Das BGB hat das Verlöbnis als besonderes Rechtsinstitut im Vorfeld der Eheschließung ausgeprägt (ähnlich: § 1 Abs. 4 LPartG). Aus § 1297 BGB ergibt sich der Inhalt des Verlöbnisses nur indirekt: Es ist ein Versprechen, die Ehe einzugehen, allerdings ohne dass in irgendeiner Weise aus dem Verlöbnis auf Eingehung der Ehe oder „Strafschaden“ wegen Nichteingehung geklagt werden könnte (§ 1297 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).
Beispiel: M und F erwägen zu heiraten. F meint, eine wirksame Eheschließung setze eine Verlobung voraus. Die M hält das für bürgerlichen Humbug. Stimmt das?
Das Verlöbnis geht zwar traditionell der Ehe voraus. Indes ist eine wirksame Eheschließung nicht an ein Verlöbnis geknüpft: Die Ehe wird durch Erklärung vor dem Standesbeamten geschlossen (§ 1310 Abs. 1 BGB), ohne dass es eines vorhergehenden Verlöbnisses bedürfte. Ein Verlöbnis ist auch nicht „causa“ der Ehe!
Fortsetzung Beispiel: F meint, sie seien ohnehin schon verlobt, weil M mit ihr einen Anzug für die Trauung ausgesucht hat und weil sie auch schon bei der Standesbeamtin einen Termin für die Trauung vereinbart haben. M meint, das alles sei noch kein Verlöbnis.
Rechtsnatur und Zustandekommen
Zum Teil wird angenommen, das Verlöbnis sei ein gesetzliches Rechtsverhältnis zum Schutz enttäuschten Vertrauens (sog. Vertrauenshaftungslehre, Canaris AcP 165 [1965], 1 ff.; Rauscher FamR Rn. 107). Die Vertragskonstruktion sei künstlich, da ohnehin nicht auf Erfüllung geklagt werden könne (§ 1297 Abs. 1 BGB). Ganz überwiegend wird das Verlöbnis gleichwohl als Vertrag angesehen, in dem sich beide die Eingehung der Ehe versprechen (sog. Vertragstheorie, insbes. Gernhuber/Coester-Waltjen FamR § 8 Rn. 5 ff.).
Inhalt des Verlöbnisses
Nach beiden Theorien muss sich aber nachweisen lassen, dass die Eingehung der Ehe versprochen wurde, sei es durch ausdrückliche Erklärungen, sei es konkludent durch gemeinsame Heiratsvorbereitungen.
Vertiefungshinweis: Früher wurde ein Verlöbnis kraft Gesetzes dann angenommen, wenn die Anmeldung zur Eheschließung erfolgt war (arg. § 4 PStG a.F.: „Die Verlobten…“; jetzt allerdings § 12 Abs. 1 PStG: „die Eheschließenden“). Aber auch heute wird mit der Anmeldung zur Eheschließung regelmäßig auch ein Verlöbnis verbunden sein (Rauscher FamR Rn. 102).
Anwendbarkeit der §§ 104 ff. BGB
Auswirkungen hat die Kontroverse um die Rechtsnatur des Verlöbnisses – Vertrauenshaftung oder Vertragstheorie – z.B. wenn ein beschränkt Geschäftsfähiger beteiligt ist.
Beispiel: F ist 16, M 19 Jahre alt. Sie versprechen sich „hochheilig“ die Ehe. Als die Eltern der F davon erfahren, sind sie empört. Sie erklären M sogleich, dass sie das Verlöbnis nicht genehmigen. M wird das jetzt ohnehin zu viel, und er teilt der F über Facebook mit, er habe sein Glück anderweit gefunden. F ist am Boden zerstört und möchte jedenfalls den Ring zurück, den sie ihm zum Zeichen des Verlöbnisses geschenkt hat. Zu Recht?
Anspruch der F gegen M auf Rückgabe der Geschenke gemäß § 1301 BGB? Dazu müssten M und V ein Verlöbnis geschlossen haben. Nach der Vertragstheorie war das Versprechen der F als Willenserklärung i. S. der §§ 104 ff. BGB gemäß §§ 2, 106, 107 BGB einwilligungsbedürftig. Indem die Eltern die Einwilligung verweigerten, wurde das Verlöbnis insgesamt unwirksam. Konsequenz ist, dass der F keine Ansprüche aus § 1301 BGB zustehen. Dieses Ergebnis versucht die Theorie der Vertrauenshaftung zu vermeiden (Canaris AcP 165 [1965], 15). Folgt man der Vertragstheorie, ließen sich Ansprüche der F allenfalls über das Deliktsrecht (Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 263 StGB) oder über § 242 BGB begründen (dafür Bamberger/Roth/Hahn § 1297 Rn. 10).
Im Übrigen: Anspruch aus § 985 BGB ebenfalls (+), weil F ihr Eigentum nicht an M verloren hat, da der Verlust des Eigentums rechtlich nachteilig ist (§§ 929 S. 1, 107 BGB).
Die Frage nach der Rechtsnatur des Verlöbnisses stellt sich schließlich auch, wenn ein Verlöbnis als sittenwidrig angesehen wird (§ 138 Abs. 1 BGB). Dies wird in der Rechtsprechung bejaht für den Fall, dass einer der Verlobten noch verheiratet ist (zuletzt OLG Oldenburg FamRZ 2016, 2102; dazu noch unten II.2.b).