Deliktsstruktur
§ 226 StGB normiert die „schwere Körperverletzung“. Es handelt sich um ein sogenanntes erfolgsqualifiziertes Delikt, d.h. ein Delikt, das durch den Eintritt einer schweren Folge, die – anders als bei Qualifikationsdelikten – auch fahrlässig verursacht worden sein kann, den Strafrahmen erheblich erhöht. Verwirklicht der Täter den Tatbestand der Körperverletzung vorsätzlich (§ 223 StGB) und verursacht hierdurch mindestens fahrlässig eine der in § 226 Abs. 1 Nr. 1–3 StGB aufgezählten schweren Folgen (Erfolge), erhöht sich der Strafrahmen auf mindestens eins bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Führt der Täter die schwere Folge absichtlich oder wissentlich herbei, ist die Strafe gem. § 226 Abs. 2 StGB nicht unter drei Jahren.
Die schwere Körperverletzung ist ein Verbrechen (vgl. § 12 Abs. 1 StGB), sodass auch der Versuch der Erfolgsqualifizierung sowie der erfolgsqualifizierte Versuch der schweren Körperverletzung möglich sind (dazu → Rn. 48 ff.).
Klausurhinweis: Im Gutachten sind stets alle in Betracht kommenden Varianten des § 226 StGB zu prüfen. Diese müssen nicht kumulativ vorliegen. Für den Aufbau empfiehlt es sich, zunächst die (gefährliche) Körperverletzung vollständig zu prüfen, um sodann mit der schweren Körperverletzung im Rahmen einer eigenständigen Deliktsprüfung fortzufahren.
Tatbestand
Verwirklichung des Grunddelikts
Voraussetzung der schweren Körperverletzung ist die Verwirklichung des vorsätzlichen Grunddelikts (vgl. Wortlaut: „die Körperverletzung“)iSv § 223 StGB. Da die Prüfung von § 223 StGB in Klausur optimalerweise schon vor der Prüfung von § 226 StGB bewältigt wurde, kann an dieser Stelle knapp nach oben verwiesen werden.
Eintritt der schweren Folge
Sodann ist der Eintritt einer in den Nr. 1–3 aufgezählten schweren Folgen zu prüfen. Es sollten im Gutachten alle in Betracht kommenden Varianten geprüft werden. Diese müssen jedoch nicht kumulativ vorliegen.
Die jeweilige schwere Folge muss für längere Zeit eintreten. Dies ist der Fall, wenn eine Heilung ausgeschlossen oder nicht absehbar ist. Nach hL sind sind Verlust bzw. Beeinträchtigung nicht von ausreichender Dauer, wenn sie durch zumutbare Behandlungen behoben werden könnten, auch wenn das Opfer diese Option nicht wahrnimmt.
Beispiel (nach BGHSt 62, 36): Nach einem Messerangriff, bei dem O Schnittverletzungen an den Händen erlitt, ist seine linke Hand weitgehend gebrauchsunfähig und eine Besserung nicht absehbar. Hätte O nach der Notoperation Physiotherapie und ärztliche Nachsorge in Anspruch genommen, wären diese bleibenden Beeinträchtigungen nicht so schlimm ausgefallen. Der BGH bejahte dennoch § 226 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB.
Klausurhinweis: Das Problem kann sich in zwei Varianten stellen:
(1) Der Schaden kann durch eine Operation zum Zeitpunkt des Urteils noch behoben werden, das Opfer lehnt die erforderlichen Eingriffe jedoch ab,
oder
(2) der Schaden ist, wie im vorstehenden Beispiel, durch die mangelnde Inanspruchnahme von Behandlungsmöglichkeiten durch das Opfer nunmehr irreversibel.
Im zweiten Fall steht die Dauerhaftigkeit des Schadens zum Urteilszeitpunkt außer Frage, allerdings lässt sich mit den o. g. Argumenten darüber streiten, ob durch das (eigenverantwortliche) Verhalten des Opfers der Zurechnungszusammenhang unterbrochen worden ist. Auch in dem Fall, in dem sich der Schaden noch beheben ließe, geht es im Grunde um die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen von Täter und Opfer, also um Zurechnung. Da es aber um die Bewertung von künftigem Opferverhalten geht und damit um die (wertende) Prognose, ob der eingetretene Schaden dauerhaft ist, sollte das Problem in diesem Fall bei der Auslegung des Merkmals der Dauerhaftigkeit angesprochen werden.
§ 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Verlust des Sehvermögens, Gehörs, Sprechvermögens oder der Fortpflanzungsfähigkeit
Systematisch eint die unter Nr. 1 aufgeführten Merkmale, dass jeweils der (nahezu) vollständige Funktionsverlust eintreten muss. Dieser liegt vor, wenn die jeweilige Funktion dauerhaft fast vollständig aufgehoben ist, der verletzten Person also maximal noch ein „wertlose Restfähigkeit“
Der Verlust des Sehvermögens tritt ein, wenn die verletzte Person keine Gegenstände mehr mittels der Augen wahrnehmen kann. Eine die Funktion stark vermindernde Vorschädigung hindert die Anwendung des § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht, solange sie unterhalb einer „wertlosen Restfähigkeit“ liegt. Ausreichend ist bereits der Verlust auf einem Auge.
Beispiel: Dauerhafte Reduzierung des Sehvermögens auf einem Auge auf 2 %.
Der Verlust des Gehörs tritt ein, wenn die verletzte Person die Fähigkeit, artikulierte Laute akustisch wahrzunehmen, ganz oder nahezu vollständig verliert. Anders als beim Sehvermögen, bei dem der Verlust auf einem Auge ausreichend ist, wird hier auf den Hörsinn abgestellt. Erfasst sind alle Konstellationen, in denen dem Verletzten nur eine wertlose Resthörfähigkeit
Der Verlust des Sprechvermögens tritt ein, wenn die verletzte Person die Fähigkeit einbüßt, sich durch artikulierte Laute zu verständigen. Eine bloße Beeinträchtigung (zB bei Stottern) ist nicht ausreichend.
Der Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit tritt ein, wenn die verletzte Person die zum Tatzeitpunkt noch vorhandenen Fähigkeit, Nachkommen zu zeugen, verliert.
Weiterführendes Wissen: Dies umfasst auch Kinder, bei denen die Fähigkeit zur Fortpflanzung naturgemäß angelegt ist, auch wenn sie zum Tatzeitpunkt noch nicht fortpflanzungsfähig sind. Nicht umfasst sind Frauen in nicht mehr gebärfähigem Alter.
§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB: Verlust oder dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Körpergliedes
Ein Erfolg iSv § 226 Abs. 1 StGB tritt auch bei Verlust oder der dauerhaften Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Körpergliedes ein.
Glied des Körpers
Die Frage, was ein Körperglied ist, ist umstritten.
Nach der wohl hM ist der Begriff eng auszulegen und umfasst ausschließlich äußerliche Körperteile, die mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden sind (Finger, Zehen, Füße etc., nicht: Nase, Ohren, Genitalien) und eine in sich abgeschlossene Einheit bilden. Das bedeutet insbesondere, dass innere Organe (zB eine Niere
Teile der Literatur definieren Glied weitergehend als „selbstständige Teile des ganzen Körpers“, und erfassen damit auch Organe. Die enge Definition der hM könne die viel intensiver wirkende Beeinträchtigung innerer Organe (zB bei heimlichen Organentnahmen) nicht erfassen.
Wenngleich es sicherlich widersinnig erscheinen kann, dass zwar das Abtrennen eines Fingers, nicht aber das Entfernen einer Niere eine schwere Körperverletzung darstellen soll, ist der engeren Auffassung beizupflichten. Hierfür spricht neben dem vom BGH vorgebrachten Argument der Wortlautgrenze auch der Wille des historischen Gesetzgebers, der im Entstehungsprozess der Norm das „wichtige Glied“ anstatt des zuvor vorgeschlagenen Begriffs der „Verstümmelung“ nutzte.
Wichtig
Es kann schwierig zu bestimmen sein, wann ein Glied „wichtig“ ist. Entscheidend hierfür ist die Gesamtfunktion des Körperteils im Organismus. Einigkeit besteht immerhin darüber, dass ein Glied dann „wichtig“ ist, wenn sein Verlust wesentliche Körperfunktionen beeinträchtigt, die für alle Menschen gleichermaßen relevant sind.
Weiterführendes Wissen: Soweit man innere Organe als „Glieder“ einstufen möchte, sind diese stets „wichtig“ – auch wenn sie nicht lebensnotwendig sind (zB bei Entfernung nur einer Niere).
Beispiel: Wesentliche Funktionen sind Gehen und Greifen, sodass Hände, Füße sowie Daumen, Zeigefinger und große Fußzehen unproblematisch erfasst werden. Der kleine Finger ist jedoch regelmäßig nicht „wichtig“.
Eine weitergehende – mittlerweile auch vom BGH vertretene – Auffassung bezieht auch individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen ein. In BGHSt 51, 252 (255) hat sich das Gericht zumindest dahingehend geäußert, die strenge generalisierende Ansicht sei „zu eng und nicht mehr zeitgemäß“. Der amtliche Leitsatz stellt fest, dass auch „individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen des Verletzten“ zu berücksichtigen sind.
Nach einer zunehmend verbreiteten, noch weitergehenden Ansicht sollen auch soziale Faktoren berücksichtigt werden.
Beispiel: Bei einer Chirurgin oder einem Pianisten wären demnach alle Finger (nicht nur Daumen und Zeigefinger) „wichtig“, bei Personen, die keine „besondere“ Verwendung für zB den kleinen Finger haben, hingegen nicht.
Der BGH hat sich bislang nicht eindeutig zur Berücksichtigung sozialer Faktoren positioniert. Die Ansicht, die auch den Beruf der verletzten Person berücksichtigt, geht aber jedenfalls zu weit. Zwar ist der Unrechtsgehalt der Tat durch die sozialen Beeinträchtigungen für die verletzte Person erhöht, wenn diese aufgrund der Tat ihren Beruf nicht mehr ausüben kann. Dies ist jedoch iRd allgemeinen Strafzumessung zu beachten. § 226 StGB schützt die körperliche Integrität, nicht die stark personalisierte soziale Funktion von Körperteilen. Zustimmungswürdig ist mit der hM die individuell-generalisierende Betrachtung, die auf die individuelle körperliche Beschaffenheit abstellt, soziale Faktoren jedoch außen vor lässt.
Verlieren oder dauernd nicht mehr gebrauchen können
Ein Glied ist dann verloren, wenn es dauerhaft vom Körper abgetrennt ist. Die Möglichkeit, das Körperglied durch künstliche Prothesen zu ersetzen, lässt den Verlust nicht entfallen.
Eine Unbrauchbarkeit liegt vor, wenn das Glied derart in der Verwendung gestört ist, dass die Beeinträchtigung der einer Abtrennung entspricht. Dies ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Die Rechtsprechung legt hier einen strengen Maßstab an.
Beispiel: Der BGH hat die dauerhafte Unbrauchbarkeit zB bei einem Schuss ins Knie verneint, nach dem das Knie nicht mehr vollständig gebeugt werden konnte, instabil wurde und eine zukünftige Arthrose wahrscheinlich war.
Dauernd ist die Unbrauchbarkeit, wenn die Heilung nicht absehbar ist. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB (→ Rn. 6).
§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB: Dauerhafte Entstellung, Siechtum, Lähmung, Geistige Krankheit oder Behinderung
Der Erfolg ist zudem bei Eintritt einer erheblichen dauerhaften Entstellung sowie bei dem Eintritt von Siechtum, Lähmung, der geistigen Krankheit oder Behinderung zu bejahen.
Entstellung
Erheblich dauerhaft entstellt ist die verletzte Person, wenn ihr äußeres Erscheinungsbild in stark beeinträchtigender Weise irreversibel unästhetisch verändert wurde.
Der Schweregrad muss dabei den anderen schweren Folgen des § 226 Abs. 1 StGB entsprechen. Dabei kommt es – wie bereits bei der Frage, wann ein Glied wichtig ist – auf eine generalisierende Betrachtung an, die keine soziale Komponente zulässt (so darf zB bei Personen der Öffentlichkeit oder bei Models kein anderer Maßstab als bei nicht öffentlichen Personen gelten).
Für die Vergleichbarkeit mit anderen schweren Folgen bedarf es einer so erheblichen Entstellung, dass dadurch psychisch-soziale Nachteile (Schamgefühl, beeinträchtigter Selbstwert) zu erwarten sind. Dies wird von der restriktiven Rechtsprechung zB dann angenommen, wenn die Gesichtsproportionen deutlich verzerrt sind oder eine Vielzahl von Narben in derselben Körperregion zurückbleiben.
Beispiel: Erheblich entstellend sind Narben im Gesicht, die das Gesamterscheinungsbild stärker prägen; nicht aber zahlreiche Narben an den Unterschenkeln mit teils 20 cm Länge
Während Prothesen den Verlust eines Gliedes nicht ausgleichen können, werden für die Bewertung des äußeren Erscheinungsbilds künstliche Surrogate – beispielsweise eine Zahnprothese
Siechtum, Lähmung und geistige Krankheit oder Behinderung
Siechtum ist ein chronischer Krankheitszustand des Gesamtorganismus, der mit dem Schwinden der körperlichen und/oder geistigen Kräfte verbunden ist und allgemeine Hinfälligkeit zur Folge hat. Dies wird in einer Gesamtschau ermittelt.
Beispiel (nach BGH NStZ-RR 2021, 209): Durch einen Wirbelbruch ausgelöste Hinfälligkeit und psychische Entkräftung, in deren Folge die Geschädigte nicht mehr alleine wohnen konnte und in ein Pflegeheim umziehen musste, wo sie mit anhaltenden Schmerzen und Angstzuständen auch nachts intensiv betreut werden musste.
Lähmung ist eine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähigkeit eines Körperteils, die den ganzen Körper beeinflusst.
Aus der Gleichstellung der Lähmung mit Siechtum und Geisteskrankheit folgt, dass die Lähmung sich auf erhebliche Teile des Körpers auswirken muss, sodass die Versteifung größerer Gelenke (Knie, Hüfte) eine Lähmung darstellt, während die Versteifung einzelner Finger regelmäßig nicht ausreicht.
Beispiel: Verlust der Kontrolle über Arme und Beine; sog. Querschnittslähmung, bei der das Rückenmark der verletzten Person teilweise oder ganz durchtrennt ist und die Gliedmaßen unterhalb der Verletzung gelähmt sind.
Eine geistige Krankheit ist jeder krankheitswertige Schaden an der psychischen Gesundheit. Dies betrifft insbesondere, wenn auch nicht abschließend, solche Krankheiten, die im ICD-10-Katalog aufgeführt sind.
Eine Mindermeinung orientiert sich bei der Subsumtion unter den Begriff der geistigen Krankheit nur am Katalog der krankhaften seelischen Störung iSv § 20 StGB.
Eine geistige Behinderung ist eine nicht als geistige Krankheit zu qualifizierende erhebliche Störung der Gehirntätigkeit.
Aus dem Tatbestandsmerkmal „verfällt“ folgt, dass die schwere Folge von längerer Dauer sein muss. Eine längere Dauer ist dabei nicht mit Unheilbarkeit gleichzusetzen. Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des – länger währenden – Krankheitszustands nicht abzusehen ist.
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Wurde die schwere Folge fahrlässig verursacht, sind bereits im objektiven Tatbestand die objektiven Fahrlässigkeitsbedingungen zu erörtern. Wird die schwere Folge hingegen vorsätzlich herbeigeführt, entfällt dieser Prüfungspunkt (zum → Aufbauschema). Der Täter muss also eine objektive Sorgfaltspflicht verletzt haben. Diese liegt regelmäßig bereits in der Verwirklichung des Grunddelikts (§ 223 StGB). Darüber hinaus muss der Eintritt der schweren Folge für einen objektiven, verständigen Dritten aus ex-ante-Perspektive vorhersehbar gewesen sein (objektive Vorhersehbarkeit).
Kausalität und objektive Zurechnung
Zwischen dem Grunddelikt, also der Körperverletzung, und der schweren Folge muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze und Fallgruppen der Äquivalenztheorie und der objektiven Zurechnung.
V. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
Zwischen der Tathandlung und dem Eintritt der schweren Folge muss zusätzlich eine besondere Verknüpfung vorliegen, die über die Grundsätze des Kausalzusammenhangs und der objektiven Zurechnung hinausgeht: Der Körperverletzung muss die spezifische Gefahr anhaften, eine schwere Folge herbeizuführen. Diese dem Grunddelikt spezifisch anhaftende Gefahr muss sich im konkreten Taterfolg niederschlagen. Zum Problem der Behandlungsverweigerung → Rn. 7.
S. zu den Einzelheiten und Streitpunkten des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang die ausführlichen Erläuterungen im Rahmen von § 227 StGB → § 10 Rn. 14 ff.
Subjektive Tatseite
Auch für die schwere Körperverletzung gilt der allgemeine Grundsatz erfolgsqualifizierter Delikte: Die schwere Folge muss „wenigstens“ fahrlässig (vgl. § 18 StGB) verursacht worden sein. Zu prüfen ist daher, ob der Täter hinsichtlich der schweren Folge vorsätzlich oder fahrlässig handelte (dolus eventualis genügt). Abhängig davon, ob der Täter vorsätzlich oder nur fahrlässig hinsichtlich der schweren Folge handelt, variiert der → Prüfungsaufbau:
Handelt der Täter vorsätzlich, so ist das Delikt wie jedes Vorsatzdelikt mit objektivem und subjektivem Tatbestand aufzubauen.
Liegt kein Vorsatz hinsichtlich der schweren Folge vor, so ist der subjektive Tatbestand nicht zu prüfen und es ist stattdessen im objektiven Tatbestand das fahrlässige Handeln zu prüfen. Das Grunddelikt (also die Körperverletzung) muss allerdings immer vorsätzlich verwirklicht worden sein.
Wird die schwere Folge „absichtlich oder wissentlich“, also mit dolus directus herbeigeführt, erhöht sich die Strafe gem. § 226 Abs. 2 StGB auf mindestens drei Jahre Freiheitsstrafe. Es handelt sich hierbei um eine Qualifikation und nicht lediglich um eine Strafzumessungsvorschrift,
Das Verhältnis zwischen Tötungs- und Körperverletzungsvorsatz muss bei § 226 StGB differenzierter bestimmt werden, als es bei §§ 223, 224 StGB mit der Einheitstheorie möglich ist. Charakteristisch für die schweren Folgen sind jeweils deren Dauerhaftigkeit – also das lang andauernde Erleiden der Tatfolgen. Dies steht in einem logischen Konflikt mit der Absicht, den (schnellen) Tod herbeizuführen. Zumindest direkten Vorsatz kann der Täter daher nicht für den Tod und den Eintritt einer schweren Folge haben. Handelt der Täter mit Eventualvorsatz, ist ein alternativer Vorsatz für den Eintritt des Todes und der schweren Folge möglich.
Weiterführendes Wissen: Auch die Rechtsprechung ist in dieser Frage nicht einheitlich zu deuten. Hier wird ein „alternativer Vorsatz“ erkannt bzw. eine Alternativabsicht- und Wissentlichkeit diskutiert, die jedoch an die Grenzen der Logik stößt, da das langfristige Leben mit einem Leiden und der „schnelle“ Tod sich gegenseitig ausschließen.
Versuch
Bei der schweren Körperverletzung handelt es sich um ein Verbrechen iSv § 12 Abs. 1 StGB, dessen Versuch gem. § 23 Abs. 1 StGB stets strafbar ist. Der Versuch von § 226 StGB kann zwei Formen annehmen: Den Versuch der Erfolgsqualifikation und den erfolgsqualifizierten Versuch.
Richtet sich der Vorsatz des Täters auf den Eintritt einer schweren Folge, deren Eintritt ausbleibt, handelt es sich um einen Versuch der Erfolgsqualifikation.
Beispiel: T möchte, dass O dauerhaft entstellt wird und schüttet hierzu heißes Wasser in das Gesicht von O. Dieser erleidet erhebliche Schmerzen, trägt aber keine bleibenden Schäden (oder gar keine Schäden) davon.
Bleibt das Grunddelikt im Versuchsstadium stecken, tritt die schwere Folge aber dennoch ein, handelt es sich um einen erfolgsqualifizierten Versuch.
Beispiel: Die verletzte Person weicht einem drohenden Schlag mit einer Metallstange in letztem Moment reflexartig aus, stürzt dabei jedoch und verletzt sich so schwer, dass sie halbseitig gelähmt ist.
An dieser Stelle kommt es auf den Anknüpfungspunkt des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs an (Verletzungshandlung oder Verletzungserfolg). Folgt man der Ansicht, dass der tatbestandsspezifische Gefahrenzusammenhang zwingend am Verletzungserfolg anknüpfen muss, ist der erfolgsqualifizierte Versuch abzulehnen. S. dazu die Ausführungen bei § 227 StGB → § 10 Rn. 31 ff.).
Konkurrenzen
Zum Konkurrenzverhältnis mit § 223 StGB s. → § 7 Rn. 64, wobei die dortigen Ausführungen zum Verhältnis des § 223 StGB zu den Tötungsdelikten auch für § 226 StGB gelten (vgl. aber die hiesige → Rn. 46). Für das Verhältnis zu § 224 StGB → § 8 Rn. 53.
Aufbauschemata § 226 StGB
Aufbauschema für das vorsätzliche Verursachen einer schweren Folge:
Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Aufbauschema für das fahrlässige Verursachen einer schweren Folge:
Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld (inklusive subjektiver Sorgfaltspflichtverletzung)
Studienliteratur und Übungsfälle
S. die Hinweise bei → § 7.