkzeug. Sein Gehilfe B steht draußen vor der Tür „Schmiere“ und hat dabei eine Pistole in der Jackentasche. In diesem Fall wird A wegen § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 1 StGB bestraft, weil B als „anderer Beteiligter“ eine Waffe bei sich führt. B wird wegen der Akzessorietät der Teilnahme ebenfalls nach §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 1, 27 StGB bestraft.
Diebstahl mit sonstigen Werkzeugen und Mitteln (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB)
Die hM betrachtet § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB, der denselben Wortlaut hat wie § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB und ebenso ausgelegt wird, als Auffangtatbestand, der alle Mittel erfasst, die sich dazu eignen, Gewalt gegen eine Person auszuüben oder zur Androhung von Gewalt verwendet zu werden.
Beispiele: Fesseln, Knebel, K.-o.-Tropfen
Körperteile wie zB eine zum Schlag eingesetzte Faust sind keine „Mittel" iSv § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB und fallen daher nicht unter den Tatbestand.
Die Anforderungen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB werden auch viele Gegenstände erfüllen, die unter § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB fallen, der dann aber vorrangig ist (d. h. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB muss nicht zusätzlich angesprochen werden).
Eingeschränkt wird der weite objektive Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB durch das besondere subjektive Merkmal der Verwendungsabsicht (→ Rn. 69). Als Schutzgüter der Vorschrift werden herrschend die Gesundheit sowie die Willensentschließungsfreiheit des Opfers betrachtet.
Das Merkmal des „Bei-Sich-Führens“ ist genau wie bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB zu verstehen (→ Rn. 25 ff.).
Anders als bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB fasst die hM im Einklang mit der Gesetzesbegründung
Beispiele: Nicht funktionsfähige Schusswaffen, täuschend echt aussehende Spielzeugpistolen, Bombenattrappen
Abgrenzen will der BGH solche Scheinwaffen von solchen ungefährlichen Gegenständen, die ein durchschnittlicher Beobachter eigentlich für offensichtlich ungefährlich halten würde und bei denen sich die (vermeintliche) Gefährlichkeit erst aus einer zusätzlichen täuschenden Erklärung des Täters ergibt.
Beispiel 1 (nach BGHSt 38, 116 – „Plastikrohr“): T legt in einer Sparkasse einen Zettel mit der Aufschrift „Überfall, bin bewaffnet“ auf den Tresen und hält dabei ein kurzes, gebogenes Plastikrohr von ca. 3 cm Durchmesser so unter seiner Jacke, dass diese ausbeulte und der Eindruck entsteht, es handele sich um eine Schusswaffe.
Beispiel 2 (nach BGH NStZ 1997, 184 – „Labello“): T drückt O einen „Labello“-Stift in den Rücken, um zu suggerieren, es handele sich um ein Messer oder einen vergleichbaren gefährlichen Gegenstand.
Beispiel 3 (nach BGH NStZ 2011, 703 – „Wasserpistole“): T betritt eine Bank mit einer grellbunten Wasserpistole in der Jackentasche. Als er ankündigt, dass es sich um einen Überfall handelt, fasst er sich in die Jackentasche und macht mit der Wasserpistole Zielbewegungen auf das Bankpersonal, ohne die Pistole dabei aus der Tasche herauszunehmen.
In allen drei Beispielfällen hat der BGH es abgelehnt, den Gegenstand unter § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB zu fassen, was dann auch für den im Wesentlichen gleichlautenden § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB gelten muss. Die Begründung dafür changiert: Im „Plastikrohr“-Fall hat der BGH argumentiert, dass ein objektiver Betrachter aus dem bloßen optischen Eindruck der Situation (= jemand hat eine Beule in der Jacke) nicht schließen würde, dass der Gegenstand gefährlich sei. Der Eindruck der Gefährlichkeit ergebe sich erst aus der Erklärung des Täters, er sei bewaffnet, und dem Täuschungsmanöver, mit dem der Täter verbirgt, dass der Gegentand tatsächlich ungefährlich ist (= Positionierung des Plastikrohrs in der Jacke). Wenn der Täuschungscharakter des Täterverhaltens aber das Moment des Drohens derart überwiege, sei eine Bestrafung aus dem Qualifikationsdelikt unangemessen. Im „Labello“-Fall stellt der BGH für dasselbe Ergebnis ebenfalls auf den objektiven Betrachter ab, lässt ihn aber nicht die Sicht des Opfers einnehmen, sondern „zeigt“ ihm auch den Gegenstand selbst. Da ein „Labello“-Stift offensichtlich ungefährlich sei, könne schon deshalb kein Fall von § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB (und damit mE auch nicht von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB) vorliegen. Diesen Ansatzpunkt (ein objektiver Betrachter bewertet die Gefährlichkeit des „enthüllten“ Gegenstandes) hat der BGH auch in späteren Entscheidungen wie zB dem „Wasserpistolen“-Fall verfolgt,
Beispiel (nach BGH JuS 2011, 757 – „Bombenattrappe“): T betritt eine Tankstelle und stellt eine verschlossene Sporttasche (ohne Inhalt) auf die Verkaufstheke. Er nimmt demonstrativ ein Mobiltelefon in die Hand und erklärt dem Verkäufer, dass sich der Tasche eine Bombe befinde, die er zünden werde, wenn ihm nicht das Geld aus der Kasse ausgehändigt werde.
Nach beiden Varianten des Abgrenzungsmaßstabes des BGH dürfte die im Beispiel beschriebene Konstellation eigentlich nicht unter § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB (und damit auch nicht unter den gleichlautenden § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB) fallen. Denn ein objektiver Beobachter, der die Sporttasche nüchtern betrachtet, würde nicht auf ihre Gefährlichkeit schließen, wenn nicht die drohenden Erklärungen des Täters hinzukämen. Erst recht würde der objektive Beobachter die Ungefährlichkeit der Tasche erkennen, wenn man ihn in die Tasche schauen ließe (so wie der BGH ihn auch den „Labello“-Stift oder die Wasserpistole betrachten lässt). Gleichwohl hat der BGH diesen Fall unter § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB subsumiert und (abweichend von beiden Varianten seines Maßstabs) argumentiert, dass ein objektiver Beobachter nicht erkennen könne, ob es sich bei der Erklärung von T um eine leere Drohung handelt oder nicht.
Klausurtipp: Dass der BGH widersprüchliche Entscheidungen auf Grundlage eines scheinbar einheitlichen Maßstabs fällt, ist nicht selten und wirft (nicht nur) in juristischen Prüfungen Probleme auf. In der Theorie müsste es egal sein, ob Sie die für eine bestimmte Fallkonstellation einschlägige BGH-Entscheidung kennen, solange sie ein methodisch stimmiges Ergebnis finden. In der (Prüfungs-)Praxis steigt die Wahrscheinlichkeit für Punktabzüge aber, wenn Sie von den Lösungshinweisen abweichen, die sich wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit am BGH orientieren werden. Ein intellektuell unbefriedigender aber pragmatischer Weg besteht daher darin, die Leitentscheidungen des BGH auswendig zu lernen und in einer Konstellation à la „Labello“, „Plastikrohr“ oder „Wasserpistole“ eine Strafbarkeit nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB abzulehnen, sie in Fällen nach Muster des Sporttaschen-Falles aber anzunehmen.
Dass in der Klausur überhaupt ein Fall des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB auftaucht, ist bei alledem unwahrscheinlich. Denn meistens wird der Täter sein scheinbar gefährliches Werkzeug tatsächlich zur Drohung einsetzen, um so eine Wegnahme zu ermöglichen, so dass vorrangig § 250 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) StGB zu prüfen ist. Nur wenn der Täter sein Werkzeug nicht einsetzt und es lediglich in der Absicht bei sich führt, es nötigenfalls zur Drohung zu gebrauchen, kommt es auf § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB an.
Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und schwerer Bandendiebstahl (§ 244a Abs. 1 StGB)
Nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird bestraft, wer die Tat als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung von mindestens einem anderen Bandenmitglied begeht.
Nach korrekter Lesart
Auf der ersten Stufe steigt das Gefährdungspotenzial schon dadurch, dass die Bandenmitglieder sich im Zuge der Bandenabrede zu einem arbeitsteiligen Vorgehen zusammengeschlossen haben. Angesichts der dadurch erzeugten Effizienz- und Motivationssteigerung spricht man insofern von einer Organisationsgefahr.
Auf zweiter Stufe verlangt § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB über die bloße Bandenabrede hinaus, dass der Täter die Tat „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ begeht und nimmt damit eine zusätzlich zur Organisationsgefahr bestehende gesteigerte Ausführungsgefahr in den Blick. Es geht hier darum, dass die Chance, eine Sache erfolgreich wegzunehmen, steigt, wenn der Täter sich auch im Tatzeitpunkt der Unterstützung anderer Bandenmitglieder gewiss sein kann.
Begriff der „Bande“
Eine Bande ist der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Diebstähle oder Raube zu begehen.
Die vorstehende Definition wird vom BGH seit der Leitentscheidung des Großen BGH-Strafsenats in BGHSt 46, 321 verwendet, der eine längere Diskussion vorausgegangen war, ob nicht auch schon zwei Personen eine Bande bilden können. Diese Position hat der Große Senat verworfen und das Erfordernis von mindestens drei Bandenmitgliedern statuiert. Dafür spricht zu einem gewissen Grad der Wortlaut von § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, da mit dem Begriff der „Bande“ üblicherweise (und freilich nicht zwingend) ein Zusammenschluss von mehr als zwei Personen assoziiert wird.
Die Abrede, gemeinsam eine Bande zu bilden, muss nicht ausdrücklich getroffen werden, sondern kann auch konkludent erfolgen. Voraussetzung ist die Bereitschaft der Bandenmitglieder, sich an Straftaten zu beteiligen, ohne dass eine feste Teilnahmeverpflichtung verabredet sein muss. Dabei ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Mitglieder einer bandenmäßig organisierten Gruppe persönlich verabredet haben und sich untereinander kennen, wenn nur jeder den Willen hat, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit (mindestens) zwei anderen zu verbinden.
Die Bandenabrede muss dergestalt „offen“ sein, dass nicht schon von Anfang festgelegt ist, wie viele und welche Straftaten gemeinsam begangen werden sollen. Daher liegt zB keine Bandenabrede vor, wenn sich die Übereinkunft der Täter von Beginn an auf eine feststehende Menge an Wertgegenständen in Gestalt des gesamten werthaltigen Inventars eines Anwesens bezieht, das innerhalb weniger Tage entwendet werden soll.
Umstritten ist, ob die Bandenabrede die Absprache enthalten muss, dass mindestens drei Bandenmitglieder potenziell bereit sind, als (Mit-)Täter eines Diebstahls zu agieren, oder ob es auch genügt, wenn nur ein oder zwei Mitglieder als (Mit-)Täter in Betracht kommen und die anderen Mitglieder sich stets auf die Rolle eines Gehilfen beschränken wollen.
Beispiel (nach BGHSt 47, 214): T plant eine Einbruchstour. Als Begleitung heuert er gegen ein festes Entgelt den A an, dem vor allem die Aufgabe zukommt, „Schmiere“ zu stehen. Angeheuert wird außerdem B, die eine Unterkunft für T und A besorgen, lohnende Einbruchsgegenden ausfindig machen und die beiden Männer erforderlichenfalls per Mobiltelefon zu den Tatobjekten und zurück leiten soll. Außerdem soll B helfen, die jeweilige Tatbeute im Hotelzimmer zu sortieren, zu verpacken und – unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift als Absender – nach Rumänien zu versenden. T, B und A waren sich einig darüber, dass vom Erlös der Diebesbeute vorab die Kosten für die Unterkunft in den Hotels, für den Lebensunterhalt, für Kleidung und Ähnliches bestritten werden sollten.
Der BGH hat mehrfach entschieden, dass Mitglied einer Bande auch derjenige sein kann, dem (wie es im Beispielsfall jedenfalls bei B der Fall ist) nach der Bandenabrede nur die Rolle eines Gehilfen zukommt.
Schmitz
Begehung der Tat als Mitglied einer Bande
Die Tat ist „als Mitglied einer Bande“ begangen, wenn sie einen Bezug zur Bandenabrede aufweist und das Mitglied nicht abseits des gemeinsamen Plans „auf eigene Rechnung“ operiert.
Die Mitgliedschaft in einer Bande ist nach hM als strafschärfendes persönliches Merkmal iSv § 28 Abs. 2 StGB einzustufen.
Beispiel: A, B und C stehlen regelmäßig gemeinsam Juwelen, in dem sie in Juweliergeschäfte einbrechen. Für einen dieser Diebeszüge liefert D – im Wissen um die Pläne der Bande – das passende Werkzeug.
Im Beispielfall werden A, B und C jeweils nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB (oder sogar nach § 244a Abs. 1 StGB, dazu näher → Rn. 54 ff.) bestraft. Wegen der Akzessorietät der Teilnahme müsste das Verhalten von D eigentlich unter §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 27 StGB (bzw. §§ 244a Abs. 1, 27 StGB) subsumiert werden. Jedoch durchbricht § 28 Abs. 2 StGB ausnahmsweise die Akzessorietät, so dass D nur gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 27 StGB bestraft werden kann.
Die Gegenauffassung stuft die Bandenmitgliedschaft als tatbezogenes Merkmal ein, das nicht dem § 28 Abs. 2 StGB unterfällt.
Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds an der Tat
Ausweislich des Wortlauts von § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB muss die Tat „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ begangen werden. Zur Erfüllung dieses Merkmals soll es nach der Rechtsprechung des BGH ausreichen, wenn neben dem Täter noch mindestens ein weiteres Bandenmitglied an der Tat beteiligt ist. Dieses weitere Bandenmitglied muss nicht Mittäter sein, sondern kann sich auf einen Gehilfenbeitrag beschränken.
Beispiel: A, B und C begehen regelmäßig arbeitsteilig Diebstähle. Dabei ist A dafür zuständig, geeignete Beute auszukundschaften und die Informationen an B und C weiterzugeben. B und C teilen sich die Zielobjekte dann untereinander auf und stehlen sie jeweils im Alleingang.
In der Literatur wird diese sehr weite Auslegung des Merkmals „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ zu Recht kritisch gesehen.
Ungeachtet der vorstehenden Kritik verzichtet der BGH nicht nur auf ein Zusammenwirken von mindestens zwei Bandenmitgliedern am Tatort, sondern nimmt § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB sogar auch dann an, wenn überhaupt kein Bandenmitglied das Diebesgut wegnimmt, sondern die Wegnahme an einen bandenfremden Dritten ausgelagert wird. Er setzt dabei allerdings voraus, dass die Wegnahmehandlung des Dritten einem der Bandenmitglieder im Wege der mittelbaren Täterschaft oder der Mittäterschaft zuzurechnen ist.
Beispiel: A, B und C bilden eine Bande, die nach dem folgenden Muster operiert: A kundschaftet Wohnhäuser aus, deren Bewohner verreist sind, und teilt seine Erkenntnisse B und C mit. B und C teilen sich die Tatobjekte untereinander auf und rekrutieren vor Ort jeweils einen besonders sportlichen Jugendlichen, den sie genau instruieren, wie in das jeweilige Haus eingedrungen werden muss und welche Gegenstände mitzunehmen sind. Die Jugendlichen erhalten für ihre Mitwirkung ein Entgelt und stehen dann nicht mehr weiter im Dienste der Bande.
Im Beispielsfall sind die Jugendlichen jeweils Täter eines Diebstahls, ohne dabei Mitglied der Bande zu sein. Nach herrschender Lesart der Tatherrschaftslehre und auch nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden modifizierten animus-Theorie dürften B und C jeweils als Mittäter zu diesem Diebstahl einzustufen sein. Für B und C wäre der Diebstahl dabei nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB qualifiziert, weil sie die Tat jeweils „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“, nämlich A, begangen haben.
Kein Bandendiebstahl liegt dagegen nach allgemeiner Auffassung vor, wenn
kein Bandenmitglied als Täter des Diebstahls einzustufen ist oder
zumindest ein (Mit-)Täter des Diebstahls zwar Bandenmitglied ist, die Tat aber ohne jede Mitwirkung von anderen Bandenmitgliedern begeht.
Schwerer Bandendiebstahl gem. § 244a Abs. 1 StGB
Die Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB kann ihrerseits durch § 244a Abs. 1 StGB qualifiziert werden, wenn zusätzlich zu den Anforderungen des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch entweder die Voraussetzungen
von § 243 Abs. 1 S. 2 StGB oder
von § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 StGB
erfüllt sind.
Bei § 244 Abs. 1 Alt. 1 StGB sind die Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 S. 2 StGB wie Tatbestandsmerkmale zu behandeln, auf die sich der Vorsatz beziehen muss. Die Geringwertigkeitsklausel des § 243 Abs. 2 StGB gilt in diesem Kontext nicht.
Klausurhinweis: In der Klausur bietet es sich an, §§ 242, 243 StGB zuerst zu prüfen und auf §§ 244, 244a StGB dann in einer getrennten Prüfung einzugehen. Für die Frage, ob (wie es § 244a Abs. 1 StGB verlangt) ein Fall von § 243 Abs. 1 S. 2 StGB oder § 244 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB vorliegt, kann dann im Rahmen der Prüfung von § 244a Abs. 1 StGB nach oben verwiesen werden.
In der Praxis kommen Fälle des § 244 Abs. 1 StGB häufig vor.
Anwendungsbeispiel: Eine Bande begeht regelmäßig Einbrüche in dauerhaft genutzte Privatwohnungen, wobei es auch zu Sachschäden kommt.
Durch dieses Verhalten werden sowohl § 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB (Einbruchsdiebstahl) als auch § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Bandendiebstahl) als auch § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Wohnungseinbruchsdiebstahl) und damit alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 244a Abs. 1 StGB erfüllt.
Als lex specialis verdrängt § 244a Abs. 1 StGB die § 244 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB, die ihrerseits § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB verdrängen (zum Konkurrenzverhältnis von § 244 StGB und § 243 StGB näher → Rn. 77 ff.).
Dagegen bleibt der neben § 244a Abs. 1 StGB zusätzlich verwirklichte § 244 Abs. 4 StGB nach hM in Tateinheit zu § 244a Abs. 1 StGB bestehen,
Der gleichzeitig verwirklichte Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) wird verdrängt, weil das darin zum Ausdruck kommende Unrecht bereits sowohl durch § 244 Abs. 4 StGB als auch durch § 244a Abs. 1 StGB (unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) erfasst ist.
Die Sachbeschädigung tritt aus Klarstellungsgründen in Tateinheit zu §§ 244a Abs. 1, 244 Abs. 4 StGB, da längst nicht jede Verwirklichung dieser Vorschriften auch mit der Beschädigung fremden Eigentums einhergeht (dazu schon → § 2 Rn. 67 ff.).
Im Ergebnis werden die Täter daher nach §§ 244 Abs. 4, 244a Abs. 1, 303 Abs. 1, 52 Abs. 1 StGB bestraft.
Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB)
In § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird es als Erschwernisgrund erfasst, wenn der Täter in eine Wohnung einbricht, einsteigt etc. (zu den Tathandlungen näher → § 2 Rn. 13 ff.). Dahinter steht die Überlegung, dass bei einer solchen Tat nicht nur das Eigentum angegriffen wird, sondern auch die häusliche Privat- und Intimsphäre der Wohnungsinhaber verletzt wird, was erhebliche psychologische Beeinträchtigungen zur Folge haben kann.
Begriff der „Wohnung“ (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) und der „dauerhaft genutzten Privatwohnung“ (§ 244 Abs. 4 StGB)
Wohnung
Eine Wohnung iSv § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nach Definition des BGH eine abgeschlossene und überdachte Räumlichkeit, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dient.
Provisorisch genutzte Räumlichkeiten
Auch Wohnmobile und Wohnwagen oder Wochenendhäuser sollen nach (umstrittener) hM dem Begriff der „Wohnung“ unterfallen, wenn sie im Urlaub zum Übernachten genutzt werden.
Arbeits-, Geschäfts- und Ladenräume sowie gemischt-genutzte Gebäude
Nach der vorstehend genannten Definition des BGH fallen reine Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenräume nicht unter den Begriff der „Wohnung“. Probleme wirft insofern der Umgang mit gemischt-genutzten Gebäuden auf. Hierzu die wichtigsten Punkte:
Neben- oder Arbeitsräume, die mit dem eigentlichen Wohnbereich unmittelbar baulich verbunden und in ihn integriert sind (wie zB ein Home-Office-Raum in einer Etagenwohnung oder ein Werkstatt-Keller in einem Einfamilienhaus) sind als Teil der Wohnung iSv § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen.
BGH NStZ-RR 2018, 14 (15); BGH BeckRS 2021, 6275. Wenn der Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenraum dagegen vom eigentlichen Wohnbereich abgetrennt ist (wie zB in einem mehrstöckigen Gebäude, wo sich im Erdgeschoss ein Restaurant befindet und im Geschoss darüber eine Wohnung), handelt es sich selbst dann nicht um eine einheitliche Wohnung, wenn man ohne größere Probleme vom Nicht-Wohnbereich in den Wohnbereich gelangen kann (weil zB die Verbindungstür nie abgeschlossen ist).
Vgl. BGH NStZ 2022, 42 am Beispiel einer Garage, die über einen weiteren Zwischenraum mit einem Wohnhaus verbunden ist. Wenn der Täter bei einem gemischt-genutzten Gebäude in die Wohneinheit einbricht, einsteigt etc., ist § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach hM selbst dann erfüllt, wenn die weggenommene Sache letztlich nicht in der Wohneinheit, sondern in einem abgetrennten Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenraum belegen ist.
BGH NJW 2001, 3203. In Fällen, in denen der Täter zunächst in einem von der Wohneinheit getrennten Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenraum einbricht, einsteigt etc. und von dort ohne große Mühe in die Wohnung gelangt, um etwas zu stehlen, verneint die hM dagegen mit Blick auf den Wortlaut von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB („in eine Wohnung einbricht, einsteigt [....]“) den Tatbestand.
BGH NStZ 2008, 514; BGH BeckRS 2021, 6275.
Ende der Wohnungseigenschaft
Umstritten ist, ob eine Wohnung – wie es bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB unter dem Stichwort „Entwidmung“ diskutiert wird (→ BT I § 34 Rn. 5) – ihre Eigenschaft als Wohnung verliert, sobald die Bewohner verstorben sind.
Beispiel (nach BGH NStZ 2023, 291): T dringt in ein Einfamilienhaus mit der Vorstellung ein, das noch vollständig möblierte Haus sei aktuell bewohnt. Tatsächlich war der einzige Bewohner jedoch bereits verstorben.
Der BGH verneint diese Frage in mittlerweile ständiger Rechtsprechung und meint, dass eine Wohnung auch nach dem Tod der Bewohner als Wohnung iSv § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu qualifizieren ist.
In der Literatur ist die Auffassung des BGH mit gewichtigen Argumenten kritisiert worden.
Dauerhaft genutzte Privatwohnung
Nach herrschender Auslegung entspricht der Begriff der „Privatwohnung“ iSv § 244 Abs. 4 StGB dem Begriff der „Wohnung“ in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, d. h. dem Präfix „Privat-“ wird keine Bedeutung beigemessen.
Kein Fall von § 244 Abs. 4 StGB liegt nach einhelliger Meinung vor, wenn die Bewohner einer ursprünglich dauerhaft bewohnten Räumlichkeit im Tatzeitpunkt verstorben waren.
Tathandlung
Um § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB und/oder § 244 Abs. 4 StGB zu erfüllen, muss der Täter in die (dauerhaft genutzte Privat-)Wohnung einbrechen, einsteigen, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringen oder sich in der Wohnung verborgen halten. Diese Merkmale entsprechen jenen des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB und sind ebenso auszulegen (→ § 2 Rn. 14 ff.).
Subjektiver Tatbestand
Die in § 244 Abs. 1, Abs. 4 StGB enthaltenen Qualifikationstatbestände sind Vorsatzdelikte iSv § 15 StGB.
Besonderes Augenmerk verdient die Vorsatzprüfung insbesondere bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB, wenn es darum geht, ob der Täter es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass er ein gefährliches Werkzeug (zB ein Taschenmesser) bei sich führt. Die Rechtsprechung stellt an dieses „Mitführungsbewusstsein“ bei Alltagsgegenständen, die man wie selbstverständlich mit sich führt (zB Taschenmesser oder Werkzeug, das man aus beruflichen Gründen bei sich hat), teilweise hohe Nachweisanforderungen.
In Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB ist es dem Wortlaut der Vorschrift zufolge („um...“) erforderlich, dass der Täter die Absicht (im Sinne von dolus directus 1. Grades) hat, das Werkzeug einzusetzen, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Mit Widerstand ist dabei der Widerstand des Gewahrsamsinhabers (oder eines schutzbereiten Dritten) gegen den Verlust seines Gewahrsams gemeint.
Versuch
Sowohl bei § 244 Abs. 1 StGB als auch bei § 244a StGB ist der Versuch der Tat strafbar. Für § 244 Abs. 1 StGB ergibt sich dies aus § 244 Abs. 2 StGB, für die Verbrechenstatbestände in § 244 Abs. 4 StGB und § 244a StGB bereits aus § 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB.
Bei der Prüfung des versuchten schweren (Banden-)Diebstahls kommt es beim Prüfungspunkt „Unmittelbares Ansetzen“ auf das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme als Tathandlung von § 242 Abs. 1 StGB an und nicht darauf, ob der Täter bereits ein Qualifikationsmerkmal nach §§ 244 Abs. 1, Abs. 4, 244a StGB erfüllt hat.
Konkurrenzen
Konkurrenzverhältnisse innerhalb von §§ 244, 244a StGB
Führt der Täter bei derselben Tat mehrere Waffen, gefährliche Werkzeuge oder Werkzeuge iSv § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB bei sich, liegt nach allgemeiner Ansicht nur ein Fall von § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.
Auch wenn der Täter durch dieselbe Handlung sowohl § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, ist er nach umstrittener hM nur eines Tatvergehens nach § 244 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
Bei einer Kombination von § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 mit § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist automatisch § 244a Abs. 1 Var. 2 StGB einschlägig und verdrängt alle Varianten von § 244 Abs. 1 StGB im Wege der Spezialität. Der Täter ist dann nur wegen schweren Bandendiebstahls zu bestrafen. Das gilt allerdings nicht, wenn § 244a Abs. 1 StGB nur versucht, § 244 Abs. 1 StGB jedoch vollendet ist, denn dann besteht aus Klarstellungsgründen Tateinheit.
Der Privatwohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 4 StGB wird von § 244a Abs. 1 StGB in keinem Fall (also egal, ob Vollendung oder Versuch vorliegen) verdrängt, sondern steht bei handlungseinheitlicher Verwirklichung in Tateinheit.
Gegenüber dem Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist der Privatwohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 4 StGB lex specialis.
Verhältnis von §§ 244, 244a StGB zu § 242 Abs. 1 StGB (ggf. iVm § 243 StGB)
Alle Varianten von § 244 StGB verdrängen im Wege der Spezialität die Verwirklichung von § 242 StGB. Da § 243 StGB kein eigener Tatbestand ist, sondern lediglich die Rechtsfolge von § 242 StGB modifiziert, ist bei Verdrängung von § 242 StGB auch für § 243 StGB kein Platz.
Klausurhinweis: Da sich § 244 StGB und § 243 StGB folglich ausschließen, wäre es falsch, beide Normen gemeinsam zu prüfen („T könnte sich gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben.“). Wenn ein Klausursachverhalt sowohl mit Blick auf § 243 StGB als auch bezüglich § 244 StGB Probleme aufwirft, sollte die Prüfung nach folgendem Schema getrennt werden:
A. Strafbarkeit nach §§ 242, 243 StGB
B. Strafbarkeit nach § 244 StGB
Wenn dabei sowohl §§ 242, 243 StGB als auch § 244 StGB bejaht werden, sollte kurz klargestellt werden, dass die Verwirklichung von §§ 242, 243 StGB durch § 244 StGB verdrängt wird.
Liegt dagegen nur ein versuchter schwerer Diebstahl aber ein vollendeter Fall von §§ 242 (ggf. iVm § 243 StGB) vor, besteht zwischen § 242 StGB (ggf. iVm § 243 StGB) und dem Versuch des § 244 StGB nach hM Tateinheit, damit aus dem Schuldspruch deutlich wird, dass er Täter noch schwererer Unrecht verwirklichen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat.
Beispiel (Abwandlung von BGH NStZ 2023, 291): T dringt (ohne etwas zu beschädigen) in ein Haus ein, das er für bewohnt hält, das jedoch tatsächlich unbewohnt ist. Dadurch macht er sich des Einbruchsdiebstahls gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) mit §§ 244 Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB schuldig.
Wenn sowohl § 242 StGB (ggf. iVm § 243 StGB) als auch § 244 StGB lediglich versucht sind, lautet der Schuldspruch auf versuchten schweren Diebstahl, da dann wieder das Spezialitätsprinzip greift (= jeder Fall des versuchten § 244 StGB ist automatisch auch ein Fall des versuchten § 242 StGB [ggf. iVm § 243 StGB]).
Verhältnis von §§ 244, 244a StGB zu §§ 249 ff. StGB
Der Raub nach § 249 StGB beinhaltet tatbestandlich Elemente des Diebstahls und fügt zusätzlich die Anwendung oder Androhung von Gewalt hinzu. Somit ist der Raub eine spezielle Form des Diebstahls, was im Konkurrenzverhältnis bedeutet, dass der Raub auch den schweren Diebstahl in all seinen Varianten verdrängt.
Verhältnis von §§ 244, 244a StGB zu anderen Delikten
Wenn der Täter durch dieselbe Handlung sowohl § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (bzw. sogar § 244 Abs. 4 StGB) als auch § 123 Abs. 1 Alt. 1 StGB begeht, tritt § 123 Abs. 1 Alt. 1 StGB im Wege der Konsumtion zurück, da die Verletzung des Hausrecht bereits von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bzw. § 244 Abs. 4 StGB erfasst wird. Ein Fall des § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB kann wegen der zusätzlichen Verletzung des Hausrechts allerdings auch in Tateinheit zur Verwirklichung von § 244 StGB stehen (zB wenn der Dieb vom Inhaber des Hausrechts erwischt wird und sich weigert, das Grundstück zu verlassen).
Wenn der Dieb bei der Tat fremdes Eigentum beschädigt, steht § 303 Abs. 1 StGB nach der neueren Rechtsprechung des BGH selbst mit Verwirklichungen von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB oder § 244 Abs. 4 StGB in Tateinheit (näher → § 2 Rn. 68).
Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
Strafantrag
Wenn die Wegnahme sich im Nahbereich iSv § 247 StGB abspielt, kann auch eine nach §§ 244, 244a StGB qualifizierte Tat nur auf Antrag verfolgt werden. Das in § 248a StGB enthaltene Strafantragserfordernis ist dagegen auf §§ 244, 244a StGB nicht anwendbar, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift („in den Fällen der §§ 242 und 246“) ergibt.
Tenorierung / Urteilsformel
Fälle nach §§ 244, 244a StGB werden wie folgt tenoriert:
§ 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Der Angeklagte ist des Diebstahls mit Waffen schuldig.
Dieser Tenor ist auch zu wählen, wenn der Täter statt mit einer Waffe einen „anderes gefährliches Werkzeug“ iSv § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Alt. 2 StGB oder ein Werkzeug iSv § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) StGB bei sich führt.
§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB: Der Angeklagte ist des Bandendiebstahls schuldig.
§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB: Der Angeklagte ist des Wohnungseinbruchsdiebstahls schuldig.
§ 244 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB: Der Angeklagte ist des Wohnungseinbruchsdiebstahls mit Waffen schuldig.
BGH BeckRS 2014, 2101; BGH NStZ 2016, 98. Anders aber die Entscheidung BGH NStZ 1994, 285, aus der sich bei Übertragung der im Kontext von § 250 StGB ergangenen Entscheidungsgründe für § 244 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB der folgende Tenor ergeben würde: Der Angeklagte ist des schweren Diebstahls schuldig. § 244 Abs. 4 StGB: Der Angeklagte ist des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls schuldig.
BGH NStZ 2019, 674; BGH NStZ-RR 2020, 116. § 244a Abs. 1: Der Angeklagte ist des schweren Bandendiebstahls schuldig.
Weiterführende Studienliteratur und Übungsfälle
Weiterführende Studienliteratur
Rönnau, Grundwissen – Strafrecht: Das „mitgeführte“ gefährliche Werkzeug, JuS 2012, 117
Wengenroth, (Virtuelle) Bande, JA 2015, 185 ff.
Übungsfälle
Rehmet/Ströle, Examensklausur: Wohnungseinbruchsdiebstahl und Kraftfahrzeugrennen, ZJS 2021, 359 (Open-Access)
Mitsch, Fortgeschrittenen- und Examensklausur: Ein mitleidiger Einbrecher, ZJS 2020, 638 (Open-Access)
Hirsch/Dölling, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: Inside Jobs, JuS 2019, 999
Weißer, Referendarexamensklausur – Strafrecht: (Banden-)Diebstahl, JuS 2005, 620
Gaede, Der praktische Fall – Strafrecht: Täterschaft und Teilnahme beim Bandendiebstahl, JuS 2003, 774