Die Körperverletzungsdelikte der §§ 223 ff. StGB begleiten die Studierenden vom ersten Semester bis in die Examensprüfungen. Während die Körperverletzung in den ersten Semestern vorwiegend als Anknüpfungspunkt für Probleme des allgemeinen Teils dient, stehen im fortgeschrittenen Studium und dem Staatsexamen meist andere Delikte des besonderen Teils im Mittelpunkt der Klausur. Dies darf jedoch nicht über die Relevanz der Körperverletzungsdelikte hinwegtäuschen, die in einer Vielzahl von Klausuren entweder „am Rande“ geprüft werden oder in Verbindung mit Delikten des besonderen Teils (insb. §§ 211 ff., 249 ff. StGB) auch in Klausuren für Fortgeschrittene zu prüfen sind.
Ein ausgeprägtes Verständnis für die Grundlagen der Körperverletzungsdelikte und der üblichen Qualifikationstatbestände ist damit für eine gelungene strafrechtliche Klausur wichtig. Offenbaren sich Lücken bei der Bearbeitung der §§ 223 ff. StGB, wiegen diese – auch abseits des eigentlichen Klausurschwerpunkts – schwer, da es sich um Grundlagen handelt. Umgekehrt kann mit einer präzisen Bearbeitung der §§ 223 ff. StGB ein ausgeprägtes Problembewusstsein und gute juristische Arbeitstechnik demonstriert werden.
Rechtsgut und Deliktsstruktur
Rechtsgut
Der 17. Abschnitt des StGB schützt die körperliche Unversehrtheit. Schutzgut des Abschnittes ist die körperliche Integrität und die Gesundheit eines Menschen.
Trotz der im Wesentlichen körperlichen Ausrichtung des Tatbestandes kann das körperliche Wohl
Deliktsstruktur und Zusammenhang zu anderen Delikten des 17. Abschnitts des StGB
Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB ist ein Verletzungserfolgsdelikt, das als Grunddelikt des 17. Abschnitts des StGB bezeichnet werden kann. Gem. § 223 Abs. 2 StGB ist auch der Versuch der Körperverletzung als Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) „ausdrücklich“ (vgl. § 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB) mit Strafe bedroht.
Hieran schließt sich das Qualifikationsdelikt des § 224 StGB (gefährliche Körperverletzung) an, das an die Voraussetzungen des § 223 StGB anknüpft und für bestimmte Weisen der Tatbegehung, bei denen die Verletzungsgefahr erheblich erhöht ist und die Verteidigungsaussichten der verletzten Person regelmäßig verringert sind, eine Strafschärfung normiert. Die „einfache“ Körperverletzung wird so zu einer „gefährlichen“ Körperverletzung qualifiziert und der Strafrahmen auf bis zu zehn Jahre erhöht. Begeht ein Amtsträger die Körperverletzung, ist diese gem. § 340 StGB als „Körperverletzung im Amt“ strafbar. Wenngleich diese Norm in der Klausur selten vorkommt, ist sie doch in den meisten Bundesländern formal Teil des Examensstoffs und aufgrund aktueller Diskussionen um Polizeigewalt insbesondere für die mündliche Examensprüfung ein möglicher Anknüpfungspunkt.
§ 226 StGB (schwere Körperverletzung) und § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) sind sogenannte erfolgsqualifizierte Delikte. Die Tatbestände beschreiben vorsätzliche Körperverletzungen, bei denen zumindest fahrlässig ein qualifizierender Erfolg („Schwere Folge“) eingetreten ist.
§ 229 StGB normiert die fahrlässige Körperverletzung.
In Körperverletzungen kann die verletzte Person grundsätzlich einwilligen, sodass in diesem Fall die Rechtswidrigkeit der Tat entfällt. § 228 StGB normiert eine Grenze für die Einwilligung: Sie ist nicht wirksam, wenn die Tat gegen die „guten Sitten“ verstößt.
Schließlich regelt § 230 StGB ein Strafantragserfordernis bei Delikten nach §§ 223 und 229 StGB. Sind §§ 224–226a, 340 StGB mitverwirklicht, bedarf es keines Strafantrags.
Für die Ausbildung von geringer Bedeutung ist neben § 226a StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien) auch § 225 StGB (Misshandlung Schutzbefohlenen).
§ 231 StGB normiert die Beteiligung an einer Schlägerei.
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt
Tatbestandsmerkmal „andere Person“
Tatobjekt des § 223 Abs. 1 StGB ist eine „andere Person“. Aus dieser Formulierung kann umgekehrt geschlossen werden, dass Verletzungen am eigenen Körper nicht unter Strafe stehen.
Weiterführendes Wissen: Pränatale Einwirkungen, die nicht unter die §§ 212, 222 StGB fallen (→ § 1 Rn. 9 ff.), eröffnen erst recht nicht den Tatbestand der § 223 ff. StGB.
Implantate
Implantate verlieren nach hM ihre Sacheigenschaft, sobald sie dauerhaft mit einem lebenden menschlichen Körper verbunden werden. Entscheidend ist hierbei die feste Verbundenheit mit dem Körper, die etwa bei einer künstlichen Hüfte besteht; nicht jedoch bei einem künstlichen Gebiss.
Abgetrennte Körperteile und Körpersubstanzen
Bei bereits abgetrennten Körperteilen, die nach der Abtrennung verletzt oder zerstört werden, sind in der Fallbearbeitung zwei wesentliche Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen kommt es darauf an, ob die Abtrennung kurzfristig oder langfristig erfolgen sollte. Langfristig abgetrennte Körperteile werden nicht mehr dem Körper zugerechnet, sondern erlangen Sachqualität. Anders liegt die Bewertung nach wohl überwiegender Ansicht, wenn Körperteile oder -substanzen zu medizinisch-therapeutischen Zwecken (Eigentransplantation, Eigenblutspende, zur künstlichen Befruchtung entnommene Eizelle) nur vorübergehend entnommen werden sollen.
Klausurhinweis: Für die Fallbearbeitung im Studium spielt das Merkmal „andere Person“ eine sehr untergeordnete Rolle. Zumindest in Klausuren für Fortgeschrittene ist dieses Merkmal – vorbehaltlich einer entsprechenden Kontraindikation im Sachverhalt – nicht gesondert zu prüfen. Auch die Probleme im Zusammenhang mit abgetrennten Körperteilen und Implantaten sind im Rahmen der Körperverletzungsdelikte ausgesprochen selten. Von Relevanz können die hier aufgeworfenen Fragen jedoch auch im Rahmen des Diebstahls gem. § 242 StGB sein.
Tathandlung/Taterfolg
Körperliche Misshandlung, § 223 Abs. 1 Alt. 1 StGB
Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird.
Als körperliche Misshandlung erfasst sind insbesondere substanzverletzende Einwirkungen („körperliche Unversehrtheit“) auf den Körper des Opfers.
Einen Sonderfall stellen Auswirkungen auf die Psyche der betroffenen Person dar. Ausschließlich seelische Beeinträchtigungen reichen nicht aus, um eine körperliche Misshandlung zu begründen. In diesen Fällen muss der Körperlichkeitsbezug, also die „somatische Verobjektivierbarkeit“ (vgl. schon → Rn. 4), klar festgestellt werden.
Anders bei der Erheblichkeit der Beeinträchtigung: Hier ist es in Grenzfällen notwendig, sich ausführlich mit den konkreten Besonderheiten des Einzelfalls auseinanderzusetzen. Es muss genau bestimmt werden, wann eine üble, unangemessene Behandlung das körperliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt. Um hierfür ein Gefühl zu entwickeln, hilft es, sich mit der etablierten Kasuistik auseinanderzusetzen.
Typische Substanzverletzungen (Verursachen von Beulen, Wunden, Zahnverlust etc.), überschreiten unproblematisch die Schwelle der Erheblichkeit. Dagegen bereiten in der Fallbearbeitung besonders die folgenden Fallgruppen (klausur-)relevantere Probleme:
Ohrfeigen
Festhalten/Fesseln
Haare abschneiden
Hier ist die Erheblichkeit im konkreten Einzelfall zu prüfen. Es wird von den Bearbeitenden verlangt, die dargestellte Definition auf den Sachverhalt zu beziehen und unter Auswertung aller Sachverhaltsdetails unter das Merkmal der körperlichen Misshandlung zu subsumieren. Orientierung bietet die Rechtsprechung; geprüft wird jedoch regelmäßig nicht die Kenntnis eines besonderen Urteils, sondern das juristische Gespür bei der Anwendung gelernter Definitionen auf unbekannte Sachverhalte.
Eine Ohrfeige hat laut BGH „in der Regel eine mehr als bloß unerhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens zur Folge“,
Beispiel: Empfindet O die leichte Backpfeife zwar nicht als schmerzhaft, fühlt sich aber gedemütigt, ist die Verneinung einer körperlichen Misshandlung gut vertretbar.
Das Festhalten im „Schwitzkasten“ stellt jedenfalls dann ein unangemessenes, übles Behandeln dar „[...], wenn die Geschädigte Nackenschmerzen davonträgt“.
Vertiefungshinweis: Ein Prüfungsfall ist das gemeinsame „Verprügeln“ eines Opfers durch mehrere Täter, wobei einer der Täter die verletzte Person nur festhält, während der andere Täter auf den Verletzten einschlägt. In diesem Fall muss dem Täter, der nur festhält, unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB fremdes Verhalten (nämlich das Schlagen des Mittäters) zugerechnet werden, da das Festhalten mangels (Schmerz-)Erheblichkeit gerade keinen tatbestandsmäßigen Erfolg iSd § 223 Abs. 1 StGB begründet.
Werden die Haare der betroffenen Person abgeschnitten, ist darin zumindest dann eine körperliche Misshandlung zu erblicken, wenn die Haare unregelmäßig geschnitten werden und dadurch „entstellende Wirkung“ haben.
Klausurhinweis: Ist die Erheblichkeit der körperlichen Misshandlung nicht offensichtlich, muss dieses Kriterium im Gutachten mit einer nachvollziehbaren Begründung bejaht oder verneint werden. Für das Festhalten kann zB so formuliert werden: „… das Festhalten des O im ‚Schwitzkasten‘ war für diesen auch mit starken Nacken- und Kieferschmerzen verbunden, die sein körperliches Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt haben.“
Gesundheitsschädigung, § 223 Abs. 1 Alt. 2 StGB
Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht unerheblichen krankhaften (pathologischen) Zustands.
Typisch hierfür sind Substanzverletzungen am Körper einer anderen Person (Wunden, Hämatome, Organ- und Gliederverluste). Maßgeblich ist stets die Verschlechterung des Gesundheitszustands der verletzten Person im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Tätereinwirkung.
In der Literatur wird selten auch das „Aufrechterhalten“ eines pathologischen Zustands unter den Begriff der Gesundheitsschädigung gefasst. Diese Formulierung ist missverständlich, da sie leicht mit dem bloßen Unterlassen (§ 13 StGB) von Heilung verwechselt werden kann. Gemeint ist in diesen Fällen aber das Unterbrechen bzw. Hindern des natürlichen Heilungsprozesses und nicht das bloße Nicht-Heilen (das jedoch unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 13 StGB insbesondere bei medizinischem Personal strafbar sein kann).
a) Psychische Beeinträchtigungen
Umstritten ist, ob und in welchem Umfang psychische Beeinträchtigungen und psychische Krankheiten eine Gesundheitsschädigung darstellen.
Für psychische Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert ist – wie schon bei der körperlichen Misshandlung – jedenfalls zu verlangen, dass sie sich somatisch objektivierbar niederschlagen,
Beispiele: So stellen ein bloßer Schreck oder auch das Verursachen von Albträumen
Eine weitere Frage ist, ob psychische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert, die sich nicht unbedingt körperlich niederschlagen müssen, ebenfalls eine Gesundheitsschädigung darstellen können.
Beispiele: Psychosen, Depressionen, Angststörungen.
Die herrschende Meinung lehnt es ab, rein psychische Krankheiten einzubeziehen. Als Argument wird insbesondere angeführt, § 223 StGB setze einen Körperbezug voraus, und es sei nicht hinreichend bestimmbar, wann eine psychische Krankheit vorliege.
b) Übertragung von Krankheiten
Die Übertragung von Krankheiten stellt definitionsgemäß grundsätzlich unproblematisch eine Gesundheitsschädigung dar.
Bei der Infizierung mit dem HI-Virus liegt die Gesundheitsschädigung bereits in der Übertragung des Virus, auch wenn es noch nicht zum Ausbruch der AIDS-Erkrankung gekommen ist.
Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand verlangt vorsätzliches Handeln iSd § 15 StGB. Dolus eventualis genügt.
Weiterführendes Wissen: Besonders in Klausuren für Fortgeschrittene ist zu beachten, dass der Vorsatz zu einem Tötungsdelikt nach der sogenannten Einheitstheorie auch einen Körperverletzungsvorsatz enthält (→ Rn. 68). In der Klausur müssen nach der Prüfung eines Tötungsdelikts daher auch die Körperverletzungsdelikte in gebotener Kürze geprüft werden.
Sonderproblem: Medizinischer Heileingriff
Ein praktisch wichtiges Sonderproblem der Körperverletzung stellt die strafrechtliche Behandlung des medizinischen Heileingriffs
Umstritten ist hier, ob ein medizinischer Heileingriff, der für sich genommen selbst den Körper kurzfristig schädigt, um letztlich einen krankhaften Zustand zu heilen, eine tatbestandliche Körperverletzung darstellt
Beispiel: Mit einem Skalpell wird der Bauchraum geöffnet, um einen entzündeten Blinddarm zu entfernen.
Bei einer nach den Regeln der Kunst durchgeführten ärztlichen Behandlung handelt es sich nicht um eine „üble, unangemessene Behandlung“, sodass die körperliche Misshandlung § 223 Abs. 1 Alt. 1 StGB stets ausscheidet.
Subsumiert man jedoch die beispielhafte Blinddarmentfernung unter die Definition der Gesundheitsschädigung (§ 223 Abs. 1 Alt. 2 StGB), stellen die Wunden, die über längere Zeit ausheilen müssen, einen nicht unerheblichen pathologischen Zustand dar, der durch den medizinischen Heileingriff hervorgerufen wurde. Der objektive Tatbestand des § 223 StGB scheint damit verwirklicht.
Fraglich ist, ob dies mit der ratio des § 223 StGB vereinbar ist oder ob medizinische Heileingriffe im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Tatbestand der Körperverletzung ausgeschieden werden sollen.
Nach einer – vor allem in älterer – Literatur vertretenen Ansicht unterfällt der medizinische Heileingriff nicht dem Anwendungsbereich des § 223 Abs. 1 StGB, da Ziel die Wiederherstellung der Gesundheit der behandelten Person und nicht die Verletzung derselben sei.
Weiterführendes Wissen: Innerhalb der Tatbestandslösung wird weiter nach (vor allem) zwei Kriterien unterschieden. Eine Ansicht differenziert danach, ob der Heilversuch gelungen ist (sog. Erfolgstheorie); eine andere Ansicht stellt darauf ab, ob der Heileingriff lege artis (also nach den Regeln der ärztlichen Kunst) erfolgt ist.
Nach Ansicht der Rechtsprechung
Der mittlerweile zur hM avancierten Rechtfertigungslösung ist zuzustimmen,
Klausurhinweis: Aus klausurtaktischer Sicht ist ebenfalls anzuraten, der Rechtfertigungslösung zu folgen, um Kenntnisse im Bereich der Einwilligung demonstrieren zu können, anstatt die Prüfung bereits in der Tatbestandsmäßigkeit „abzuwürgen“.
Einwilligung
Die Einwilligung in die Körperverletzung funktioniert zunächst nach den allgemeinen Regeln der Einwilligung: Das Rechtsgut muss verfügbar (Disponibilität) und die einwilligende Person einsichts- und urteilsfähig sein. Zudem muss die Einwilligung freiwillig erfolgen, was insbesondere die unter Zwang zustande gekommene Einwilligung ausschließt. Die Einwilligung muss vor der Tat erfolgt sein und der Täter auch auf Basis dieser Einwilligung handeln (subjektives Rechtfertigungselement).
Eine normative Grenze wird der Einwillung durch § 228 StGB gesetzt: Verstößt die Körperverletzung (nicht: die Einwilligung in die Körperverletzung) gegen die guten Sitten, handelt der Täter auch trotz Einwilligung rechtswidrig.
Allgemeines
Eine Körperverletzung ist dann sittenwidrig, „wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt“.
Diese Definition lässt viel Raum für Interpretation, was mit Blick auf das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Bestimmtheitsgebot problematisch ist. Das hat auch der BGH erkannt und versteht den Begriff der Sittenwidrigkeit restriktiv. So soll insbesondere ein Verstoß gegen die Wertvorstellungen einzelner gesellschaftlicher Gruppen explizit nicht ausreichen, um eine Körperverletzung als Sittenwidrigkeit zu klassifizieren.
Problematisch ist trotz dieser Restriktionsbemühungen, dass die Definition der guten Sitten auf „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ und damit auf eine – wie auch immer zu bestimmende – gesellschaftliche Haltung hinausläuft, die gesellschaftlichen Wandlungsprozessen unterliegt und sich somit stetig verändert.
Beispiel: Ein Beispiel für die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Wertvorstellungen ist die Entscheidung BGHSt 49, 166 (172) aus dem Jahr 2004, in der es um einvernehmliche sadomasochistischen Handlungen ging. Das Landgericht urteilte, eine solche Praxis verstoße gegen die „guten Sitten“ und sei somit nicht einwilligungsfähig. Nach Ansicht des BGH ist jedoch auch eine sexuell motivierte Einwilligung in eine Körperverletzung möglich.
Für die (Klausur-)Praxis wird daher empfohlen, folgender – aus Elementen der sog. Zwecktheorie und der sog. Schweretheorie gebildeten
durch die Tat eine konkrete Gefahr für eine schwere Gesundheitsschädigung geschaffen wird, um zwar einen intersubjektiv
Intersubjektive Empfindungen sind subjektive, also persönliche, Empfindungen, die aber von einer Vielzahl an Personen jeweils gleich empfunden wird. anerkannten Zweck zu erreichen, die Gefahr zur Zweckerreichung aber außer Verhältnis steht,oder
durch die Tat eine konkrete Gefahr für eine schwere Gesundheitsschädigung geschaffen wird, um einen intersubjektiv nicht anerkannten Zweck zu erreichen.
Es wird also die Schwere der Verletzung mit dem anerkannten Zweck in ein Abwägungsverhältnis gesetzt. Stets außer Verhältnis zum verfolgten Zweck steht die Gefährdung des Opfers, wenn sie in den Bereich der konkreten Lebensgefahr gerät. Bei nicht anerkannten Zwecken entfällt die Güterabwägung, da die Erreichung rechtlich „wertlos“ ist, also stets geringer wiegt als die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit.
Beispiel: Von einer Sittenwidrigkeit ist insbesondere bei – nicht medizinisch indizierter – Beibringung dauerhafter Schäden wie zB dem Verlust von Gliedmaßen oder dem Versetzen der verletzten Person in konkrete Lebensgefahr auszugehen.
Die konkrete Lebensgefahr als absolute Einwilligungsgrenze leitet sich aus dem Rechtsgedanken von § 216 StGB ab, der auch eine Tötung auf Verlangen unter Strafe stellt. Das Verursachen einer konkreten Lebensgefahr durch einen Dritten muss daher folgerichtig der Einwilligung entzogen sein.
Besonderheiten bei der Einwilligung in medizinische Heileingriffe
Einwilligung in medizinische Heileingriffe
Für die Einwilligung in medizinische Heileingriffe gelten die allgemeinen Grundsätze. Da die Einwilligung jedoch die Kenntnis des Umfangs der beeinträchtigten Rechtsgüter voraussetzt, bedarf es vor der Durchführung des Heileingriffs zwingend einer umfassenden Aufklärung der behandelten Person über Folgen und mögliche Risiken der Behandlung. Dieser Rechtsgedanke findet sich auch in § 630c Abs. 2 BGB wieder, der die zivilrechtliche Aufklärungspflicht der behandelnden Person normiert.
Während bei spontan notwendigen Eingriffen die Aufklärungspflichten weniger streng sind,
Weiterführendes Wissen: Sofern es sich um medizinisch nicht indizierte Eingriffe (insbesondere Schönheitsoperationen) handelt oder der Arzt eine nicht anerkannte Behandlungsmethode anwenden möchte (sog. Außenseitermethode), gelten nach hM nochmals strengere Aufklärungspflichten.
Mutmaßliche Einwilligung
Für die mutmaßliche Einwilligung gelten auch im Rahmen des medizinischen Heileingriffs die allgemeinen Grundsätze.
Hypothetische Einwilligung
Ist die Einwilligung aufgrund eines Aufklärungsmangels fehlerhaft, kommt es für den medizinischen Heileingriff nach überwiegender Ansicht auf die sog. hypothetische Einwilligung an.
Kritisiert wird an dieser dogmatischen Konstruktion, dass sie das Selbstbestimmungsrecht der behandelten Person verletzt.
Strafantrag, § 230 StGB
Gem. § 230 Abs. 1 S. 1 StGB werden vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB werden nur auf einen Strafantrag hin verfolgt. Hiervon kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Wird die Körperverletzung gegen Amtsträger begangen, können die Dienstvorgesetzten den Strafantrag stellen, § 230 Abs. 2 S. 1 StGB.
Konkurrenzen
Konkurrenzverhältnis von § 223 StGB zu anderen Körperverletzungsdelikten
Verletzt der Täter dasselbe Opfer aufgrund desselben Tatentschlusses in kurzem zeitlichen Abstand mehrfach hintereinander (zB durch fünf Faustschläge ins Gesicht) liegt nur eine Körperverletzung vor und es müssen keine Konkurrenzverwägungen angestellt werden (sog. iterative Tatbegehung). In der Klausur wird schlicht ein einheitlicher Einleitungssatz gebildet („T könnte sich gem. § 223 StGB strafbar gemacht haben, in dem er O fünfmal ins Gesicht schlug.“).
Wenn der Täter im selben zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mehrere Opfer verletzt, nimmt der BGH nicht einfach schon deshalb Handlungs- und damit Tatmehrheit an, weil höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Menschen betroffen sind. Vielmehr hält er auch rechtliche Handlungseinheit und damit Tateinheit für möglich, wenn die Verletzungshandlung „so miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Beurteilung ihren Unrechts- und Schuldgehalt nicht zutreffend erfassen würde.“
§§ 224, 226, 227, 340 StGB stellen Spezialgesetze zu § 223 StGB dar, d. h. wenn durch dieselbe Handlung neben § 223 StGB auch eines dieser Delikte vollendet ist, wird in den Schuldspruch nur das speziellere Delikt aufgenommen. Das gilt auch, wenn im Rahmen einer natürlichen Handlungseinheit eine Mehrzahl teils qualifizierter, teils nicht qualifizierter Verletzungshandlungen zusammentreffen.
Beispiel (nach BGH, BeckRS 2022, 32639): A schlägt dem O mit der flachen Hand ins Gesicht, um in zur Übergabe eines Mobiltelefons zu bewegen. Als das nichts hilft, legt er dem O ein Messer an den Hals und fügt ihm dadurch Verletzungen zu.
Hier erfüllt der Schlag mit der flachen Hand den § 223 StGB und der Einsatz des Messers § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB. Da es sich um einheitliches Verletzungsgeschehen handelt, ist jedoch nur eine Körperverletzung anzunehmen, die nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB bewertet wird.
Bei Zusammentreffen einer versuchten Qualifikation (etwa §§ 224, 226 oder 227 StGB) mit einer vollendeten Körperverletzung (§ 223 StGB) bleibt die Verwirklichung der Körperverletzung bestehen und der Täter wird sowohl wegen Vollendung als auch Versuch in Tateinheit bestraft. Denn es muss aus dem Schuldspruch hervorgehen, dass der Täter nicht nur schweres Unrecht verwirklichen wollte, sondern dass ihm das in einem gewissen Umfang auch gelungen ist.
Zwischen den §§ 223 ff. StGB (Erfolgsdelikte) und § 231 StGB (abstraktes Gefährdungsdelikt) besteht aufgrund der abweichenden Schutzrichtung des Tatbestandes (Erfolgs- vs. Gefährdungsdelikt) Tateinheit.
Tötungsdelikte
Zwischen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten besteht nach der herrschenden Einheitstheorie, wonach bei jeder Tötung eine Körperverletzung als Durchgangsstadium passiert wird, ein Subsidiaritätsverhältnis, sodass die Körperverletzungsdelikte von vollendeten Tötungsdelikten verdrängt werden. Eine Ausnahme bildet § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB, da dieser „spezifisches Unrecht“ enthält: Geschützt ist neben der körperlichen Unversehrtheit auch die psychische Integrität.
Davon zu unterscheiden ist das klausur- und praxisrelevante Zusammentreffen von einem versuchten Tötungsdelikt und einem vollendeten Körperverletzungsdelikt. Nach hM
Aufbauschema
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Tathandlung/Taterfolg: körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung
Kausalität
Objektive Zurechnung
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Studienliteratur und Übungsfälle
Studienliteratur
Hardtung, Die Körperverletzungsdelikte, JuS 2008, 864; 960; 1060
Bosch, Gemeinschaftliche Begehung einer gefährlichen Körperverletzung durch Unterlassen, JURA 2023, 1098
Nestler, (Keine) gefährliche Körperverletzung durch einen Faustschlag eines Amateurboxers, JURA 2024, 216
Klausuren
Wörner/Wörner, Anfängerklausur – Strafrecht: „Alles Versager!“, JuS 2023, 324
Mitsch, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: Rechtfertigungsgründe und gefährliche Körperverletzung – Volksfestgeplänkel, JuS 2018, 51
Haas/Schneider, Fortgeschrittenenklausur: „Skull Breaker Challenge“, ZJS 2021, 213
Jahn/Schmitt-Leonardy, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Hässliche Models, JuS 2020, 605
Hausarbeit
Schneider, Anfängerhausarbeit – Strafrecht: Kabale statt Liebe, JuS 2019, 1171
Exkurs: Körperverletzung im Amt, § 340 StGB
Rechtsgut und Deliktsstruktur
§ 340 StGB normiert die „Körperverletzung im Amt“. Die Norm qualifiziert die einfache Körperverletzung, wenn diese durch einen Amtsträger (zB Lehrer:innen, Polizist:innen) während der Dienstausübung begangen wurde. Täter kann nur sein, wer Amtsträger ist, wobei die Amtsträgereigenschaft strafschärfend, nicht strafbegründend wirkt (sog. unechtes Sonderdelikt).
Für die klassische Klausurpraxis spielt der Tatbestand nahezu keine Rolle. Im Lichte der aktuell immer wieder aufflammenden Diskussionen um illegitime Polizeigewalt im Umgang mit Protesten und zivilem Ungehorsam (G20-Gipfel in Hamburg; Räumung des Hambacher Forstes, Räumung in Lützerath, Räumung von Sitzblockaden der „Letzten Generation“ u. a.,) bietet der Tatbestand jedoch eine breite Anknüpfungsgrundlage für die mündliche Prüfung.
Studium und Examen setzen kein tiefes Verständnis der Norm voraus. Wer hier sauber mit dem Gesetz arbeitet und die wenigen Besonderheiten der Norm beachtet, kann in der (mündlichen) Prüfung überzeugen.
Tatbestand
§ 340 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass ein Amtsträger während der Dienstausübung oder in Bezug auf seinen Dienst eine Körperverletzung (§ 223 StGB) selbst begeht oder begehen lässt.
Amtsträger ist – legaldefiniert in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB –, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist, in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder sonst dazu bestellt ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
Die Körperverletzung begeht, wer aktiv als Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) oder Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) handelt. § 340 Abs. 1 StGB hat jedoch die Besonderheit, dass sich auch strafbar macht, wer die Körperverletzung begehen lässt. Dies umfasst sowohl Anstiftung als auch Beihilfe. Stiftet der Amtsträger den unmittelbaren Täter an, oder ermöglicht er diesem die Tat, ist er direkt aus §§ 223 Abs. 1, 340 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu bestrafen.
Weiterführendes Wissen: Das „Begehen lassen“ macht die Körperverletzung im Amt zudem zu einem echten Unterlassungsdelikt. Das pflichtwidrige Nicht-Verhindern einer Körperverletzung ist direkt aus §§ 223 Abs. 1, 340 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar, ohne dass es der Anwendung von § 13 StGB bedarf.
„Während der Ausübung seines Dienstes“ erfolgt die Körperverletzung, wenn ein innerer Zusammenhang zur Dienstausübung besteht. Nach ganz herrschender Meinung wird dies während der Dienstzeit widerlegbar vermutet, ist aber nicht strikt an die Dienstzeit gekoppelt (zB bei Überstunden oder spontanem In-den-Dienst-versetzen).
Beispiel: Während einer Kontrolle schlägt die Polizistin P einer von ihr kontrollierten Person schmerzhaft ins Gesicht, weil sie diese als frech empfindet (§§ 223 Abs. 1, 340 Abs. 1 StGB).
Alternativ reicht es auch aus, wenn der Amtsträger die Tat „in Beziehung zu seinem Dienst“ begeht, es zwischen der Körperverletzung und der Dienstausübung also einen inneren Zusammenhang gibt.
Beispiel 1: Der Polizist P trifft in seiner Freizeit eine freche Person, die ihn bei einer Kontrolle während des Dienstes „nicht respektvoll genug“ behandelt hat, und schlägt ihr schmerzhaft ins Gesicht. (§§ 223 I, 340 I [„in Beziehung zu seinem Dienst“ +]).
Beispiel 2: Der Polizist P trifft in seiner Freizeit eine nach seinem Empfinden freche Spaziergängerin und schlägt ihr schmerzhaft ins Gesicht (§ 223 I StGB; mangels Dienstbezug kein § 340 StGB).
Beachte: Gemäß § 340 Abs. 3 StGB sind die §§ 224–229 StGB entsprechend anzuwenden. Wird die Körperverletzung im Amt mit einem gefährlichen Werkzeug iSd § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB begangen, handelt es sich um eine gefährliche Körperverletzung im Amt.
Weiterführendes Wissen: Ebenso ist (theoretisch) möglich, eine fahrlässige Körperverletzung im Amt zu begehen. Diese lässt sich jedoch sehr schwer konstruieren und ist ohne jede forensische Relevanz. Insb. Polizeibeamt:innen werden bei Festnahmehandlungen zumindest mit dem Eintritt eines Verletzungserfolg rechnen und diesen billigend in Kauf nehmen. Waren sich die Beamt:innen nicht im Klaren, dass sie rechtswidrig handeln, stellt dies nach der herrschenden Lesart eine vorsätzliche Körperverletzung dar.
Beispiel: Die Polizistin P ist nach ihrem Studium erstmals bei einer „Kneipenschlägerei“ und von der Situation überfordert. Sie wendet daher aus Versehen und in bester Absicht etwas mehr Zwang an, als es für die Festnahme einer betroffenen Person erforderlich gewesen wäre (§§ 223 Abs. 1, 340 Abs. 1 StGB [Keine Fahrlässigkeit, da P nur im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit irrt, die nach herrschender Lesart nicht Inhalt des Tatbestandes ist]).
Rechtswidrigkeit
Es gelten die allgemeinen Regeln: Die Tat ist stets rechtswidrig, wenn keine Rechtfertigungsgründe eingreifen.
Bei Amtsträgern – insbesondere Polizeivollzugsbeamt:innen – kommen besondere Erlaubnisnormen in Betracht, die bei Tätern ohne Amtsträgereigenschaft zumeist fernliegen. So kann die tatbestandliche Körperverletzung im Amt zB durch Eingriffsbefugnisse aus dem Gefahrenabwehr- oder Strafprozessrecht gerechtfertigt sein (zB § 39 BPolG [Gefahrenabwehrrecht]; § 127 Abs. 2 StPO [Strafprozessrecht]).
Die herrschende Systematik ähnelt der Problemstellung beim medizinischen Heileingriff (→ Rn. 40). Auch die regelkonforme Körperverletzung soll dem Tatbestand unterfallen und dann als Rückausnahme erst im Wege der Rechtmäßigkeit straffrei werden.
Weiterführendes Wissen: Diese Lösung stößt jedoch in komplexeren Fällen schnell an ihre Grenzen, da die Strafbarkeit der handelnden (Vollzugs-)Beamt:innen dann vollständig von der Rechtmäßigkeit ihres Einsatzes abhängt und der Tatbestand bei nahezu jedem Zwangshandeln erfüllt ist.
Täterschaft und Teilnahme
Die Körperverletzung im Amt ist ein unechtes Sonderdelikt, bei dem das besondere persönliche Merkmal „Amtsträger“ die Strafe schärft. Gem. § 28 Abs. 2 StGB gilt dies nur für den Täter oder Teilnehmer bei dem diese vorliegen; ohne Amtsträgereigenschaft kann daher nicht an der Körperverletzung im Amt teilgenommen werden. Es bleibt dann bei der Anstiftung, Beihilfe oder Mittäterschaft des Grundtatbestandes.
Aufbauschema
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt: andere Person
Tathandlung/Taterfolg
körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung
Qualifikationstatbestandsmerkmale von § 340 StGB
Amtsträger iSd § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Begehen oder Begehen lassen
Während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst
Kausalität
Objektive Zurechnung
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Kein Strafantrag, § 230 StGB.