Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 24: Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB)

Autor: Henning Lorenz

Rechtsgut und Deliktsstruktur

Der § 278 StGB dient wie § 277 StGB dem Wahrheitsschutz (→ § 23 Rn. 3). Dabei wird aber nicht die Wahrheit in Bezug auf den Status als Medizinalperson, sondern die inhaltliche Richtigkeit des Gesundheitszeugnisses geschützt. Es handelt sich um ein Sonderdelikt, das nur von Ärzten oder anderen approbierten Medizinalpersonen begangen werden kann (→ Rn. 3).

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt.

Täterkreis

Taugliche Täter des Sonderdelikts sind nur approbierte Medizinalpersonen, da ihnen und ihren Einschätzungen besonderes Vertrauen entgegengebracht wird und deshalb die Dispositionsfreiheit der Täuschungsadressaten schutzwürdig ist.Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 278 Rn. 2. Beispielhaft wird in der Vorschrift der Arzt genannt, es kommen aber etwa auch Zahnärzte oder Apotheker in Betracht. Andere Personen können lediglich Teilnehmer sein, ihre Strafe ist aufgrund des fehlenden, die Strafbarkeit begründenden persönlichen Merkmals (für die Legaldefinition des besonderen persönlichen Merkmals s. § 14 Abs. 1 StGB) gem. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.

Tatobjekt: Gesundheitszeugnis

§ 23 Rn 5.

Tathandlung: Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses über den Gesundheitszustand eines Menschen

Unter Ausstellen versteht man nicht allein das Herstellen im Sinne des körperlichen Hervorbringens, sondern zusätzlich die Begebung des Gesundheitszeugnisses in den Rechtsverkehr.Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 278 Rn. 2. Das Gesundheitszeugnis ist unwahr, wenn der darin angegebene Befund oder die sachverständigen Schlussfolgerungen in einem wesentlichen Punkt der Wahrheit nicht entsprechen.Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 278 Rn. 2. Erfasst ist damit zB die unwahre Bescheinigung einer Krankheit. Gleiches gilt auch, wenn erforderliche und daher konkludent als durchgeführt miterklärte Untersuchungen in Wahrheit nicht stattgefunden haben.

Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss vorsätzlich handeln; dolus eventualis genügt. Zusätzlich muss er „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ handeln (→ § 18 Rn. 72 f.).

Rechtswidrigkeit und Schuld

Es gelten die allgemeinen Regeln.

Täterschaft und Teilnahme

Bei § 278 StGB handelt es sich um ein Sonderdelikt, weshalb bei der Täterschaft und Teilnahme die geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Die Tätereigenschaft ist ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal iSd § 28 Abs. 1 StGB. Daher ist die Strafe von Teilnehmern der Tat (Anstifter oder Gehilfe) nach § 49 Abs. 1 StGB obligatorisch zu mildern.

Versuch und Vollendung

Der Versuch des Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB) ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 23 Abs. 1 StGB) nicht strafbar. Die Tat ist mit Fertigstellung des Zeugnisses vollendet.

Rechtsfolgen

In Abs. 2 S. 1 ist eine Strafdrohung für besonders schwere Fälle mit erhöhter Mindeststrafe von drei Monaten vorgesehen. In Abs. 2 S. 2 ist ein Regelbeispiel normiert, das in Reaktion auf kriminelle Umtriebe während der Corona-Pandemie geschaffen worden ist.

Konkurrenzen

Der § 278 StGB kann in Tateinheit mit § 75a Abs. 2 IfSG stehen.Lorenz/Oğlakcıoğlu, in: Kießling-IfSG, 3. Aufl. (2022), § 75a Rn. 7; BT-Drs. 20/15, S. 35; aA Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 278 Rn. 6.

Aufbauschema

    Aufbauschema: Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Täterkreis

        Approbierte Medizinalpersonen

      2. Tatobjekt

        Gesundheitszeugnis

      3. Tathandlung

        Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses über den Gesundheitszustand eines Menschen

    2. Subjektiver Tatbestand

      Vorsatz und zur Täuschung im Rechtsverkehr

  2. Rechtswidrigkeit und Schuld

  3. Strafzumessung

    Ggf. besonders schwerer Fall gem. § 277 Abs. 2 StGB