Kilian Wegner Strafrecht Besonderer Teil II: Eigentums- und Vermögensdelikte Licensed under CC-BY-4.0

§ 8: Räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB)

Autorin: Svenja Schwartz

Notwendiges Vorwissen: Der räuberische Diebstahl gem. § 252 StGB kann nur im Kontext mit den Delikten des Diebstahls gem. § 242 StGB und des Raubes gem. § 249 StGB verstanden werden.

Der räuberische Diebstahl wird gem. § 252 StGB unter Strafe gestellt. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei dem Delikt nicht nur um einen erschwerten Fall des § 242 StGB, sondern um ein raubähnliches Delikt.BGHSt 3, 76 (77); aA Perron, GA 1989, 145; Kratzsch, JR 1988, 397. Die (nicht notwendig erfolgreicheKüper, JZ 2001, 730 (731).) Verteidigung der Diebesbeute mit Raubmitteln stellt ein wesentliches Element des räuberischen Diebstahls dar. Die Anwendung der Nötigungsmittel dient beim Raub der Erlangung des Gewahrsams, beim räuberischen Diebstahl dagegen dessen Erhaltung.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 413 mwN.

Wer sich auf die in § 252 StGB beschriebene Weise in der BeendigungsphaseDie Beendigungsphase bezeichnet den Zeitraum, in dem eine Tat zwar schon vollendet ist, der Angriff auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut jedoch noch andauert. Die Existenz einer solchen Beendigungsphase ist von der Struktur des jeweiligen Straftatbestandes abhängig. So liegt beispielsweise eine vollendete Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB vor, sobald ein Mensch vorsätzlich eingesperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt wurde. Das Dauerdelikt bleibt jedoch unbeendet, bis der Betroffene wieder die Freiheit erlangt hat. Ein Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB ist vollendet, sobald der Täter vorsätzlich eine fremde bewegliche Sache in Zueignungsabsicht weggenommen hat. Vor endgültiger Sicherung des Diebesguts kann er jedoch noch als unbeendet gelten. Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch bei anderen Delikten mit überschießender Innentendenz beobachten. In vielen Fällen fallen Vollendung und Beendigung zudem zusammen. So ist etwa § 212 Abs. 1 StGB zugleich vollendet und beendet, sobald der Täter in objektiv zurechenbarer und vorsätzlicher Weise den Tod eines Menschen herbeiführt. Näheres bei Rönnau/Wegner, JuS 2019, 970. eines Diebstahls seine Beute zu sichern versucht, wird bei Verwirklichung des Tatbestandes „gleich einem Räuber“ bestraft. In der Konsequenz dessen finden die Erschwerungsgründe des Raubes gem. §§ 250251 StGB auch auf den räuberischen Diebstahl Anwendung.BGH StV 2020, 671. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber für ein „bloßes“ Anschlussdelikt einen derart hohen Strafrahmen vorgesehen hat, ist bemerkenswert. Sie lässt sich damit erklären, dass eine Auseinandersetzung um die Beute eines Diebstahls bei Opfer und Dieb eine hohe emotionale Erregung herbeizuführen vermag, die schnell eskalieren kann. Die besondere Eskalationsgefahr im erhitzten Kampf um eine weggenommene Sache kann als kriminalpolitischer Grund des räuberischen Diebstahls identifiziert werden. Die Gleichbehandlung mit dem Raub erscheint zudem gerechtfertigt, da es beim Betreffen des Täters auf frischer Tat oft nur von Zufälligkeiten abhängt, ob die Wegnahme bei Einsatz des Nötigungsmittels vollendet war. Es steht nicht fest, dass derjenige, der nach der Wegnahme Raubmittel zur Verteidigung der Beute einsetzt, auch zu diesen gegriffen hätte, wenn er früher überrascht worden wäre.Krit. zu dieser in BGHSt 9, 255 (257); RGSt 73, 343 (345) zu findenden Hypothese Küper, JZ 2001, 730 (737). Der Wille, den bereits erlangten Gewahrsam mit Raubmitteln zu verteidigen, scheint jedoch nicht weniger gefährlich als der Wille, die Wegnahme auf diese Weise zu ermöglichen.S. dazu BGH StV 1987, 534; Perron, GA 1989, 145. Infolge der Gleichstellung der Delikte ist eine Angleichung der Auslegung des § 252 StGB an die des § 249 StGB geboten.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 413 mwN.

Rechtsgut und Deliktsstruktur

§ 252 StGB beinhaltet sowohl Elemente des Diebstahls als auch der Nötigung. Geschützte Rechtsgüter sind daher – wie bei § 249 StGB – die Möglichkeit das Eigentum zu nutzen, sowie die freie Willensbestimmung.

Der wesentliche Unterschied zum Raub besteht in der Reihenfolge des Wegnahme- und des Nötigungselements. Beim Raub wird eine Person genötigt, um anschließend die Wegnahme zu ermöglichen. Dies kann beispielsweise durch das Niederschlagen des Opfers und das anschließende Einstecken seines Portemonnaies erfolgen. Beim räuberischen Diebstahl verhält es sich genau umgekehrt: Es wird zunächst die Beute weggenommen und dann ein qualifiziertes Nötigungsmittel eingesetzt, um die Beute zu verteidigen. Dabei kann es sich um Gewalt gegen eine Person oder eine Drohung mit Gefahr für Leib und Leben handeln.

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass der bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffene Täter nach Vollendung der Wegnahme gegen eine Person Gewalt verübt oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht.

Vortat

Ein Täter eines räuberischen Diebstahls muss dem Gesetzeswortlaut nach „bei einem Diebstahl“ betroffen werden. Daraus lässt sich ableiten, dass der objektive Tatbestand des § 252 StGB voraussetzt, dass der Täter zuvor bereits eine andere Tat – einen Diebstahl – als Vortat begangen hat. Die Funktion dieses Merkmals besteht darin, die Ausgangslage zu beschreiben, aus der heraus sich der räuberische Diebstahl entwickelt.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.2.1.

Erfasste Deliktstypen

Die Formulierung „bei einem Diebstahl“ legt den Schluss nahe, die mögliche Vortat auf die Fälle der §§ 242, 243, 244, 244a StGB zu beschränken. Das wäre jedoch zu eng, da außer Acht gelassen würde, dass auch in jedem Raubtatbestand zugleich ein Diebstahl enthalten ist. Richtigerweise muss der Begriff des „Diebstahls“ im Sinne des § 252 StGB jede deliktische Form der Wegnahme umfassen.

Folglich kommt auch ein Raub als Vortat eines räuberischen Diebstahls in Betracht.BGHSt 21, 377; Geppert, JURA 1990, 554 (555). Dies kann bei einer Qualifikation des räuberischen Diebstahls nach den §§ 250, 251 StGB (der dann quasi ein „räuberischer Raub“ ist) relevant sein, wenn also der Täter die Umstände der §§ 250251 StGB in der Phase verwirklicht, die § 252 StGB erfasst.Näher BGHSt 20, 194 (197); 21, 377. Diese Konstellation ist besonders dann wichtig, wenn man entgegen dem BGHBGHSt 38, 295 (298). in dieser Phase eine Qualifizierung des bereits vollendeten Raubes nach §§ 250, 251 StGB zu RechtStellvertretend für die hL Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 386, 393, 399, 406 mwN. ausschließt. In einer Fallbearbeitung ist zu beachten, dass in diesen Konstellationen vor der Prüfung des § 252 StGB zu diskutieren ist, ob ein qualifizierter Raub vorliegen kann, auch wenn die qualifizierenden Umstände erst nach Vollendung des Raubs eingetreten sind.Bock, BT 2, 2018, S. 623.

Beispiel (nach BGHSt 38, 295): B1 verübt mit B2, B3 und B4 einen Raubüberfall mit geladenen Schusswaffen auf eine Bank. Auf der Flucht kommt es zu einem Schusswechsel mit der Polizei, bei der versehentlich eine Passantin getötet wird.

Die Täter haben hier einen Raub begangen, der jedoch nach hiesiger Auffassung nicht mehr als Raub mit Todesfolge qualifiziert werden kann, weil der Raub im Zeitpunkt des Eintritts der Todesfolge bereits vollendet war. Da der Raub jedoch als taugliche Vortat des § 252 StGB zu werten ist und auch die übrigen Voraussetzungen von § 252 StGB vorliegen, erfolgt eine Qualifikation des „räuberischen Raubes“ gem. § 251 StGB, d. h. die Täter werden nach §§ 252, 251 StGB bestraft.Bock, BT 2, 2018, S. 623. Der BGH würde hingegen §§ 249, 251 StGB anwenden.

Im Rahmen des Merkmals „bei einem Diebstahl“ muss der Diebstahl von der Unterschlagung abgegrenzt werden, da die Unterschlagung keine taugliche Vortat eines räuberischen Diebstahls darstellt.S. dazu BGH NStZ 2011, 36.

Beispiel (nach BGH NStZ 2011, 36): B nimmt Z dessen Mobiltelefon aus der Hand und verlangt für die Rückgabe die Zahlung von 20 EUR. Er plant dabei nicht, das Telefon zu behalten. Auf diese Idee kommt er erst, als Z sich weigert zu zahlen. Jetzt steckt B das Telefon ein und entfernt sich. Z folgt ihm und verlangte die Rückgabe seines Eigentums. Um sich im Besitz des gestohlenen Handys zu halten, schlägt B dem Z daraufhin mit der flachen Hand ins Gesicht und droht ihm mit Schlägen für den Fall, dass er ihm weiter hinterhergeht. Dem fügt sich Z.

Da B die Absicht, sich das Mobiltelefon zuzueignen, erst nach Begründung des eigenen Gewahrsams fasste, erfüllt sein Verhalten zunächst (nur) den Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB), so dass eine Strafbarkeit nach § 252 StGB ausscheidet.

Allerdings können in einem solchen Fall die §§ 253, 255 StGB einschlägig sein, sofern ein Vermögensnachteil gegeben ist.Bock, BT 2, 2018, S. 625. Die Vermögensverfügung läge dann darin, dass B es unter dem Eindruck der Drohung des Z unterlässt, sich sein Telefon zurückzuholen.

Ebenfalls keine taugliche Vortat des § 252 StGB ist die ErpressungGanz hM; näher Frank, JURA 2010, 893; aus der Rspr. vgl. BGH NStZ 2005, 387. gem. § 253 StGB, sodass die umstrittene Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung bei der Prüfung von § 252 StGB von Bedeutung sein kann (dazu → § 10 Rn. 9 ff.).

Auch ein Betrug gem. § 263 StGB ist nicht erfasst,Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 252 Rn. 3; aus der Rspr. vgl. BGH NJW 1995, 3129. was den Blick wiederum auf die problematische Abgrenzung von Diebstahl und Betrug lenkt (→ § 11 Rn. 131 ff.).

Die Geringwertigkeit der Beute gem. § 248a StGB ist für die Anwendbarkeit des § 252 StGB irrelevant.Ganz hM, Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 252 Rn. 2; näher Burkhardt, JZ 1973, 110; Burkhardt, NJW 1975, 16 7; aus der Rspr. vgl. OLG Köln NStZ-RR 2004, 299; OLG Brandenburg NStZ-RR 2009, 201; OLG Koblenz StV 2008, 474.

Vorsätzliche und rechtswidrige, nicht aber schuldhafte Vortat

Die Vortat muss vorsätzlich und rechtswidrig sein, nach hM nicht jedoch schuldhaft begangen werden.Wittig, in: BeckOK-StGB, 60. Ed. (Stand: 01.02.2024), § 252 Rn. 4 mwN.

Beispiel:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.2.3. T nimmt dem O ein Fahrrad weg, um damit eine Radtour zu machen, nach der er das Fahrrad wieder zurückgeben will. Unmittelbar nachdem T das Rad in seinen Gewahrsam gebracht hat, erfolgt eine Konfrontation mit O, in deren Verlauf T zur Rede gestellt wird. T beschließt, sich den Besitz an dem Fahrrad nicht nur durch Gewaltanwendung gegen O zu sichern, sondern das Fahrrad auch endgültig zu behalten.

Lösungshinweise: In diesem Beispiel hatte T vor der Anwendung von Gewalt gegen O des weggenommenen Fahrrads lediglich die Absicht, es für kurze Zeit zu gebrauchen. Den für die Erfüllung eines Diebstahls notwendigen Enteignungsvorsatz hatte er im Zeitpunkt der Wegnahme also nicht, so dass sein Verhalten keinen Diebstahl, sondern nur einen nach § 248b StGB strafbaren furtum usus darstellt. Da § 248b StGB keine für § 252 StGB taugliche Vortat ist, konnte T durch die nachfolgende Gewaltanwendung den objektiven Tatbestand des § 252 StGB nicht erfüllen. Diese Tatsache wird auch nicht dadurch relativiert, dass T inzwischen seine ursprüngliche Gebrauchsabsicht in eine Zueignungsabsicht transformiert hatte. Denn ein Diebstahl setzt voraus, dass Wegnahme und Zueignungsabsicht im selben Zeitpunkt bestehen.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 1.2.2.3.2.

Vollendung und Versuch der Vortat

Ein räuberischer Diebstahl setzt nach hM eine vollendete (nicht zwingend: beendete) Vortat voraus.Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 252 Rn. 4; Geppert, JURA 1990, 554 (555). Diese Schlussfolgerung lässt sich aus dem Charakter des Delikts ableiten, der durch das Bestreben der Gewahrsamssicherung geprägt ist.Küper, JURA 2001, 21 (22); Sinn, in: SK-StGB, Bd. 5, 9. Aufl. (2019), § 252 Rn. 6. Eine solche setzt zwingend voraus, dass der Täter bereits einen Gewahrsam gebrochen und einen neuen begründet hat.

Damit ist die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl vorgezeichnet: § 252 StGB ist anwendbar, wenn Gewalt oder Drohungen nach Vollendung der Wegnahme eingesetzt werden. Die Anwendung von Gewalt oder Drohungen vor Vollendung der Wegnahme führt dagegen zur Anwendung von § 249 StGB. In der Fallbearbeitung ist der Zeitpunkt des Gewahrsamswechsels daher exakt zu ermitteln (u. a. unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer bloßen Gewahrsamslockerung).

Beispiel (nach BGH NJW 1987, 2687): B quartiert sich als Demonstrant gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf in der Scheune der Eheleute Z ein. Diese sind selbst Gegner der Wiederaufbereitungsanlage und gestatten darüber hinaus weiteren Demonstranten, in ihrer Scheune zu übernachten. Des Weiteren stellt der Ehemann dem B sein Mofa zur Verfügung und händigt ihm Schlüssel und Versicherungsschein aus. Nachdem B in der Nacht zum 23. Juni 1986 mit den Eheleuten Z aus Wackersdorf zurückkehrt, fasst er den Entschluss, seine Gastgeber zu bestehlen und mit dem Mofa nach H zu fahren. In der Folge begibt er sich in das Schlafzimmer der Eheleute, um dort 520 DM sowie Schmuckgegenstände zu entwenden. Beides verstaut er in seiner Gesäßtasche und begibt sich wieder in die Scheune. Während B noch mit dem Packen seines Rucksacks beschäftigt war, bemerkt Frau Z das Fehlen des Geldes. Sie hegt umgehend den Verdacht, dass B der Täter war, und stellte ihn in der Scheune zur Rede. Als sie den B, der den Diebstahl bestreitet, inständig bittet, ihr das Geld herauszugeben, wirft er seinen Rucksack zu Boden und versetzt ihr einen Schlag mit der Hand ins Gesicht. Er ist bestrebt, sich den Besitz der gestohlenen Sachen zu sichern und mit dem Mofa, das er sich in der Scheune zurechtgestellt hat, zu fliehen. Um eine Flucht zu verhindern, stellt sich Frau Z dem B erneut in den Weg, woraufhin dieser wiederum tätlich zu werden droht, bevor er schließlich von herbeieilenden Helfern überwältigt werden kann.

In diesem Fall ist der Gewahrsam sowohl an dem Mofa (zu dem B Schlüssel und Papier erhalten hat) als auch an dem Bargeld und dem Schmuck bereits an B übergangen, als er das qualifizierte Nötigungsmittel gegen Z einsetzt. Daher kann sein Verhalten als räuberischer Diebstahl gem. § 252 StGB gewertet werden.Bock, BT 2, 2018, S. 626.

Sofern die Vortat lediglich das Versuchsstadium erreicht, ist eine Strafbarkeit gem. § 252 StGB ausgeschlossen. In diesen Fällen setzt der Täter im Stadium des Diebstahlsversuchs ein Nötigungsmittel ein, um die Wegnahme und damit den Diebstahl zu vollenden. Diese Konstellation stellt die typische Konstellation des Raubtatbestandes dar, sodass nur ein versuchter Raub gegeben sein kann.

Allerdings sind auch in diesem Bereich Fälle des untauglichen Versuchs denkbar, in denen der Täter bereits Gewahrsam erlangt hat. Es ist zu eruieren, ob die Anwendung des § 252 StGB hier ausgeschlossen ist, da letztlich nur ein versuchter Diebstahl vorliegt. Diskutiert werden Fälle folgender Struktur:Fall nach Mitsch, BT 2, 3. Aufl (2015), 9.2.1.2.4.

Beispiel: Die Polizeibeamtin O fungiert als „Lockvogel“ und spaziert mit einem gefüllten Einkaufskorb über den Kurfürstendamm in Berlin. Die Geldbörse der O befindet sich in einer oberen Lage des Korbes, in dem die eingekauften Waren transportiert werden. Diese wurde bewusst so platziert, dass ein Taschendieb nach ihr greifen würde. O wird von zwei Kollegen, A und B, begleitet, die ihr im Abstand von 10 Metern folgen. Die drei Polizeibeamten verfolgen das Ziel, dass der Taschendieb die Geldbörse an sich nimmt. Anschließend soll der Dieb festgenommen und ihm die Geldbörse wieder abgenommen werden. Der Plan geht auf: Taschendieb T ergreift die Geldbörse und versucht, sich der Festnahme zu entziehen. Als A und B sich ihm in den Weg stellen, reagiert T mit heftiger Gegenwehr, um die Beute nicht herausgeben zu müssen.

T hat den Gewahrsam der O an der Geldbörse aufgehoben und einen eigenen Gewahrsam daran begründet. Dennoch kann keine Wegnahme und somit auch kein vollendeter Diebstahl festgestellt werden, da O mit dem Gewahrsamsverlust einverstanden war (→ § 1 Rn. 51 ff.). Da T jedoch keine Kenntnis von diesem Einverständnis hatte, handelte er mit Wegnahmevorsatz und in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung, d. h. er hat einen versuchten Diebstahl begangen. Die anschließende Gewaltanwendung erfüllt alle sonstigen objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 252 StGB. Da die Vortat hier nur ein versuchter Diebstahl ist, kann auch der räuberische Diebstahl nur ein Versuch sein. T ist also aus §§ 252, 22 StGB strafbar.

Tathandlung: Qualifizierte Nötigung

Tathandlung des räuberischen Diebstahls ist eine qualifizierte Nötigung. Dieses Merkmal ist genauso zu interpretieren wie bei § 249 StGB.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5. Der Täter muss Gewalt gegen eine Person verüben oder dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben drohen. Wie bei § 249 StGB ist für „Gewalt“ iSv § 252 StGB eine nicht ganz unerhebliche körperliche Zwangswirkung erforderlich, die bei einem bloßen „Wegschubsen“ oder „Sich-losreißen“ nicht gegeben ist.OLG Koblenz StV 2008, 474 (475). Die Nötigungsmittel müssen sich gegen einen anderen richten. Damit sind alle Personen gemeint, von denen der Täter annimmt, dass sie ihm den Gewahrsam zugunsten des Verletzten wieder entziehen oder das Fortschaffen der Beute verhindern könnten.BGHSt 28, 224; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 421. Dies kann zB auch ein Polizeibeamter sein, der den Täter zwar nicht selbst betroffen hat, aber der zur Verfolgung hinzugezogen worden ist und insofern erst später hinzustößt.Küper, StV 2016, 285; Brüning, ZJS 2016, 386.

Nicht als potenzielle Nötigungsopfer erfasst sind dagegen Mittäter der Vortat, etwa bei Streitigkeiten um Beuteanteile.Bock, BT 2, 2018, S. 631.

Beispiel:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5.1. T und X sind nachts in das Lebensmittelgeschäft des L eingedrungen und haben dort Gegenstände entwendet. Der 18-jährige Sohn O des L wurde Zeuge der Tat und nahm umgehend die Verfolgung der beiden Täter auf. T ist etwas schneller als X und hat daher einige Meter Vorsprung vor seinem Komplizen. Als T erkennt, dass O ihnen folgt, wendet er sich um und gibt aus seiner Pistole einen Schuss auf den hinter ihm laufenden Mann ab. T hält den Mann, dessen Identität er in der Dunkelheit nicht zweifelsfrei erkennen kann, für O. Tatsächlich ist dieser Mann aber der X. Dieser wird von der Kugel am Oberarm getroffen und leicht verletzt.

Lösungshinweise: Auf frischer Tat wurde T von O betroffen. O wurde aber nicht Opfer der Gewalt des T. Der von der Gewalt tangierte X hat den T nicht „betroffen“, da er als Tatbeteiligter nicht zu dem Kreis der Personen gehört, die im Rahmen des Merkmals „betroffen“ taugliches Wahrnehmungssubjekt sein können. Die Tatbestandsmerkmale „Betroffensein“ und „Gewalt gegen eine Person“ sind in diesem Fall zwar erfüllt. Allerdings fehlt es an der spezifischen Verbindung zwischen der Wahrnehmung des Täters durch einen anderen und der gewalttätigen Reaktion des Täters auf diese Wahrnehmung. Die Gewalt traf nicht das Wahrnehmungssubjekt, sondern das „falsche“ Opfer. In Bezug auf die Alternative „Gewalt“ hat sich T somit lediglich wegen versuchten räuberischen Diebstahls strafbar gemacht. Sofern der Schuss jedoch zugleich als konkludente Androhung weiterer Gewaltakte aufgefasst werden kann, richtet er sich auch gegen O.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5.1. Hinsichtlich der Alternative „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ ist somit Strafbarkeit wegen vollendeten räuberischen Diebstahls gegeben.Zur Strafbarkeit des X wegen mittäterschaftlich versuchten Mordes vgl. die berühmte Entscheidung BGHSt 11, 268.

Besondere Tatsituation: „auf frischer Tat betroffen“

Gem. dem Wortlaut des § 252 StGB kann nur derjenige als „räuberischer Dieb“ bezeichnet werden, der bei der Vortat „auf frischer Tat betroffen“ worden ist. Die Formulierung wirft eine Reihe von Rechtsproblemen auf, die in Prüfungssituationen häufig abgefragt werden.

Bedeutung des Merkmals „betroffen“

Zunächst ist zu erörtern, was es bedeutet, „bei einem Diebstahl betroffen“ zu sein.

Wahrnehmungssubjekt

Welche Person den Dieb „betrifft“, ist irrelevant; es kann sich um den Sacheigentümer, den Gewahrsamsinhaber oder einen Dritten handeln.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 420. § 252 StGB ist auch anwendbar bei einem sogenannten offenen Diebstahl, der unmittelbar vor den Augen des Bestohlenen stattfindet.RGSt 73, 343 (345 f.)

Zeitpunkt

Der maßgebliche Zeitpunkt des Betreffens wird durch die Merkmale „bei einem Diebstahl“ und „auf frischer Tat“ fixiert. Ein tatbestandsmäßiges Betreffen ist möglich, sobald der Täter Gewahrsam an der Beute erlangt hat und solange die Tat trotz Vollendung noch „frisch“ ist. Die Anfangsgrenze des § 252 StGB wird also durch den Beginn des Diebstahlsversuchs definiert, während die Endgrenze durch den Verlust der Tatfrische markiert wird.

Beispiel:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.4.1. T dringt in das Haus des O ein und entwendet Geld sowie andere wertvolle Gegenstände. Nachbar A beobachtet, wie T mit seinem Pkw vor dem Haus des O anhält. Nachbar B beobachtet, wie T durch ein Balkonfenster in das Haus des O eindringt. Nachbar C beobachtet, wie T das Haus durch dasselbe Fenster mit einer gefüllten Reisetasche in der einen Hand und einem großen wertvollen Gemälde unter dem anderen Arm wieder verlässt. Nachbar D nimmt wahr, wie T mit seinem Pkw davonfährt.

Drei der vier Nachbarn des O, die den T gesehen haben, haben ihre Beobachtungen innerhalb des Zeitraums gemacht, in dem T „bei einem Diebstahl“ und „auf frischer Tat“ „betroffen“ sein kann: B, C und D. Lediglich A kann den T nicht „bei einem Diebstahl“ betroffen haben, da T zum Zeitpunkt seiner Wahrnehmung noch nicht unmittelbar zur Wegnahme angesetzt hatte.Anders wäre es, A noch länger zugeschaut und zumindest das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§§ 242, 22 StGB) mitbekommen hätte. B beobachtete dann das unmittelbare Ansetzen zur Tatausführung (§§ 242, 22 StGB), C die Vollendung und D den Abtransport der Beute, als der Diebstahl bereits vollendet, jedoch noch frisch war. In zeitlicher Hinsicht können die Wahrnehmungen von B, C und D folglich als tatbestandsmäßiges „Betreffen“ bezeichnet werden. Die Frage, ob dieses Tatbestandsmerkmal auch tatsächlich erfüllt wurde, hängt von der sogleich näher erörterten Frage ab, welche Wahrnehmungen dafür erforderlich sind.Dazu unten → Rn. 24 ff.

Inhalt der Wahrnehmung

Als nächstes stellt sich die Frage, welchen Inhalt die Wahrnehmung des anderen haben muss, damit davon die Rede sein kann, der Täter sei bei der Tat „betroffen“.

Die engste denkbare Auslegung des Begriffs „betroffen“ würde lediglich jene Täter als „betroffen“ ansehen, die vom Opfer eines Diebstahls oder von einem Dritten als Dieb identifiziert wurden oder zumindest entsprechend verdächtigt werden.So vertreten etwa von Kratzsch, JR 1988, 397 (401). In diesem Fall wäre die Bedeutung des Wortes „betroffen“ demnach „erwischt werden“.

Beispiel:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.4.2. X beobachtet den T beim Einbruch in das Haus des O. X erkennt, dass T einen Diebstahl begeht.

Eine etwas weiter gefasste Definition sieht das Merkmal bereits dann als gegeben an, wenn der „Betroffene“ zwar nicht als Tatverdächtiger identifiziert wird, jedoch zumindest vom Diebstahlsopfer oder einem Dritten sinnlich wahrgenommen wird.Krey/Hellmann/Heinrich, BT 2, 18. Aufl. (2021), Rn. 346.

Beispiel: X beobachtet, wie der Einbrecher T das Haus des O verlässt. X hegt gegen T aber keinerlei Verdacht, da T ein Bekannter des O ist und in dem Haus häufig ein- und ausgeht.

Die Rechtsprechung geht noch einen Schritt weiter und lässt genügen, dass der Täter das Nötigungsmittel einsetzt, bevor jemand ihn wahrnehmen kann.

Beispiel (nach BGHSt 26, 95): B dringt in die Wohnung der Z ein, um Gegenstände zu entwenden. Als er sich nach getaner „Arbeit“ anschickt, die Wohnung mit seiner Beute zu verlassen, vernimmt er, dass jemand (es ist Z) zur Tür hineinkommt. B versteckt sich und schlägt Z in einem günstigen Augenblick nieder, bevor Z ihn entdecken kann. Dann flieht B mit der Beute.

Für diese Auffassung führt die Rechtsprechung kriminalpolitische Erwägungen an. Würde man den Täter, der seiner Entdeckung gewaltsam zuvorkommt, nicht unter § 252 StGB fassen, würde das den Anreiz schaffen, möglichst frühzeitig qualifizierte Nötigungsmittel einzusetzen, um Personen, die den Täter am Fortschaffen der Beute hindern könnten, zu überwältigen. Für das Betroffensein soll daher allein auf ein räumlich-zeitliches Zusammentreffen zwischen Täter und Opfer abzustellen sein.

Eine kritische Würdigung der Position der Rechtsprechung zeigt allerdings, dass das Merkmal „Betroffen“ bei dieser Auslegung sinnlos wird. Denn um § 252 StGB zu erfüllen, muss der Täter ohnehin gegen eine andere Person mit Gewalt oder Drohung vorgehen, die sich in seiner Nähe befindet.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.4.2. Würde allein das bereits für ein „Betreffen“ ausreichen, könnte man dieses Merkmal aus dem Tatbestand des § 252 StGB streichen.Ebenso Gössel, BT 2, 2. Aufl. (1996), § 15 Rn. 17, der gleichwohl eine extrem weite Interpretation des Merkmals „betroffen“ befürwortet, nämlich, dass sich darunter jedes Zusammentreffen des Diebes mit einer anderen Person verstehen lässt.

„Frische Tat“

Um die strukturelle Nähe des räuberischen Diebstahls zur tatbestandlichen Situation des Diebstahls oder des Raubs zu bewahren, wird der Anwendungsbereich des § 252 StGB durch das Merkmal der „Tatfrische“ eingeschränkt.

Zeitliche Eingrenzung

Die überwiegende Ansicht geht davon aus, dass der vorangegangene Diebstahl/Raub nur so lange „frisch“ im Sinne des § 252 StGB ist, wie er nicht materiell beendet ist (d. h. solange die Beute nicht gesichert wurde und „zur Ruhe gekommen“ ist). Diesem Ansatz kann zugestimmt werden. Der Täter ist bestrebt, den durch die Wegnahme erlangten Gewahrsam vor dem Eingriff eines anderen zu sichern und wendet hierfür Raubmittel an. Dies setzt jedoch voraus, dass der Gewahrsam noch nicht endgültig gesichert ist. Die materielle Beendigung des vorangegangenen Diebstahls markiert daher den letztmöglichen Zeitpunkt für die Begehung eines räuberischen Diebstahls.BGH MDR 1987, 775; aA Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. (2023), § 252 Rn. 4. Nach Sicherung des Gewahrsams fehlt es an einem raubähnlichen Bezug der Nötigungsmittel zur Gewahrsamsverletzung.

Vertiefungshinweis: Ein solches Verständnis deckt sich mit dem Gedanken, dass die Tat so lange frisch ist, wie das Verhalten noch als (andauernder) gegenwärtiger Angriff iSd § 32 Abs. 2 StGB angesehen werden kann.Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 10 Rn. 11.

Der Diebstahl ist in der Regel nicht beendet, solange sich der Täter noch auf dem Anwesen des Bestohlenen befindet, also in dessen räumlichen Herrschaftsbereich (näher → § 1 Rn. 242 f.).Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 417 mwN. Ist die Beute verstaut und haben die Täter die Heimfahrt angetreten, in deren Verlauf es zB zu einer Schießerei mit einer Polizeistreife kommt, war der vorausgegangene Diebstahl beendet, sodass § 252 StGB nicht mehr zur Anwendung kommt.BGH JZ 1988, 471.

Dass die Tat maximal bis zu Beendigung des Diebstahls „frisch“ sein kann, bedeutet nicht, dass jede Anwendung qualifizierter Nötigungsmittel nach Vollendung, jedoch vor Beendigung des vorangegangenen Diebstahls noch „auf frischer Tat“ erfolgt.Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 10 Rn. 10. Die Beendigungsphase stimmt nicht stets mit dem Zeitraum überein, in dem die Tat als frisch zu bezeichnen ist. Bei einem zeitlich gestreckten Geschehen kann es bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu einer Stabilisierung des neuen Gewahrsams kommen. In diesem Fall endet die Eigenschaft einer Tat als „frisch“ bereits vor dem Zeitpunkt der Beendigung.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 418 mwN.. Ein solcher Fall lag BGHSt 28, 224 zugrunde: Dort hatte der Taxifahrer T während einer Autofahrt von Stuttgart in Richtung Hamm dem Fahrgast F unbemerkt die Brieftasche entwendet und eingesteckt. Nach längerer Zeit und einer Fahrstrecke von 50 km wurde F argwöhnisch. T schlug auf ihn ein, würgte ihn und stieß ihn aus dem Wagen. Da F erst nach längerer Zeit und einer Fahrstrecke von 50 km argwöhnisch geworden war, ehe T zu Tätlichkeiten griff, sah der BGH den Diebstahl nicht mehr als frische Tat an.

Räumliche Eingrenzung

Als einschränkende Voraussetzung muss für eine „Tatfrische“ zudem ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen der Vortat und dem Betroffensein bestehen.Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 252 Rn. 4; Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.3.3. Ein solcher Zusammenhang kann angenommen werden, wenn der Täter direkt am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe wahrgenommen oder bemerkt wird.BGH NStZ 2015, 700 (701); Rengier, BT I, 26. Aufl. (2024), § 10 Rn. 10. Es reicht, wenn der Einsatz der Nötigungsmittel während der unmittelbar eingeleiteten und ohne Unterbrechung fortgesetzten Verfolgung im Verlauf der Flucht erfolgt.Vgl. BGHSt 3, 76 (78); BGH GA 62, 145; krit. und enger dazu Küper, StV 2016, 285 (286). Die Flucht des Täters darf aber nicht eine solche Distanz zwischen ihm und dem Verfolger schaffen, dass die Gewahrsamssicherung die Vortat beendet.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 419 mwN.

Die Verbindung zwischen der „Tatfrische“ und dem „Betroffen sein“

Die beiden Merkmale „frische Tat“ und „betroffen“ stehen in engem Zusammenhang zueinander. Das Merkmal „frisch“ konkretisiert den Zeitpunkt, zu dem der Täter bei einem Diebstahl betroffen ist. Die Situation, in der sich der Täter befindet, ist dadurch gekennzeichnet, dass er entweder den Gewahrsam an den erlangten Gegenständen wieder aufgeben oder ihn durch die Anwendung von Nötigungsmitteln sichern muss. Dies ist nur der Fall, wenn der Täter „betroffen“ ist.

Ein räuberischer Diebstahl kann auch dann vorliegen, wenn der Täter erst dann qualifizierte Nötigungsmittel anwendet, wenn er schon zuvor auf frischer Tat betroffen wurde. Entscheidend ist, dass das „Betroffensein“ auf frischer Tat erfolgt.Vogel/Burchard, in: LK-StGB, Bd. 13, 13. Aufl. (2022) § 252 Rn. 57; Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5.2.

VertiefungBeispiel von Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5.2.

Ausgangsfall: O beobachtet vom Fenster seiner im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung aus, wie T seinen auf der Straße geparkten Pkw aufbricht und damit wegfährt. In der Folge informiert er umgehend die Polizei und teilt ihr das Kennzeichen sowie weitere Details zu seinem Pkw mit. In der Folge initiiert die Polizei eine Fahndung nach T. Eine halbe Stunde später, 20 km von der Wohnung des O entfernt, wird T von der Polizei gestellt. Der Polizeibeamte P steht mit einer Kelle in der Hand auf der Straße und fordert den T zum Anhalten auf. T ignoriert jedoch den Befehl und fährt mit dem Pkw auf den P zu. P kann sich durch einen Sprung in den Straßengraben retten.

Abwandlung: T gelingt es, den Pkw in einem Schuppen auf seinem Grundstück zu verstecken. Erst eine Woche später führen die Fahndungsmaßnahmen der Polizei zum Erfolg. Die Polizeibeamten A, B und C suchen den T auf, um ihn festzunehmen und den gestohlenen Pkw sicherzustellen. Beide Maßnahmen werden von T mit Gewalt beantwortet.

Lösungshinweise: Sowohl im Ausgangsfall als auch in der Abwandlung fallen das „Betroffen sein“ und die Anwendung von Gewalt zeitlich auseinander. Nur für das „Betroffen sein“ ist jedoch entscheidende, ob es zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Tat noch frisch war. Im Ausgangsfall wandte T gegen P Gewalt an, als er noch keinen sicheren Besitz an dem Pkw erlangt hatte. Die Gefahr, den Pkw abgenommen zu bekommen, resultierte aus zwei Faktoren: einerseits der Tatsache, dass O den T auf frischer Tat betroffen hatte, andererseits der Tatsache, dass der Besitz am Pkw noch nicht gesichert war. Die Anwendung von Gewalt durch T verwirklicht folglich § 252 StGB. Auch in der Abwandlung war die Verlustgefahr, die T mit Gewalt abzuwenden versuchte, auf die Tatsache des Betroffenseins auf frischer Tat zurückzuführen. Allerdings war der Besitz im Zeitpunkt der Gewaltanwendung bereits endgültig gesichert, sodass der Diebstahl als beendet betrachtet werden kann. Die Anwendung von Gewalt diente folglich nicht der Herstellung, sondern der Bewahrung bereits endgültig sicheren Gewahrsams. Dies wird von § 252 StGB nicht mehr erfasst.

In Fällen, in denen der Täter am Tatort beobachtet wird, jedoch keine Kenntnis davon hat und erst nach einer gewissen Zeit sowie Distanz zum Tatort seinen Verfolgern mit Gewalt begegnet, besteht Uneinigkeit darüber, ob der Täter auf frischer Tat betroffen ist.

Beispiel (nach BGH NStZ 2015, 700): B und zwei Mittäter dringen in eine Bank ein, während ein weiterer Beteiligter zur Absicherung draußen verbleibt. Die Täter erbeuten Geld und laden es in den Fluchtwagen. Die Tatbegehung wurde durchgehend von Kräften des Landeskriminalamts observiert, die auch die Verfolgung der Täter aufnehmen. Rund 35 Kilometer vom Tatort gelingt es den Beamten, die Tatbeteiligten etwa eine halbe Stunde nach der Tat zu stoppen. Die Täter wenden Gewalt gegen die Polizisten an, um sich im Besitz der Beute zu halten.

Der BGH geht hier von einem hinreichenden Bezug der Nötigungshandlung zum „Betroffen“ sein aus und davon, dass es dem Betreffen nicht entgegensteht, dass die Tat bereits von Anfang an beobachtet und nicht erst nach ihrer Vollendung entdeckt wurde.BGH NStZ 2015, 700. Becker vertritt die Auffassung, dass „Betroffen sein“ voraussetze, dass der Täter in zeitlicher und räumlicher Nähe zum Tatort sein „Betroffen sein“ durch Dritte wahrnehme.Anm. zu BGH NStZ 2015, 701 f.

Subjektiver Tatbestand

Vorsatz

Der subjektive Tatbestand des § 252 StGB erfordert zunächst Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatumstände. Nach den allgemeinen Regeln des Koinzidenzprinzips muss der Vorsatz im Zeitpunkt der Tathandlung, d. h. beim unmittelbaren Ansetzen zur qualifizierten Nötigung, vorliegen. Für die nach der Vorsatzprüfung erforderliche Prüfung der Zueignungsabsicht wird auf die Ausführungen zu § 242 StGB verwiesen (→ § 1 Rn. 71 ff.).

Die Beutesicherungsabsicht

1. Über das allgemeine Vorsatzerfordernis und die Zueignungsabsicht hinaus verlangt § 252 StGB außerdem, dass der Täter das qualifizierte Nötigungsmittel einsetzt, „um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten“. Damit ist die sogenannte Beutesicherungsabsicht (auch als Besitzerhaltungsabsicht bezeichnet) angesprochen. Sie liegt vor, wenn der Täter es als Ziel oder Zwischenziel anstrebt, dass ihm der gerade erlangte Gewahrsam an der Beute aus der Vortat nicht alsbald wieder entzogen wird. Zwar spricht der Gesetzgeber an dieser Stelle von Besitz, obwohl der in § 242 StGB vorausgesetzte Gewahrsam begrifflich etwas anderes darstellt. Dennoch ist die Meinung herrschend, dass aufgrund der Anknüpfung an den Diebstahl jedenfalls Gewahrsam gemeint sein muss und daher offensichtlich ein Redaktionsversehen vorliegt.Wittig, in: BeckOK-StGB, 60. Ed. (Stand: 01.02.2024), § 252 Rn. 15. Der Verlust der Beute muss aus Sicht des Täters bereits gegenwärtig stattfinden oder aber unmittelbar bevorstehen.BGHSt 9, 162; → § 47 Rn. 31 ff.

Beispiele:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5.4.2.

(1) T hat dem O eine Brieftasche entwendet und diese umgehend in seine Hosentasche gesteckt. Bei dem anschließenden Handgemenge zwischen T und O gelingt es dem O, die Brieftasche aus der Hosentasche des T zu ziehen und wieder an sich zu nehmen.

(2) T hat dem O einen 5-Euro-Schein entwendet und diesen umgehend in seine Hosentasche verbracht. Da die Hose des T jedoch ein Loch aufweist, rutscht der Geldschein durch das Hosenbein und fällt unwiederbringlich durch einen Gully in einen tiefen Schacht, ohne dass T oder O dies bemerken. In der Folge kommt es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen T und O. T schlägt den O nieder entfernt sich vom Ort des Geschehens. Dabei stellt er sich vor, der gestohlene 5-Euro-Schein befinde sich noch in seiner Hosentasche.

In beiden Beispielsfällen hat T durch einen vollendeten Diebstahl eine fremde Sache in seinen Alleingewahrsam gebracht, der am Ende des Geschehens trotz Gewaltanwendung nicht mehr besteht. In Beispiel 1 hat T sich gleichwohl gem. § 252 StGB strafbar gemacht, da er mit der Gewalt zumindest versuchte, seine Beute zu sichern. In Beispiel 2 könnte man dagegen geneigt sein, § 252 StGB nicht anzuwenden, da die Nötigungshandlung von vornherein nicht zur Gewahrsamssicherung geeignet war. Während die Gewalt in Beispiel 1 gewissermaßen einen tauglichen Versuch der Gewahrsamssicherung darstellte, war die Gewalt in Beispiel 2 ein untauglicher Versuch. Tauglicher und untauglicher Versuch werden bekanntlich in der allgemeinen Versuchslehre im Wesentlichen gleichbehandelt (vgl. § 23 Abs. 3 StGB). Auch im vorliegenden speziellen Kontext besteht für eine Ungleichbehandlung kein Anlass. Entscheidend ist, dass T auch in Beispiel 2 die Vorstellung und den Willen hegte, sich durch den Einsatz von Gewalt die Sachherrschaft über das gestohlene Geld zu sichern. Folglich hat sich T in beiden Beispielsfällen gem. § 252 StGB strafbar gemacht.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.5.4.2.

2. Die Absicht muss gem. dem Wortlaut von § 252 StGB („sich im Besitz erhalten“) auf die Erhaltung tätereigenen Gewahrsams gerichtet sein. Eine Sicherung des Gewahrsams Dritter genügt somit nicht. Allerdings kann tätereigener Gewahrsam auch erst über eine Zurechnung fremden Gewahrsams gem. § 25 Abs. 2 StGB entstehen. Zur Veranschaulichung das folgende Beispiel:

Beispiel (nach BGH NStZ 2015, 276): A und N konsumieren gemeinsam mit J in dessen Wohnung Alkohol. Während der Gastgeber sich für einen kurzen Zeitraum entfernt, beschließen A und N gemeinschaftlich, das Notebook des J zu entwenden. N hat die Absicht, das Gerät als Ersatz für ihren eigenen, defekten Computer zu nutzen. Sie nimmt das Notebook an sich und verstaut es samt Ladekabeln in einem Jute-Beutel. Als N und A die Wohnung des J verlassen wollen, stellt sich J in den Wohnungsflur und nähert sich der N, um dieser den Computer wieder abzunehmen. Um dies zu verhindern, attackiert A den J mit wiederholten Faustschlägen, wodurch dieser zu Boden gebracht wird. In der Folge verlagerte sich der Ort des Geschehens, da der J der N, die ihrerseits mehrfach auf ihn einschlug, und dem A immer wieder nacheilte. Schlussendlich gelingt es A und N, mit dem Notebook zu entkommen.

In diesem Beispiel erlangt N Gewahrsam am Notebook des J, indem sie das Gerät in ihren Beutel steckt. Demgegenüber fehlt A der Gewahrsam, sodass ihm auf den ersten Blick die Absicht fehlt, sich mit seinen Schlägen gegen J selbst im Gewahrsam der Sache zu halten. Allerdings könnte A der Gewahrsam der N gem. § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden, sofern man annimmt, dass die beiden den Diebstahl in Mittäterschaft begangen haben. In der Originalentscheidung gelangte der BGH allerdings zu der Einschätzung, dass der Sachverhalt die Annahme einer Mittäterschaft nicht trägt.Vertiefungshinweis: Dehne/Niemann, NStZ 2015, 251 (252); zur Kritik Wittig, in: BeckOK-StGB, 60. Ed. (Stand: 01.02.2024), § 252 Rn. 15.3.

3. Nach herrschender Meinung liegt keine Beutesicherungsabsicht vor, wenn der Täter mit der qualifizierten Nötigung nur noch das Ziel verfolgt, sich selbst einer Festnahme bzw. der Strafverfolgung zu entziehen.

Beispiel 1 (nach BGHSt 9, 162): A lädt Holzbretter, die er soeben aus einem Schuppen des B entwendet hatte, in seinen Lieferwagen. In diesem Moment nähert sich C, ein Mitarbeiter des B, auf einem Fahrrad. Anschließend stellt er sein Fahrrad ab und fragte den A, was er da mache. Der A entgegnet, dass dies C nichts angehe. C entgegnet, dass die Bretter seinem Vorgesetzten gehören und er sich die Wagennummer des A notieren wolle. In der Folge begibt er sich dafür um das Fahrzeug herum nach vorne und bückt sich, um das Kennzeichen abzulesen. Der A ist jedoch nicht gewillt, dies zuzulassen und schlägt den C mit Fausthieben in die Flucht. Dass C in der Lage oder gewillt sein könnte, ihm die Bretter abzunehmen, dachte A zu keinem Zeitpunkt.

Beispiel 2 (nach BGHSt 52, 376): B entnimmt Geld aus einer Kinokasse, wird dann aber noch in unmittelbarer Nähe der Kassen von mehreren Unbeteiligten überwältigt, zu Boden gebracht und dort festgehalten. B wehrt sich gegen die Übermacht mit großem Kraftaufwand, indem er durch Winden und Zappeln versucht, sich den Griffen zu entziehen, was ihm jedoch nicht gelingt. Er unternimmt vergeblich den Versuch, den Ellenbogen einer der ihn festhaltenden Personen nach oben zu drücken. In der Folge hält er das erbeutete Geldbündel zunächst fest. Nachdem B die Hände frei bekommen hat, holt er Pfefferspray aus seiner Kleidung und sprüht es in Richtung der Personen, wodurch diese verletzt werden. Kurz nach Beginn des Sprühens lässt B dabei seine gesamte Beute fallen. Der Einsatz des Pfeffersprays dient nur der Flucht.

In einem Sachverhalt, der dem ersten Beispielsfall ähnelt, hat der BGH einen räuberischen Diebstahl verneint. Die möglicherweise bei A bestehende Vorstellung, dass er die Bretter wieder verlieren könnte, wenn C ihn den Behörden meldet (zB weil die Behörden die Bretter dann nach § 111b StPO beschlagnahmen), genügte dem BGH dabei nicht für eine Beutesicherungsabsicht, da der so imaginierte Beuteverlust nicht unmittelbar bevorstehe.BGH StV 1987, 196; Geppert, Jura 1990, 554 (557); Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 423. Auch im zweiten Beispielsfall hat der BGH die Beutesicherungsabsicht verneint, weil der Gewalteinsatz dem B nur dazu diente, seine Flucht zu ermöglichen.

4. Die herrschende Meinung verneint zudem eine Beutesicherungsabsicht, wenn der Täter im Zeitpunkt seiner Nötigungshandlung keine Zueignungsabsicht mehr hat.

Beispiel:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.2.3.4. T nimmt dem O ein Fahrrad weg, das er behalten möchte. Als O versucht, dem T das Rad wieder abzunehmen, ändert T seinen Entschluss. In der Absicht, das Rad nur für eine kurze Spazierfahrt zu benutzen und es anschließend dem O zurückzugeben, schlägt er den O nieder.

Eine solche „Verlängerung der Zueignungsabsicht in die Besitzerhaltungsabsicht“ lässt sich dem Wortlaut von § 252 StGB zwar nicht entnehmen. Sie ist jedoch erforderlich, um sicherzustellen, dass nur Verhaltensweisen unter die Vorschrift fallen, bei denen der hohe Strafrahmen nicht überzogen ist.

Rechtswidrigkeit / Schuld

In Bezug auf die Rechtswidrigkeit und die Schuld weist der räuberische Diebstahl keine prüfungsrelevanten Besonderheiten auf.

Täterschaft und Teilnahme

Für die Beteiligung am räuberischen Diebstahl gem. § 252 StGB gelten grundsätzlich die aus dem Allgemeinen Teil bekannten Grundsätze. Aus der besonderen Struktur des § 252 StGB ergeben sich jedoch auch spezielle Fragestellungen. Die Beteiligung des Täters an der Vortat stellt ein wesentliches Element des räuberischen Diebstahls dar. Die gewaltsame Sicherung des Besitzes an einer Sache, die ein anderer gestohlen hat, ist nicht als räuberische Diebstahl zu werten.

Beispiel:Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.2.5. Taschendieb T hat gerade dem O eine Brieftasche weggenommen, als er zwei Polizeibeamte auf sich zukommen sieht. Mit den Worten „Schenk ich dir!“ wirft T die Brieftasche dem X zu, der sich in der Nähe des Tatortes befindet und den Taschendiebstahl beobachtet hatte. X steckt die Brieftasche ein und leistet Widerstand gegen die Festnahme durch die beiden Polizeibeamten, indem er Fußtritte gegen sie einsetzt.

X ist hier „bei einem Diebstahl“ in die Auseinandersetzung mit den beiden Polizeibeamten geraten, in deren Verlauf er Gewalt gegen eine Person anwandte, um sich den Besitz der Brieftasche zu erhalten. Jedoch war die Vortat nicht „sein“ Diebstahl, weshalb X auch nicht „auf frischer Tat betroffen“ wurde. Der Begriff der „frischen Tat“ bezeichnet in diesem Kontext den Diebstahl. Das Adverb „auf“ verweist darauf, dass die betreffende Tat eine desjenigen sein muss, der „betroffen“ ist und Gewalt anwendet oder gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben androht. Da X weder als Mittäter noch als Gehilfe am Diebstahl des T beteiligt war, hat er den Tatbestand des räuberischen Diebstahls nicht erfüllt. Die „frische Tat“, auf der X betroffen wurde, stellt keinen Diebstahl, sondern Hehlerei gem. § 259 StGB dar. Die anschließende Gewalt kann daher als „räuberische Hehlerei“ charakterisiert werden. Ein derartiger Straftatbestand ist im geltenden Strafrecht aber nicht vorgesehen.Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.1.2.2.

Einige unproblematische Fallkonstellationen:

  • Die Mittäter des Diebstahls verteidigen die im gemeinsamen Besitz befindliche Beute in der von § 252 StGB geforderten Absicht. Dies stellt einen räuberischen Diebstahl in Mittäterschaft dar.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 425.

  • In Fällen, in denen sich ein Unbeteiligter an der Vortat nach vollendetem Diebstahl bei entsprechendem Förderungswillen den Verfolgern in den Weg stellt, kann Beihilfe zu § 252 StGB in Betracht kommen. Allerdings führt die Teilnahme an der Vortat nicht ohne Weiteres auch zur Teilnahme am räuberischen Diebstahl. Vielmehr muss die eigentlich auf die Vortat bezogene Teilnahmehandlung auf den räuberischen Diebstahl fortwirken und diese Fortwirkung auch vom Vorsatz des Teilnehmers umfasst sein (das wäre zB der Fall, wenn der Gehilfe dem Dieb eine Waffe für den Fall geliefert hat, dass der Dieb seine Beute verteidigen muss).Mitsch, BT 2, 3. Aufl. (2015), 9.2.4.

Im Rahmen von Prüfungsarbeiten ist insbesondere auf folgende Punkte zu achten:

  • Die Anwendung eines Nötigungsmittels zur Beutesicherung kann auch durch einen Täter der Vortat erfolgen, der nicht im Besitz der Beute ist. Voraussetzung ist, dass die Beutesicherung im gemeinschaftlichen Interesse erfolgt und für den Mittäter weiterhin die durch den Diebstahl erlangte Zueignungsposition besteht. In diesen Fällen findet § 25 Abs. 2 StGB Anwendung, d. h. dem Täter, der mit Gewalt oder Drohung die Beute sichert, wird der Gewahrsam an der Beute zugerechnet. Ist das aus der Vortat Erlangte bereits unter den Mittätern aufgeteilt worden, kann jeder Mittäter lediglich noch die eigene Sachherrschaft verteidigen.

  • Ein weiteres Problem des § 252 StGB manifestiert sich in der Frage, ob der Teilnehmer der Vortat Täter des räuberischen Diebstahls sein kann, wenn er qualifizierte Nötigungsmittel in Beutesicherungsabsicht anwendet.

In der Rechtsprechung sowie in einem Teil der Literatur besteht die Auffassung, dass Täter von § 252 StGB auch sein kann, wer lediglich Gehilfe an der Vortat war. Allerdings setzt dies voraus, dass sich der Gehilfe im Moment der Anwendung von Nötigungsmitteln im Besitz der Beute befindet.Geppert, JURA 1990, 554 (558); Otto, BT, § 46 Rn. 64.

Die überwiegende Literaturmeinung lautet hingegen, dass nur derjenige Täter von § 252 StGB sein kann, der bereits Täter oder Mittäter der Vortat gewesen ist. Zur Begründung wird auf die raubähnliche Struktur des § 252 StGB verwiesen, welcher aus Diebstahls- und Nötigungselementen besteht. (Mit-)Täter eines räuberischen Diebstahls könne demnach nur sein, wer beide Elemente, Diebstahl und Nötigung, täterschaftlich verwirklicht hat.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 426; Vogel/Burchard, in: LK-StGB, Bd. 13, 13. Aufl. (2022), § 252 Rn. 71; Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 252 Rn. 10; Schünemann, JA 1980, 393 (399). Diese Auffassung überzeugt, da sie der Gleichstellung des räuberischen Diebstahls mit dem Raub in der Strafandrohung Sinn und Berechtigung verleiht.

Im Rahmen der Prüfung der Beteiligung am § 252 StGB sind schließlich noch folgende Aspekte von Bedeutung:

Die im Jahr 1998 durch das 6. StrRG in den § 242 StGB eingeführte Drittzueignungsabsicht hat Einfluss auf die Frage einer möglichen Täterschaft hinsichtlich eines räuberischen Diebstahls. Gem. § 242 StGB aF konnte lediglich Diebstahlsgehilfe sein, wer die Sache nicht sich selbst, sondern einem Dritten zueignen wollte. Gem. § 242 StGB nF ist hingegen auch derjenige Täter eines Diebstahls, der eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sie einem Dritten zuzueignen. In der Folge kann er gem. § 252 StGB als Täter bestraft werden, wenn er sich zum Erhalt der Möglichkeit, die Sache dem Dritten zu verschaffen, mit Nötigungsmitteln wehrt.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 427.

Eine täterschaftliche Begehung des § 252 StGB ist hingegen ausgeschlossen, wenn der Dieb dem Dritten die Sache zwecks Zueignung übergibt und danach Nötigungsmittel des § 252 StGB im Drittbesitzerhaltungsinteresse anwendet. Einem solchen Beteiligten fehlt die für den räuberischen Diebstahl nach wie vor erforderliche Absicht, sich im Besitz des gestohlenen Guts zu erhalten.

Vertiefungshinweis: Die durch das 6. Strafrechtsreformgesetz von 1998 geschaffene Gesetzeslage ist an dieser Stelle widersprüchlich: Wer in Drittzueignungsabsicht das Opfer niederschlägt, um dem Mittäter die Wegnahme zu ermöglichen, macht sich als Mittäter des § 249 StGB strafbar. Wer die Gewalt dagegen erst nach Vollendung der Wegnahme im Interesse der Erhaltung des „Drittbesitzes“ einsetzt, kann mangels Eigenbesitzerhaltungsabsicht lediglich wegen Beihilfe zu § 252 StGB bestraft werden.Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 2, 46. Aufl. (2023), Rn. 427. Die Strukturähnlichkeit von Raub und räuberischem Diebstahl wird an dieser Stelle nicht berücksichtigt.

Versuch und Vollendung

Ein vollendeter räuberischer Diebstahl liegt vor, sobald der Täter Gewalt gegen eine Person anwendet oder eine entsprechende Drohung ausspricht. Es ist irrelevant, ob der Täter tatsächlich in der Lage ist, durch die qualifizierte Nötigung den Gewahrsam an der Beute zu sichern. Die Beutesicherungsabsicht stellt eine sogenannte überschießende Innentendenz dar, bei der es ausreicht, wenn der Täter ein bestimmtes Ziel innerlich verfolgt, das jedoch nicht tatsächlich erreicht werden muss.

Konkurrenzen

Konkurrenzverhältnis von § 252 StGB und der Vortat, aus der das gestohlene Gut stammt

Vortat ist ein Diebstahl

Die Abgrenzung des § 252 StGB zu anderen Delikten erweist sich als unproblematisch, sofern die Vortat einen Diebstahl gem. § 242 darstellt:

Vortat ist ein Raub

Die Konkurrenzfrage gestaltet sich noch diffiziler, wenn die Vortat ein Raub gem. § 249 StGB ist:

  • Konsens besteht darüber, dass ein räuberischer Diebstahl gem. § 252 StGB hinter einem Raub gem. § 249 StGB zurücktritt. Dies ist dadurch begründet, dass andernfalls das identische Diebstahlsunrecht doppelt erfasst würde (Gesetzeseinheit). § 252 StGB wird ferner dann durch § 249 StGB verdrängt, wenn der Raubtäter nach vollendeter Wegnahme erneut Gewalt zum Zweck der Beutesicherung anwendet.

  • In Fällen, in denen der Täter Nötigungsmittel zwischen Vollendung und Beendigung des Raubes einsetzt und Merkmale des § 250 StGB verwirklicht oder die schwere Folge des § 251 StGB herbeiführt, ist die Lage kompliziert.

Es ist zu diskutieren, ob die §§ 250, 251 StGB auch in diesem Zeitraum als Qualifikationen des Raubes herangezogen werden können oder ob deren Verwirklichung nur in Verbindung mit einem räuberischen Diebstahl möglich ist (→ § 6 Rn. 38 ff. und → § 3 Rn. 26). Zur Veranschaulichung der Problematik werden im Folgenden zwei Beispielfälle erörtert.

Beispiel 1 (nach BGHSt 38, 295): Nach einem vollendeten Raub schießen die Täter auf der Flucht in einer belebten Einkaufspassage auf ihre Verfolger. In diesem Fall wird eine Passantin durch einen abirrenden Schuss getötet, was als leichtfertiges Verhalten zu werten ist.

Beispiel 2 (nach BGH StV 2000, 74): Die A verabreicht der P ein Mittel, durch das sie in einen schläfrigen und benommenen Zustand versetzt wird. A entwendet während und unter Ausnutzung dieses Zustandes Schmuck. Auf der sich nahtlos anschließenden Suche nach Geld betritt sie das Schlafzimmer der P. Als A sich über P beugt, erwacht diese und es kommt infolge beiderseitiger Überraschung und Panik zu einem Handgemenge. In der Folge wird die P von der A mit bedingtem Tötungsvorsatz erwürgt, um sich der Situation zu entziehen.

Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, die §§ 250, 251 StGB über § 249 StGB in Ansatz zu bringen, wenn die erschwerenden Umstände erst nach der Vollendung, aber vor Beendigung des Raubes hinzutreten.BGH NStZ 2018, 103. Diese Ansicht wird vom überwiegenden Schrifttum abgelehnt, welches in diesem Zeitraum ausschließlich den § 252 StGB heranzieht.

Im vorstehenden Fallbeispiel 1 hat diese Frage keinen Einfluss auf das Ergebnis. Der BGH nimmt einen schweren räuberischen Diebstahl an und lässt einen Raub dahinter zurücktreten.BGH NStZ 2018, 103. Da die herrschende Lehre zwischen Vollendung und Beendigung ohnehin nur auf § 252 StGB abstellt, ergeben sich hier keine Unterschiede.

Im zweiten Fallbeispiel stellt sich die Situation anders dar: Die Rechtsprechung kommt zu einer Bestrafung wegen Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB), da die Todesfolge durch Gewalt vor Beendigung des Raubes herbeigeführt wurde. Die vom Schrifttum vertretene Ansicht müsste in diesem Fall zur Ablehnung des § 251 StGB gelangen. Da der Raub bereits mit der Wegnahme der Schmuckstücke vollendet ist, kann nicht mehr auf ihn zurückgegriffen werden. Eine Anwendung des § 251 StGB iVm § 252 StGB ist ebenfalls nicht möglich, da die A nicht in der Absicht handelt, sich im Besitz des Guts zu erhalten, sondern lediglich zu fliehen.Vgl. die umfassende Darstellung zu diesem Beispielsfall bei Hefendehl, StV 2000, 207. Der Streit ist entscheidungserheblich, sofern in der Beendigungsphase des Raubes Qualifikationstatbestände erfüllt werden, ohne dass § 252 StGB erfüllt ist.

Die besseren Argumente sprechen dafür, den Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln im Fahrwasser der hL exklusiv nur über § 252 StGB und nicht durch § 249 StGB zu erfassen. Denn wenn die Beutesicherungsphase auch durch § 249 StGB erfasst wäre, würden die vom Gesetzgeber in § 252 StGB verankerten Restriktionen (= der Täter muss auf frischer Tat betroffen sein und Beutesicherungsabsicht aufweisen) unterlaufen.Rengier, JuS 1993, 460 (462).

Konkurrenzverhältnis von § 252 StGB zu §§ 253, 255 StGB

Die Abgrenzung des räuberischen Diebstahls von der räuberischen Erpressung erweist sich weiterhin als problematisch.Umfangreich Seier, NJW 1981, 2152. In Fällen, in dem es dem räuberischen Dieb durch Gewalt oder Drohung gelingt die Beute zu sichern, kann gleichzeitig von einer erzwungenen Duldung der Beutesicherung gesprochen werden. Man könnte insoweit an eine gleichzeitige Verwirklichung einer räuberischen Erpressung gem. § 255 StGB denken. Eine solche könnte auch immer dann gegeben sein, wenn der Täter nach einem Diebstahl oder Raub qualifizierte Nötigungsmittel einsetzt, es aber an der „Frische“ der Tat fehlt. Wie in diesen Fällen zu verfahren ist, wird unterschiedlich beantwortet:

  • Teilweise wird eine tatbestandliche Sicherungserpressung als gegeben angesehen, die gewaltsame Abwehr des Herausgabeanspruches dann aber für keine selbstständig bedeutsame Schädigung gehalten. Die Erpressung tritt als mitbestrafte Nachtat zurück. Das Problem wird damit auf der Konkurrenzebene gelöst.

  • Überwiegend wird jedoch eine räuberische Erpressung tatbestandlich ausgeschlossen, da es im Regelfall an einem Schaden fehle. Auf den Verlust des Gewahrsams der entwendeten Sache könne man insoweit nicht abstellen, weil diese Einbuße schon mit der Vollendung des Diebstahls eingetreten sei. Das Vereiteln der Bemühungen um die Wiedererlangung der gestohlenen Sache begründe für sich allein aber keinen neuen, den Gewahrsamsverlust übersteigenden Schaden iSd § 255 StGB.

Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung

Die Strafantragserfordernisse gem. §§ 247 StGB und 248a StGB sind schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich beim räuberischen Diebstahl um ein im Verhältnis zum Diebstahl eigenständiges Delikt handelt.Sander, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 252 Rn. 1.

Im Zusammenhang mit strafprozessualen Eingriffsmaßnahmen wird § 252 StGB im Katalog der Delikte genannt, die – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – die Überwachung der Telekommunikation, die akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum, die Erhebung von Verkehrsdaten sowie technische Ermittlungsmaßnahmen bei Mobilfunkendgeräten rechtfertigen können.

Besteht der hinreichende Tatverdacht (§ 170 Abs. 1 StPO) eines räuberischen Diebstahls mit Todesfolge, so ist gem. § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 14 GVG Anklage bei der großen Strafkammer als Schwurgericht zu erheben.

Da § 252 StGB nicht lediglich eine Rechtsfolgenverweisung enthält,Sander, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 252 Rn. 21. sondern ein eigenständiges Delikt ist, ist der einer Tat nach §§ 252, 250 StGB überführte Angeklagte wegen „schweren räuberischen Diebstahls“BGH NStZ-RR 2002, 237 mwN; BGH BeckRS 2011, 12468. schuldig zu sprechen.Sander, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 252 Rn. 22.

Eine Wahlfeststellung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl ist zulässig.Kindhäuser/Hoven, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 252 Rn. 35; Sander, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 249 Rn. 50.

Aufbauschema

  1. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand

      1. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache (vgl. § 242 StGB)

      2. Qualifizierte Nötigungsmittel

        1. Gewalt gegen eine Person

        2. Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

      3. nach Vollendung des Diebstahls

      4. auf frischer Tat betroffen

    2. Subjektiver Tatbestand

      1. Vorsatz bzgl. 1. a)-d)

      2. Absicht rechtswidriger Zueignung (vgl. § 242 StGB)

      3. Besitzerhaltungsabsicht (dolus directus 1. Grades)

  2. Rechtswidrigkeit

  3. Schuld

Studienliteratur und Übungsfälle

Studienliteratur

Dehne-Niemann, Wissenswertes zum räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB), JURA 2008, 742

ders., Tatbestandslosigkeit der Drittbesitzerhaltungsabsicht und Beteiligungsdogmatik, JuS 2008, 589

Frank, Die räuberische Erpressung als Vortat des räuberischen Diebstahls, JURA 2010, 893

Geppert, Zu einigen immer wiederkehrenden Streitfragen im Rahmen des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB), JURA 1990, 554

Kiworr, Die Verwirklichung von Qualifikationen in der Beendigungsphase von Raub und räuberischer Erpressung, JuS 2018, 424

Kudlich/Aksoy, Eins, zwei oder drei? – Zum Verhältnis von Raub, räuberischem Diebstahl und räuberischer Erpressung in der Fallbearbeitung, JA 2014, 81

Küper, Vollendung und Versuch beim räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB), JURA 2001, 21

Natus, Probleme der Deliktsstruktur und der Anstiftung beim räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB), JURA 2014, 772

Schwarzer, Zum Merkmal des Betreffens bei § 252 StGB, ZJS 2008, 265

Übungsfälle

Brand/ Freitag, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: (Räuberischer) Diebstahl – Bankraub mit Hindernissen, JuS 2017, 235

Theile/Gatter, Der skrupellose Heimwerker: Eine Bohrmaschine zum Nulltarif, JURA 2014, 104

Hillenkamp, Der praktische Fall – Strafrecht: Tricksereien und zarte Bande, JuS 2003, 157

Geppert, Abschlussklausur im Strafrecht, JURA 2002, 278