Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil II: Eigentums- und Vermögensdelikte Licensed under CC-BY-4.0

§ 15: Untreue (§ 266 StGB)

Autor: Christian Becker

Notwendiges Vorwissen: Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils iSv § 266 StGB (→ Rn. 23 ff.) entspricht im Wesentlichen dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens iSv § 263 StGB. Daher ist eine Beschäftigung mit dem Betrug zwar keine notwendige Voraussetzung zum Studium der Untreue, Grundkenntnisse zum Vermögens- und Schadens-/Nachteilsbegriff sind aber zumindest für beide Tatbestände gleichermaßen nützlich.

Der Untreuetatbestand hat sich in der jüngeren Vergangenheit zu einem der zentralen Delikte des Wirtschaftsstrafrechts entwickelt, was sich freilich nicht unbedingt an hohen Fallzahlen ablesen lässt, aber doch an einer Häufung von öffentlichkeitswirksamen Fällen. Die im Einzelnen durchaus komplizierten Details, die insbesondere die sog. „Organuntreue“ durch Unternehmensleiter betreffen, spielen im Studium vor allem für wirtschaftsstrafrechtliche Veranstaltungen im Schwerpunktbereich eine Rolle. Für die Examensvorbereitung dürfte es mit Blick auf § 266 StGB dagegen ausreichen, sich mit der Tatbestandsstruktur sowie mit einigen typischen Fallgruppen vertraut zu machen. Der Zuschnitt des folgenden Beitrags orientiert sich hieran.

Der Unrechtskern des § 266 StGB besteht darin, dass der Täter eine Herrschaftsposition über fremdes Vermögen hat, aus der heraus er das anvertraute Vermögen durch Aushöhlung „von innen“ schädigt. Täter einer Untreue kann daher nur sein, wer schon vor Begehung seiner Tat eine besondere Position „im Lager“ des Treugebers hatte. In dieser Position muss der Täter ein Fehlverhalten an den Tag legen, das zu einem finanziellen Nachteil für das zu betreuende Vermögen führt.

Typische Beispiele:

T ist Geschäftsführer der G-GmbH und verwendet Unternehmensgelder, um private Ausgaben zu decken, beispielsweise indem er Firmenkreditkarten für private Einkäufe nutzt oder Geld von den Firmenkonten auf seine Privatkonten überweist.

Bankmitarbeiter B gewährt einem Freund ein Darlehen in beträchtlicher Höhe, obwohl dieser nicht kreditwürdig und die Rückzahlung unwahrscheinlich ist. Der Bankmitarbeiter handelt dabei entgegen den internen Richtlinien und ohne ausreichende Sicherheiten.

Rechtsgut und Deliktsstruktur

§ 266 StGB dient ausschließlich dem Schutz des Vermögens. Es handelt sich insofern um ein Verletzungserfolgsdelikt, d. h. die Verwirklichung des Tatbestands setzt den Eintritt eines Vermögensnachteils voraus. Das ist von besonderer Bedeutung, weil der Versuch der Untreue nicht strafbar ist und der Eintritt eines Nachteils folglich die Grenze zwischen Strafbarkeit und Straflosigkeit markiert. Von der sog. „veruntreuenden Unterschlagung“ (vgl. § 246 Abs. 2 StGB) unterscheidet sich die Untreue dadurch, dass jene ein Eigentumsdelikt ist und lediglich fremde Sachen als Tatobjekt umfasst, während der Vermögensnachteil iSd Untreuetatbestandes sich grundsätzlich aus der Schädigung beliebiger geldwerter Güter ergeben kann (näher → Rn. 23 ff.).

Das Vermögen wird im StGB nur fragmentarisch geschützt, das bedeutet, es gibt kein Delikt, das generell jede (rechtswidrige) Herbeiführung eines Vermögensschadens unter Strafe stellt. § 263 StGB schützt den Vermögensinhaber vor Angriffen durch Täuschung, § 253 StGB vor solchen durch Nötigung. Demgegenüber soll § 266 StGB – der im Gegensatz zu den beiden genannten Delikten keine Bereicherungsabsicht voraussetzt – verhindern, dass das Vermögen durch Personen pflichtwidrig geschädigt wird, denen an sich eine besondere Pflicht zur Betreuung des Vermögens obliegt. Man spricht insofern von einem Schutz vor Schädigungen „von innen heraus“.Schünemann, NStZ 2005, 473 (474). Es handelt sich um ein Sonderdelikt, das nur durch Personen begangen werden kann, die eine entsprechend treuhänderische Stellung gegenüber dem betroffenen Vermögen einnehmen (näher dazu unten). Der Inhaber des Vermögens wird als Treugeber, der betreuungspflichtige mögliche Täter als Treunehmer bezeichnet.

Objektiver Tatbestand

Unterscheidung zwischen Missbrauchsuntreue (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB) und Treubruchsuntreue (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB)

Für das Verständnis der Tatbestandsstruktur ist entscheidend, dass § 266 StGB an sich zwei voneinander zu trennende Tatbestandsvarianten enthält, nämlich die „Missbrauchsuntreue“ in § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB und die „Treubruchsuntreue“ in § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB. Das Verhältnis dieser beiden Untreuevarianten zueinander war lange umstritten. Entscheidend hierfür ist die Frage, ob die „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen“ (die „Vermögensbetreuungspflicht“) in beiden Tatvarianten vorausgesetzt ist. Das wird heute von der nahezu allgemein herrschenden Ansicht bejaht,Als wegweisend gilt insofern das sog. „Scheckkartenurteil“ in BGHSt 24, 386. was zur Folge hat, dass Missbrauchs- und Treubruchsuntreue eine im Kern einheitliche Struktur aufweisen (daher sog. „monistische“ Untreuekonzeption). Diese Struktur lässt sich im Ausgangspunkt dreigliedrig beschreiben (zum Prüfungsaufbau im Detail siehe unten): Der mögliche Täter muss – erstens – Inhaber einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht sein. Diese Pflicht muss er – zweitens – in untreuespezifischer Weise verletzen und durch diese Pflichtverletzung muss – drittens – ein Nachteil für das zu betreuende Vermögen entstehen. Die Besonderheit der Missbrauchsuntreue erschöpft sich darin, dass die Pflichtverletzung dort in Form eines nach außen wirksamen, im Innenverhältnis jedoch pflichtwidrigen rechtsgeschäftlichen Handelns erfolgt.

Die folgende Darstellung trägt dieser heute ganz herrschenden („monistischen“) Untreuetheorie Rechnung und orientiert sich im objektiven Tatbestand an dem soeben skizzierten dreistufigen Aufbau. Auf diese Weise lassen sich zusammenhängende Fragen auch zusammenhängend erörtern. Soweit es Besonderheiten bei den einzelnen Varianten gibt, wird darauf an entsprechender Stelle eingegangen. In der Fallbearbeitung ist es aber gleichwohl weiterhin sinnvoll, die beiden Tatvarianten getrennt voneinander zu prüfen (Aufbauvorschlag in → Rn. 54).

Vermögensbetreuungspflicht

Die im Gesetzestext genannte „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen“ umschreibt dasjenige Merkmal, das § 266 StGB als Sonderdelikt auszeichnet. Nur derjenige, den eine solche (üblicherweise sogenannte) Vermögensbetreuungspflicht trifft, kann Täter einer Untreue sein. Das gilt – wie eingangs bereits erläutert – nach heute kaum mehr bestrittener Ansicht sowohl für § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB als auch für § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB.

Lange Zeit war die Vermögensbetreuungspflicht das zentrale Kriterium für die Restriktion des Untreuetatbestandes. Durch eine einschränkende Interpretation sollte insbesondere sichergestellt werden, dass nicht jegliche Form von vertragswidrigem Verhalten unter § 266 StGB subsumiert werden kann. Nur derjenige, dem eine besonders qualifizierte Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit fremdem Vermögen obliegt, sollte als möglicher Untreuetäter in Betracht kommen.

Vertiefender Hinweis: Es ist der bereits erwähnten zunehmenden Bedeutung der sog. „Organuntreue“ geschuldet, dass in der jüngsten Vergangenheit die Fragen der Vermögensbetreuungspflicht stärker in den Hintergrund getreten sind zu Gunsten von Problemen bei Pflichtverletzung bzw. Nachteil. Denn Organe juristischer Personen sind im Grundsatz unzweifelhaft Träger einer Vermögensbetreuungspflicht, weshalb das Kriterium dort keine nennenswerte Restriktion zu leisten vermag.

Die Voraussetzungen der Vermögensbetreuungspflicht sind nach heute weitverbreiteter Ansicht anhand eines Katalogs unterschiedlicher Kriterien zu bestimmen, wobei der Vergleich mit der zivilrechtlichen Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) grundsätzlich als Richtschnur dienen soll.Statt vieler aus der jüngeren Rechtsprechung BGH NZWiSt 2020, 402 (403 f.). Entscheidend ist danach, dass dem potenziellen Untreuetäter der fremdnützige Umgang mit dem Treugebervermögen als Hauptpflicht obliegt. Die Tätigkeit muss in wirtschaftlicher Hinsicht ein gewisses Gewicht haben und auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Außerdem muss der Treunehmer über einen Entscheidungsspielraum im Umgang mit dem anvertrauten Vermögen verfügen bzw. seine Aufgaben zumindest ohne die unmittelbare Kontrolle des Vermögensinhabers wahrnehmen.

Die Rechtsprechung entscheidet ausgehend von diesem Kriterienkatalog regelmäßig auf der Basis einer wertenden Gesamtbetrachtung. Für die Fallbearbeitung ist es wichtig, zum einen diejenigen Fälle zu kennen, in denen die Anwendung/Nichtanwendung des § 266 StGB im Ergebnis weitgehend unstreitig ist; zum anderen sollten einzelne Fallgruppen bekannt sein, in denen über die Reichweite bestimmter Kriterien Streit besteht.

  • Typischerweise Träger einer Vermögensbetreuungspflicht sind: Eltern (für das Vermögen ihrer minderjährigen Kinder), Vormund, Betreuer, Pfleger, Prokurist, Insolvenzverwalter, GmbH-Geschäftsführer, AG-Vorstand.

  • Häufig liegen die Voraussetzungen einer Vermögensbetreuungspflicht auch vor bei Angehörigen „freier“ Berufe, zB bei Anwälten oder Steuerberatern (bzgl. des Umgangs mit dem Fremdgeld der Mandanten), Wirtschaftsprüfern oder Notaren.

  • Dagegen wird regelmäßig keine Vermögensbetreuungspflicht innerhalb von gegenseitigen Verträgen begründet, weil hier typischerweise jede Partei ihre eigenen Interessen wahrnimmt und es somit am Kriterium der fremdnützigen Vermögensfürsorge fehlt. Deshalb ist § 266 StGB unanwendbar auf denjenigen, der die Kaufsache unter Eigentumsvorbehalt kauft. Auch in Fällen einer Sicherungsübereignung entsteht keine Vermögensbetreuungspflicht des Sicherungsgebers gegenüber dem Sicherungsnehmer.

  • Von dieser Logik ausgehend müsste an sich auch die Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters abgelehnt werden, der abredewidrig mit der ihm vom Mieter überlassenen Mietkaution umgeht. Der BGH hat bezüglich der Wohnraummiete jedoch anders entschieden und eine Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters bejaht. Zur Begründung hat er sich dabei wesentlich auf die gesetzliche Regelung in § 551 Abs. 3 BGB gestützt.BGHSt 41, 224. Da es eine vergleichbare Vorschrift bei der Gewerberaummiete nicht gibt, wurde hier (insofern konsequent) eine Vermögensbetreuungspflicht verneint.BGHSt 52, 182. Mit einer kritischen Ansicht in der Literatur lässt sich § 266 StGB aber gut vertretbar in beiden Konstellationen verneinen, weil der Umgang des Vermieters mit der Kaution dessen eigenen Interessen dient (Sicherung etwaiger Ersatzansprüche bei Beendigung des Mietverhältnisses) und also gerade nicht fremdnützig erfolgt.Instruktiv und weiterführend Sowada, JR 1997, 28 ff.

  • Abhängig von den Umständen des Einzelfalles ist die Frage nach der Vermögensbetreuungspflicht von Kassierern mit Blick auf den Inhalt der Kasse (zB im Supermarkt) zu beantworten. Entscheidend soll grundsätzlich die Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit dem Kasseninhalt sein. In der Fallbearbeitung kommt es in dieser Konstellation daher vor allem auf die Auswertung des Sachverhaltes an.

Umstritten ist, ob ein Treueverhältnis iSd § 266 StGB auch im Rahmen von rechts- bzw. gesetzeswidrigen Verhältnissen begründet werden kann (teilw. sog. „Ganovenuntreue“). Zu denken wäre zB an einen Vermögensverwalter, der aus Straftaten erlangte Gelder für einen Dritten gewinnbringend anlegen soll. Die Diskussion verläuft zumindest teilweise parallel zu der allgemeinen Debatte um den wirtschaftlichen Vermögensbegriff und seine juristische Einschränkung (→ § 11 Rn. 110 ff.). Vor diesem Hintergrund hält die hM § 266 StGB zumeist für anwendbar, um so das Entstehen „rechtsfreier Räume“ zu verhindern. Freilich darf aus der Anerkennung solcher Treueverhältnisse nicht geschlossen werden, dass der Treunehmer verpflichtet wäre, den Auftrag entsprechend der gesetzeswidrigen Vereinbarung auszuführen. Das Unterlassen einer rechtswidrigen Tätigkeit durch den Treunehmer kann vielmehr nie pflichtwidrig iSd § 266 StGB sein.

Pflichtverletzung

Die Akzessorietät der Pflichtverletzung und ihre Grenzen

Die grundsätzliche Struktur der Pflichtverletzung bei § 266 StGB ist relativ einfach. Für den Treunehmer gibt es bestimmte Vorgaben, die dieser beim Umgang mit dem Vermögen des Treugebers zu beachten hat. Diese ergeben sich in der Regel vor allem aus dem Treueverhältnis bzw. den diesem zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften. Die Untreue ist in diesem Sinne akzessorisch, weil sich der Pflichtenmaßstab aus derjenigen Rechtsmaterie ergibt, die für das Treueverhältnis maßgeblich ist (in der Regel Zivilrecht oder öffentliches Recht).

Beispiel: Ein GmbH-Geschäftsführer muss sich an die Regelungen seines Anstellungsvertrages sowie an das ihn betreffende Gesellschaftsrecht halten.

Bliebe es bei einer gleichsam vollständigen Akzessorietät gegenüber dem vorgelagerten Recht, wäre die Tathandlung bei der Untreue allerdings nicht nur außergewöhnlich weitreichend und schwer zu bestimmen angesichts der Vielzahl an Pflichten, die den Treunehmer im vorgelagerten Recht treffen können. Es bestünde außerdem die Gefahr, dass der Untreuetatbestand aufgrund der Verletzung von Pflichten bejaht wird, die den Treunehmer nicht speziell in seiner Funktion als Träger einer besonderen Vermögensbetreuungspflichtverletzung treffen und/oder die ihrem Schutzzweck nach nichts mit dem Rechtsgut des § 266 StGB (also dem Vermögen) zu tun haben. Deshalb besteht heute grundsätzlich Einigkeit darüber, dass nicht jedes nach dem vorgelagerten Recht pflichtwidrige Verhalten eines an sich vermögensbetreuungspflichtigen Täters auch eine untreuespezifische Pflichtverletzung begründet. Die insofern im Einzelnen umstrittenen Details betreffen vor allem Fragen der Organuntreue, die mit Blick auf den Pflichtfachstoff eher keine Rolle spielen. Daher sollen hier ein paar kurze Hinweise auf zwei Restriktionskriterien ausreichen, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben:

  • Erstens sollen Verstöße gegen Normen des vorgelagerten Rechts nur dann unter § 266 StGB fallen, wenn die außerstrafrechtliche sog. „Primärnorm“ zumindest auch bzw. mittelbar dem Schutz des Vermögens dient. Auf diese Weise soll der Charakter des § 266 StGB als Vermögensdelikt gewahrt werden.

  • Zweitens wird vor allem für sog. „unternehmerische Entscheidungen“ gefordert, dass diese unabhängig von den Maßstäben des vorgelagerten Rechts nur dann pflichtwidrig iSd § 266 StGB sein können, wenn es sich um „gravierende Pflichtverletzungen“ handelt.

  • In beiden Fallgruppen sind allerdings bis heute viele Fragen noch ungeklärt.

Besonderheiten bei der Missbrauchsuntreue

Die soeben skizzierte grundsätzliche Akzessorietät des Pflichtwidrigkeitsmerkmals gilt in gleicher Weise für die Missbrauchs- und für die Treubruchsuntreue. In beiden Varianten ist ein Verhalten erforderlich, das gegen die durch das Treuverhältnis und die ihm zu Grunde liegenden Rechtsnormen begründeten Pflichten verstößt. Die Besonderheit der Missbrauchsuntreue besteht insofern darin, als der Täter hier die „durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis“ haben muss, „über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten“. Die Pflichtverletzung besteht dann darin, dass diese Befugnis durch rechtsgeschäftliches Handeln dergestalt missbraucht wird, dass der Treugeber durch das Verhalten des Täters im Außenverhältnis rechtswirksam verpflichtet wird, während dabei die im Innenverhältnis gezogenen Grenzen überschritten werden.

Ein typisches Beispiel für einen solchen Missbrauch sind Fälle einer wirksamen Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB). Schließt der Vertreter im Rahmen seiner im Außenverhältnis bestehenden Vertretungsmacht mit einem Dritten ein Rechtsgeschäft ab, dessen Vornahme ihm im Innenverhältnis untersagt war, wird der Vertretene hierdurch gegenüber dem Dritten wirksam verpflichtet, d.h. er muss das Geschäft durchführen. Die Vornahme des Geschäfts kommt dann als mögliche Pflichtverletzung iSd § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB in Betracht.

Weitere Fälle einer entsprechenden Befugnis sind etwa die §§ 1626 ff. BGB (Eltern), § 80 Abs. 1 InsO (Insolvenzverwalter) oder §§ 48 ff. HGB (Prokura und Handlungsvollmacht); die jeweiligen Entstehungsgründe („durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft“) können sich teilweise überschneiden.

Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass die soeben erwähnte Befugnis nicht mit der Vermögensbetreuungspflicht verwechselt werden darf. Eine solche ist vielmehr – wie eingangs dargestellt – auch bei der Missbrauchsvariante erforderlich, die mit der Verfügungs- bzw. Verpflichtungsbefugnis im Vergleich zur Treubruchsuntreue also eine zusätzliche Voraussetzung normiert.

Vertiefender Hinweis: Teilweise kann zweifelhaft sein, ob eine rechtswirksame Verpflichtung des Treugebers noch einen hinreichenden Bezug zu der eingeräumten Befugnis aufweist. Die herrschende Meinung bejaht dies bei einer im Innenverhältnis erloschenen, jedoch gemäß § 170 BGB nach außen weiterhin wirksamen Vollmacht und geht hier folglich von einer Missbrauchsuntreue aus. Dagegen kommt lediglich die Treubruchsvariante in Betracht, wenn die rechtswirksame Verpflichtung des Treugebers auf eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht zurückgeht, da es hier an einer rechtsgeschäftlich verliehenen Befugnis (anders als im Fall der erloschenen Vollmacht) von Anfang an fehlt. Erst recht scheidet § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB bei reinen Rechtsscheintatbeständen aus (etwa beim gutgläubigen Eigentumserwerb nach § 932 BGB). Auch hier kommt allein § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB in Frage.

Generell ist die Treubruchsvariante nach der heute herrschenden monistischen Untreuekonzeption vor allem ein Auffangtatbestand für Pflichtverletzungen jenseits des rechtsgeschäftlichen Handelns, also für Pflichtverletzungen tatsächlicher Art. Sinnbildlich ist insofern der „Griff in die Kasse“, der heute eher als Überweisung von dem Treugeber zustehenden Geldern auf ein privates Konto des Treunehmers vorkommen dürfte.

Unterlassen

Beide Untreuevarianten können durch Unterlassen verwirklicht werden. Denn der Treunehmer ist grundsätzlich verpflichtet, sich bietende Chancen zur Vermögensmehrung zu ergreifen bzw. drohende Schäden für das zu betreuende Vermögen abzuwenden. Unterlässt er dies, kann darin eine Pflichtverletzung liegen. Eine besondere Prüfung der Garantenpflicht bedarf es dann nicht, weil die Vermögensbetreuungspflicht deren Anforderungen genügt. Nach der überwiegenden Ansicht findet auch § 13 Abs. 2 StGB keine Anwendung, weil § 266 StGB seiner Struktur nach das pflichtwidrige Unterlassen und die aktive Pflichtverletzung gleichsetzt.

Einverständnis des Treugebers

In beiden Tatvarianten von § 266 StGB scheidet eine Pflichtverletzung grundsätzlich aus, wenn der Treugeber mit dem an sich pflichtwidrigen Handeln des Treunehmers einverstanden ist. Es handelt sich dabei um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis, nicht dagegen um eine – nach hM als Rechtfertigungsgrund wirkende – Einwilligung.

Besonderheiten hinsichtlich des Einverständnisses gibt es bei juristischen Personen (namentlich bei GmbH und AG). Hier ist Vermögensinhaberin die juristische Person selbst, die als solche zunächst nicht fähig ist, ein Einverständnis zu erteilen. Inwiefern ein Einverständnis der Organe zum Ausschluss der Pflichtwidrigkeit führen kann, ist umstritten. Dabei ist zwischen GmbH und AG zu unterscheiden:Näher und mwN zum Ganzen Rönnau, FS Amelung, 2009, S. 247.

  • Bei der GmbH geht die herrschende Meinung davon aus, dass ein Einverständnis der Gesellschafter die Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerhandelns immer dann unberührt lässt, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer (vgl. § 30 GmbHG) gesenkt oder eine Insolvenz verursacht oder vertieft wird. Hier spricht man von einem sog. existenzgefährdenden oder -vernichtenden Eingriff.Grundlegend BGHSt 35, 333; BGHSt 49, 147 Nach dieser Sichtweise begeht auch der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH eine pflichtwidrige Untreuehandlung, wenn er durch eine Vermögensverfügung eine entsprechende Existenzgefährdung zum Nachteil „seiner“ GmbH herbeiführt. Die Gegenauffassung betont hingegen, dass die Regeln zum Schutz des GmbH-Vermögens letztlich nur den Interessen von deren Gläubigern dienen. Der Ausschluss eines Einverständnisses unter Berufung auf diese Regeln würde demnach zu einer Rechtsgutsvertauschung führen, da die Gläubigerinteressen nicht vom Rechtsgut des § 266 StGB umfasst seien.

  • Bei der AG ist die Lage etwas komplizierter. Anders als die GmbH, die mit Blick auf die weitreichenden Befugnisse der Gesellschafter zum Teil auch als „verkappte“ Personengesellschaft bezeichnet wird, ist die AG durch ein System der Gewaltenteilung zwischen den Organen gekennzeichnet. Deshalb lässt sich nicht ohne Weiteres ein Organ als das „oberste“ ausmachen, dem dann die Kompetenz für ein Einverständnis zukommen könnte. Gleichwohl wird häufig der Hauptversammlung/den Aktionären eine solche Kompetenz zugesprochen, da diese (ähnlich wie die Gesellschafter der GmbH) als „wirtschaftliche Eigentümer“ anzusehen seien. Dagegen wird auf die fehlende Weisungsbefugnis der Aktionäre gegenüber dem Vorstand verwiesen. Aufgrund dessen sei die Dispositionsmacht der Aktionäre wesentlich geringer als dies bei den Gesellschaftern der GmbH der Fall sei. In der Konsequenz führt die zuletzt genannte Sichtweise zu der Ansicht, dass keines der Organe in der AG über die Kompetenz für ein die Pflichtwidrigkeit ausschließendes Einverständnis verfügt.

Lernstrategie: Die Details dieses Streits müssen im Rahmen des Pflichtfachstoffs eher nicht bekannt sein. Allerdings gehört das Gesellschaftsrecht regelmäßig (zumindest in einem gewissen Umfang) durchaus zum Pflichtfachstoff, weshalb auch die gesellschaftsrechtliche Untreue theoretisch vorkommen kann. Bei der Bearbeitung eines entsprechenden Falles dürfte ein gewisses Problembewusstsein hinsichtlich der Einverständnisproblematik aber ausreichen.

Nachteil

Der objektive Untreuetatbestand ist vollendet, wenn durch die Pflichtverletzung (kausal) ein Nachteil für das zu betreuende Vermögen entsteht. Dieses Merkmal ist im Ausgangspunkt identisch mit dem Begriff des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB. Auf die dortigen Ausführungen ist hier insofern zu verweisen (→ § 11 Rn. 81 ff.). Der folgende Abschnitt beschränkt sich auf eine kurze und kompakte Zusammenfassung der Grundlagen sowie die Darstellung einiger bei § 266 StGB besonders bedeutender Aspekte.

Vermögen als Bezugspunkt des Nachteilsmerkmals

Die Beantwortung der Frage, was ein Vermögensnachteil ist, erfordert zunächst eine Klärung des strafrechtlichen Vermögensbegriffs. Was genau strafrechtlich als Vermögen geschützt wird, ist seit jeher umstritten (dazu eingehend schon → § 11 Rn. 85 ff.). Es lassen sich insofern zwei Grundideen auseinanderhalten, die zwar heute in Reinform selten vorkommen, deren Verständnis aber einen guten Zugang zur Diskussion ermöglicht. Von einem juristischen Vermögensbegriff spricht man, wenn nur solche Positionen als strafrechtlich geschützt anerkannt werden, die eine bestimmte rechtliche Form aufweisen. Klassischerweise waren dies vor allem die subjektiven Rechte im Sinne des Zivilrechts, also insbesondere das Eigentum. Diese Betrachtung kann für sich eine gewisse Stimmigkeit mit Blick auf die Gesamtrechtsordnung beanspruchen, denn wieso sollte das Strafrecht Vermögen unabhängig davon schützen, was in der übrigen Rechtsordnung anerkannt ist?

Es hat sich jedoch frühzeitig eine Gegenposition zur juristischen Lehre entwickelt, die als wirtschaftlicher Vermögensbegriff bezeichnet wird (vgl. dazu auch → § 11 Rn. 87 f.). Dessen Vertreter kritisieren den Formalismus des juristischen Vermögensbegriffs, der eben den „wirtschaftlichen“ Wert potenzieller Vermögensobjekte außer Betracht lasse. Warum sollten wertlose Positionen allein aufgrund ihres formalrechtlichen Charakters geschützt werden, während wirtschaftlich werthaltigen Positionen der Schutz allein deshalb versagt wird, weil sie (uU noch) nicht den Status eine formalen (subjektiven) Rechts aufweisen?

Der Grundgedanke des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs, wonach sich Vermögen zunächst einmal durch den Geldwert auszeichnet, ist heute weitgehend anerkannt. Nach der auch von der Rechtsprechung akzeptierten Definition ist Vermögen im strafrechtlichen Sinne daher zunächst die Summe aller geldwerten Güter. Allerdings spielt der Ausgangspunkt der juristischen Lehre zumindest insofern noch eine Rolle, als immer wieder streitig diskutiert wird, inwiefern unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung eine Einschränkung des wirtschaftlichen Grundansatzes geboten ist. Die meisten heute noch vertretenen Vermögenslehren sind dementsprechend unterschiedliche Varianten einer wirtschaftlich-juristischen Kombinationslehre. Es werden danach zwar nur geldwerte Güter geschützt, aber nicht unbedingt alle geldwerten Güter.

Lernstrategie: Für das Studium sollte der Streit um den strafrechtlichen Vermögensbegriff nicht überbewertet werden. Die Orientierung am Geldwert kann in der Regel als anerkannter Ausgangspunkt gesetzt werden. Einen rein juristischen Vermögensbegriff wird man in der Klausur wohl nicht erwähnen müssen, ebenso wenig wie personale Vermögensbegriffe. Juristische Einschränkungen des wirtschaftlichen Grundansatzes auf der Ebene des Vermögensbegriffes sind in bestimmten Fallgruppen zu diskutieren, die vor allem § 263 StGB betreffen (im Detail dazu → § 10 Rn. 109 ff.).

Prinzip der Gesamtsaldierung

Wichtig ist die Kenntnis der Grundzüge des Vermögensbegriffs insofern, als sich daraus Konsequenzen für das Nachteilsmerkmal ergeben. Ein Nachteil liegt nach der heute wiederum im Ausgangspunkt anerkannten Grunddefinition vor, wenn das Vermögen des Treugebers kompensationslos gemindert wird. Dahinter steht das sog. Prinzip der Gesamtsaldierung, das unmittelbar auf die Idee des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs aufbaut (näher dazu → § 11 Rn. 157 ff.). Wird das Vermögen durch die Pflichtverletzung gemindert, scheidet ein Vermögensnachteil aus, wenn die Minderung an geldwerten Gütern durch einen Zugang geldwerter Güter unmittelbar ausgeglichen (kompensiert) wird. Der maßgebliche Zeitpunkt für diesen Vermögensvergleich ist die Pflichtverletzung, d.h., ein Nachteil tritt immer dann ein, wenn das Treugebervermögen nach der Pflichtverletzung einen geringeren Geldwert aufweist als vorher. Weil ein Vergleich des gesamten Vermögens aber offensichtlich unnötig kompliziert wäre, kann man sich praktisch auf die von der Pflichtverletzung unmittelbar betroffenen Vermögenspositionen beschränken. Geht es – wie häufig – um gegenseitige Verträge, werden grundsätzlich Leistung und Gegenleistung miteinander verglichen.

Beispiel: G ist Geschäftsführer der A-GmbH und kauft namens und in Vollmacht der Gesellschaft 1000 Pakete Druckerpapier für 40 EUR pro Paket. Der Marktpreis für das Papier beträgt – wie G auch weiß – nur 10 EUR pro Paket.

In diesem Beispiel fließen 40.000 EUR als Kaufpreis für das Druckerpapier aus dem Vermögen der A-GmbH ab, die dafür Papier im Wert von 10.000 EUR erhält. Der Gesellschaft ist durch das Geschäft also ein Nachteil iHv 30.000 EUR entstanden.

Gefährdungsschaden

Von besonderer Bedeutung ist bei § 266 StGB (genau wie bei § 263 StGB, → § 11 Rn. 93 ff.) die Figur des Gefährdungsschadens (auch bezeichnet als konkrete oder schadensgleiche Vermögensgefährdung). Dabei geht es trotz der nicht völlig glücklichen Terminologie nicht um eine besondere Art des Schadens oder seiner Feststellung. Auch der Gefährdungsschaden beruht auf dem oben skizzierten Saldierungsprinzip. Die Besonderheit besteht darin, dass zumindest auf einer Seite des Saldierungsvorgangs die Vermögensbewegung noch nicht abgeschlossen ist, so dass es zu einer Prognose kommt. Es steht also noch nicht fest, ob der Treugeber aufgrund der Pflichtverletzung einen Vermögensbestandteil verliert (Ebene der Vermögensminderung) oder als Ausgleich hinzubekommt (Ebene der Kompensation).

Ein Beispiel ist die Kredituntreue, bei der ein vermögensbetreuungspflichtiger Bankmitarbeiter pflichtwidrig einen Kredit an einen nicht solventen Schuldner vergibt. Gelangt der Kredit zur Auszahlung, erfolgt die Nachteilsfeststellung anhand einer Saldierung vor und nach dem Zeitpunkt der Auszahlung. Dieser Saldierungszeitpunkt ist unabhängig davon maßgeblich, wann der Kredit zur Rückzahlung fällig ist. Für den Nachteilseintritt ist es daher nicht maßgeblich, ob der Kredit wirklich zurückgezahlt wird oder nicht, sondern es erfolgt eine Prognose der erwarteten Rückzahlung im Moment (unmittelbar nach) der Auszahlung. Dieses prognostische Element auf einer der Ebenen des Saldierungsvorgangs ist charakteristisch für Fälle des Gefährdungsschadens.

Problematisch ist der Gefährdungsschaden deshalb, weil es sich bei der Untreue (ebenso wie beim Betrug) um ein Verletzungsdelikt handelt, d.h. eine bloße Gefährdung reicht für die Vollendung nicht aus. Bei § 266 StGB gewinnt dieses Problem zusätzlich an Schärfe, weil hier die Versuchsstrafbarkeit fehlt. Aber auch darüber hinaus darf eine zu weitreichende Anerkennung von Gefährdungsschäden nicht dazu führen, dass die §§ 263, 266 StGB schleichend in Gefährdungsdelikte umgewandelt werden.

Es besteht aber dennoch weitgehend Einigkeit darüber, dass auf die Figur des Gefährdungsschadens nicht vollständig verzichtet werden kann, sofern das Vermögensstrafrecht einen angemessenen Schutz gewährleisten soll. Denn in der Wirtschaft ist es ein weitverbreitetes Phänomen, dass zukünftige Chancen und Risiken schon in der Gegenwart Auswirkungen auf den Wert von Vermögensgegenständen haben. Kurz gesagt: Die Aussicht darauf, in Zukunft einen Gewinn zu machen, kann jetzt schon etwas wert sein, und die Gefahr eines zukünftigen Verlustes kann bereits jetzt das Vermögen mindern. Entscheidend ist dabei immer, wie wahrscheinlich der zukünftige Gewinn/Verlust ist. Das ist freilich eine schwierige Kategorie für das auf Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) angewiesene Strafrecht, weil solche Wahrscheinlichkeiten häufig diffus und zukünftige Entwicklungen meist nicht zuverlässig vorhersagbar sind.

Angesichts dieser Ausgangslage ist die Notwendigkeit von Restriktionen des Gefährdungsschadens weithin anerkannt. Die Rechtsprechung hatte zunächst versucht, die Anwendung auf „konkrete“ Gefahren zu beschränken, was jedoch kaum einen nennenswerten Bestimmtheitsgewinn verspricht. In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Restriktionsbemühungen, die oft – bei Unterschieden im Einzelnen – auf das Fehlen weiterer Handlungen bis zur Realisierung der Gefahr abstellen. Schließlich hat das BVerfG in der bereits erwähnten Entscheidung BVerfGE 126, 170 aus dem Jahr 2010 die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Rechtsfigur bejaht. Es hat jedoch gleichzeitig mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG eine restriktive und präzisierende Auslegung gefordert. U. a. müssen Gefährdungsschäden konkret beziffert werden, um zu verhindern, dass bloß abstrakte und fernliegende Verlustrisiken zu gegenwärtigen Vermögensnachteilen umgedeutet werden.

Die Details rund um den Gefährdungsschaden müssen Studierenden eher nicht bekannt sein, wohl aber seine (soeben geschilderte) grundsätzliche Struktur sowie die wichtigsten Fallgruppen. Diese sind:

  • Kreditvergaben oder (sonstige) pflichtwidrige Risikogeschäfte mit dem Treugebervermögen (zB Investitionen in Aktien oder andere Finanzinstrumente); hier ist bei der Prüfung des Nachteils grundsätzlich die ausgezahlte Kredit- oder Anlagesumme mit dem im Gegenzug erworbenen Rück- bzw. Auszahlungsanspruch zu vergleichen. In komplizierten Fällen sind die Gerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG angehalten, zur Prüfung Sachverständige hinzuzuziehen.

  • Das pflichtwidrige Ausstellen eines Schuldanerkenntnisses zu Lasten des Treugebervermögens kann einen Gefährdungsschaden abhängig von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme begründen.

  • Ein Gefährdungsschaden kommt ferner in Betracht in Fällen, in denen ein Rechtsanwalt Fremdgelder mit seinem eigenen Vermögen vermischt (insbesondere auf seinem regulären Geschäftskonto einzahlt). Der Eintritt eines Nachteils hängt grundsätzlich davon ab, wie hoch das Risiko eines Verlustes der Treugebergelder angesichts der wirtschaftlichen Situation des Treunehmers ist (siehe aber unten zur ständigen Ausgleichsbereitschaft bei verfügbaren Mitteln).

  • Bei unordentlicher Buchführung kann ein Gefährdungsschaden eintreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende Forderungen nicht mehr durchsetzbar sind bzw. unberechtigte Forderungen nicht wirksam abgewehrt werden können.

  • Von den Fällen der unordentlichen Buchführung zu unterscheiden sind die sog. „schwarzen Kassen“. In dieser durchaus praxisrelevanten Fallgruppe werden Mittel aus dem „offiziellen“ Vermögenskreislauf des Treugebers abgezweigt und anschließend – zB unter Verwendung von Scheinrechnungen – auf versteckte Konten übertragen, wo sie jedoch grundsätzlich im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers verwendet werden sollen. Mittel können zB in ein solches System schwarzer Kassen überführt werden, um damit Bestechungszahlungen zur Auftragsakquise zu leisten. In der Rechtsprechung wird in entsprechenden Fällen (abhängig vom konkreten Sachverhalt) teils ein Gefährdungsschaden, teils aber auch ein endgültiger Schaden angenommen. Die Literatur befürwortet hingegen eine sog. verwendungszweckabhängige Betrachtung und verneint einen Nachteil, sofern der Treugeber das in der schwarzen Kasse „geparkte“ Geld im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers verwenden will.

  • Besondere Fragen stellen sich mit Blick auf das Nachteilsmerkmal schließlich in Fällen, in denen der Treunehmer pflichtwidrig die Gefahr einer Sanktionierung zum Nachteil des Treugebervermögens schafft. Zu denken ist an Fälle, in denen ein vermögensbetreuungspflichtiger Täter eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begeht und infolgedessen ein Bußgeld bzw. eine Geldstrafe gegen den Treugeber verhängt wird. Hier wird streitig diskutiert, ob eine Vermögensminderung an dem Erfordernis der Unmittelbarkeit scheitert. Richtigerweise dürfte diese Fallgruppe auf der Basis der Dogmatik des Gefährdungsschadens zu lösen sein. Es kommt also darauf an, wie wahrscheinlich eine zukünftige Sanktionierung im Moment der Pflichtverletzung ist. Die Einzelheiten sind insofern allerdings weiterhin sehr umstritten und müssen im Rahmen des Pflichtfachstoffs eher nicht bekannt sein.

Weiterführender Hinweis: Der Begriff „Unmittelbarkeit“ wird sowohl bei § 263 StGB als auch bei § 266 StGB in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Weitgehend unstreitig ist insofern mit Blick auf beide Delikte, dass nur unmittelbare Vermögenszuwächse als schadensausschließende Kompensationen in Betracht kommen. Die soeben dargestellte Fallgruppe betrifft demgegenüber die Frage der Unmittelbarkeit auf der Ebene der Vermögensminderung.

Wichtig ist, dass die herrschende Meinung einen Vermögensnachteil bei § 266 StGB verneint, sofern der Treunehmer über ausreichend eigene finanzielle Mittel verfügt, um eine eingetretene Vermögensminderung jederzeit auszugleichen. Das ist eine Ausnahme von dem ansonsten weitgehend anerkannten Grundsatz, dass Ersatzansprüche unabhängig von ihrer Werthaltigkeit nicht zu einer Schadenskompensation führen.

Objektiver Marktwert und subjektiver Schadenseinschlag

Die von der herrschenden Meinung praktizierte Gesamtsaldierung auf wirtschaftlicher Basis erfordert stets eine Bewertung der im konkreten Fall relevanten Vermögensbestandteile. Handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, so wird zwar auf einer Seite des Saldierungsvorgangs meist ein Geldbetrag stehen, bei dem sich die Bewertung erübrigt. Aber es stellt sich dann typischerweise die Frage, ob ein aus dem Treugebervermögen (pflichtwidrig) aufgewendeter Geldbetrag durch den Erhalt der Gegenleistung (in der Regel eine Ware oder Dienstleistung) kompensiert wird.

Die herrschende Meinung erklärt prinzipiell den objektiven Marktwert für maßgeblich. Danach soll ein Vermögensnachteil grundsätzlich immer dann entfallen, wenn für die Gegenleistung ein marktüblicher Preis gezahlt wurde.

Die Vertreter dieser Ansicht müssen jedoch einräumen, dass nicht alle Vermögensgegenstände für alle Personen stets denselben Wert haben. Ausnahmsweise kommt ein Vermögensnachteil deshalb auch bei einem marktpreisgerechten Erwerb in Betracht, wenn die Gegenleistung für den Vermögensinhaber subjektiv völlig unbrauchbar ist (sog. individueller oder subjektiver Schadenseinschlag, nähere Erläuterungen bei § 263 StGB). Diese vor allem von § 263 StGB her bekannte Figur ist grundsätzlich auch für § 266 StGB relevant, auch wenn die Fallgruppen hier weniger eindeutig konturiert sind.

Ein subjektiver Schadenseinschlag bei § 266 StGB kommt zum Beispiel beim grundsätzlich marktpreisgerechten Erwerb von teuren Spirituosen und Kunstgegenständen durch den kaufmännischen Direktor einer Stadtwerke-GmbH in Betracht.Vgl. OLG Hamm NStZ 1986, 119.

Subjektiver Tatbestand

Beim subjektiven Tatbestand des § 266 StGB gibt es keine prinzipiellen Besonderheiten. Insbesondere setzt die Untreue – anders als der Betrug (→ § 11 Rn. 190 ff.) – keine Bereicherungsabsicht voraus. Es reicht daher grundsätzlich Eventualvorsatz hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes.

Angesichts der durchaus komplizierten normativen Struktur des Pflichtwidrigkeitsmerkmals sind Irrtümer in diesem Zusammenhang jedoch häufig nicht ganz leicht zu beurteilen:

  • Nach einer besonders strengen Ansicht genügt für vorsätzliches Handeln insofern die Kenntnis der das Pflichtwidrigkeitsurteil tragenden Tatsachen. Sind diese dem Täter bekannt, begründet es lediglich einen Verbotsirrtum, wenn er sein Verhalten (trotz zutreffender Tatsachenkenntnis) für pflichtgemäß hält.

  • Dagegen wird man mit Blick auf den normativen Charakter des Pflichtwidrigkeitsmerkmals jedoch über die Tatsachenkenntnis hinaus zumindest eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“ hinsichtlich des Pflichtwidrigkeitsurteils fordern müssen.

  • Noch weitergehend ließe sich sogar erwägen, dass die Annahme pflichtgemäßen Handelns stets den Pflichtwidrigkeitsvorsatz ausschließt. Diese Fragen sind vielfach noch ungeklärt, weshalb in einer Klausur Problembewusstsein und plausible Argumentation ausreichen dürften in dem (eher unwahrscheinlichen) Fall, dass der Pflichtwidrigkeitsvorsatz durch den Sachverhalt als Problem aufgeworfen wird.

Vertiefungswissen: In einzelnen Entscheidungen mancher BGH-Senate wurde die Ansicht vertreten, dass bei der Untreue besondere Anforderungen gelten müssten, wenn objektiv ein Gefährdungsschaden vorliegt und subjektiv lediglich Eventualvorsatz. In der sog. „Kanther-Entscheidung“ argumentierte der 2. Strafsenat, dass in einem solchen Fall die Kenntnis der Gefährdung nicht ausreiche, sondern vielmehr auch deren Realisierung in Kauf genommen werden müsse. Die daran anschließende Kontroverse mündete in gewisser Weise in die bereits mehrfach erwähnte Entscheidung BVerfGE 126, 170, in der sich das BVerfG für eine Restriktion des Gefährdungsschadens auf objektiver Ebene aussprach. Seither wurde die subjektive Einschränkung soweit ersichtlich nicht weiterverfolgt.

Rechtswidrigkeit

Auf der Wertungsebene der Rechtswidrigkeit ergeben sich keine Besonderheiten. Wenn der Treugeber sich mit der Schädigung seines Vermögens einverstanden erklärt, ist dies bereits auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit als tatbestandsausschließendes Einverständnis zu werten (→ Rn. 20 ff.).

Täterschaft und Teilnahme

Wie schon unter → Rn. 4 und 7 ausgeführt, ist die Untreue ein Sonderdelikt, dessen Täter (auch Mittäter oder mittelbarer Täter) nur sein kann, wer selbst als Treunehmer vermögensbetreuungspflichtig ist.

Personen, die keine Vermögensbetreuungspflicht innehaben, können sich nur als Anstifter oder Gehilfen strafbar machen. Ihre Strafe ist gem. § 28 Abs. 1 StGB zu mildern, weil die Vermögensbetreuungspflicht herrschend als besonderes persönliches Merkmal eingestuft wird.BGH NStZ-RR 2008, 6 mwN.

Umstritten ist, ob die Inhaberschaft einer Vermögensbetreuungspflicht umgekehrt automatisch dazu führt, dass der Vermögensbetreuungspflichtige als Täter (und damit nicht als bloßer Teilnehmer) einzustufen ist:

Nach der in der Literatur verbreiteten PflichtdeliktslehrePars pro toto Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 9. Aufl. (2017), S. 355 ff. führt die Inhaberschaft einer Vermögensbetreuungspflicht automatisch zu einer Täterstellung iSd § 25 StGB.

Von dieser Auffassung hat sich der BGH jedoch ausdrücklich distanziert. Täter einer Untreue könne vielmehr nur sein, wer nicht nur alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 StGB erfüllt, sondern wer zusätzlich auch nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme als Täter einzustufen ist.BGHSt 61, 48 – „Nürburgring“; so auch schon BGH wistra 2008, 427; weitere Nachweise zu entsprechenden Ansätzen anderer BGH-Senate liefert Schlösser, StV 2017, 123 (125). Nach der sog. „Vereinigungsformel“ des BGH muss dies im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der subjektiven (Interesse am Taterfolg, Wille zur Tatherrschaft) und objektiven (Tatbeitrag, Tatherrschaft) Umstände beurteilt werden.

Strafzumessung

§ 266 Abs. 2 StGB verweist auf § 263 Abs. 3 StGB, so dass im Prüfungspunkt IV. nach der Schuld zu überlegen ist, ob ein besonders schwerer Fall der Untreue vorliegt. Zu den in § 263 Abs. 3 S. 2 StGB enthaltenen Regelbeispielen näher → § 11 Rn. 214 ff.

Konkurrenzen

Wenn es um denselben Vermögensnachteil geht, der verursacht wurde, verdrängt die Missbrauchsuntreue iSv § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB den Treubruchstatbestand (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB) im Wege der Spezialität. Daraus ergibt sich der unter → Rn. 54 beschriebene Prüfungsaufbau.

Entsteht durch eine Pflichtverletzung ein Nachteil bei mehreren Verletzten, so liegen mehrere tateinheitlich zusammentreffende Fälle des § 266 StGB vor. Hat dieselbe Pflichtverletzung mehrere Verwirklichungsstufen (zB ein für den Treunehmer nachteiliger Vertrag wird erst abgeschlossen und später erfüllt) liegt nur ein einheitlicher Fall der Untreue und es müssen keine Konkurrenzerwägungen angestellt werden.

Wenn die Pflichtverletzung die Gestalt einer Wegnahme hat, kann Tateinheit mit § 242 StGB bestehen.

Beispiel (nach BGH NJW 1962, 1272): G ist Leiter einer Zweigstelle des Unternehmens F und zapft aus den Benzintanks von Kraftfahrzeugen des Unternehmens Benzin für private Zwecke ab.

Selbst nach der engsten Auffassung, die zur Reichweite des Subsidiaritätsklausel bei § 246 StGB vertreten wird (= Unterschlagung ist nur ggü. schwerer bestraften Eigentums- und Vermögensdelikte subsidiärSo zB Krüger/Ströhlein, JA 2019, 401 (406) oder Mitsch, ZStW 111 (1999), 65 (95).), verdrängt die Verwirklichung der Untreue eine durch dieselbe Handlung verwirklichte Unterschlagung im Wege der formellen Subsidiarität. Über die Subsidiaritätsklausel verdrängt § 266 StGB aber häufig nicht die veruntreuende Unterschlagung iSv § 246 Abs. 2 StGB, da die Klausel nach hM zwar auch für § 246 Abs. 2 StGB gilt,S. nur BGH NStZ 2012, 628. dieser Tatbestand aber normalerweiseAnders wenn ein besonders schwerer Fall der Untreue nach § 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB vorliegt: Dann hat die Untreue im Vergleich zu § 246 Abs. 2 StGB die höhere Strafandrohung und setzt sich im Wege der formellen Subsidiarität durch (so BGH NStZ 2021, 628). denselben Strafrahmen wie § 266 StGB hat und die Voraussetzungen der formellen Subsidiarität somit nicht gegeben sind. Wenn der Täter im Zeitpunkt der untreuerelevanten Pflichtverletzung schon Zueignungsvorsatz hatte, nimmt die hM aber trotzdem an, dass das Unrecht der Tat im Wesentlichen durch § 266 StGB abgedeckt ist und § 246 Abs. 2 StGB verdrängt wird.Pars pro toto Perron, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 266 Rn. 55 m. zahlr. Nachw.

Mit der Verwirklichung eines Betrugs (§ 263 StGB) kann die Untreue in Tateinheit stehen, wenn der Täuschende gegenüber dem Getäuschten eine Vermögensbetreuungspflicht hat.BGH NJW 1956, 151 (153).

Beispiel: Vermögensberater V spiegelt dem Kunden K vor, er investiere das Geld von K nur in risikoarme Finanzprodukte. Tatsächlich lässt er das Geld in die eigene Tasche fließen.

Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung

In § 266 Abs. 2 StGB wird auf die Strafantragserfordernisse in §§ 247, 248a StGB verwiesen.

Prüfungsschemata

Grundsätzliche Herangehensweise an § 266 StGB in der Klausur

Obwohl sich herrschend die Einsicht durchgesetzt hat, dass Missbrauchs- und Treubruchsuntreue eine im Kern einheitliche Struktur aufweisen, empfiehlt es sich für die Klausur weiterhin, im Fahrwasser der meisten zur Untreue kursierenden Falllösungen zwischen der Missbrauchsuntreue und der Treubruchsuntreue zu unterscheiden. Insofern wird die folgende Strategie vorgeschlagen:

  • Wenn der Fall Anhaltspunkte dafür bietet, dass der Treunehmer den Treugeber vielleicht durch wirksames rechtsgeschäftliches Handeln (zB durch den Abschluss eines nachteiligen Vertrages) geschädigt hat, wird zunächst die Missbrauchsuntreue geprüft.

  • Wenn die Missbrauchsuntreue „durchgeht“, wird in einem Satz festgestellt, dass die zugleich verwirklichte Treubruchsuntreue im Wege der Spezialität verdrängt ist.

  • Ansonsten wird nach der gescheiterten Prüfung der Missbrauchsuntreue „ganz normal“ die Treubruchsuntreue geprüft.

  • Wenn der Fall keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass der Treunehmer den Treugeber vielleicht durch wirksames rechtsgeschäftliches Handeln geschädigt hat, beginnt man direkt mit der Treubruchsuntreue ohne die Missbrauchsuntreue zu erwähnen.

Aufbauschema der Missbrauchsuntreue (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB)

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Vermögensbetreuungspflicht

      2. Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis (= Fähigkeit, im Außenverhältnis wirksam über das anvertraute Vermögen zu verfügen oder Verpflichtungen zu Lasten des anvertrauten Vermögens einzugehen)

      3. Missbrauch der Befugnis (= Überschreitung der im Innenverhältnis festgelegten Regeln)

      4. Vermögensnachteil

    2. Subjektiver Tatbestand

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

  4. Strafzumessung (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB)

Aufbauschema der Treubruchsuntreue (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB)

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Vermögensbetreuungspflicht

      2. (Gravierende) Verletzung einer vermögensbezogenen Pflicht

      3. Vermögensnachteil

    2. Subjektiver Tatbestand

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

  4. Strafzumessung (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB)

Studienliteratur und Übungsfälle

Studienliteratur

Rönnau/Becker, „Grundwissen – Strafrecht: Der Gefährdungsschaden bei Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB)“, JuS 2017, 499

Übungsfälle

Rotsch, Examensfall: Der untreue Betreuer, ZJS 2013, 75 (Open Access)

Christoph, Fortgeschrittenenhausarbeit: Große und kleine Finanzgeschäfte, ZJS 2022, 761 (Open Access)