Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit Licensed under CC-BY-4.0

§ 21: Mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB)

Autor: Fynn Wenglarczyk

Schutzzweck

Der Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB) bezweckt den Schutz des Rechtsverkehrs vor inhaltlich unwahren (öffentlichen) Urkunden. Damit unterscheidet sich der Schutzzweck des § 271 Abs. 1 StGB von dem der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB, → § 18 Rn. 3). Während die Urkundenfälschung dem Schutz der Echtheit bzw. Authentizität von (privaten) Urkunden dient, erfasst der Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung Fälle von schriftliche Lügen insbesondere in öffentlichen Urkunden. Erfasst werden von § 271 StGB dabei Fallkonstellationen der mittelbaren Täterschaft kraft überlegenden Wissens: Nicht der Täter selbst nimmt unwahre Inhalte in einer öffentlichen Urkunde auf. Vielmehr bedient er oder sie sich als eines Werkzeugs und „bewirkt“, etwa durch Täuschung, dass diese Person das inhaltlich Unwahre beurkundet.

Beispiel: A und B sind gut bekannte Geschäftspartner und schließen einen Grundstückskaufvertrag zu einem Kaufpreis von 1 Million Euro. Weil beide Steuern sparen wollen, geben sie bei Beurkundung des Kaufvertrags bei der Notarin N an, der Kaufpreis betrage lediglich 700.000 Euro. N, die nach den Angaben von A und B davon ausgeht, der Kaufpreis betrage tatsächlich 700.000 Euro, beurkundet den Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von 700.000 Euro.

Weiterführendes Wissen: § 267 StGB ist in Fällen wie dem vorstehenden Beispiel nicht einschlägig, da weder eine unechte Urkunde vorliegt (wirklicher und scheinbarer Aussteller divergieren hier nicht, denn aus dem beurkundeten Kaufvertrag geht als Aussteller N hervor, was der Wahrheit entspricht), noch eine echte Urkunde (nachträglich) verfälscht wird, s. → § 18 Rn. 44 ff.

Vertiefung: Vergleich von § 271 StGB mit § 348 StGB

Funktion und tatbestandliche Systematik der mittelbaren Falschbeurkundung sind besser verständlich, wenn man sich mit ihr im Zusammenhang mit § 348 StGB beschäftigt. Bei § 348 StGB geht es um vorsätzliche inhaltlich unrichtige Beurkundungen von Tatsachen in öffentlichen Urkunden, Registern, Büchern oder Dateien durch einen Amtsträger (§ 348 Abs. 1 StGB lesen!). Die Vorschrift ist also ein echtes Sonderdelikt, denn der Tatbestand setzt mit der Amtsträgerschaft eine besondere Tätereigenschaft voraus. Täter des § 348 StGB kann dementsprechend nur sein, wer selbst die Amtsträgereigenschaft in Person erfüllt. Beteiligte, die diese Eigenschaft nicht aufweisen, können niemals Täter, sondern allenfalls Teilnehmer sein (wobei dann § 28 Abs. 1 StGB strafmildernd zur Anwendung kommt). § 271 Abs. 1 StGB schließt nun folgende „Strafbarkeitslücke“, die ohne Existenz des § 271 Abs. 1 StGB bestünde:

Wer nicht Amtsträger ist, aber einen Amtsträger durch Täuschung dazu veranlasst, falsche Tatsachen zu beurkunden (siehe Beispiel oben), der kann sich zunächst nicht wegen einer Falschbeurkundung im Amt in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 348 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar machen, eben weil Täter nur sein kann, wer die Eigenschaft „Amtsträger“ aufweist. Dieses Ergebnis ist aber unbefriedigend, weil die Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft (kraft überlegenen Wissens) eigentlich vorliegen. Und auch eine Teilnahmestrafbarkeit wegen einer Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt (§§ 348 Abs. 1, 26 Abs. 1 StGB) scheidet in der Regel aus, weil dem Amtsträger wegen der Täuschung nicht bewusst ist, dass er oder sie etwas Falsches beurkundet und es somit an einer teilnahmefähigen vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat fehlt, die § 26 Abs. 1 StGB aber voraussetzt.

§ 271 Abs. 1 StGB versucht nun, diese „Lücken“ zu schließen, indem die oben beschriebene Konstellation der mittelbaren Täterschaft „vertatbestandlicht wird.

Objektiver Tatbestand

Tatobjekt

Öffentliche Urkunde

§ 271 StGB schützt – im Gegensatz zu § 267 StGB – keine privaten, sondern nur öffentliche Urkunden. Öffentliche Urkunden sind solche, die Beweiskraft für und gegenüber jedermann entfalten.

Öffentliche Urkunde iSv § 271 StGB

Eine öffentliche Urkunde ist eine Urkunde, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden ist.

Beispiele: Personalausweis, Führerschein, Grundbuch, Gerichtsurteile, notarielle Verträge, Protokoll des Gerichtsvollziehers über Vollstreckungshandlungen iSd § 762 ZPO.

Keine öffentliche Urkunden stellen von Ärzten oder Apothekern ausgestellte Impfausweise oder digitale COVID-19-Zertifikate dar. Sie werden schon nicht von einer Behörde ausgestellt. Auch wenn Ärzte und Apotheker die Ausstellung etwa digitaler COVID-19-Zertifikate durch das Infektionsschutzgesetz übertragen wurde (§ 22 Abs. 5, 6, 7 IfSG), führt dies nicht dazu, dass diese als Behörde anzusehen sind.Vgl. hierzu LG Osnabrück, Beschl. v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/21 = BeckRS 2021, 32733 (Vorzeigen eines falschen Impfausweises in einer Apotheke); vgl. hierzu auch Jahn, JuS 2022, 178.

Zu den Bestandteilen der Definition im Einzelnen:

  • Bei einer öffentlichen Behörde (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB) handelt es sich um ständige, vom Wechsel einzelner Personen unabhängige, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnete Organe, die mit öffentlicher Autorität auf die Erreichung von Staatszwecken oder staatlich geförderten Zwecken hinwirken.BGH NJW 1957, 1673; BayObLG NStZ 1993, 592.

Beispiele: Standesamt, Zulassungsstelle, Bürgerämter, Bezirksämter, Kreisverwaltung, Ministerien und andere oberste Bundes- und Landesbehörden etc., aber auch Universitätsfakultäten.

  • Mit öffentlichem Glauben versehene Personen sind zB Gerichtsvollzieher, Notare, Urkundsbeamte der Geschäftsstellen der Gerichte oder Standesbeamte (zur Reichweite des öffentlichen Glaubens s. sogleich unter → Rn. 11 ff.).

  • Die Urkunde muss von der mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises ausgestellt worden sein bzw. im Falle einer Behörde im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. Das ist in der Prüfungsarbeit ggfs. entlang der (im Sachverhalt dann abgedruckten) gesetzlichen Organisationsstruktur der Behörde nachzuvollziehen.

  • Bei der Erstellung der Urkunde muss schließlich die vorgeschriebene Form eingehalten werden. Formvorschriften können sich aus dem Gesetz ergeben, zB aus den §§ 36 ff. BeurkG. Als wesentliches Formerfordernis wird etwa die Unterschrift des Richters bzw. Rechtspflegers auf einem Mahnbescheid angesehen.RGSt 23, 205.

Für die oben genannte Definition wird übrigens häufig auf § 415 Abs. 1 ZPO verwiesen, der den Begriff der öffentlichen Urkunde legaldefiniert. Allerdings ist der Anwendungsbereich der öffentlichen Urkunde im Strafrecht enger als im Zivilrecht bzw. von § 415 ZPO. Zwar fallen unter § 271 StGB nur öffentliche Urkunden, aber nicht jede öffentliche Urkunde kann taugliches Tatobjekt sein. Vorausgesetzt ist, dass die öffentliche Urkunde auch im Einzelfall für den Rechtsverkehr nach außen bestimmt ist.Wessels/Hettinger/Engländer, BT 1, 47. Aufl (2023), Rn. 897. Das ist nicht der Fall bei sog. amtlichen Urkunden, die nur für den inneren Dienstbetrieb bestimmt sind. Als Beispiel für eine amtliche Urkunde kann das Dienstregister oder Kassenbuch genannt werden, wenn sie jeweils nur zu behördeninternen Übersichtszwecken erstellt werden.

Die hM sieht im Übrigen auch ausländische Urkunden als vom Anwendungsbereich des § 271 StGB erfasst an, sodass sowohl das Bewirken von Falschbeurkundungen in ausländischen Urkunden iSd Absatz 1 als auch der Gebrauch von ausländischen öffentlichen Urkunden im Inland strafbar ist.RGSt 68, 300 (302); OLG Düsseldorf NStZ 1983, 221 (222).

Beispiel: Die aus den USA stammende K hat dem staatlichen Prüfungsamt falsche Prüfungsergebnisse vorgelegt, woraufhin ihr ein falsches Zeugnis ausgestellt wurde. Mit diesem Zeugnis wollte K sich von Anfang an für ein Masterstudium an einer deutschen Universität bewerben. Das ausländische Zeugnis wird hier von § 271 Abs. 1 StGB erfasst.

Öffentliche Bücher, Register und Dateien

Öffentliche Bücher und Register sind – das ist wörtlich zu nehmen – besondere Formen öffentlicher Urkunden.

Beispiele:

  • Geburten-, Heirats-, Familien- und Sterbebuch, die die im PStG vorgeschriebenen Eintragungen beweisen,

  • Grundbuch,

  • Sparbuch bei einer öffentlichen Sparkasse.

Bei öffentlichen Dateien handelt es sich um beweiserhebliche Daten iSd § 269 StGB, die die inhaltlichen Voraussetzungen einer öffentlichen Urkunde erfüllen müssen.Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 271 Rn. 14. Als Beispiel für eine öffentliche Datei kann das elektronische Grundbuch genannt werden.

Tathandlung

Bewirken einer unrichtigen Beurkundung oder Datenspeicherung

Die im objektiven Tatbestand zu prüfende Tathandlung ist das „Bewirken“ einer unrichtigen Beurkundung (Alt. 1) oder einer unrichtigen Datenspeicherung (Alt. 2). Mit Bewirken ist aktives Verursachen gemeint. Den Regelfall stellt die (konkludente) Täuschung des Amtsträgers oder die Ausnutzung eines Irrtums dar. Nach überwiegender Auffassung kommt allerdings auch ein „Bewirken“ durch Drohung in Betracht.S. Erb, in: MüKo-StGB, Bd. 5, 4. Aufl. (2022), § 271 Rn. 51 und Wittig, in: S/S/W, StGB, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 23, jeweils mwN.

Abwandlung zum Beispiel aus Rn. 1: Notarin N hat mitbekommen, dass A und B Steuern sparen und deshalb einen falschen Kaufpreis beurkunden lassen wollen. Darauf angesprochen, machen A und B der N klar, dass es wohl besser für sie wäre, so zu tun, als hätte sie „nichts gehört und nichts gesehen“, da A und B anderenfalls nicht garantieren können, dass N nach Feierabend lebend zu Hause ankommt. N beurkundet daher den Kaufpreis iHv 700.000 Euro.

Nach hM kommt auch bei dieser Drohung durch A und B ein „Bewirken“ einer unrichtigen Beurkundung in Betracht.

Gegenstand der Falschbeurkundung und öffentlicher Glaube

Der strafrechtliche Schutz der mittelbaren Falschbeurkundung erstreckt sich nur auf solche (falschen) Angaben, denen ein erhöhtes Vertrauen in die Richtigkeit entgegengebracht werden kann. Dieses erhöhte Vertrauen bezeichnet man als öffentlichen Glauben. Öffentlicher Glaube bedeutet, dass die beurkundete Erklärung für und gegen jedermann im Rechtsverkehr Beweis erbringen kann.Wessels/Hettinger/Engländer, BT 1, 47. Aufl. (2023), Rn. 894; Eisele, BT I, 6. Aufl. (2021), Rn. 918; Rengier, BT 2, 24. Aufl. (2024), § 37 Rn. 16. Es genügt also nicht, festzustellen, dass der Täter einen Amtsträger etwa durch Täuschung dazu veranlasst hat, irgendeine falsche Erklärung oder falsche Angabe in einer öffentlichen Urkunde aufgenommen zu haben. Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmals des „Bewirkens“ ist zusätzlich zu prüfen, ob gerade die Falschangaben zu öffentlichem Glauben beurkundet werden, mit anderen Worten, ob sich die erhöhte Beweiskraft des öffentlichen Glaubens gerade auf die gemachten Falschangaben bezieht. Das wird in Prüfungsarbeiten häufig übersehen. Unterschieden werden kann, ob sich die Beurkundung zu öffentlichem Glauben darauf beziehen soll, dass

  • (1) überhaupt eine bestimmte Erklärung abgegeben wurde,

  • (2) eine bestimmte Person eine bestimmte Erklärung abgegeben hat oder

  • (3) eine bestimmte Person eine ihrem Inhalt nach richtige Erklärung abgegeben hat.

BeispielS. hierzu Wessels/Hettinger/Engländer, BT 1, 47. Aufl. (2023), Rn. 890, 900.: Z und Y schließen vor dem Standesbeamten S die Ehe. Niemand weiß, dass Z schon einmal verheiratet war. Bei der Anmeldung zur Eheschließung hat Z dementsprechend auch eidestattlich versichert, er sei noch nicht verheiratet gewesen. Bei der Beurkundung der Eheschließung im Eheregister bezeichnet S den Familienstand des Z daher als „ledig“.

Im vorliegenden Fall hat Z den S durch die Angabe, er sei niemals verheiratet werden, dazu veranlasst, etwas Unwahres in einer öffentlichen Urkunde, nämlich dem Eheregister, zu beurkunden. Fraglich ist aber, ob sich der öffentliche Glaube des Eheregisters auch gerade auf diese Angabe bezieht. Diese Frage beantwortet das Gesetz in §§ 54 Abs. 1 S. 1, 15 Abs. 1 PStG. Danach beweist das Personenstandsregister Eheschließung, Geburt und Tod sowie „die darüber gemachten Angaben“. Welche das im Falle des Eheregisters sind, ergibt sich aus § 15 Abs. 1 PStG, nämlich zB der Tag und Ort der Eheschließung sowie die Vornamen und die Familiennamen der Ehegatten, nicht aber die Angabe, schon einmal verheiratet gewesen zu sein. Auf den zum Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden Familienstatus bezieht sich die erhöhte Beweiskraft des Eheregisters (öffentlicher Glaube des Eheregisters) also nicht.

Die erhöhte Beweiskraft des öffentlichen Glaubens kann sich bezüglich bestimmter Tatsachen also unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Neben den §§ 54, 15 PStG lassen sich hier etwa die §§ 892, 2365, 2366 BGB, 274 StPO nennen. Grundsätzlich gilt, dass Angaben in öffentlichen Urkunden, die der Amtsträger nicht nachprüfen kann, auch nicht Gegenstand des öffentlichen Glaubens sein können.Vgl. Kindhäuser/Schramm, BT I, 11. Aufl. (2023), § 58 Rn. 8; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 19.

Für die Frage, auf welche Angaben sich der öffentliche Glaube in einer bestimmten öffentlichen Urkunde bei bestimmten Angaben bezieht, hat sich eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet.Vgl. die aufgeführten Einzelfälle bei BeckOK-StGB/Weidemann, 61. Ed. (Stand: 01.05.2024), § 271 Rn. 7, 7.1. Die wichtigsten Fallgruppen sind:

  • Öffentlicher Glaube bezieht sich auf Personenangaben in öffentlichen Urkunden nur dann, wenn eine gesetzliche Verpflichtung des Amtsträgers besteht, die Person zu identifizieren (vgl. zB § 10 BeurKG), nicht aber, wenn die Urkunde den Hinweis enthält, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben der betroffenen Person beruhen.BGH NJW 2010, 248 (249); OLG Koblenz NStZ-RR 2010, 259 (261 f.).

  • Kein öffentlicher Glaube besteht hinsichtlich der Angaben in einem Impfausweis.OLG Hamburg, Beschl. v. 27.01.2022 – 1 WS 114/21.

  • Beim Personal- oder Reisepass werden alle Identifizierungsmerkmale zu öffentlichem Glauben beurkundet sowie das Recht, einen angegebenen akademischen Grad zu führen.BGH NJW 1955, 839; Wittig, in: S/S/W, StGB, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 20; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 17.

  • Die Zulassungsbescheinigung Teil I (§ 11 FZV) beweist zu öffentlichem Glauben, dass das darin beschriebene Kfz zum öffentlichen Verkehr zugelassen ist, nicht aber, dass die Personenangaben korrekt sind.BGHSt 20, 186 (188); OLG Hamburg NJW 1966, 1827 und Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 23.

  • Urteile, Beschlüsse oder Verwaltungsakte beweisen zu öffentlichem Glauben in der Regel nur den Erlass der damit getroffenen amtlichen Anordnung, nicht aber, dass die formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vorliegen.BGH NJW 1991, 576 (577); OLG Hamm NStZ 1988, 26; vgl. auch Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 20.

  • Bei notariell beurkundeten Kaufverträgen bezieht sich der öffentliche Glaube nur auf die Identität der erschienenen Parteien und auf die Abgabe der beurkundeten Erklärungen, nicht aber auf die inhaltliche Richtigkeit der vertraglichen Erklärungen, also beispielsweise des Kaufpreises und auch nicht auf den Ort der Beurkundung.BGH NStZ 1986, 550; NJW 1998, 3790. Das lässt sich aus den §§ 9, 10 BeurkG ableiten.

  • Der öffentliche Glaube des während einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung von den Urkundspersonen der Geschäftsstelle (Amtspersonen) erstellten Hauptverhandlungsprotokoll (vgl. §§ 271274 StPO) bezieht sich allein auf die Einhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens, also zB die Tatsache, dass Zeuge Y erschienen ist und zur Sache ausgesagt hat. Der öffentliche Glaube bezieht sich hingegen nicht auf die inhaltliche Richtigkeit von Angaben zur Sache oder zur Person.OLG Hamm NJW 1977, 592 (593).

  • Bei amtlichen Meldebestätigungen bezieht sich der öffentliche Glaube nur auf die Tatsache, dass der Angemeldete den bestimmten Wohnsitz angemeldet hat, nicht aber darauf, dass er dort tatsächlich wohnt.OLG München NStZ 2006, 575; OLG Köln NStZ 2007, 474.

Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung, auf welche Angaben sich der öffentliche Glaube bezieht, die Überlegung ratsam ist, was man mit der Angabe speziell beweisen können soll. Deutlich wird das bei einer Gegenüberstellung von Personalausweis und Führerschein: Der Personalausweis soll im Rechtsverkehr gerade die Identität des Personalausweisinhabers beweisen. Deshalb werden auch gerade die Identifizierungsmerkmale zu öffentlichem Glauben beurkundet. Zwar sind im Führerschein ebenfalls einige Identifizierungsmerkmale, wie beispielsweise ein Lichtbild und der Name, enthalten, er dient aber allein dem Nachweis der Fahrerlaubnis. Aus diesem Grund wird beim Führerschein auch nur die Tatsache zu öffentlichem Glauben beurkundet, dass eine Fahrerlaubnis erteilt wurde und der augenblickliche Besitzer mit der im Führerschein bezeichneten Person identisch ist und nicht die sonstigen Identifizierungsmerkmale (abgesehen vom Geburtsdatum, da dies für die Fahrerlaubnis wesentlich ist).

Gutgläubigkeit des Amtsträgers als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal?

Umstritten ist, ob das Bewirken einer unrichtigen Beurkundung iSd § 271 Abs. 1 StGB nur dann angenommen werden kann, wenn der Amtsträger die Falschbeurkundung gutgläubig vornimmt, also ohne Vorsatz handelt, oder auch dann, wenn der Amtsträger es zumindest billigend in Kauf nimmt, dass er etwas unwahres zu öffentlichem Glauben beurkundet und damit bösgläubig ist.

Hierzu ein Beispiel mit zwei Fallvarianten:

B fühlt sich mit seinem Alter von 45 Jahren unwohl und wäre gern „offiziell" jünger. Vor der nächsten Beantragung seines Personalausweises ändert er seine Geburtsdaten in seiner Geburtsurkunde ab, sodass aus ihr ein Alter von 20 Jahren hervorgeht, und legt die Geburtsurkunde bei der Beantragung seines neuen Personalausweises dem Sachbearbeiter vor.

Variante 1: Der Sachbearbeiter hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der Geburtsurkunde und gleicht das Alter des B auch nicht mit den bereits vorliegenden, behördeninternen Daten ab. Er stellt daraufhin den neuen Personalausweis mit den Daten der ihm vorlegten Geburtsurkunde aus.

Variante 2: Der Sachbearbeiter hat angesichts des Vollbarts und faltigen Gesichts des B ernste Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der Geburtsurkunde, sieht aber darüber hinweg, weil er schnell Feierabend machen möchte und trägt die Angaben aus der Geburtsurkunde ein.

Die erste Variante stellt den Regelfall der mittelbaren Falschbeurkundung dar. B täuscht den Sachbearbeiter über die Tatsache seines Geburtsdatums und der Sachbearbeiter beurkundet das falsche Geburtsdatum zu öffentlichem Glauben im Personalausweis. § 271 Abs. 1 StGB ist unproblematisch erfüllt.

Bei der zweiten Variante hat der Sachbearbeiter hingegen ernste Zweifel an der Richtigkeit des Geburtsdatums, beurkundet die Angaben aber trotzdem. Diese Konstellation weicht von der § 271 StGB zugrundeliegenden Struktur der mittelbaren Täterschaft ab. Es fehlt das Strafbarkeitsdefizit, denn der Sachbearbeiter handelt mit bedingtem Vorsatz und ist nicht gutgläubig. Die Kontroverse wird mit Blick auf den Sinn und Zweck und der Funktion des § 271 StGB verständlich (→ Rn. 1): Die Strafvorschrift erfasst primär die Konstellation mittelbarer Täterschaft bei § 348 StGB, die wegen des Sonderdeliktscharakters des § 348 StGB nicht möglich ist. Das könnte es nahelegen, die Werkzeugqualität des Amtsträgers und damit Gutgläubigkeit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 271 StGB vorauszusetzen.Vgl. Eisele, BT I, 6. Aufl. (2021), Rn. 925.

Eine Ansicht geht daher davon aus, dass außenstehende Dritte, die als Nicht-Amtsträger auf den Amtsträger einwirken, Tatherrschaft über den Beurkundungsvorgang haben müssen.RGSt 63, 148 (149); Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 271 Rn. 40 f.; Kretschmer, Jura 2003, 535 (539). Insoweit ist überlegenes Wissen (bei Täuschung oder Ausnutzung bestehender Irrtümer des Amtsträgers) oder überlegenes Wollen (bei Drohung oder Nötigung des Amtsträgers) zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands bei § 271 StGB stets vorausgesetzt.

Die hM geht demgegenüber davon aus, dass für ein Bewirken iSd § 271 Abs. 1 StGB jede aktive Verursachung einer Falschbeurkundung unabhängig von der Gut- oder Bösgläubigkeit des Amtsträgers ausreiche.Vgl. Wittig, in: S/S/W, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 22; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 271 Rn. 6; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 8 f. mwN.

Kommen die beiden Ansichten – wie hier – im konkreten Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen, sind sie in der Prüfungsarbeit zu diskutieren. Für die erstgenannte Ansicht spricht die lückenschließende Funktion des § 271 StGB. Dem lässt sich entgegenhalten, dass der Wortlaut des § 271 StGB Gutgläubigkeit des Amtsträgers gerade nicht voraussetzt. Dementsprechend kann man genau so gut davon ausgehen, dass § 271 StGB immer dann zur Anwendung kommen soll, wenn eine Bestrafung wegen einer Tatbeteiligung nach § 348 StGB aus Gründen in der Person des Täters oder des Amtsträgers scheitert. Das Schließen der Lücke, die § 348 StGB hinterlässt, mag nach dieser Ansicht zwar die notwendige, aber nicht die hinreichende Funktion des § 271 StGB sein.Wittig, in: SSW-StGB, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 5; aA Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 5, 3. Aufl. (2019), § 271 Rn. 9, der davon ausgeht, dass „§ 271 eine Art Grundtatbestand zu § 348“ bildet.

Irrtumskonstellationen

Die soeben dargestellten Ansichten zur Frage, ob der Amtsträger gutgläubig sein muss, damit § 271 StGB erfüllt werden kann (→ Rn. 19 ff.), wirken sich auch auf die Behandlung von Irrtümern des Täters aus. Ein Irrtum kann etwa darin bestehen, dass der Amtsträger tatsächlich bösgläubig ist, während der Täter ihn für gutgläubig hält. Es stellt sich dann die Frage, ob trotz dieses Irrtums noch ein „Bewirken“ iSd § 271 Abs. 1 StGB bejaht werden kann.

Zwei Konstellationen können neben dem Regelfall, dass der Täter Amtspersonen für gutgläubig halten und die Amtsperson tatsächlich gutgläubig ist, unterschieden werden:

(1) Hält der Täter die Amtsperson subjektiv für gutgläubig, ist die Amtsperson tatsächlich aber bösgläubig, hält die hM eine Strafbarkeit nach § 271 StGB für gegeben. Denn nach hM genügt jede Verursachung für ein Bewirken unabhängig davon, ob die Amtsperson gut- oder bösgläubig ist. § 271 StGB will nicht allein die Lücke bei § 348 StGB nicht möglicher mittelbarer Täterschaft schließen, sondern sämtliche Strafbarkeitslücken einer Beteiligung an § 348 StGB.Vgl. Wittig, in: S/S/W, StGB, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 23; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 9. Die Gegenansicht kommt hingegen zur Straflosigkeit: Mangels Anstiftervorsatz in Bezug auf eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat durch den Amtsträger kommt weder eine Teilnahmestrafbarkeit nach §§ 348, 26 StGB in Betracht, noch eine Strafbarkeit nach § 271 StGB. Diese setzt nach dieser Ansicht nämlich voraus, dass der Täter objektiv Tatherrschaft über den Beurkundungsvorgang hat, was bei Bösgläubigkeit der Amtsperson ausscheide. Eine dritte Ansicht hält eine Strafbarkeit wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkung gem. §§ 271, 22, 23 Abs. 1 StGB für einschlägig.RGSt 13, 367 (370); Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 271 Rn. 41.

(2) Hält der Täter die Amtsperson – umgekehrt – subjektiv für bösgläubig, ist die Amtsperson aber tatsächlich gutgläubig, hält die hM wiederum § 271 StGB für einschlägig.Vgl. hier nur Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 10 mwN. Die Gegenansicht kommt wiederum zur Strafbarkeit, denn es fehlt der Wille zur mittelbaren Täterschaft. Auch eine versuchte Anstiftung zu § 348 StGB kommt nicht in Betracht, da nur die versuchte Beteiligung an einem Verbrechen gem. § 30 Abs. 1 StGB strafbar ist, es sich bei § 348 StGB aber um ein Vergehen handelt. Eine Teilnahmestrafbarkeit nach §§ 348, 26 StGB scheitert schließlich daran, dass keine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat bei Gutgläubigkeit des Amtsträgers vorliegt.Vgl. Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 271 Rn. 30; Puppe/Schumann, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 271 Rn. 42.

Zur besseren Übersicht sind die Irrtumskonstellationen noch einmal in Tabellenform zusammengefasst:

Regelfall

Irrtumskonstellation 1

Irrtumskonstellation 2

Vorstellung des Amtsträgers

gutgläubig

bösgläubig

gutgläubig

Vorstellung des Täters

Amtsträger ist gutgläubig

Amtsträger ist gutgläubig

Amtsträger ist bösgläubig

Strafrechtliche Bewertung

§ 271 StGB nach allen Ansichten (+)

(Regelfall des § 271 Abs. 1 StGB)

hM: § 271 Abs. 1 StGB (+), Bewirken erfasst jede Verursachung

aA: § 271 Abs. 1 StGB (-), Tatherrschaft über Beurkundungsvorgang notwendig

aA: §§ 271, 22, 23 Abs. 1 StGB (+)

§§ 348, 26 StGB nach allen Ansichten (-) mangels Vorsatz bezogen auf vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat des Amtsträgers

hM: § 271 Abs. 1 StGB (+), Bewirken erfasst jede Verursachung

aA: § 271 Abs. 1 StGB (-) mangels Willen des Täters zur mittelbaren Täterschaft

§§ 348, 26 StGB (-) mangels vorsätzlicher und rechtswidriger Haupttat

§§ 30 Abs. 1 StGB (-), da § 348 StGB lediglich Vergehen

Gebrauchen einer falschen Beurkundung oder Datenspeicherung (§ 271 Abs. 2 StGB)

Nach § 271 Abs. 2 StGB ist der Gebrauch einer falschen öffentlichen Urkunde strafbar. Für den Begriff des Gebrauchens gelten dieselben Maßstäbe wie für § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB (→ § 18 Rn. 69).

Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht ist das Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatumstände erforderlich, wobei dolus eventualis genügt (§ 15 StGB). Hinsichtlich der erhöhten Beweiskraft des öffentlichen Glaubens bezüglich der zu beurkundenden Tatsachen ist zu berücksichtigen, dass der Täter zumindest bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre eine Vorstellung hierüber haben müssen.Vgl. Wittig, in: S/S/W-StGB, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 28.

Eine Strafbarkeit wegen Gebrauchs einer falschen öffentlichen Urkunde iSd § 271 Abs. 2 StGB setzt ein Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr (Täuschungsabsicht) voraus. Insoweit gelten dieselben Maßstäbe wie bei § 267 Abs. 1 StGB (vgl. hierzu → § 18 Rn. 72 f.).

Zu beachten ist auch hier (wie bei §§ 267, 268, 269 StGB) die Gleichstellungsklausel des § 270 StGB, wonach einer „Täuschung im Rechtsverkehr“ eine „fälschliche Beeinflussung einer Datenverarbeitung im Rechtsverkehr“ gleichsteht, sodass nicht Täuschungsadressat nicht zwingend eine Person sein muss.

Versuch

Der Versuch ist iSv § 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB gem. § 271 Abs. 4 StGB strafbar. Das Versuchsstadium erreicht schon, wer mit der Einwirkung auf die Amtsperson beginnt, also mit der Vornahme der ersten Verursachungshandlung. Auf den Beginn der Beurkundungshandlung des Amtsträgers ist hingegen nicht abzustellen.Vgl. Wittig, in: S/S/W-StGB, 6. Aufl. (2024), § 271 Rn. 34 mwN. Bezüglich des Gebrauchs iSd § 271 Abs. 2 StGB gelten natürlich andere Maßstäbe. Soweit dort erforderlich ist, dass dem zu Täuschenden die falsche Beurkundung oder Datenspeicherung so zugänglich gemacht wird, dass eine Wahrnehmung möglich ist, beginnt der Versuch mit der ersten Handlung, die darauf abzielt, eine Kenntnisnahme des zu Täuschenden zu ermöglichen.

Qualifikationstatbestand des § 271 Abs. 3 StGB

§ 271 Abs. 3 StGB enthält einen eigenständigen Tatbestand und qualifiziert den Grundtatbestand des Absatz 1 bei einem Handeln gegen Entgelt oder bei Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht.

Der Begriff des Entgelts ist in § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB legaldefiniert: Gemeint ist „jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung“. Für die Vollendung des Qualifikationstatbestandes ist nicht erforderlich, dass der Täter das Entgelt tatsächlich erhält. Hier ist vielmehr auf das subjektive Vorstellungsbild abzustellen, sodass es ausreicht, wenn ein Vermögensvorteil als Gegenleistung angestrebt wird.

Mit Bereicherungsabsicht ist iRd § 271 Abs. 3 StGB dolus directus 1. Grades gemeint, wobei anders als bei § 263 StGB keine Stoffgleichheit, nach hM wohl aber Rechtswidrigkeit der Bereicherung vorausgesetzt ist.Vgl. BayObLG StV 1995, 29; Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 37 Rn. 27; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 271 Rn. 11. Dasselbe gilt für die Schädigungsabsicht: Gemeint ist dolus directus 1. Grades und die Schädigung muss rechtswidrig sein. Unter Schädigung ist dabei jeder Nachteil gemeint.

Aufbauschemata für die Klausur

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Tatobjekt: Öffentliche Urkunde, Bücher, Register oder Datei

      2. Tathandlung (Abs. 1): Bewirken

      3. Tathandlung (Abs. 2): Gebrauchen

    2. Subjektiver Tatbestand

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

  4. Qualifikationstatbestand, § 271 Abs. 3 StGB

Weiterführende Studienliteratur

Bock, Zur Auslegung der Falschbeurkundung i.S.d. §§ 271, 348 StGB, ZIS 2011, 330

Puppe, Die neuere Rechtsprechung zu den Fälschungsdelikten, JZ 1991, 609 (mit Bezug auf mittlerweile zT überholter Rspr., aber immer noch sehr instruktiv zum Verständnis)