Henrike von Scheliha Familienrecht Licensed under CC-BY-4.0

11 Exkurs- „Schwiegerelternzuwendungen“

Beispiel (nach BGHZ 184, 190 ff.): M und F leben seit 1990 in neLG. Im Jahr 1996 wenden die Eltern der F dem M 58.000 DM zu, die M zum Erwerb der zukünftigen Familienwohnung aufwandte. Außerdem wirken die Eltern der F an der Renovierung der Wohnung mit. Im Herbst 1996 beziehen M und F die Wohnung. Sie heiraten im Juni 1997 und leben im gesetzlichen Güterstand. Im September 2002 zieht M aus der gemeinsamen Wohnung aus. Die Wohnung, die weiterhin im Alleineigentum des M steht, wird durch diesen seither vermietet. M und F einigen sich darauf, dass keine Zugewinnansprüche bestehen. Inzwischen ist ihre Ehe rechtskräftig geschieden. Nun verlangen die Eltern der F von M Rückgewähr der 58.000 DM. Zu Recht?

Anspruch aus §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2 (= Rechtsgrundverweisung), 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB? Bisher nahm der BGH bei solchen Schwiegereltern-Zuwendungen, also Zuwendungen der Schwiegereltern an ihr Schwiegerkind (= Ehepartner ihres Kindes) mit Rücksicht auf dessen Ehe/Lebensgemeinschaft mit ihrem Kind an, dass es sich dabei nicht um Schenkungen handele. Es fehle an der Einigung über die Unentgeltlichkeit, wenn nach dem erkennbaren Willen der zuwendenden Schwiegereltern die Leistung nicht zu einer den Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen, sondern auf Dauer der Ehegemeinschaft dienen und damit auch von deren Bestand abhängig sein sollte (BGHZ 129, 259, 263).

Dagegen BGHZ 184, 190 ff.: Zuwendungen der Schwiegereltern an ihr Schwiegerkind sind doch unentgeltlich i.S. von §§ 516 ff. BGB und daher als echte Schenkungen anzusehen. Ausgleichsansprüche können sich wegen Widerrufs (§§ 530, 531 BGB), aber auch wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder wegen Zweckverfehlung (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) ergeben.

Rückgewähranspruch gemäß §§ 313 Abs. 3, 346 Abs. 1 BGB? a) Geschäftsgrundlage war hier die für M erkennbare Erwartung der Eltern, M und F würden eine dauerhafte Ehe eingehen. Die Schenkung sollte zur Schaffung einer Familienwohnung beigetragen, die der Tochter auf Dauer zugutekommen sollte. Hätten die Eltern der F mit dem Scheitern der Ehe gerechnet, wäre die Schenkung so nicht erfolgt. Diese Geschäftsgrundlage ist infolge des Scheiterns der Ehe und mit dem Auszug der Tochter aus der gemeinsamen, im Alleineigentum des M stehenden Ehewohnung entfallen.

b) Allerdings müsste das Festhalten am ursprünglich Vereinbarten einer Partei nicht zumutbar sein. Daran könnte es hier fehlen, weil M und F im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten und F somit über den Zugewinnausgleich an der Schenkung partizipierte. Dies verneint der BGH nun: Es sei den Eltern der F nicht schon deswegen zumutbar, am unveränderten Schenkungsvertrag festzuhalten, weil M und F im gesetzlichen Güterstand lebten. – Ob den Eltern der F aus anderen Gründen das Festhalten am Vertrag zugemutet werden kann, konnte der BGH mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst entscheiden und hatte dazu zurückverwiesen. Entscheidender Gesichtspunkt dürfte sein, wie lange die F in der gemeinsamen Wohnung gelebt hat.

Dies hat der BGH jüngst noch einmal bekräftigt (BGH NJW 2019, 3511 ff.): Bei Zuwendungen für den Erwerb eines Grundstücks ist die Geschäftsgrundlage nicht bereits dann weggefallen, wenn die Lebensgemeinschaft (neLG/Ehe) nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand hat. Hat jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie „nur kurze Zeit angedauert“, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ein Betracht (hier: Zuwendung von 100.000 €, nach zwei Jahren trennen sich die Partner). Rechtsfolge: Rücktrittsrecht und nicht nur Anspruch auf Vertragsanpassung, weil eine Vertragsanpassung den mutmaßlichen Parteiwillen verfehlt: Wenn bekannt gewesen wäre, dass die Lebensgemeinschaft nur zwei Jahre hält, wäre die Zuwendung gar nicht erfolgt und nicht nur „anders“.

Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB (Zweckverfehlung) ist denkbar, wenn sich kein Rücktrittsrecht nach §§ 313 Abs. 3, 346 BGB ergibt (Vorrang der §§ 346 ff. vor §§ 812 ff. BGB) und wenn eine Willensübereinstimmung bezüglich eines über die bloße Verwirklichung der (ehelichen) Gemeinschaft hinausgehenden Zweckes erzielt wurde. Voraussetzung ist positive Kenntnis von der Zweckvorstellung des anderen Teils, bloßes Kennenmüssen ist unzureichend. Daran fehlt es regelmäßig.

Fazit: In Betracht kommen sowohl Schenkungsrecht, Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Ansprüche gemäß §§ 346 Abs. 1, 313 Abs. 3 BGB kommen umso eher in Betracht, je höher die Zuwendung ist und je kürzer die Lebensgemeinschaft mit dem eigenen Kind Bestand hatte.