Der Betrug (§ 263 StGB) ist einer der schwierigsten und zugleich sowohl in der Praxis als auch in Prüfungsarbeiten relevantesten Tatbestände des Kernstrafrechts. Flankiert wird § 263 StGB von den §§ 263a bis 265e StGB. Diese Normen sollen Strafbarkeitslücken schließen, indem sie den Tatbestand des § 263 StGB modifizieren (etwa § 263a StGB), auf einzelne Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs vollständig verzichten (etwa § 264 StGB) oder besondere Betrugsvorbereitungshandlungen pönalisieren (etwa §§ 265, 265c bis 265e StGB).
Der Umgang mit dem Betrug wird dadurch erschwert, dass die Formulierung des Gesetzes wenig gelungen und eher schwer zugänglich ist. § 263 Abs. 1 StGB lautet:
„(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Denn einerseits umschreibt der Normtext die Tathandlung durch schwer abgrenzbare und teils redundante Varianten („Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen“), die zur Vereinfachung regelmäßig unter das Merkmal „Täuschung über Tatsachen“ zusammengefasst werden. Andererseits sind dem Wortlaut des § 263 Abs. 1 StGB nicht ohne Weiteres alle Tatbestandsmerkmale des Betrugs zu entnehmen. So ist allgemein anerkannt, dass der Betrug eine sog. Vermögensverfügung des Getäuschten verlangt (→ Rn. 81). Dieses Merkmal kommt im Wortlaut jedoch allenfalls höchst mittelbar dadurch zum Ausdruck, dass der Irrtum eines Getäuschten ohne einen verfügenden Zwischenakt nicht den vom Tatbestand geforderten Vermögensschaden auslösen kann. Daher ist es empfehlenswert, sich beim Betrug – anders als bei den meisten anderen Tatbeständen, deren Merkmale sich durch Lektüre des Gesetzes ermitteln lassen – ein Prüfungsschema mit den üblicherweise geprüften Merkmalen einzuprägen (→ Rn. 231).
Rechtsgut und Deliktsstruktur – Fundamentale Probleme des Betrugstatbestands
Der Betrug ist – wie sich § 263 Abs. 1 fast wörtlich entnehmen lässt – ein Vermögensverletzungsdelikt („das Vermögen eines anderen [...] beschädigt“). Geschützt ist also das Vermögen im Ganzen als Individualrechtsgut (sog. Vermögensdelikt im engeren Sinne
Das Vermögen wird durch § 263 nicht vor beliebigen Angriffen geschützt, sondern nur vor Schäden, die durch Täuschungen verursacht werden. Eine Täuschung als solche kann aber keine Vermögensgegenstände bewegen und damit Vermögensschäden herbeiführen. Der Täuschende ist also darauf angewiesen, dass er durch seine Täuschung die „geistige“ Herrschaft über jemanden (den „Irrenden“) mit einem besonderen Zugriff auf das Vermögen erlangt und dieser den Zugriff im Sinne des Täters nutzt. Das lässt sich schön am Beispiel eines „Fake-Shops“ im Internet zeigen. Durch das – wahrheitswidrige – Versprechen, die bestellten Waren alsbald zu liefern, bringt der Fake-Shop-Betreiber seinen „Kunden“ dazu, ihm Geld von seinem Konto zu überweisen. Diese Steuerungsmacht beruht auf dem Irrtum des Kunden, der eine ernsthafte Leistungsabsicht annimmt. Strukturell lässt sich der Betrug daher als eine vertypte Form der mittelbaren Täterschaft verstehen, bei der der Täuschende den Irrenden als Werkzeug einsetzt, um Vermögen zu erbeuten.
Weiter wird der Betrug als Selbstschädigungsdelikt charakterisiert, da nicht der Täter das Vermögen schädigt (er täuscht ja nur), sondern der Irrende dazu bewegt wird, das eigene Vermögen (oder – beim sog. Dreiecksbetrug – das Vermögen einer nahestehenden Person), also sich selbst, zu schädigen, indem er zB dem Betrüger Geld überweist.
Die skizzierten Fundamentalprobleme lassen sich nicht ohne Weiteres einem bestimmten Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB zuordnen, sondern wirken sich regelmäßig an unterschiedlichen Stellen aus. Behält man sie jedoch im Blick, lassen sich die zahlreichen Einzelprobleme, die im Zusammenhang mit dem Betrug diskutiert werden, logisch und systematisch erschließen.
Was der Betrug bei all dem nicht voraussetzt, ist, dass dem Täter oder einem Dritten Vermögen auch tatsächlich zufließt. Es genügt vielmehr die bloße Absicht der stoffgleichen Selbst- oder Drittbereicherung. Der Betrug ist daher ein Delikt mit überschießender Innentendenz, das heißt, er weist mit der Bereicherungsabsicht ein subjektives Merkmal – also eine „Innentendenz“ – auf, die sich nicht unbedingt objektiv verwirklichen muss und damit „überschießend“ ist.
Diesem an der Struktur orientierten, sehr abstrakten Zugang zum Betrugstatbestand soll als konkretes Gegenstück folgender Leitfall zur Seite gestellt werden, der die folgende Darstellung – neben weiteren Beispielen – begleiten wird.
Der Wanderroutenplaner (angelehnt an BGH NJW 2014, 2595)
A und seine Freundin F wollen ihren Sommerurlaub zusammen im Allgäu verbringen. Sie sind nicht besonders sportlich und haben sich bislang von Wanderungen oder gar Hochtouren stets ferngehalten. Sie denken aber, dass ein Allgäu-Urlaub ohne eine einzige Wanderung doch nicht vollständig wäre. Daher begibt sich A auf der Suche nach einer einfachen Tour ins Internet und stößt auf die Seite des B, der einen Wanderroutenplaner anbietet.
Bei Aufruf der Seite wird A zunächst auf eine Eingabemaske geleitet, auf der Angaben zu der Tour zu machen sind, u. a. Startpunkt, Startzeitpunkt, Schwierigkeit, Länge. Daneben enthält die Seite einen Hinweis auf ein – tatsächlich stattfindendes – „exklusives Gewinnspiel“ für die Nutzer des Routenplaners, bei dem drei Hüttenübernachtungen zu gewinnen sind. Am unteren Rand der Seite befindet sich eine Schaltfläche mit der Aufschrift „Route finden“. A macht die erforderlichen Angaben und klickt auf die Schaltfläche. Dies führt ihn zu einer zweiten Eingabemaske, in der persönliche Daten, insbesondere Name, E-Mail-Adresse, Adresse und Geburtsdatum einzugeben sind. Dazu wird nochmal unter Zuhilfenahme eines Bildes von einer Hütte vor eindrucksvoller Bergkulisse auf das Gewinnspiel verwiesen. Unten findet sich erneut eine Schaltfläche mit „Route finden“, die mit einem kleinen Sternchen versehen ist. Unter der Schaltfläche befindet sich der zugehörige Fußnotentext, in dem darauf hingewiesen wird, dass mit der erstmaligen Verwendung des Routenplaners ein personengebundener Zugang für drei Monate zum Preis von 60,00 EUR erworben wird. Der Fußnotentext ist bei einem normalen Bildschirm allerdings nur lesbar, wenn der Nutzer aktiv nach unten scrollt. A ist schon genervt, füllt die Felder aus und drückt die Schaltfläche „Route finden“, ohne den Fußnotentext gelesen zu haben.
A erhält eine schöne Auswahl an Routen. Dabei berücksichtigt der Routenplaner mittels Künstlicher Intelligenz genau die voraussichtliche Wetterlage, Steigungen auf der Strecke usw. und gibt Hinweise zu der erforderlichen technischen Ausstattung. Damit erfüllt er die Anforderungen zur Planung von Touren im Hochgebirge. Für solche Routenplaner, die von professionellen Bergsteigern genutzt werden, ist ein Preis von 25,00 EUR pro Monat üblich. Einfache Routenplaner sind im Internet dagegen auch kostenlos verfügbar.
Einige Stunden später erhält A per E-Mail seine Zugangsdaten zu der Seite sowie eine Rechnung über 60,00 EUR.
Variante 1: A ärgert sich zwar darüber, dass ihn jemand „übers Ohr hauen“ wollte. Als Kenner des Verbraucherschutzrechts ist ihm aber sofort klar, dass keine Ansprüche gegen ihn entstanden sind. Daher zahlt er die Rechnung nicht. Zehn Tage später erhält er per Post eine Mahnung, in der B, der nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist, ihm unter dem Briefkopf „Rechtsanwalt B“ mit der Einleitung eines Mahnverfahrens und einer Eintragung „bei der Schufa“ droht, wenn er nicht innerhalb einer Frist von zehn Tagen zahle. A bleibt weiter ruhig und zahlt nicht.
Variante 2: A ärgert sich, ist sich aber nicht sicher, ob er zahlen muss. Letztlich kommt er aber zu dem Schluss, dass er der Zahlungspflicht nicht entgehen kann. Daher zahlt er die Rechnung. Dazu verwendet er das Konto der F, die im Moment mehr Geld verdient als er und daher A erlaubt hat, ihr Konto für die Ausgaben des gemeinsamen Urlaubs zu verwenden.
Bei einem unbefangenen Blick auf diesen Sachverhalt fällt eines auf, was für Betrugskonstellationen typisch und bei der Fallbearbeitung unbedingt beachtet werden muss: Es gibt mehrere mögliche Tathandlungen (Onlinestellen der Website, Versenden der E-Mail, Versenden des Briefes), mehrere mögliche Vollendungszeitpunkte (Anklicken der Schaltfläche, Zahlen des Geldes), mehrere denkbare Geschädigte (A und F) und vielleicht ein Auseinanderfallen des Getäuschten A und der Geschädigten F. Daher gilt beim Betrug umso mehr, was schon allgemein zu beachten ist: Die Prüfung muss durch saubere Obersätze strukturiert werden, die angeben
durch welche Handlung
wem gegenüber
zu wessen Lasten
mit welchem Ergebnis
getäuscht wurde.
Im Leitfall könnte der Obersatz des ersten Prüfungsansatzes beispielsweise lauten:
B könnte sich wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB gegenüber und zulasten von A strafbar gemacht haben, indem er einen Wanderroutenplaner ins Internet stellte und auf die Absicht, ein Entgelt in Höhe von 60 EUR zu verlangen, nur in einer Fußnote hinwies, woraufhin A, der die Fußnote nicht gelesen hatte, im Glauben an die Kostenlosigkeit seine Kontaktdaten angab.
Objektiver Tatbestand
Täuschung über Tatsachen
Wie bereits erwähnt, werden die in § 263 Abs. 1 genannten Tathandlungsvarianten üblicherweise als „Täuschung über Tatsachen“ zusammengefasst. Als erste Annäherung an dieses Tatbestandsmerkmal lässt sich gut mit der Definition arbeiten, die der BGH in dem unter A. genannten Leitfall zugrunde legt:
Eine Täuschungshandlung iSd § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen.
Das Schöne an dieser Definition ist, dass man sich mit ihr alle im Rahmen der Täuschung über Tatsachen diskutierten Probleme merken kann, wenn man sich vor Augen führt, dass jedes der gefetteten Merkmale seinerseits definitions- und subsumtionsbedürftig ist.
„...tatsächliche Umstände...“
Bezugspunkt des täuschenden Verhaltens müssen stets Tatsachen sein. Üblich ist folgende Definition:
Tatsachen sind konkrete äußere oder auch innere Vorgänge oder Zustände, wozu auch die Nichtexistenz eines Zustands gehört (sog. Negativtatsache), in der Vergangenheit oder Gegenwart, die prinzipiell einem Beweis zugänglich sind.
Das Gegenstück zur Tatsachenbehauptung ist das sog. Werturteil, das sich durch ein Element der Stellungnahme, des Meinens und Dafürhaltens auszeichnet. Hinter diesem Gegensatz steckt das zweite Fundamentalproblem des Betruges, die Grenzziehung zwischen Irrtumsherrschaft des Täters und eigenverantwortlichen Handeln des Opfers (→ Rn. 5). Die Äußerung eines Werturteils ist grundsätzlich ungeeignet, eine (Irrtums-)Herrschaft über einen anderen Menschen zu begründen. Denn mit der Äußerung eines Werturteils verbindet der Erklärende keinen Wahrheitsanspruch. Ein Werturteil kann nicht wahr oder falsch sein, sondern nur überzeugend oder eben nicht. Spiegelbildlich stellt sich für den Erklärungsadressaten nicht die Frage, ob er sich einem „höheren Wissen“ unterwirft oder nicht, sondern nur die Frage, ob er sich – im Wissen, dass Meinungen niemals zwingend sind – eigenverantwortlich einer geäußerten Meinung anschließt. Daher fehlt es an einer Täuschung, wenn ein Autobauer damit wirbt, die besten Autos zu bauen („Das Beste oder nichts“). Anders ist es dagegen, wenn er mit wahrheitswidrigen technischen Angaben, zB Abgaswerten, wirbt.
Dieser im Ausgangspunkt so klare und plausible Gegensatz zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil sieht sich jedoch mit Problemen konfrontiert: Praktisch, weil viele Erklärungen Tatsachenbehauptungen und Werturteile vermischen (→ Rn. 17 ff.), normativ – womit wieder das Fundamentalproblem angesprochen ist –, weil Werturteile in bestimmten Situationen prima facie ebenso steuernde Wirkung entfalten können wie Tatsachenbehauptungen (→ Rn. 26 ff.).
Vermischung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen
Um den Inhalt einer Erklärung zu ermitteln – das ist im Strafrecht nicht anders als im Zivilrecht –, muss die Erklärung ausgelegt werden (dazu noch ausführlich insbesondere zu konkludenten Erklärungen sogleich unter → Rn. 32 ff.). Dabei ist darauf zu achten, alle Erklärungsinhalte zu erfassen. Scheinbar reine Meinungsäußerungen setzen bei näherer Betrachtung nämlich oft Tatsachen voraus. Dieser sog. Tatsachenkern kann tauglicher Bezugspunkt einer Täuschung sein. Dies soll mit Blick auf Äußerungen über künftige Ereignisse (→ Rn. 18 ff.) und Rechtsauffassungen (→ Rn. 22 ff.) näher betrachtet werden.
Künftige Ereignisse
Wer etwas über ein künftiges Ereignis erklärt, äußert im Ausgangspunkt eine reine Vermutung darüber, wie sich die Zukunft entwickeln wird. Ein Beweis ist im Moment der Erklärung hinsichtlich des künftigen Zustandes ausgeschlossen, da er noch nicht existiert. Der künftige Zustand selbst scheidet daher als Bezugspunkt der Täuschung aus. Die Erklärung über die Zukunft enthält jedoch meist – zumindest konkludent – eine Erklärung auch über die Gegenwart.
Häufig wird der Erklärende seine Vermutung hinsichtlich der Zukunft – zumindest konkludent – aus gegenwärtigen Umständen ableiten. Diese Tatsachenbasis kann tauglicher Bezugspunkt einer Täuschung sein.
Beispiel: Immobilienmakler I erklärt dem Zahnarzt Z, der ein wenig Geld in Wohnungen anlegen möchte, dass ein bestimmtes Mietshaus hohe Mieteinkünfte erwarten lasse. Damit erklärt er konkludent, dass das Haus gegenwärtig zB keine so schwerwiegenden Mängel aufweist, dass die Reparaturen auf absehbare Zeit Mieteinkünfte ausschließen.
In diese Kategorie fallen auch Erklärungen über künftige Ereignisse, die aufgrund von Naturgesetzen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stattfinden werden, zB eine Mondfinsternis an einem bestimmten Tag. Bei solchen Vorhersagen wird miterklärt, dass die Prognose allgemein anerkannte Naturgesetze zur Grundlage hat. Stimmt das nicht, liegt insoweit eine Täuschung über Tatsachen vor.
Hat der Erklärende selbst Einfluss auf die zukünftige Entwicklung, kommt zudem das Anknüpfen an gegenwärtige innere Tatsachen, insbesondere die eigenen Handlungsabsichten, in Betracht.
Beispiel: A bestellt in einem Restaurant eine Pizza. Ob die Pizza später bezahlt wird, wäre als zukünftiges Ereignis kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Tatsachenbehauptung. A erklärt durch seine Bestellung aber nicht nur konkludent, dass er in der Zukunft bezahlen wird, sondern auch, dass er gegenwärtig die Absicht hat, tatsächlich nach dem Essen zu bezahlen.
Auf eine innere Tatsache, nämlich die Absicht des B, ein Entgelt zu verlangen, ist mE auch im Leitfall abzustellen, wenn man das Online-Stellen der Internetseite als Tathandlung prüft. Der BGH geht davon aus, die Tatsache, über die getäuscht werde, sei die Kostenlosigkeit des Routenplaners. ME ist das zweifelhaft. Denn bei einer zivilrechtlichen Prüfung stellt sich heraus, dass der Routenplaner tatsächlich kostenlos war. Das kann man einerseits schon damit begründen, dass eine Auslegung der Erklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ergäbe, dass keine Entgeltlichkeit vereinbart werden sollte. Andererseits folgt es jedenfalls aus § 312j Abs. 3 BGB. Daher erscheint es mir sauberer, auf die Absicht des B als innerer Tatsache abzustellen.
Rechtsauffassungen
Eine besondere Fallgruppe der Vermischung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen ist das Äußern einer Rechtsauffassung. Eine Rechtsauffassung kann sich, wie in unserem Leitfall, etwa in einer Rechnung niederschlagen, mit der der Absender gegenüber dem Rechnungsempfänger erklärt, einen Anspruch gegen ihn zu haben. Hier ist es wichtig, genau zu differenzieren:
(1) Soweit mit der Erklärung zugleich ein Sachverhalt geschildert wird, auf den Rechtssätze zur Begründung der Rechtsauffassung angewandt werden, ist dieser Sachverhalt als Tatsachenkern tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Täuschung. Diese Sachverhaltsbehauptung kann auch konkludent erfolgen. Wird zum Beispiel ein Anspruch aus einem Vertrag geltend gemacht, wird angenommen, dass konkludent miterklärt wird, dass zwei übereinstimmende Erklärungen (mit Rechtsbindungswille) ausgetauscht worden seien. Das ist eine Tatsache.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Kategorie der sog. Rechtstatsachen, etwa die Behauptung von „Eigentum“, die weniger eine rechtliche Wertung als vielmehr eine – allgemein verständliche – Kurzformel für einen bestimmten Sachverhalt sind.
(2) Die Rechtsauffassung als solche, also die Subsumtion des behaupteten Sachverhalts, ist dagegen ein Werturteil.
Werturteile mit Richtigkeitsanspruch?
In bestimmten Konstellationen werden Werturteile mit einem besonderen Richtigkeitsanspruch verbunden.
Beispiele: Auskünfte eines Rechtsanwalts gegenüber seinem nicht rechtskundigen Mandanten, Auskünfte eines Arztes gegenüber seinem Patienten oder Auskünfte eines Finanzberaters gegenüber einem Privatanleger.
Weil der Erklärungsempfänger mangels eigener Sachkunde diesen Werturteilen vertrauen muss, entfalten sie ebenso steuernde Wirkung wie eine Tatsachenbehauptung. Es besteht im Ergebnis daher weitgehend Einigkeit, dass in diesen Fällen eine Täuschung über Tatsachen denkbar ist. Soweit dies teilweise damit begründet wird, dass die besondere Schutzwürdigkeit des Opfers ausnahmsweise die Einbeziehung von Werturteilen rechtfertige,
Beispiel: Eine Täuschung wird verneint, wenn ein Anwalt vor Gericht wahrheitswidrig behauptet, es gebe gerichtliche Entscheidungen, in denen eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten worden sei (vgl. OLG Koblenz, NJW 2001, 1364).
„Jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten...“
Hat man eine Tatsache als möglichen Bezugspunkt der Täuschung gefunden, ist in einem zweiten Schritt das Verhalten des Täters im Zusammenhang mit dieser Tatsache zu untersuchen.
Nur kommunikatives Verhalten
Dabei kann man sich zunächst überlegen, ob das fragliche Verhalten zwangsläufig kommunikativ sein muss. Irrtümer können auch entstehen, wenn nicht die Vorstellung von Tatsachen, sondern die Tatsachen selbst verändert werden.
Beispiele:
A verkauft B ein Bild und vereinbart mit B, das Bild drei Tage nach Eingang der Überweisung des Kaufpreises zu übergeben. A zerstört das Bild, noch bevor B den Kaufpreis überwiesen hat. B bezahlt, weil er davon ausgeht, dass das Bild noch existiert.
A steigt ohne Fahrkarte in den letzten Wagen eines Zuges. Schaffner B im ersten Wagen des Zuges glaubt, dass alle Personen im Zug eine Fahrkarte haben.
Obwohl das Verhalten des A in beiden Beispielen jeweils zu einem Irrtum des B geführt hat, wird eine Täuschung von der ganz herrschenden Meinung in diesen als Objektmanipulationen bezeichneten Fällen verneint. Aus dem Wortlaut des § 263 StGB („Vorspiegeln“, „Entstellung und Unterdrückung von Tatsachen“) und dem Charakter des Betruges als Kommunikationsdelikt folge, dass nur ein Verhalten mit Erklärungswert das Merkmal der Täuschung erfüllen könne.
Diese Einschränkung auf Verhalten mit Erklärungswert darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass der Täter sich stets explizit in Wort oder Schrift äußern muss. Auch Gesten, Symbole, usw. können Erklärungswert haben.
Klausurtipp: Hat man mit der hM eine Objektmanipulation als täuschendes Verhalten ab, ist stets an zwei weitere Ansatzpunkte zu denken: Erstens kann mithilfe eines manipulierten Objekts eine Erklärung abgegeben werden, zum Beispiel, wenn der Kilometerzähler eines Fahrzeugs vor dessen Verkauf zurückgedreht wird. Wird das Auto dann potenziellen Käufern präsentiert, liegt darin die konkludente Erklärung, es sei nur die vom Zähler angezeigten Kilometer gefahren. Fehlt es an einer Erklärung mit dem manipulierten Objekt, ist zweitens zu überlegen, ob der Täter über seine Manipulation aufklären muss und daher eine Täuschung durch Unterlassen in Betracht kommt.
Ausdrückliche und konkludente Erklärungen
Keine Schwierigkeiten werfen in der Regel diejenigen Fälle auf, in denen der Täter sich explizit wahrheitswidrig äußert.
Beispiel: Der Gebrauchtwagenhändler verneint auf Nachfrage des Kunden wahrheitswidrig, dass das angebotene Fahrzeug in der Vergangenheit einen Unfall hatte.
Meist liegen die Fälle aber so, dass sich der Täter überhaupt nicht explizit zu einer Tatsache äußert oder – wie im Leitfall – bei genauem Hinsehen sogar wahrheitsgemäße Angaben macht (sog. Täuschen mit wahren Tatsachen oder sog. suggestive Irrtumserregung, näher → Rn. 38 ff.).
Auslegungsmaßstab
In diesen Fällen muss durch Auslegung des Täterverhaltens dessen Erklärungswert und damit das konkludent Miterklärte geklärt werden. Zum Auslegungsmaßstab führt der BGH in seiner Entscheidung zum hiesigen Leitfall instruktiv aus (Fettungen durch mich eingefügt):
„In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen, eine Täuschung i.S. des § 263 I StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt [...].
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation [...]. Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt [...]. Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt [...].
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern [...]. Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen.“
Bei der Prüfung, welchen Erklärungswert ein Verhalten hat, ist demnach ein zweistufiger Empfängerhorizont zu bilden. Zunächst ist zu fragen, ob Besonderheiten des konkreten Einzelfalles das Verständnis des Empfängers beeinflussen. Dazu sind – normativ – das Rechtsverhältnis und – faktisch – eventuelle Besonderheiten, etwa frühere Erklärungen der Parteien, zu untersuchen.
Beispiel Leitfall: Im Leitfall wird der Empfängerhorizont durch die Vorgaben in § 312j Abs. 3 BGB und § 1 Abs. 3 Nr. 2 Preisangabenverordnung mitgeprägt. Weil ein Unternehmer nach diesen Normen die Entgeltlichkeit eines Angebots für einen Verbraucher klar kennzeichnen muss, würde ein objektiver Dritter bei Betrachtung der Seite des B mangels eines solchen eindeutigen Hinweises grundsätzlich die Unentgeltlichkeit des Angebots unterstellen.
Umgekehrt: Wenn der Werkunternehmer W ein Fahrrad entgegennimmt, um die Bremsbeläge zu erneuern, würde man darin wegen § 632 BGB nicht die Erklärung sehen, dies unentgeltlich zu tun, auch wenn W zum Werklohn nichts sagt.
Lesenswert ist die Entscheidung OLG Hamm, NStZ 2020, 673, in der sich das Gericht mit der Benutzung einer gestohlenen EC-Karte im sogenannten Point-of-Sale-Verfahren in einem Ladengeschäft zu befassen hatte. Es entschied, dass der Kartennutzer nicht über die Berechtigung, die Karte nutzen zu dürfen, getäuscht habe, weil der Ladeninhaber aufgrund der Einlösungsgarantie der Bank sein Geld auf jeden Fall erhalte und es für ihn daher völlig irrelevant sei, ob der Kunde zur Nutzung der Karte berechtigt ist. Daher erwarte er von dem Kunde auch nicht, dass dieser irgendetwas konkludent dazu erklärt. In Betracht kommt aber ein (untauglicher) Versuch des § 263 StGB, wenn der Kunde irrig denkt, dass das Ladengeschäft sein Geld nur bekommt, wenn die Kartennutzung berechtigt ist, und dass sich der Verkäufer daher für die Berechtigung interessieren wird. Zudem können die §§ 269, 276, 303a StGB erfüllt sein. Anders als beim Point-of-Sale-Verfahren liegt beim sog. POZ-Verfahren, also einem Lastschriftverfahren, eine Täuschung vor, wenn der Kunde eine EC-Karte unberechtigterweise einsetzt, weil der eigentliche Kontoinhaber, dem die Karte zB gestohlen wurde, die Transaktion später rückgängig machen kann und die Berechtigung für den Ladeninhaber daher relevant ist.
Erst im zweiten Schritt darf – ggf. ergänzend – auf das allgemeine Verständnis einer Erklärung abgestellt werden.
Klausurhinweis: Grundsätzlich lässt sich jeder Fall mit den obigen Maßstäben gut bearbeiten. Um ein Gefühl für die Anwendung dieser Maßstäbe in der Praxis zu bekommen, sollte man sich aber mit einem Kommentar einen Überblick über die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zu verschaffen.
Suggestive Irrtumserregung
Ist eine Erklärung ihrem Inhalt nach eigentlich eine zutreffende Behauptung über Tatsachen, provoziert aber ihre Gestaltung regelmäßig, dass sie unvollständig oder „falsch“ verstanden wird, spricht man von suggestiver Irrtumserregung. Die Erklärung suggeriert nämlich einen anderen Inhalt, als sie tatsächlich hat. So zeichnet sich der Leitfall gegenüber einer „normalen“ konkludenten Täuschung dadurch aus, dass B nicht nur keine Angaben zur Entgeltlichkeit seines Routenplaners macht, sondern im Fußnotentext sogar explizit auf die Entgeltlichkeit hinweist. Wäre A aufmerksamer gewesen und hätte sich die Seite gründlich angesehen, wäre ihm das nicht entgangen.
(1) Daher könnte man die Täuschung verneinen. In teleologischer Hinsicht könnte man argumentieren, dass das Strafrecht als „schärfstes Schwert des Staates“ nicht dazu dient, Menschen vor ihrer eigenen Unaufmerksamkeit zu schützen. Systematisch ließe sich die EU-Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken heranziehen, die – ausweislich des Erwägungsgrunds 18 – „von einem angemessen gut unterrichtet[en] und angemessen aufmerksam[en] und kritisch[en]“ Verbraucher ausgeht.
(2) Der BGH stützte sich vor allem in früheren Entscheidungen in erster Linie darauf, dass der Täter bei der suggestiven Irrtumserregung seine Erklärung planmäßig und gezielt so gestaltet, dass ihr Inhalt missverstanden wird, und nimmt daher eine Täuschung an.
(3) Gleichwohl kann der Leitfall mE schlicht nach den allgemeinen Maßstäben behandelt werden, ohne dass des zusätzlichen subjektiven Elementes der Absicht zur Irrtumserregung bedürfte. Es ergibt sich schon bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont – wie oben dargelegt (→ Rn. 35) –, dass B erklärt, kein Entgelt für die Routenplanung verlangen zu wollen. Der Hinweis im Fußnotentext tritt für den durch § 312j Abs. 3 BGB, § 1 Abs. 3 PAngV vorgeprägten objektiven Empfänger vollständig in den Hintergrund.
„objektiv geeignet [...], beim Adressaten eine Fehlvorstellung hervorzurufen.“
Hat man durch Auslegung den Erklärungswert des Täterverhaltens bestimmt, muss das Verhalten weiter objektiv dazu geeignet sein, eine Fehlvorstellung beim Adressaten hervorzurufen oder eine vorhandene Fehlvorstellung zu unterhalten. Im Normalfall geht es hier schlicht darum, festzuhalten, dass die vom Täter behaupteten Tatsachen nicht zutreffen. In manchen Fällen ist die Behauptung jedoch derartig abwegig, dass kein vernünftiger Mensch sie glauben würde.
Beispiel (angelehnt an BGHSt 34, 199): B vertreibt Badesalze, unter anderem ein sog. „Hollywood-Lifting-Bad“. Dieses enthalte – so wirbt B – ein von einem Schweizer Schönheitschirurgen erfundenes Mittel „Frischzellen-Formel Zellaplus 100“, das – wie durch Studien mit Testpersonen wissenschaftlich erwiesen worden sei – schon nach der ersten Anwendung von nur zehn Minuten „mindestens fünf Jahre jünger“ mache, nach vollständiger Behandlung mit zwölf Anwendungen „so jung wie vor 25 Jahren“. Tatsächlich ist das Badesalz – wie B weiß – völlig wirkungslos.
Verstecktes Werturteil?
Die Wirkung des Badesalzes ist ebenso wie die wissenschaftliche Erwiesenheit der Wirkung einem Beweis zugänglich und die darauf bezogene Erklärung ihrer Form nach damit eine Tatsachenbehauptung. Gleichwohl sollte bei völlig abwegigen Erklärungen über Tatsachen stets kritisch hinterfragt werden, ob der Erklärende die abwegige Tatsachenbehauptung nur als Stilmittel einsetzt, um ein Werturteil zum Ausdruck zu bringen (zB „Red Bull verleiht Flügel“). Im Beispielsfall hat der BGH eine Tatsachenbehauptung bejaht, weil B durch den Verweis auf durchgeführte Studien und wissenschaftlichen Nachweise gerade einen Richtigkeitsanspruch erhoben habe.
Maßstab für den Adressaten
Damit tritt erneut das zweite Fundamentalproblem des Betruges hervor. Wird auch „der exquisit Dumme“
Vertiefungshinweis: Gaede, in: Heinrich u. a. (Hrsg.), FS Roxin, 2011, S. 967 ff.
„subjektiv bestimmt“
Ob der Täuschungsbegriff bereits selbst voraussetzt, dass sich der Täter der Unrichtigkeit seiner Behauptung bewusst ist und eine Fehlvorstellung herbeiführen will oder dies jedenfalls für möglich hält und in Kauf nimmt (so jedenfalls der BGH
Täuschung durch Unterlassen
Abgrenzung von konkludenter Täuschung und Täuschung durch Unterlassen
Eine konkludente Erklärung zeichnet sich dadurch aus, dass der Erklärungsempfänger sie um – aus seiner Sicht selbstverständliche – Teile ergänzt, obwohl sie nicht ausdrücklich erklärt wurden. Dann liegt aber die Frage nahe, ob der strafrechtliche Vorwurf nicht eigentlich lauten müsste, etwas verschwiegen zu haben, also eine Erklärung unterlassen zu haben. Blickt man etwa auf den Leitfall, könnte man sich fragen, ob B wirklich konkludent erklärt hat, dass er keine Ansprüche für die Nutzung seines Routenplaners geltend machen werde, oder ob er es nicht vielmehr unterlassen hat, (hinreichend deutlich) zu erklären, dass er ein Entgelt fordern werde. Damit stellt sich die Frage der Abgrenzung zwischen konkludenter Täuschung (=aktives Tun) und Täuschung durch Unterlassen. Diese Frage ist umstritten und noch nicht wirklich befriedigend beantwortet, wobei auch grundlegende Bedenken gegen die konkludente Täuschung in der hier vorgestellten Form eine Rolle spielen.
Bei Interesse zur Vertiefung: Frisch, in: Pawlik u.a. (Hrsg.), FS Jakobs, 2007, S. 97 ff.; darauf aufbauend ders., in: Putzke u. a. (Hrsg.), FS Herzberg, 2008, S. 729 ff.; Kargl, ZStW 119 (2007), 250 ff.
Folgende Grundregel ist mE für die Fallbearbeitung ausreichend: Wenn es irgendein aktives Verhalten mit einem Erklärungswert gibt, der im Zusammenhang mit der Tatsache, über die getäuscht worden sein könnte, steht, liegt entweder eine konkludente oder gar keine Täuschung vor.
Wird mit dieser Begründung die konkludente Täuschung bejaht, kann man ergänzend ausführen, dass schon dem aktiven Verhalten der Erklärungswert zukommt und daher der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht auf dem Unterlassen liegt.
Täuschung durch Unterlassen
Bei einem solchen reinen Unterlassen ist zu untersuchen, ob der Täter aufgrund einer Aufklärungspflicht hinsichtlich vermögensrelevanter Tatsachen eine Garantenstellung hatte (→ Rn. 52 ff.). Daneben ist darauf einzugehen, ob die in § 13 Abs. 1 Hs. 2 StGB geforderte Modalitätenäquivalenz eine besondere Qualität des Schweigens voraussetzt (→ Rn. 59 ff.).
Garantenstellung
Während früher bei der Täuschung durch Unterlassen der Fokus stark auf der Begründung von Aufklärungspflichten auf Basis der formellen Pflichtenlehre lag, versucht die neuere Rspr. und Lit. zu Recht eine Rückbindung an die allgemein zu § 13 StGB entwickelte Dogmatik. Entscheidend ist daher, ob ein besonderer Grund existiert, warum ein Dritter darauf vertrauen durfte, dass der Täter ihn vor irrtumsbedingten Selbstschädigungen bewahren wird, indem er ihn über bestimmte vermögensrelevante Tatsachen aufklärt. In den Worten des 1. BGH-Strafsenats (BGHSt 62, 72):
„Zur Begründung der Strafbarkeit aus einem unechten Unterlassungsdelikt muss ein besonderer Rechtsgrund nachgewiesen werden, wenn jemand ausnahmsweise dafür verantwortlich gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat, zum Schutz fremder Rechtsgüter positiv tätig zu werden. Die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun setzt deshalb voraus, dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des tatbestandlichen Erfolges einzustehen hat. Alle Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person in besonderer Weise zum Schutz des gefährdeten Rechtsguts aufgerufen ist und dass sich alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person verlassen und verlassen dürfen [...]
(2) Auf der Grundlage dieser für sämtliche unechten Unterlassungsdelikte geltenden Anforderungen ist in der Rspr. des BGH anerkannt, dass eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen entweder als Täter oder als Teilnehmer für alle Personen in Frage kommt, die eine von § 13 Abs. 1 StGB erfasste Pflicht zur Aufklärung anderer über vermögensrelevante Tatsachen haben [...]. Die strafbarkeitsbegründende Pflicht zur Aufklärung eines Dritten über vermögensrelevante Umstände kann dabei aus verschiedenen Gründen herrühren [...]. Unabhängig vom Entstehungsgrund muss die Pflicht stets darauf gerichtet sein, unrichtigen oder unvollständigen Vorstellungen des Getäuschten über Tatsachen, die zu einer Vermögensschädigung führen können, durch aktive Aufklärung entgegenzuwirken.“
Hinweis: Die zitierte Entscheidung BGHSt 62, 72 zu Aufklärungspflichten aus einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung mit Beratungselementen sowie aus Ingerenz ist ebenso wie die Anmerkung zu dieser Entscheidung von Becker, NStZ 2017, 535 f. sehr lesenswert.
Eine solche besondere Aufklärungsverpflichtung über vermögensrelevante Tatsachen, die eine entsprechende Vertrauensbeziehung zum Verfügenden schafft, kann sich aus Gesetz (i.), aus einer freiwilligen – ggf. vertraglichen – besonderen Nähebeziehung (ii.) sowie aus Ingerenz (iii.) ergeben.
Gesetzliche Aufklärungspflichten
Gesetzliche Aufklärungspflichten begründen – sofern sie sich auf vermögensrelevante Tatsachen beziehe – in aller Regel eine Garantenstellung. Denn Dritte dürfen sich darauf verlassen, dass gesetzliche Pflichten eingehalten werden.
Beispiel: § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet den Empfänger von Sozialleistungen dazu, Änderungen der Umstände, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich anzuzeigen; § 28a SGB IV verpflichtet den Arbeitgeber zur Anmeldung seiner Arbeitnehmer bei der jeweiligen Einzugsstelle.
Allerdings ist nicht immer so eindeutig wie im Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I, dass das Gesetz tatsächlich eine Aufklärungspflicht statuiert. Dies muss durch Auslegung der – dem Klausurbearbeiter meist unbekannten – Normen des vorgelagerten Sachrechts geklärt werden.
Einen schönen Übungsfall dazu bietet BGHSt 59, 318 zur Aufklärungspflicht eines Rechtsanwalts aus § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG über die gesetzliche Vergütung vor Vereinbarung eines Erfolgshonorars.
Freiwillige besondere Nähebeziehung
Vermögensbezogene Aufklärungspflichten können sich zudem aus freiwillig eingegangenen besonderen Vertrauensbeziehungen ergeben. Eine solche Beziehung kann durch den Abschluss eines Vertrages entstehen, jedoch löst nicht jeder Vertragsschluss entsprechende Aufklärungspflichten aus (und erst recht nicht der früher von der Rspr. teils bemühte Grundsatz von Treu und Glauben). Vielmehr ist durch Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung der Interessenlage und der – ggf. implizit – vereinbarten Risikoverteilung zu ermitteln, ob eine Aufklärung erwartet werden konnte. Dies lässt sich recht unproblematisch bei Verträgen mit Beratungselementen annehmen, da sie gerade um der Aufklärung willen geschlossen werden. Es kann aber auch genügen, dass eine – nicht offenkundige – Tatsache für die andere Seite erkennbar von ausschlaggebender Bedeutung ist und/oder eine erkennbare strukturelle Informationsasymmetrie besteht (zB im Gebrauchtwagenhandel).
Hinweis: Man kann man sich insoweit an den aus § 123 BGB bekannten Maßstäben orientieren.
Ingerenz
Ein pflichtwidriges Vorverhalten begründet – nach der allgemeinen Dogmatik der unechten Unterlassungsdelikte – dann eine Garantenstellung, wenn es die naheliegende Gefahr des Eintritts eines konkreten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht. Auf den Betrugstatbestand konkretisiert bedeutet dies, dass das Vorverhalten geeignet sein muss, eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorzurufen. Umstritten ist dabei, ob das Vorverhalten selbst kommunikativen Charakter haben muss, woran es etwa in den Fällen der Objektmanipulation (→ Rn. 30) fehlt.
Modalitätenäquivalenz
Nach § 13 Abs. 1 Hs. 2 StGB muss das „Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspr[echen]“. Stellt man beim Betrug dessen Charakter als verhaltensgebundenes Kommunikationsdelikt in Vordergrund, kann man mit einem Teil der Literatur fordern, dass das Schweigen in eine kommunikative Beziehung eingebettet sein muss, ihm gleichsam ein Erklärungswert zukommt.
Die Rspr. und auch die wohl herrschende Lehre lassen dagegen genügen, dass die Nichtvermeidung eines Irrtums über vermögensbezogene Tatsachen trotz der aus der Vertrauensbeziehung geschöpften Aufklärungspflicht wertungsmäßig der aktiven Täuschung entspreche.
Hinweis zum Prüfungsaufbau beim Betrug durch Unterlassen
Weil beim Betrug insgesamt drei Erfolge der Täuschung zu prüfen sind (Irrtum, Vermögensverfügung, Schaden), wird – anders als bei unechten Unterlassungsdelikten üblich – bei der Prüfung der Erfolg nicht vorgezogen. Vielmehr wird die Täuschung durch Unterlassen direkt nach der – verneinten – aktiven Täuschung angesprochen und im Übrigen wie beim Begehungsdelikt geprüft.
Dadurch Irrtum erregt oder unterhalten
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Täuschung einen Irrtum (1.) beim Erklärungsadressaten (2.) erregt oder unterhalten hat (3.).
Irrtum
Für den Irrtum kann folgende Grunddefinition zugrunde gelegt werden:
Ein Irrtum ist eine Fehlvorstellung einer natürlichen Person über Tatsachen, also ein Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit.
Vorstellungsintensität
Diese Definition wirft zunächst die Frage auf, welche Vorstellungen überhaupt hinreichend konkret sind, um eine strafrechtlich relevante (Fehl-)Vorstellung zu konstituieren. Unproblematisch ist dabei einerseits der Fall, dass eine bewusste Fehlvorstellung besteht.
Beispiel: B verkauft A ein Fahrzeug. A fragt explizit nach Unfällen in der Vergangenheit, die B wahrheitswidrig verneint. A hat hier eine ganz konkrete Vorstellung von der Beschaffenheit des Autos, namentlich, dass es unfallfrei ist.
Ebenso unproblematisch sind die Fälle, in denen überhaupt keine Vorstellung besteht oder es dem Getäuschten vollkommen egal ist (sog. ignorantia facti).
Beispiel: Künstler K kauft bei B ein Auto. Weil er das Auto im Rahmen einer aufsehenerregenden Kunstaktion mit viel Schwung in eine Betonwand krachen lassen will, nimmt er die wahrheitswidrige Angabe des B, das Auto sei unfallfrei, überhaupt nicht zur Kenntnis. Daher fehlt es an einem Irrtum, nahe liegt aber ein versuchter Betrug.
Im Alltag, gerade bei Massengeschäften des täglichen Lebens, haben die Beteiligten hinsichtlich von Selbstverständlichkeiten allerdings oft nur unterbewusste Vorstellungen, ohne dass man davon ausgehen kann, dass ihnen die Tatsachen egal sind.
Leitfall: A wird sich über die Kostenpflichtigkeit des Routenplaners keine Gedanken gemacht haben, sondern unterbewusst davon ausgegangen sein, dass der Routenplaner – wie alle Angebote im Internet ohne besonderen Hinweis auf eine Entgeltpflicht (vgl. → Rn. 41) – kostenlos ist, wenn kein anderweitiger expliziter Hinweis ersichtlich ist.
Dass eine solche unterbewusste Vorstellung, ein sog. sachgedankliches Mitbewusstsein, grundsätzlich für die Annahme eines Irrtums ausreicht, kann jedenfalls in einer studentischen Fallbearbeitung zugrunde gelegt werden. Es ist das notwendige Korrelat zur konkludenten Täuschung. Voraussetzung ist aber, dass die Vorstellung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls besteht (wie im Leitfall: kein Hinweis auf eine Entgeltpflicht auf der konkreten Internetseite des B). Eine bloß ganz allgemeine Vorstellung genügt nicht.
Daher ist auch für die oft diskutierte Fallgruppe, in der ein potenzieller Irrender nicht mehr als die Vorstellung hat, dass „alles ist in Ordnung“ ist, richtigerweise je nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Wenn sich die genannte Vorstellung auf konkrete Umstände stützt, ist ein Irrtum gegeben; fehlen solche Umstände, ist auch der Irrtum zu verneinen.
Beispiel: A steigt ohne Fahrkarte in den Zug. Schaffner S geht durch sein Abteil und fragt, ob jemand zugestiegen sei. A bleibt stumm. S geht weiter, weil er davon ausgeht, dass alle Fahrgäste eine Fahrkarte haben. Diese Vorstellung ist von konkreten Umständen – nämlich der Kontrollfrage – getragen. Sitzt S dagegen im ersten Wagen des Zuges und denkt sich, eine Kontrolle sei überflüssig, weil die Fahrgäste schon eine Fahrkarte haben werden, genügt diese ganz allgemeine Vorstellung nicht.
Irrtum unter Zweifeln
Wiederum eine Frage der Abgrenzung zwischen Steuerung durch den Täter und eigenverantwortlicher Entscheidung ist der Umgang mit Zweifeln des potenziell Irrenden.
Im Leitfall Var. 2 ist sich A unsicher, ob er zahlen muss. Hätte er Rechtsrat eingeholt, hätte er ohne Weiteres den Irrtum vermeiden können.
Die hM geht davon aus, dass Zweifel den Irrtum nicht ausschließen. Anders soll dies erst sein, wenn es dem Getäuschten vollkommen gleichgültig ist, ob seine Vorstellung zutreffend ist.
Dieser Auffassung wird entgegengehalten, dass der Getäuschte hier ohne Weiteres die Möglichkeit hätte, seinen Irrtum und damit einen Schaden abzuwenden. Nimmt er diese Möglichkeit zum Selbstschutz nicht wahr, gebe es keinen Grund, ihn durch das Strafrecht zu schützen (sog. viktimologischer Ansatz).
Irrtumssubjekt („Wer muss sich irren?“)
Hinweis: Der folgende Abschnitt setzt gewisse Kenntnisse über die Verfügung voraus – er kann daher zunächst übersprungen werden bzw. sollte später nochmals gelesen werden.
Irren können nach allgemeiner Meinung nur Menschen, nicht aber juristische Personen oder Maschinen. Wie später näher erläutert wird, muss gerade derjenige, der über das vom Betrug geschädigte Vermögen verfügt, also einen Vermögensabfluss herbeiführt, sich irren (→ Rn. 143 ff.).
Schwierigkeiten entstehen bei arbeitsteiligen Organisationen, in denen der Irrende Weisungen erteilt oder mehrstufige Entscheidungen zur Vermögensverfügung führen. Als Grundsatz gilt: Hilfspersonen, die keine eigene Entscheidung über den Vermögensabfluss treffen können und damit nur mechanisch Weisungen ausführen, sind auszublenden. Sie irren nicht, weil sie sich ohnehin über den Sachverhalt keine Gedanken machen, sondern nur die Weisung ausführen. In diesen Fällen liegt aber in der Weisung selbst eine Vermögensverfügung, wobei der Vermögensabfluss jedenfalls im Wege der gefährdungsbedingten Vermögensminderung konstruiert werden kann. Daher besteht in der vorgesetzten, weisungsbefugten Person die notwendige Einheit von Irrtumssubjekt und Verfügendem.
Beispiel: Sekretär S führt die Überweisungsaufträge für seine Chefin C im Online-Banking aus. S macht sich keinerlei Gedanken über den Inhalt der Überweisungen und auf welcher Grundlage diese erfolgen. Wenn B nun C täuscht und diese irrtumsbedingt S anweist, Geld an B zu überweisen, ist diese Anweisung die maßgebliche Verfügung und nicht die bloß mechanische Ausführung im Online-Banking durch S.
Im Übrigen kommt es immer auf die Person an, die die letzte verantwortliche Entscheidung über den Vermögensabfluss trifft. Dabei ist aber zu beachten, dass durch die Kommunikation innerhalb einer arbeitsteiligen Organisation ein Irrtum dem Täuschenden – jedenfalls über eine mittelbare Täterschaft – zurechenbar „weitergegeben“ werden kann.
Besondere Probleme entstehen, wenn einzelne Personen Sonderwissen haben. Dazu folgendes
Beispiel (nach BGH NStZ 2006, 623):
A betreibt ein Müllentsorgungsunternehmen. Mit Stadt P hat er einen Müllentsorgungsvertrag geschlossen. Dabei erhält A für jedes Kilogramm entsorgten Mülls ein bestimmtes Entgelt. Dieses reicht aber nicht, um die Kosten des A abzudecken.
Variante 1: A klagt dem mit ihm befreundeten Bürgermeister B sein Leid. Dieser schlägt vor, dass A doch in seinen Rechnungen an die Stadt einfach eine größere Müllmenge angeben könnte. A findet den Vorschlag gut und gibt daher in seinen Rechnungen jeweils 25 % mehr Müll an, als tatsächlich entsorgt wurde. Sachbearbeiter S, der dem B unterstellt ist und die Rechnungen auf ihre sachliche Richtigkeit prüft, erkennt die zu hohe Müllmenge nicht und veranlasst die Zahlung.
Variante 2: A hat nicht mit B, sondern mit S gesprochen.
Variante 3: A hat wiederum nur mit S gesprochen. B prüft die Rechnungen in dieser Variante aber selbst. S ist nur für die abschließende Auszahlung verantwortlich, wobei er sich nur nach den Weisungen des B richtet.
In Variante 1 des Beispielfalls hat S, der zweifellos irrt, eine eigene Prüf- und Entscheidungskompetenz; er verfügt also durch die Zahlung der Rechnung über das Vermögen der P. Gleichwohl könnte man sich fragen, ob man aufgrund der Kenntnis des Vorgesetzten B den Betrug verneinen muss. Dies nimmt der BGH an, „weil dieser [scil. der Sachbearbeiter S] seine Verfügungsbefugnis ausschließlich aus den Befugnissen des ihm vorgesetzten Beigeordneten ableitet.“ Dagegen wird aber zu Recht eingewandt, dass die Zustimmung des B überhaupt nicht den Irrtum des S betrifft, sondern allenfalls eine für P wirksame Einwilligung in die Vermögensschädigung sein könnte. Der Wirksamkeit dieser Einwilligung steht hier aber entgegen, dass B durch das kollusive Zusammenwirken mit A seine eigene Verfügungsbefugnis über das Vermögen der P überschreitet.
In Variante 2 scheidet ein Betrug dagegen richtigerweise aus. S, der über das Vermögen verfügt, irrt nicht, während B mit dem Vorgang nichts zu tun hat und daher nicht verfügt.
In Variante 3 ist dagegen die Frage, welchen Einfluss das Wissen einer nicht verfügungsbefugten Person hat. Teilweise wird hier eine Anlehnung an die zivilrechtliche Figur des Wissensvertreters (analog § 166 BGB) vorgeschlagen.
Ausführlich zum Irrtum in arbeitsteiligen Organisationen: Eisele, ZStW 116 (2004), 15 ff.; Schuhr, ZStW 123 (2011), 517 ff.
Erregen oder Unterhalten
Zuletzt muss der Irrtum gerade durch die Täuschung erregt oder unterhalten werden, die Täuschung muss also kausal für den Irrtum geworden sein. Negativ gewendet fehlt es an einer Erregung oder einem Unterhalten, wenn lediglich ein bereits vorhandener Irrtum ausgenutzt wird, es sei denn, es besteht eine vermögensbezogene Aufklärungspflicht (→ Rn. 53 ff.). Ein Grenzfall ist das Bestärken einer Fehlvorstellung.
Dadurch Vermögensverfügung, die zu Vermögensschaden führt
Vorbemerkung und Grunddefinitionen der Merkmale „Vermögensverfügung“ und „Vermögensschaden“
Hat man einen Irrtum beim Getäuschten bejaht, muss dieser Irrtum – so der Wortlaut des Gesetzes – zur Beschädigung des Vermögens eines anderen führen. Wie schon in der Einleitung erwähnt, wird in diese Formulierung hineingelesen, dass es einer Vermögensverfügung des Getäuschten (der nicht zwingend mit dem Geschädigten identisch ist!) als notwendigen Zwischenschritt zwischen Irrtum und Schaden bedarf. Denn ein Irrtum als solcher vermag es nicht, die Vermögenslage zu verändern und einen Schaden zu verursachen. Vielmehr muss der vom Täter kraft Irrtumsherrschaft gesteuerte Getäuschte erst über das Vermögen disponieren (zB dem Täuschenden Geld geben) und dadurch im Wege einer Selbstschädigung einen Vermögensabfluss herbeiführen. Üblich ist folgende Definition:
Eine Vermögensverfügung ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.
Vermögensmindernd meint dabei im Rahmen der Verfügung zunächst nur, dass überhaupt Vermögensbestandteile abfließen. Ob das Vermögen dabei auch beschädigt wird, ist einer eigenständigen Prüfung beim Merkmal Vermögensschaden vorbehalten. Der Vermögensschaden wird dabei üblicherweise wie folgt definiert:
Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Gesamtwert des betroffenen Vermögens infolge der Vermögensverfügung im Ergebnis vermindert wird.
Bei der Prüfung des Vermögensschadens sind alle durch die Verfügung ausgelösten Zu- und Abflüsse im Zeitpunkt unmittelbar nach der Verfügung miteinander zu saldieren (Prinzip der Gesamtsaldierung). Ergibt sich ein negativer Saldo, liegt darin der Vermögensschaden (Schaden als unkompensierte Vermögensminderung).
Bei Betrachtung dieser Grunddefinitionen fällt auf, dass beide an Vermögensveränderungen anknüpfen. Dies hat zur Folge, dass viele der mit der Bestimmung des strafrechtlich maßgeblichen Vermögensbegriffs verbundenen Probleme sowohl auf der Ebene der Vermögensverfügung als auch auf der Ebene des Vermögensschadens auftauchen können und die „richtige“ Verortung des Problems häufig von der konkreten Fallgestaltung abhängt. Daher wird die Besprechung des Vermögensbegriffs und seiner für die Struktur des Betrugs bedeutsamen Implikationen – anders als in der Kommentarliteratur üblich –, hier nicht einem der Tatbestandsmerkmale zugeschlagen, sondern „vor die Klammer“ gezogen. In der Fallbearbeitung müssen die Probleme jeweils an dem Merkmal angeknüpft werden, für das sie im Einzelfall relevant sind.
Der ökonomisch-juristische Vermögensbegriff der hM und seine Konsequenzen
Ausgangspunkt: Ökonomische Betrachtungsweise
Die hM versteht Vermögen im Ausgangspunkt ökonomisch und definiert:
Vermögen ist die Gesamtheit der Güter und Positionen einer natürlichen oder juristischen Person, die einen (in Geld) messbaren wirtschaftlichen Wert haben.
Der Betrugstatbestand schützt dagegen im Ausgangspunkt nicht die konkrete Vermögenszusammensetzung vor Veränderungen, also aus welchen Gütern und Positionen das Vermögen besteht. Auch fallen Güter und Positionen ohne wirtschaftlichen Wert nicht in den Schutzbereich, mag auch deren Inhaber ein hohes immaterielles Interesse an ihnen haben. Solche Gegenstände sind aber taugliche Tatobjekte der Eigentumsdelikte.
Wirtschaftlicher Wert als „Marktwert“
Sowohl die Frage, ob ein Gegenstand überhaupt zum Vermögen im strafrechtlichen Sinne gehört, als auch die auf einer Saldierung beruhende Ermittlung des Schadens setzen Klarheit darüber voraus, welcher Maßstab zur Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes einer Position heranzuziehen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit individuelle Präferenzen berücksichtigt werden können und müssen.
Leitfall: Für einen professionellen Bergsteiger hatte der Routenplaner des B einen Wert von 25 EUR im Monat, für A und F, die einmal im Jahr eine leichte Tour gehen, ist er dagegen wertlos.
Die hM blendet derartige individuelle Faktoren aus und geht davon aus, dass es für jeden Gegenstand grundsätzlich einen objektiven Wert, nämlich den Marktwert, gebe. Dahinter steckt die – marktwirtschaftliche – Überzeugung, dass das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zu einer angemessenen Preisfindung führe. Daher gilt: Alle Faktoren, die unabhängig von der konkreten Person des Erwerbers oder Veräußerers den Preis beeinflussen, sind berücksichtigungsfähig, während individuelle Faktoren grundsätzlich außen vor bleiben:
Leitfall: Im Ausgangspunkt würde man ausblenden, dass A und F mit dem Planer nichts anfangen, weil auf dem Markt ein solcher Planer normalerweise nur für 25 EUR zu erlangen ist (vgl. aber zum sog. individuellen Schadenseinschlag unter Rn. 169 ff.)
Gegenbeispiele: Berücksichtigungsfähig wäre dagegen, da von der konkreten Person losgelöst, zB unterschiedliche Bedingungen auf verschiedenen Teilmärkten (im Großhandel werden andere Preise bezahlt als beim Verkauf an den Endverbraucher), der spezifische Wert eines Markenprodukts usw.
Vertiefungshinweis 1: Für die Sonderkonstellation, dass die Leistung so einzigartig ist, dass es keinen Marktpreis gibt (zB Bau eines Tiefbahnhofs mit „Kelchstützen“) vgl. die Rspr. zum sog. Submissionsbetrug (BGHSt 47, 83).
Vertiefungshinweis 2: Die Rspr. hat sich in der Vergangenheit zum Teil einer sog. „intersubjektiven Wertsetzung“ bedient.
Exspektanzen
Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise naheliegend und nicht wirklich streitig ist, dass Chancen auf künftigen Vermögenserwerb Teil des strafrechtlich geschützten Vermögens sein können.
Beispiel: Lotterielose
Es stellt sich aber ein Abgrenzungsproblem: Nur Chancen, bei denen bereits eine gesicherte Erwerbschance besteht, sollen erfasst sein, lediglich allgemeine und unbestimmte, wirtschaftlich noch nicht fassbare Aussichten und Hoffnungen sollen dagegen – schon mangels Bezifferbarkeit – ausscheiden.
Klausurhinweis: Dieser Maßstab ist schwierig zu subsumieren. Daher sind in einer Klausur primär die konkreten Sachverhaltsangaben auszuwerten, die für oder gegen eine gesicherte Erwerbsposition sprechen. Ein guter – in der Literatur
Gefährdungsbedingte Vermögensminderungen
Spiegelbildlich zu den Chancen sind bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aber auch die einer Position anhaftenden (Ausfall-)Risiken für ihren Marktwert maßgeblich. Je größer die Risiken und je düsterer die Prognose der künftigen Entwicklung, umso geringer ist ihr Wert.
Beispiel: Der Wert eines Darlehensrückzahlungsanspruchs hängt – wie der Wert praktisch jeder Forderung – davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass der Schuldner nicht zahlt. Das hängt von der Bonität des Schuldners, den gestellten Sicherheiten usw. ab.
Eine Konsequenz des ökonomischen Vermögensbegriffs ist daher, dass bereits die Vermögensgefährdung eine Vermögensminderung sein kann und damit beim Rechtsgut Vermögen Gefährdung und Verletzung gewissermaßen zusammenfallen können.
(1) Diese Konsequenz des ökonomischen Vermögensbegriffs wird häufig mit den Schlagwörtern Gefährdungsschaden oder auch schadensgleiche Vermögensgefährdung bezeichnet. Hier wird neutraler von einer gefährdungsbedingten Vermögensminderung gesprochen.
Damit soll erstens verdeutlicht werden, dass es sich nicht ausschließlich um ein Problem des Vermögensschadens handelt. Vielmehr taucht das Problem an zwei Stellen auf: Einerseits kann auf Ebene der Vermögensverfügung die Gefährdung den notwendigen Vermögensabfluss begründen. Andererseits kann auf Ebene des Vermögensschadens der wirtschaftliche Wert einer zufließenden Position aufgrund der ihr anhaftenden Risiken vermindert sein, sodass sie den Abfluss nicht (vollständig) kompensiert.
Zweitens suggeriert insbesondere der Begriff der schadensgleichen Vermögensgefährdung, dass es an einem „echten“ Schaden fehle und man auf ein schadensgleiches Surrogat zurückgreife. Das trifft nicht zu. Jedenfalls vom Standpunkt eines ökonomischen Vermögensbegriffs wird das Vermögen durch eine negative Prognose der künftigen Entwicklung schon in der Gegenwart vermindert – es entsteht eine „echte“ Vermögensminderung und, bei fehlender Kompensation, ein „echter“ Schaden.
(2) Gleichwohl hat die Figur der gefährdungsbedingten Vermögensminderung aufgrund dieses Zusammenfallens von Gefährdung und Verminderung erhebliche Kritik auf sich gezogen: Sie deute den Betrug unter Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB in ein (konkretes) Gefährdungsdelikt um und verwische die Grenzen zwischen Versuch und Vollendung. Das BVerfG hat diese Kritik im sog. Juni-Beschluss zu § 266 StGB
„Bei der Feststellung eines Vermögensnachteils hat die Strafkammer auf die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens zurückgegriffen. Diese dogmatische Konstruktion ist unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden, doch müssen die bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung des Untreuetatbestands (hier: des Nachteilsmerkmals) auch fallbezogen gewahrt bleiben. Daran fehlt es vorliegend.
aa) (1) Der Dogmatik der schadensgleichen Vermögensgefährdung oder des Gefährdungsschadens – die Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet – liegt die Annahme zugrunde, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung unter bestimmten Umständen bereits die Gefahr eines zukünftigen Verlusts eine gegenwärtige Minderung des Vermögenswerts und damit einen vollendeten Schaden oder Nachteil im Sinne der §§ 263, 266 StGB darstellen kann [...]
(2) Mit der Gleichsetzung von Schaden und Gefährdung (unter bestimmten Umständen und in gewissem Umfang) tragen Rechtsprechung und Schrifttum der Tatsache Rechnung, dass sich in einem marktorientierten Wirtschaftssystem die Preise über den Mechanismus von Angebot und Nachfrage bilden und dass sich daher auch die Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer auf den erzielbaren Preis und damit den Wert von Gegenständen auswirken [...].
Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass es mit der wirtschaftlichen Praxis und mit dem – unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebots maßgebenden – allgemeinen Sprachgebrauch in Einklang stehen kann, bei Bestehen der konkreten Gefahr eines künftigen Verlusts bereits einen gegenwärtigen Nachteil anzunehmen. Dies ist nicht in sich widersprüchlich, sondern Folge der spezifischen Eigenart des Rechtsguts ‚Vermögen‘. Ein solcher Ansatz stellt auch nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Unterscheidung zwischen ‚bloßer Gefahr‘ einerseits und gegenwärtigem Nachteil andererseits (dazu oben II. 2. b) cc) (1)) grundsätzlich in Frage: Die (negative) Wertberichtigung ist die Konsequenz aus einem erkannten Risiko; sie ist weder mit diesem Risiko noch gar mit dem wahrscheinlich erwarteten zukünftigen Verlust selbst identisch. Letzteres wird augenfällig bei der Schadenshöhe. Diese hängt von dem prognostizierten Risiko ab und wird daher in aller Regel den vollen nominellen Wert des verlustgefährdeten Vermögensgegenstands nicht erreichen; zwischen dem erwarteten Schaden und dem gegenwärtigen besteht also regelmäßig ein quantitativer Unterschied [...]. Die Ausdrücke ‚Gefährdungsschaden‘ oder ‚schadensgleiche Vermögensgefährdung‘ weisen mithin in der Sache nicht etwa auf eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten hin; sie bezeichnen vielmehr eine nicht drohende, sondern eingetretene Vermögensminderung [...].
bb) Auch wenn mithin keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Anwendung der dogmatischen Figur des Gefährdungsschadens auf den Untreuetatbestand – auch und gerade in Fällen der Kreditvergabe – bestehen, so ist doch festzustellen, dass damit die Gefahr einer Überdehnung des Tatbestands in erhöhtem Maße verbunden ist. [...]
[D]ie Rechtsprechung [hält] in den Fällen des Gefährdungsschadens eine konkrete Feststellung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben nicht durchweg für erforderlich. Vielmehr geht die Rechtsprechung verbreitet davon aus, dass ein Gefährdungsschaden bei Durchführung von Risikogeschäften wie der Kreditvergabe dann vorliegen soll, wenn ‚Geschäfte betrieben werden, die von dem Gebot kaufmännischer Sorgfalt weit abweichen, indem einer aufs Äußerste gesteigerten Verlustgefahr nur eine höchst zweifelhafte Aussicht auf einen günstigen Verlauf gegenübersteht, durch die der Beschuldigte wie beim Glücksspiel, alles auf eine Karte setzt‘ [...] oder wenn der Täter ‚nach Art eines Spielers bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine aufs äußerste gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erlangen‘ – wobei sich eine eindeutige, allgemeine, für jeden Einzelfall gültige Bewertungsregel kaum festlegen lasse [...]. Liegen diese Kriterien vor, dann wird die Forderung mit ihrem Nominalbetrag als Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung eingestuft, die wegen des hohen Ausfallrisikos schadensgleich ist. Bei der Strafzumessung wird aber auf den ‚echten‘ Schaden abgestellt, indem schuldmindernd bewertet wird, dass ‚nur‘ ein Gefährdungsschaden vorgelegen hat [...]. Zugunsten des Verzichts auf eine Quantifizierung des Gefährdungsschadens werden die mit einer Bewertung verbundenen praktischen Schwierigkeiten angeführt, die auch durch den Einsatz von Sachverständigen nicht ohne weiteres zu bewältigen seien [...].
(3) Der Verzicht auf eine eigenständige Ermittlung des Nachteils, wozu angesichts der Schwierigkeiten der Beurteilung bei Kreditvergaben in der Regel die Konkretisierung des Schadens der Höhe nach anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens gehört, begegnet durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Er ist geeignet, die eigenständige strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Nachteilsmerkmals zu unterlaufen, indem an die Stelle der vom Gesetzgeber gewollten wirtschaftlichen Betrachtung eine weitgehend normativ geprägte Betrachtungsweise tritt. [...]
(4) Um eine derartige verfassungswidrige Überdehnung des Untreuetatbestands in den Fällen des Gefährdungsschadens zu vermeiden, ist es notwendig – aber auch ausreichend –, die bereits dargelegten Maßgaben für die präzisierende und restriktive Auslegung des Nachteilsmerkmals strikt zu beachten. Danach sind auch Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festzustellen. Anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstäbe sind zu berücksichtigen; soweit komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen sind, wird die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich sein. Die im Falle der hier vorzunehmenden Bewertung unvermeidlich verbleibenden Prognose- und Beurteilungsspielräume sind durch vorsichtige Schätzung auszufüllen. Im Zweifel muss freigesprochen werden.“
Die Linie des BVerfG – grundsätzliche Anerkennung der gefährdungsbedingten Vermögensminderung einerseits und Betonung eines restriktiven Umgangs andererseits – entspricht auch der herrschenden Lehre. Umstritten ist dabei allerdings, welche einschränkenden Kriterien heranzuziehen sind. Während das BVerfG bilanzrechtliche Maßstäbe heranziehen möchte, wird in der Literatur verbreitet danach gefragt, ob dem Vermögensinhaber noch Möglichkeiten verbleiben, um den drohenden Vermögensabfluss abzuwenden.
Literaturhinweis: Einen ausführlichen Überblick über den Meinungsstand bietet Hefendehl, in: MüKo-StGB, Bd. 5, 4. Aufl. (2022), § 263 Rn. 870 ff.
Klausurhinweis: In der Fallbearbeitung kann die vom BVerfG angemahnte Bezifferung der Vermögensminderung in der Regel nicht geleistet werden. Wichtig ist daher, herauszuarbeiten, dass erstens die gefährdungsbedingte Vermögensminderung grundsätzlich anzuerkennen ist, dass zweitens aber – abgeleitet aus dem Charakter des Betruges als Erfolgsdelikts und dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot – nicht schon jede abstrakte Möglichkeit für einen Vermögensverlust einen Schaden begründet, sondern – restriktiver – die Vermögensminderung konkret und wirtschaftlich nachvollziehbar darzulegen ist. Auch die in der Literatur vorgeschlagenen Kriterien, namentlich das der Verlustvermeidemacht
Leitfall: Im Leitfall wäre die erste denkbare Vermögensverfügung, dass A seine Kontaktdaten in die Eingabemaske einträgt und damit B die Möglichkeit eröffnet, ihm gegenüber Forderungen geltend zu machen. Nach dem obigen Maßstab liegt es nahe, eine Vermögensminderung in diesem Moment noch zu verneinen. B erlangt durch die Angaben keine Zugriffsmöglichkeiten auf das Vermögen des A. Ob A wirklich zahlt, hängt noch von einer weiteren, bewusst zu treffenden Entscheidung ab (= Vermeidemacht).
Problemfälle:
Einräumung von Zugriffsrechten auf das Vermögen
Beispiel: B erzählt der 85-jährigen A wahrheitswidrig, er sei ein Servicemitarbeiter ihrer Sparkasse. Um ihr Konto nach einem Serverzusammenbruch neu einzurichten, brauche er EC-Karte und PIN. A, die ihm glaubt, gibt ihm daraufhin ihre EC-Karte mit der PIN.
Von manchen wird eine Minderung des Vermögens der A schon in dem Moment angenommen, in dem B die Karte mit PIN erlangt. Das ist nicht unproblematisch, weil der Täter mit der Benutzung der Karte (zB um Geld abzuheben) noch einen weiteren Zwischenschritt vornehmen muss und im Zeitpunkt der Erlangung der Karte noch völlig offen ist, ob und wie viel abgehoben werden wird (einen Gefährdungsschaden bejahend die Rspr. zB BGH NStZ-RR 2022, 14, 16; Fischer, 71. Aufl. 2024, § 263 Rn. 173; ablehnend dagegen zB Rengier, BT I, 26. Aufl. [2024], § 13 Rn. 198a). Das Problem ist in dieser Konstellation im Rahmen der Vermögensverfügung zu diskutieren, da hier die Frage ist, ob die Herausgabe der Karte mit PIN das Vermögen schon mindert, und nicht, ob A eine Kompensation erhält.
Zur erschlichenen Eröffnung eines Kontos mit Dispokredit: BGHSt 47, 160; zu den sog. Trickdiebstählen (→ Rn. 129 ff.)
Behandlung von Lösungsmöglichkeiten (etwa Anfechtungs-, Rücktritts- und Widerrufsrechten) bei wirtschaftlich unausgeglichen Verträgen. Auch hier stellt sich das Problem auf Ebene der Vermögensverfügung: Stellt das Eingehen einer Verbindlichkeit einen Vermögensabfluss dar, obwohl noch die Möglichkeit besteht, sich von der Verbindlichkeit zu befreien?
Gutgläubiger Erwerb von Gegenständen (in der Regel auf Ebene des Schadens zu diskutieren)
Beispiel: B und A schließen einen Kaufvertrag über ein Auto. Das Auto hat B allerdings nur bei Leasinggeber G geleast. B übereignet – wie von Anfang an geplant – das mangelfreie Fahrzeug an A, der daraufhin den Kaufpreis zahlt. Betrug zulasten des A?
Früher wurde mit der sog. Makeltheorie vertreten, dass gutgläubig erworbene Gegenstände generell nicht werthaltig seien; dies ist vor dem Hintergrund eines im Ausgangspunkt ökonomischen Vermögensbegriff nicht mehr haltbar. Daher wird der Minderwert eines gutgläubig erworbenen Gegenstands heute – wenn überhaupt – aus der Gefahr abgeleitet, dass der gutgläubige Erwerb in einem möglichen Prozess nicht bewiesen werden kann und der frühere Eigentümer daher den Gegenstand wieder entziehen kann. Wenn der Erwerb gut dokumentiert ist und sich dem Erwerber die fehlende Berechtigung des Veräußerers nicht aufdrängt, dürfte die Gefahr nicht in wirtschaftlich relevanter Weise bestehen. Daher hätte A eine vollwertige Kompensation für den Kaufpreis erhalten, sodass ein Betrug zu seinen Lasten ausscheidet. In einer Klausur wäre jedoch weiter zu untersuchen, ob ein Dreiecksbetrug zulasten von L in Betracht kommt.
Vertiefungshinweis: Begemeier/Wölfel, JuS 2015, 307.
Eingehungsbetrug
Die Berücksichtigung von Vermögensgefährdungen als Vermögensminderungen hat zur Folge, dass ein vollendeter Betrug auch dann in Betracht kommt, wenn noch „kein Geld geflossen ist“ und sogar dann, wenn sich eine gefährdungsbedingte Vermögensminderung nicht in einer endgültigen Vermögensminderung realisiert.
Dazu folgendes Beispiel (angelehnt an BGHSt 58, 102 = NJW 2013, 833):
W betreibt ein Wettbüro, in dem er unter anderem Wetten auf Spiele in der 3. Bundesliga zu festen Quoten abschließt. Bei einer Partie von Team X gegen Team Y ist Team X klarer Außenseiter, mit einem Sieg von Team X ist nur mit einer Chance von 1/6 zu rechnen. B bietet daher für eine Sieg von Team X eine Quote von 5, d. h. für jeden eingezahlten Euro zahlt er im Erfolgsfall 5 EUR aus, sodass dem Wettenden ein Gewinn von 4 EUR verbleibt. Für Team Y ist die Quote dagegen nur 1,1. Diese Quoten sind so berechnet, dass W im Normalfall unabhängig vom Spielausgang ein Überschuss verbleibt. Bei manipulierten Spielen ist eine solche Berechnung nicht möglich, sodass W keine Wetten auf manipulierte Spiele annehmen würde.
B möchte seine finanziellen Verhältnisse aufbessern. Daher zahlt er dem Schiedsrichter und zwei Spielern des Teams Y einen größeren Geldbetrag, damit diese Team X gewinnen lassen. Der Siegchance von Team X steigen dadurch auf 80 %. Anschließend geht B in das Wettbüro des W und wettet 10.000 EUR auf Team X. Alle anderen Wettenden setzen mit einem Einsatz von insgesamt 100.000 EUR auf Team Y.
Var. 1: Team Y gewinnt trotzdem.
Var. 2: Team X gewinnt infolge der Manipulation; W zahlt B 50.000 EUR aus.
(1) In Variante 1 hat W im Ergebnis nichts an B ausgezahlt, sondern vielmehr dessen Wetteinsatz in Höhe von 10.000 EUR behalten. Eine – unkompensierte – Minderung des Vermögens von W kommt daher nur in Betracht, wenn man auf den Abschluss des Wettvertrages, also auf die Eingehung der Verbindlichkeiten, abstellt (daher spricht man von Eingehungsbetrug).
Bei einem Wettvertrag versprechen sich die Vertragsparteien jeweils einen Geldbetrag in einer bestimmten Höhe unter der Bedingung, dass ein noch ungewisses Ereignis (im Beispielfall der Sieg von Team X bzw. Y) eintritt. Konkret für das Fallbeispiel: W verspricht B, ihm 50.000 EUR auszuzahlen, wenn Team X gewinnt. Allerdings muss B 10.000 EUR davon selbst bezahlen, sodass diese vom Auszahlungsbetrag abzuziehen sind. B verspricht W, dass er die gezahlten 10.000 EUR behalten darf, wenn Team Y gewinnt. Der Wert der gegenseitigen Ansprüche hängt neben der Höhe des Auszahlungsbetrages von der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts ab. Der Wert des Anspruchs des einen Vertragspartners entspricht dabei stets spiegelbildlich der Bezifferung der Gefahr eines Vermögensverlusts für den anderen Vertragspartner.
Ohne Manipulation des Spiels ergäbe sich: Der Anspruch des B wäre 1/6 (=Gewinnwahrscheinlichkeit von Team X) x 40.000 (= Nettogewinn von B falls Team X gewinnt), also 6.666,67 EUR wert, der des W 5/6 (= Verlustwahrscheinlichkeit von Team X) x 10.000 (= Nettogewinn von W falls Team X nicht gewinnt), also 8.333,33 EUR.
Mit Manipulation des Spiels: Der Anspruch des B ist 8/10 x 40.000 = 32.000 EUR wert, der des W 2/10 x 10.000 = 2.000 EUR. Spiegelbildlich: Die gefährdungsbedingte Vermögensminderung für W ist mit 32.000 EUR zu beziffern; diese ist nicht kompensiert, weil der durch ihn erworbene Anspruch gegen B nur 2.000 EUR wert ist, es bleibt ein Schaden von 30.000 EUR. Damit liegt in Var. 1 des Fallbeispiels ein vollendeter (Eingehungs-)Betrug vor, obwohl W im Ergebnis mit dem Vertrag mit W 10.000 EUR Gewinn gemacht hat.
Vertiefungshinweis: Viele Wettanbieter arbeiten nicht mit festen Quoten, sondern schütten bei jeder Wette zB 80 % der eingezahlten Beträge an die jeweiligen Gewinner aus. In diesem Fall kommt in der Regel nur ein Dreiecksbetrug zulasten der anderen Wettenden in Betracht.
(2) In Variante 2 des Fallbeispiels zahlt W dagegen 50.000 EUR an B aus und erfüllt damit dessen Wettforderung. Darauf, ob die Manipulation sich auch auf das Ergebnis ausgewirkt hat, kommt es richtigerweise nicht an – denn hätte W gewusst, dass das Spiel manipuliert ist, hätte er den Vertrag nie geschlossen und daher auch nichts ausgezahlt.
Hinweis: Die Rechtsprechung durchbricht diese Grundregel allerdings in einigen Fallgruppen, in denen sie immer Eingehungsbetrug prüft, auch wenn es zu einer (Teil-)Erfüllung kommt. Das ist insbesondere beim Anstellungsbetrug der Fall.
Lesehinweis zum Anstellungsbetrug im öffentlichen Dienst: BGH NStZ 2020, 291
Normative Korrekturen des im Ausgangspunkt ökonomischen Vermögensbegriffs
Die Rechtsprechung und große Teile der Literatur gehen davon aus, dass der im Ausgangspunkt ökonomische Vermögensbegriff in bestimmten Konstellationen aus normativen Erwägungen heraus korrekturbedürftig ist. Die geschieht einerseits auf Ebene der Vermögensverfügung, wenn und weil einer bestimmten wirtschaftlich werthaltigen Position die Schutzwürdigkeit aus normativen Erwägungen heraus abgesprochen wird. Der Verlust einer solchen Position stellt dann keine Vermögensminderung dar und ein Betrug scheidet aus. In dieser Konstellation wirkt die Normativierung des Vermögensbegriffes also günstig für den Täter. Andererseits wird aber auch – täterbelastend – auf Ebene des Vermögensschadens aus normativen Gründen bestimmten zufließenden wirtschaftlich wertvollen Positionen die kompensierende Wirkung abgesprochen. Die überspannende Frage auf beiden Ebenen ist, ob die Einheit der Rechtsordnung die Verwehrung des strafrechtlichen Schutzes bzw. der Kompensationseignung gebietet. Dazu folgende Fallgruppen:
Unrechtmäßiger Besitz
Rechtmäßiger Besitz gehört, sofern ihm wirtschaftlicher Wert zukommt, nach allgemeiner Auffassung zum geschützten Vermögen und er ist grundsätzlich auch zur Kompensation geeignet (daher liegt zum Beispiel kein Vermögensschaden vor, wenn jemand im Austausch für eine marktübliche Miete von 500 EUR einen Monat lang den rechtmäßigen Besitz an einer Mietwohnung erhält). Umstritten ist dagegen der Umgang mit unrechtmäßigem Besitz.
Beispiel 1: Dieb D hat bei seinem letzten Streifzug durch ein Hamburger Villenviertel eine wertvolle Armbanduhr erbeutet. B wendet sich an D und verspricht ihm 20.000 EUR für die Uhr. D übergibt B die Uhr, dieser zahlt aber – wie von Anfang an geplant – nicht.
Beispiel 2: B braucht dringend frisches Kokain. Deshalb wendet er sich an den Dealer F. Weil B kein Geld hat, bietet er D einen Ring an, von dem er behauptet, er sei aus Gold, obwohl er nur aus vergoldetem Messing ist. D gibt ihm für den Ring 5 Gramm Kokain.
In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob die Gegenstände – Armbanduhr und Kokain – zum rechtlich geschützten Vermögen gehören. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung ist das ohne Weiteres zu bejahen, da diese Gegenstände am (Schwarz-)Markt einen Wert haben. Zudem könnte man – systematisch – argumentieren, dass die §§ 859 ff. BGB auch den unrechtmäßigen Besitz schützen, es sich mithin auch um eine rechtlich geschützte – und daher auch im Rahmen des § 263 StGB schützenswerte – Position handelt. Dem wird allerdings entgegengehalten, dass der possessorische Besitzschutz nach den §§ 859 ff. BGB gerade keine Anerkennung des unrechtmäßigen Besitzes bewirke, weil die materielle Rechtslage dafür gar nicht relevant sei (vgl. § 863 BGB). Zudem ist bei Beispiel 2 („Kokain“) – was es von Beispiel 1 („Armbanduhr“) unterscheidet, zu bedenken, dass vorbehaltlich einer Erlaubnis (§ 3 Abs. 1 BtMG) jede Art von Besitz von Kokain gesetzlich explizit verboten ist (§§ 29 Abs. 1 Nr. 3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Daher erscheint es prima facie widersprüchlich, einen solchen Besitz, den es gar nicht geben dürfte, strafrechtlich zu schützen. Den Schutz zu versagen, bedeutete jedoch, für eine Vielzahl von Objekten – auch Waffen, Sprengstoffe usw. –, deren Besitz erlaubnispflichtig ist, faktisch rechtsfreie Räume zu schaffen. Hinsichtlich dieser – gerade in kriminellen Milieus beliebten – Gegenstände wäre nicht nur der Betrug, sondern auch die (räuberische) Erpressung ausgeschlossen. Denn auch diese Tatbestände verlangen jedenfalls einen Vermögensschaden und wären daher nicht erfüllt, wenn man zB einer abgepressten Pistole gar nicht erst Vermögenswert zuschriebe. Zudem käme es zu Friktionen mit den Eigentumsdelikten, bei denen aus auf die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams nach ganz herrschender Meinung nicht ankommt.
Zur Vertiefung: Es gab einen Anfragebeschluss des 2. Strafsenats, NStZ 2016, 596, der den illegalen Besitz von Betäubungsmitteln aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen ausscheiden wollte. Der 3. Strafsenat hat die Anfrage abgelehnt, BGH NStZ-RR 2017, 244, woraufhin der 2. Strafsenat von der im Anfragebeschluss vertretenen Auffassung wieder Abstand genommen hat.
Dass die Fallgruppe des unrechtmäßigen Besitzes auch auf der Ebene des Schadens eine Rolle spielen kann, zeigt folgendes Beispiel:
Beispiel: N war in Afrika und hat dort eine Elfenbeinschnitzerei erworben. Nachdem er sie erfolgreich am Flughafenzoll vorbeigeschmuggelt hat, bietet er sie A zum Verkauf an. Dabei behauptet er, die Schnitzerei sei aus Horn. Sie werden zum Preis von 100 EUR handelseinig. Dieser Preis entspricht einerseits dem Preis, der für eine entsprechende Hornschnitzerei zu zahlen wäre, und dem Preis, der für eine entsprechende Elfenbeinschnitzerei auf dem Schwarzmarkt üblich ist.
Elfenbein ist – anders als Horn – innerhalb der EU praktisch nicht mehr handelbar und der Besitz von illegal eingeführtem Elfenbein ist verboten (vgl. Art. 8 VO [EG] Nr. 338/97). Insoweit ist es praktisch vergleichbar mit Kokain; ob die hM allerdings aus dem Umstand, dass ein Gegenstand zum strafrechtlich geschützten Vermögen gehört, automatisch ableitet, dass er auch zur Kompensation eines Vermögensabflusses geeignet ist, wird wenig diskutiert. Jedenfalls die Argumente „rechtsfreier Raum“ und „Friktionen mit den Eigentumsdelikten“ greifen hier nicht in vergleichbarer Weise, da es nicht um den strafrechtlichen Schutz der Position geht.
Einsatz von Vermögensgegenständen zu unerlaubten Zwecken
Meist auf Ebene der Vermögensverfügung kann das Problem auftauchen, ob wirtschaftlich wertvolle Positionen ihre Schutzwürdigkeit verlieren, weil die Vermögensinhaber sie zu rechtswidrigen Zweck einsetzen.
Beispiel: A sucht im „Darknet“ einen Profikiller, um C aus dem Weg räumen zu lassen. Er stößt auf P, mit dem er ein – im „Darknet“ übliches – Honorar von 20.000 EUR vereinbart. Davon soll P 10.000 EUR als Anzahlung erhalten und weitere 10.000 EUR nach Tötung des C.
Variante 1: P hatte noch nie eine Waffe in der Hand und denkt nicht daran, C ein Haar zu krümmen; die 10.000 EUR Anzahlung will er aber gerne nehmen.
Variante 2: P erschießt C auftragsgemäß und verlangt sein Honorar. A verweigert – wie von Anfang an geplant – die Zahlung der weiteren 10.000 EUR
In Variante 1 des Beispielfalls stellt sich die Frage, ob Geld auch dann zum geschützten Vermögen gehört, wenn es zu einem offensichtlichen rechts- und sittenwidrigen Zweck eingesetzt wird. Nur dann läge in der Anzahlung der 10.000 EUR eine Vermögensverfügung iSv § 263 Abs. 1 StGB und P hätte sich wegen Betrugs strafbar gemacht. Dies wird von der Rspr. und der hL bejaht.
Hinweis: Auch A dürfte klar sein, dass ein (Werk-)Vertrag über die Tötung eines anderen Menschen nichtig ist, und er daher keinen rechtlichen Anspruch gegen P auf Ausführung des „Killer“-Auftrags erwirbt. Daher sollte man in diesen Fällen stets auch an die Problematik der bewussten Selbstschädigung denken, weil A zahlt, obwohl er weiß, dass er keine Rechtsposition im Sinne eines Anspruchs erwirbt (→ Rn. 177 ff.).
In Variante 2 ist dagegen die Frage, ob die „Arbeitsleistung“ des P Teil des rechtlich geschützten Vermögens ist. Denn nur dann wäre das Erschießen des C als Vermögensverfügung durch P anzusehen und P Opfer eines von A begangenen Betrugs. Das wird jedoch ganz überwiegend verneint,
Rechtsprechungshinweis: Dieser Gedanke spielt auch in der Rspr. des BGH zum ärztlichen Abrechnungsbetrug eine Rolle. Der BGH geht davon aus, dass für eine ärztliche Leistung zumindest im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nur insoweit ein Marktwert existiert, wie sie abrechenbar ist, und spricht ihr daher jeden Wert ab, wenn sie ggf. auch nur aus formalen Gründen (zB wegen fehlender kassenärztlicher Zulassung) nicht abrechenbar ist.
Weiterhin problematisch ist der Umgang mit sexuellen Diensten. Zwar ist angesichts der Regelung in § 1 ProstG nicht mehr zweifelhaft, dass ein Entgeltanspruch aus einer vollzogenen Abrede über sexuelle Handlungen Vermögenswert hat. Gleichwohl wird weiterhin teils angenommen, dass Abreden über sexuelle Handlungen wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sind und der sexuellen Dienstleistung als solcher kein Wert zukomme.
Nichtige Ansprüche
Ein ähnliches Spannungsfeld wie in den beiden vorausgegangenen Fallgruppen besteht auch bei nichtigen Ansprüchen. Im Profikillerbeispiel (→ Rn. 114) könnte man sich fragen, ob die „Ansprüche“ aus der Vereinbarung zwischen A und P Teil des rechtlich geschützten Vermögens sind, wenn und weil sie faktisch durchsetzbar sind (zB wegen Freundschaft oder einer gemeinsamen Bandenmitgliedschaft). Das lehnt die hM aber zu Recht ab.
Geldstrafen, Bußgelder und strafähnliche Sanktionen
Ein Sonderproblem stellen staatliche Sanktionen dar. Mit der Verhängung einer Geldstrafe oder eines Bußgeldes entsteht ein Anspruch des Staates auf Zahlung. Dieser hat bei wirtschaftlicher Betrachtung auch einen Wert und stellt keine rechtlich missbilligte Position dar. Gleichwohl werden Geldstrafen, Bußgelder und andere strafähnliche Sanktionen von der hM aus dem vom Betrugstatbestand geschützten Vermögen ausgeklammert. Dafür spricht teleologisch, dass diese Ansprüche keinen wirtschaftlichen Zwecken, sondern der – höchstpersönlichen – Bestrafung des Täters dienen (vgl. auch § 459c Abs. 3 StPO – keine Vollstreckung der Geldstrafe in den Nachlass). Systematisch kann mit §§ 258, 258a StGB argumentiert werden. Diese Normen schützen gerade als gegenüber § 263 StGB speziellere Normen den staatlichen Strafanspruch.
Hinweis zum Umgang mit dem Streit um den Vermögensbegriff in der Fallbearbeitung
Abschließend noch ein Hinweis dazu, wie man die Diskussion um den „richtigen“ Vermögensbegriff und die normativen Korrekturen in die Klausur einbringt:
Meiner Auffassung nach ist es nicht sinnvoll, in der Fallbearbeitung einem „rein ökonomischen“ einen „ökonomisch-juristischen“ Vermögensbegriff gegenüberzustellen und zu diskutieren, ob man generell normative Korrekturen vornehmen sollte. Denn jede einzelne normative Korrektur ist streitig und begründungsbedürftig, sodass sich die Diskussion zwischen verschiedenen Vermögensbegriffen zwangsläufig viel zu abstrakt bleibt. Vielmehr ist mit Blick auf das vom Sachverhalt konkret aufgeworfene Problem zu fragen, ob der wirtschaftliche Ausgangspunkt normativ einzuschränken ist. Dabei ist es – wenn man die hM nicht sicher kennt – immer der bessere Weg, eine normative Korrektur der wirtschaftlichen Betrachtungsweise abzulehnen. Dabei kann man sich stets auf den vom BVerfG und BGH in ständiger Rspr.
Klausurhinweis: Eine Auseinandersetzung mit grundlegend anderen Vermögensbegriffen,
Probleme spezifisch der Vermögensverfügung
Die vorangegangenen Abschnitte (1. und 2.) waren Problemen und Fragen gewidmet, die sowohl auf Ebene der Vermögensverfügung als auch Ebene des Vermögensschadens relevant werden können und die daher keinem der Merkmale klar zugeordnet werden können. Daneben gibt es aber auch Fragen, die spezifisch das Merkmal der Vermögensverfügung betreffen. Darum geht es im Folgenden:
Funktion der Vermögensverfügung – Betrug als Selbstschädigungsdelikt
Das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung dient einerseits als Bindeglied zwischen Irrtum und Vermögensschaden und soll andererseits den allgemein anerkannten Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt verwirklichen. Die mit der Verfügung verbundenen Probleme erwachsen fundamental – wie einleitend bereits dargestellt – daraus, dass nicht abschließend geklärt ist, ob sich die Funktion dieser Charakterisierung und damit der Verfügung darin erschöpft, eine überschneidungsfreie Abgrenzung zu Fremdschädigungsdelikten, insbesondere dem Diebstahl, zu ermöglichen oder ob ihr ein eigenständiger Inhalt zukommt.
Hinweis: Dass Betrug und Diebstahl in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, d. h. sich wechselseitig ausschließen, muss mE in einer Falllösung zugrunde gelegt werden. Zwar wird mit sehr beachtlichen Argumenten gegen diese tatbestandliche Exklusivität zugunsten einer Konkurrenzlösung gestritten.
Bevor die einzelnen aus diesem Grundproblem erwachsenden Probleme besprochen werden, ist nochmals kurz die Standarddefinition in Erinnerung zu rufen, die die meisten Bestandteile des Verfügungsbegriffes zusammenfasst:
Eine Vermögensverfügung ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.
Objektive Elemente der Verfügung – Irrtumsbedingtes Verhalten mit unmittelbar vermögensmindernder Wirkung
Verhalten
Eine Verfügung im Sinne des Betrugstatbestandes kann in einem beliebigen Verhalten bestehen. Insbesondere muss es sich nicht um eine Verfügung im Sinne des Zivilrechts handeln. Auch ein Unterlassen, etwa das Unterlassen der Durchsetzung einer Forderung, kommt in Betracht.
Beispiel: A hat gegen B eine Forderung aus einem Kaufvertrag in Höhe von 100 EUR. B hat noch nicht gezahlt. Er erzählt A aber, dass er ihm das Geld doch bei ihrem letzten Treffen auf dem Stadtfest gegeben habe. B glaubt ihm und unterlässt es daher, seine Forderung durchzusetzen.
Irrtumsbedingt
Das Verhalten muss auf dem vom Täter verursachten Irrtum beruhen, also von diesem zumindest mitausgelöst sein. Daraus ergibt sich, dass der Getäuschte, der Irrende und der Verfügende derselbe Mensch sein müssen.
Vermögensmindernde Wirkung
Das Verhalten muss zur Verminderung des rechtlich geschützten Vermögens durch Abfluss von Vermögensbestandteilen oder einer hinreichend konkreten Gefährdung des Vermögens (zur vermögensmindernden Gefährdung näher → Rn. 93 ff.) geführt haben. Insoweit ist an dieser Stelle zu fragen, ob erstens vom Strafrecht geschütztes Vermögen betroffen und dieses zweitens vermindert ist. Auf eventuelle Zuflüsse kommt es an dieser Stelle noch nicht an.
Unmittelbarkeit
Über die Kausalität hinaus soll nach der hM ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Verhalten und Vermögensminderung erforderlich sein, mit dem bestimmte Vermögensabflüsse aus dem Tatbestand des Betrugs ausgegrenzt werden sollen. In den Worten des BGH:
„An dem Unmittelbarkeitserfordernis einer Vermögensverfügung fehlt es, wenn der Getäuschte dem Täter lediglich die Möglichkeit gibt, den Vermögensschaden durch weitere deliktische Schritte herbeizuführen.“
BGHSt 50, 174 (178).
Dabei sind jedoch verschiedene Konstellationen – Sachbetrug einerseits und Forderungsbetrug andererseits – zu unterscheiden:
Abgrenzung von Sachbetrug und Diebstahl bei bewussten und freiwilligen Gewahrsamslockerungen
Das Unmittelbarkeitskriterium dient – zusammen mit den noch zu besprechenden Merkmalen Verfügungsbewusstsein und Freiwilligkeit – zunächst dem von der hM postulierten Exklusivitätsverhältnis von Sachbetrug und Diebstahl. Es sorgt in Konstellationen, in denen der Getäuschte den Gewahrsam an einer Sache bewusst und freiwillig lockert, ohne ihn aufzugeben, dafür, dass der Betrug bereits tatbestandlich ausscheidet und nur noch ein Diebstahl in Betracht kommt.
Beispiel: B geht zu Goldschmied G und behauptet, er wolle eine Rolex kaufen. G zeigt ihm verschiedene Uhren und lässt B ein goldenes Modell mit Diamantbesatz anprobieren. Wie von Anfang an geplant flieht B mit der Uhr am Arm aus dem Laden und entkommt.
Wenn B die Uhr im Ladengeschäft anprobiert, verliert G noch nicht den Gewahrsam an der Uhr. Erst in dem Moment, in dem B den Laden mit der Uhr am Handgelenk verlässt, erlangt er den Gewahrsam daran. Da dieser Gewahrsamsverlust gegen den Willen des G geschieht, liegt ein Gewahrsamsbruch hinsichtlich einer fremden beweglichen Sache, mithin ein Diebstahl, vor. Allerdings hat B den G auch getäuscht und durch die Täuschung dafür gesorgt, dass er die Uhr überhaupt „in die Finger bekam“. Daher könnte man prima facie auch einen Betrug bejahen. Das wird jedoch durch das Unmittelbarkeitskriterium verhindert, da der Gewahrsamsverlust nicht auf einer Handlung des G beruhte, sondern erst auf einem weiteren deliktischen Zwischenschritt des B. Der Gewahrsamslockerung, die schon mit der Anprobe aufgrund der damit einhergehenden Zugriffsmöglichkeit eintritt, wird dagegen – was zweifelhaft erscheint – von der herrschenden Meinung auch unter dem Gesichtspunkt der konkreten Vermögensgefährdung keine vermögensmindernde Wirkung zugesprochen. Der ganze Sachverhalt wird daher nur als Diebstahl und nicht als Betrug gewertet.
Unmittelbarkeit beim Forderungsbetrug
Wenn sich der Zweck des Unmittelbarkeitskriteriums darauf beschränken würde, die Exklusivität zwischen Diebstahl und Betrug herzustellen, könnte man beim Forderungsbetrug, bei dem ein Diebstahl von vorneherein nicht in Betracht kommt (taugliches Tatobjekt nach § 242 StGB sind nur Sachen), zugunsten allgemeiner Zurechnungsgrundsätze darauf verzichten.
Beispiel (nach BGH NStZ 2013, 711)
A nimmt für seine Autowerkstatt einen Kredit bei der Bank B in Höhe von 100.000 EUR auf, um eine neue Hebebühne zu kaufen. Dabei legt er geschönte Geschäftszahlen vor, sodass ihm der Kredit mit 5 % Zinsen p.a. gewährt wird. Bei Vorlage der richtigen Geschäftszahlen hätte er den Kredit nur mit 9 % Zinsen p.a. erhalten. A kann auch mit der neuen Hebebühne die Geschäftsentwicklung nicht drehen und geht einige Zeit später insolvent, ohne den Kredit getilgt zu haben.
Es wäre am einfachsten, für die Betrachtung der Vermögensminderung und der möglichen Kompensation auf das Endergebnis (= Ausfall der Kreditforderung und damit Verfügung und Schaden in Höhe von 100.000 EUR). Betont man aber, dass nur solche Vermögensminderungen für § 263 StGB relevant sein dürfen, die gerade auf der durch den Täter gelenkten Selbstschädigung des Getäuschten beruhen, erscheint es zumindest nachvollziehbar, dass der BGH für den Vergleich der Vermögenslage auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellen möchte. Denn täuschungsbedingt hat B ja nur die Risiken übernommen, die aus der schon im Moment des Vertragsschlusses schlechten Geschäftslage resultierten; die anderen Risiken hat die B dagegen nicht aufgrund der Täuschung übernommen, sondern weil darin ihr Geschäftsmodell besteht.
Man sollte diese Ausführungen aber nicht dahingehend missverstehen, dass das Unmittelbarkeitskriterium primär ein zeitliches ist.
Zusammenspiel mit der gefährdungsbedingten Vermögensminderung
Das Beispiel mit dem Bankkredit verdeutlicht aber auch noch einen anderen Aspekt. Wenn man annimmt, dass die endgültige Vermögensminderung nicht unmittelbar auf dem Irrtum beruht, ist stets darüber nachzudenken, ob zumindest eine unmittelbar durch das Verhalten des Getäuschten verursachte konkrete Vermögensgefährdung in Betracht kommt.
Subjektive Elemente der Verfügung
Nach den objektiven Elementen der Vermögensverfügung – irrtumsbedingtes Verhalten mit unmittelbar vermögensvermindernder Wirkung – sind nun die subjektiven Elemente – Verfügungsbewusstsein (→ Rn. 136 ff.) und Freiwilligkeit (→ Rn. 139 ff.) – in den Blick zu nehmen.
Verfügungsbewusstsein
Sachbetrug
Beim Sachbetrug muss der Irrende nach allg. Meinung – wiederum zur Abgrenzung zum Diebstahl – mit Verfügungsbewusstsein handeln. Ihm muss also bei seiner Handlung bewusst sein, dass er sein Vermögen mindert. Der Inhalt des Verfügungsbewusstseins ist freilich umstritten. Dazu folgende Beispiele.
Beispiel 1: B versteckt im Supermarkt des S eine Flasche teuren Whiskys in seiner Einkaufstasche. An der Kasse legt er dem Kassierer K nur ein Stück Käse vor, das er bezahlt. K bemerkt von der Flasche nichts. B nimmt Käse und Flasche mit.
Beispiel 2: B versteckt die Flasche in einem Sack mit Katzenstreu, den er verschließt. Den Sack legt er an der Kasse K vor und bezahlt den Preis für das Katzenstreu. K hat von der Flasche wieder nichts bemerkt.
In Beispiel 1 besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich das Verfügungsbewusstsein des K nicht auch auf die Flasche bezieht – die Idee, ein Kassierer würde ein generelles Verfügungsbewusstsein über alle an der Kasse vorbeigeführten Waren haben, wird als „bloße Fiktion“ verworfen.
Forderungsbetrug
Anders als bei der Unmittelbarkeit überträgt die hM das Erfordernis des Verfügungsbewusstseins nicht auf den Forderungsbetrug, weil es ausschließlich der Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug diene. Dagegen lässt sich – wenn man betont, dass der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt ist – einwenden, dass eine Selbstschädigung auch bei Forderungen das Bewusstsein um die Vermögensminderung voraussetze. Damit entstünden aber erhebliche Strafbarkeitslücken gerade im Bereich der Verfügung durch Unterlassen (zB wenn der Irrende glaubt, eine Forderung sei verjährt, und es daher – ohne dabei die Vorstellung zu haben, damit sein Vermögen zu mindern – unterlässt, sie durchzusetzen).
Freiwilligkeit?
Zuletzt wird – wiederum zur Abgrenzung zum Diebstahl, wo dem Verletzten seine Sache unfreiwillig abhandenkommt – verbreitet angenommen, dass der Getäuschte freiwillig handeln müsse. Das begründet der BGH wie folgt:
„Daß für die Grenzziehung zwischen Betrug und Diebstahl die innere Willensrichtung des Verletzten maßgebend sein kann, trifft allerdings zu. Duldet dieser die Wegnahme, so kann darin eine Verfügung im Sinne des Betrugstatbestandes nur gesehen werden, wenn das Dulden auf einem freien Willensentschluss beruht, mag er auch durch einen Irrtum beeinflußt sein. Wird dagegen der Gewahrsam ohne sein Einverständnis aufgehoben, so liegt nicht Betrug, sondern Diebstahl vor. Einen solchen nimmt die Rechtsprechung deshalb auch an, wenn der Täter durch die falsche Behauptung einer behördlichen Beschlagnahme die Herausgabe einer fremden beweglichen Sache fordert und sie erreicht, selbst wenn das Opfer die Wegnahme nicht nur duldet, sondern die Sache dem Täter auf dessen Verlangen aushändigt; denn hier ist für einen eigenen freien Willensentschluß des Opfers, das sich dem Zwang fügt, kein Raum […].“
Teilweise wird das Freiwilligkeitskriterium für überflüssig gehalten. Ordne sich der Getäuschte vollständig der Weisung eines anderen unter, bilde er schon gar keinen eigenen Willen, der für das Tatbestandsmerkmal „Verfügungsbewusstsein“ aber konstitutiv sei.
Die wichtigste (Klausur-)Konstellation für das Freiwilligkeitskriterium liegt in den sog. Beschlagnahmefällen.
Beispiel: B läutet in einer täuschend echt aussehenden Polizeiuniform bei O und teilt ihm unter Vorlage eines amtlich aussehenden Schriftstücks mit, dass das Kfz des O aufgrund einer Manipulation des Motors die Zulassung verloren habe und B daher Schlüssel und Papiere bei O beschlagnahmen müsse. O gibt Schlüssel und Papiere heraus, weil er davon ausgeht, dass sonst mit Zwang gegen ihn vorgegangen wird.
Hier verneint die hM eine Vermögensverfügung im Sinne des Betrugstatbestands, weil O nicht glaubt, dem Gewahrsamsverlust etwas entgegensetzen zu können. Ob man in der weiteren Prüfung dazu kommt, dass B eines Diebstahls oder einer Erpressung schuldig ist, hängt davon ab, ob man den Diebstahl ausschließt, wenn der Verletzte das Diebesgut dem Täter „gibt“. Insoweit ist aber zu beachten, dass die Rspr. das natürliche Erscheinungsbild des Gewahrsamswechsels nur beim Raub (in Abgrenzung zur räuberischen Erpressung) für maßgeblich erachtet (Raub wenn der Täter die Beute „nimmt“, sonst räuberische Erpressen), wohingegen sie beim Diebstahl das Einverständnis – wie die hL – davon abhängig macht, ob das Opfer glaubt, sich für oder gegen den Gewahrsamsverlust entscheiden zu können. Auf das „Nehmen“ als maßgebliches Kriterium stellt nur eine Mindermeinung in der Lit. ab.
Trotz der eigentlich auch zum Forderungsbetrug passenden Begründung wird die Freiwilligkeit der Verfügung – ebenso wie das Merkmal des Verfügungsbewusstseins (→ Rn. 138) – nur beim Sachbetrug gefordert.
Auseinanderfallen von Verfügendem und Geschädigtem – Dreiecksbetrug
Wie der Leitfall zeigt, muss der Getäuschte/ Irrende nicht unbedingt über sein eigenes Vermögen verfügen. Verfügender und Geschädigter können also auseinanderfallen.
Beispiel: A klingelt bei B an der Tür, der gemeinsam mit C in einer WG lebt. A spiegelt B vor, er sei mit C und befreundet und solle für C dessen Laptop abholen. B glaubt dem A, lässt ihn herein und zeigt ihm den Laptop des C. A nimmt den Laptop mit und behält ihn für sich.
Damit steht die Frage im Raum, wann bei einer Verfügung durch einen Dritten (im Beispiel: der Mitbewohner B) noch von einer Selbstschädigung des Vermögensinhabers (im Beispiel: C) gesprochen werden kann. Zudem taucht wiederum ein Abgrenzungsproblem zum Diebstahl auf: Bringt der Täter nämlich – wie im vorstehenden Beispiel – kraft Täuschung einen Dritten dazu, ihm den Gewahrsam an einer Sache zu verschaffen, liegt ein Diebstahl in mittelbarer Täterschaft nicht fern.
Sachbetrug
Nähert man sich dem Problem, wann bei Einsatz eines Dritten noch von einer Selbstschädigung gesprochen werden kann, erscheinen zwei Fälle eindeutig.
(1) Erstens: Ist der gewahrsamsverschaffende Akt eine Handlung, die letztlich jeder (und insbesondere auch der Täter selbst) vornehmen könnte, weil sie keine besondere Nähe zum Geschädigten erfordert, ist der Dritte nur Werkzeug eines Diebstahls und es liegt mangels einer dem Geschädigten zurechenbaren Vermögensverfügung kein Betrug vor.
Beispiel: B bittet A darum, ihm im Zug „seine“ in der Gepäckablage liegende Tasche zu reichen. Tatsächlich ist es die Tasche des C.
(2) Zweitens: Ist der Dritte umgekehrt an sich rechtlich kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäft befugt, über das Vermögen des Geschädigten zu verfügen, und glaubt er, sich innerhalb seiner Verfügungsbefugnis zu bewegen, sind seine Verfügungen dem Geschädigten als eigene zurechenbar. In der Betrugsprüfung ist daher eine Vermögensverfügung zu bejahen. In der Diebstahlsprüfung ist die Zurechnung aber ebenso zu beachten und daher – spiegelbildlich – wegen des dem Eigentümer der gestohlenen Sache zurechenbaren Einverständnisses in den Gewahrsamswechsel eine Wegnahme zu verneinen.
(3) Problematisch sind Fälle, in denen der Dritte zwar auch schon vor seiner Handlung eine gesteigerte tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen des Geschädigten hat, jedoch zu der Einwirkung rechtlich nicht befugt ist.
Beispiel (nach BGHSt 18, 221 – „Sammelgarage“): A stellt seinen geliebten Porsche, den er nur am Wochenende fährt, in einer Sammelgarage unter. An der Schranke der Garage sitzt rund um die Uhr ein Pförtner P. Dieser hat für Notfälle und den Fall, dass der Eigentümer seinen Schlüssel vergessen hat, einen Zweitschlüssel für alle Fahrzeuge. Diesen darf er grundsätzlich nur an den Eigentümer herausgeben. A lernt B kennen, mit dem er seine Autobegeisterung teilt. Nachdem sich die Beziehung verfestigt hat, erlaubt A dem B gelegentlich, seinen Porsche zu fahren. Das fällt auch P auf. Als die Beziehung zwischen A und B abrupt endet, kommt B auf die Idee, sich den Porsche zu verschaffen. Er geht zur Sammelgarage und sagt P, A habe ihm erlaubt, mit dem Porsche zu fahren, er habe aber den Schlüssel vergessen. P, der B wiedererkennt, geht davon aus, dass B den Porsche tatsächlich mit dem Einverständnis des A ausleiht und gibt ihm den Schlüssel.
Im Ausgangspunkt kann man bei der Entwicklung von Positionen entweder – mit den sog. Befugnistheorien – das rechtliche Dürfen des Dritten in den Vordergrund rücken oder – mit der Nähe- bzw. Lagertheorie – stärker auf sein faktisches Können abstellen.
Bei den Befugnistheorien gibt es wiederum eine objektive und eine subjektive Spielart. Die objektive Befugnistheorie stellt darauf ab, ob der Dritte (im Beispiel: P) an sich die Befugnis zur Verfügung über den Gewahrsam hatte. Die Einschränkung auf eine an sich bestehende Befugnis ist notwendig, weil der Dritte zu der konkreten täuschungsbedingten Verfügung trotz seiner Befugnis in der Regel nicht berechtigt ist (zB darf der Kassierer im Supermarkt zwar grundsätzlich befugt, Waren zu übereignen, aber nicht gegen Falschgeld). Die objektiv-subjektive Befugnistheorie verlangt noch darüber hinaus, dass der handelnde Dritte auch subjektiv meint, sich innerhalb seiner – objektiv bestehenden – rechtlichen Befugnisse zu bewegen.
Dagegen stellen die Nähe- und die Lagertheorie stärker das tatsächliche Können in den Vordergrund. Dabei genügt eine rechtliche Befugnis, innerhalb derer sich der Dritte bewegt, auch nach diesen Theorien. Es geht ihnen darum, über die faktische Betrachtung zusätzliche Fälle zu erfassen, in denen – wie im Beispielsfall – eine rechtliche Befugnis fehlt. Dabei lässt die Nähetheorie jede faktisch gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit des Verfügenden auf das Vermögen des Geschädigten genügen. Die Lagertheorie fragt dagegen danach, ob der Dritte schon vor der Verfügung in einem besonderen normativen Näheverhältnis („Lager“) zum Geschädigten stand, das ihm gesteigerte Einwirkung ermöglichte.
Im Beispielfall kämen nur die Nähe- und die Lagertheorie zu einer Zurechnung. Diesen wird von den Befürwortern der Befugnistheorien vorgehalten, keine klaren Abgrenzungskriterien bieten zu können, sondern nur mit einem weitgehend unbestimmten Nähebegriff zu operieren. Die Befugnistheorien sind insoweit klarer. Gegen sie spricht aber, dass sie erstens auf zivil- und öffentlich-rechtliche Vertretungsregeln zur Lösung eines strafrechtlichen Zurechnungsproblems zurückgreifen. Diese Regeln würden zudem zweitens bei korrekter Anwendung überhaupt nicht zu einer Zurechnung führen, weil sich der Dritte – wie dargestellt und wie der Täter auch erkennt – tatsächlich außerhalb seiner Vertretungsmacht bzw. Ermächtigung bewegt. Ohne dass es darauf im Beispielsfall ankäme, kann – sollte eine Entscheidung erforderlich sein – die faktische Nähetheorie mit dem Argument abgelehnt werden, dass bei ihr jede eingrenzende Wirkung des Verfügungsmerkmals verloren geht und der Charakter als Selbstschädigungsdelikt zunehmend verwischt.
Forderungsdreiecksbetrug
Die dargestellte Diskussion zum Sachdreiecksbetrug ist nur eingeschränkt auf den Forderungsdreiecksbetrug übertragbar. Das liegt zum einen an dem schon bekannten Unterschied, dass es beim Forderungsdreiecksbetrug keiner Abgrenzung zum Diebstahl bedarf (denn § 242 StGB ist nur auf die Wegnahme von Sachen, nicht von Forderungen anwendbar), zum anderen daran, dass man auf Forderungen nicht faktisch, sondern nur rechtlich (durch Verfügung) einwirken kann. Daher kann die Frage allein sein, ob jede rechtliche Verfügungsmöglichkeit genügt oder ob die Verfügungsmöglichkeit auf einem gewissen Näheverhältnis zwischen Verfügendem und Geschädigtem beruhen muss.
Beispiel: A hat eine Forderung gegen B auf Zahlung von 5.000 EUR. Diese Forderung tritt A an C ab, ohne dass A oder C den B darüber in Kenntnis setzen. Sodann tritt A an B heran und verlangt von ihm Zahlung, woraufhin B 5.000 EUR an ihn bezahlt.
In dieser Konstellation wird B durch die Zahlung nach § 407 Abs. 1 BGB von der Forderung auch mit Wirkung gegenüber C frei.
Lässt man jede rechtliche Einwirkungsmöglichkeit genügen, hat B im Beispiel auf Grund einer Täuschung durch A über das Vermögen des C verfügt. Diese Ansicht hat sicherlich den Vorzug, einfach zu sein und zudem zu einem umfassenden strafrechtlichen Schutz zu führen (im Beispielfall macht sich A eines Betrugs gegenüber B und zu Lasten von C schuldig). Sie gibt aber den Charakter des Betruges als Selbstschädigungsdelikt weitgehend auf. Dies mag dafür sprechen, ein normatives Näheverhältnis zwischen Verfügendem und Geschädigtem zu verlangen, wobei – gerade auch für den Beispielsfall der gutgläubigen Forderungsvernichtung – sehr streitig ist, welche Kriterien für dieses Näheverhältnis maßgeblich sein sollen.
Vertiefungshinweis: Eingehend zum Problem Saliger, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020): § 263 Rn. 138 ff. – auch mit Hinweisen zum sog. Prozessbetrug in Rn. 142.
Klausurhinweise
Abschließend noch zwei Hinweise zur Fallbearbeitung. Wie in der vorangegangenen Darstellung deutlich werden sollte, ist die Verfügung jedenfalls beim Sachbetrug die exakte Spiegelung zum Einverständnis in der Diebstahlsprüfung. Daher zeichnet die eine Prüfung die andere vor und Widersprüche sind unbedingt zu vermeiden. Daneben ist gerade in Mehrpersonenkonstellationen auf saubere Obersätze zu achten, die erkennen lassen, wem gegenüber und zu wessen Lasten der Betrug begangen worden sein soll.
Spezifische Probleme des Vermögensschadens
Die durch die Verfügung ausgelöste Vermögensminderung führt nur dann zu einem Schaden, wenn sie nicht durch Vermögenszuflüsse kompensiert wird. Dies ist anhand des Prinzips der Gesamtsaldierung festzustellen. Dabei wird der Gesamtwert des Vermögens unmittelbar vor und nach der Vermögensverfügung miteinander verglichen. Ein sich ergebender negativer Saldo ist der Vermögensschaden (a) und b)). Für den Vergleich sind – ausgehend vom ökonomisch-juristischen Vermögensbegriff – wirtschaftliche Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen. Diese können jedoch im Einzelfall durch normative Erwägungen korrigiert werden (c)). Zuletzt fragt sich – womit wieder die Fundamentalprobleme der Rechtsgutsbestimmung und der Opfermitverantwortung berührt sind –, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bewusstsein einer selbstschädigenden Handlung den Eintritt eines zurechenbaren Vermögensschadens ausschließen (d)).
Durchführung der Saldierung
Die Saldierung wird in einer dreistufigen Prüfung durchgeführt:
(1) Im ersten Schritt sind die zu saldierenden Vermögenspositionen zu ermitteln. Welche Positionen aus dem Vermögen abgeflossen sind, wurde bereits im Rahmen der Vermögensverfügung festgestellt. Denn schon dort war zu prüfen, ob ein Verhalten des Irrenden dazu geführt hat, dass sein Vermögen (oder beim Dreiecksbetrug das eines Dritten) gemindert wurde. Beim Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens sind dann nur noch die zufließenden Positionen in den Blick zu nehmen. Dabei geht die hM spiegelbildlich zur Verfügung davon aus, dass nur solche Vermögenszuflüsse berücksichtigungsfähig sind, die unmittelbar durch die Vermögensverfügung erworben werden. Unberücksichtigt bleiben dagegen Vermögenszuflüsse, die erst durch weitere Zwischenschritte oder durch Dritte herbeigeführt werden. Diese können ggf. als Schadenswiedergutmachung Einfluss auf die Strafzumessung haben, vermögen den Schaden aber nicht mehr auszuschließen.
Beispiel: Dies wird in dem Fall des Wettbetruges deutlich, der unter dem Gesichtspunkt des Eingehungsbetrugs besprochen wurde (→ Rn. 104 ff.).
Wenn man Var. 2 unter Berücksichtigung der anderen Wettenden durchrechnet, fällt auf, dass diese Variante für das Betrugsopfer (?) W viel besser gelaufen ist als die erste Variante 1, die dem zu erwartenden Verlauf entsprochen hätte. In Var. 1 hätte er nämlich weder Verlust noch Gewinn gehabt, in Var. 2 dagegen einen Gewinn von 50.000 EUR. Die Zahlungen der anderen Wettenden müssen jedoch nach hM unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht auf den täuschungsbedingten Verfügungen beruhen. Auch an dieser Stelle geht es um eine Zurechnungsfrage. Dem Täter sollen nur solche Zuflüsse zugutekommen, die er auch selbst bewirkt.
Unberücksichtigt bleiben nach allgemeiner Meinung auch gesetzliche Ansprüche, die gerade aufgrund der täuschungsbedingten Schädigung entstehen (zB § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB, 826, 812 BGB), was teils ebenfalls mit dem Unmittelbarkeitskriterium, teils mit der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Ansprüche (jedenfalls wenn der Geschädigte den Täter nicht kennt oder ein zivilrechtlicher Regress beim Täter aus anderen Gründen keine Erfolgsaussichten hat), teils mit normativen Erwägungen begründet wird.
(2) Im zweiten Schritt müssen die zufließenden Vermögenspositionen bewertet werden. Dies geschieht nach wirtschaftlichen Maßstäben, die gegebenenfalls aus normativen Gründen modifiziert, aber nicht völlig in den Hintergrund gedrängt werden dürfen.
(3) Im dritten Schritt wird der Saldo aus den Positionen gebildet. Ein eventueller negativer Saldo ist der Schaden.
Unterschiedliche Vergleichsperspektiven: Eingehungs- und Erfüllungsbetrug
Geht man mit der hM davon aus, dass die Schadensermittlung durch einen Vergleich der Vermögenslage unmittelbar (!) vor und nach der Vermögensverfügung erfolgt, ist es möglich und zumindest gedanklich auch geboten, selbst bei einheitlichen Lebenssachverhalten bei jeder Vermögensverfügung von Neuem eine Saldierung vorzunehmen. Bei Verträgen kann daher analytisch zwischen Eingehung des Vertrages und Erfüllung der aus ihm erwachsenden Ansprüche unterschieden werden. Dabei geht es aber nicht allein um eine zeitliche Unterscheidung. Vielmehr führt die analytische Trennung dazu, dass man bei der Prüfung des Erfüllungsstadiums den Vertragsschluss und die daraus erwachsenden Ansprüche berücksichtigen kann. Dazu folgendes
Beispiel: B betreibt eine Internetseite für Staubsauger. Er bietet das Modell „Heinzelmann A++“ zu einem Preis von 200 EUR an. Dieses Modell ist auf dem Markt sonst nur für 250 EUR erhältlich. K ist begeistert und bestellt den „Heinzelmann“.
Variante 1: B betreibt nur einen Fakeshop und hat nie vor, Staubsauger zu liefern. K ist schon dabei, den Betrag zu überweisen, als er sich an eine Dokumentation über Betrügereien im Internet erinnert. Er recherchiert zur Seite des B, wittert die Täuschung und bezahlt nicht.
Variante 2: B betreibt nur einen Fakeshop. K bezahlt, erhält aber – wie von B von vorneherein geplant – keinen Staubsauger.
Variante 3: B betreibt einen echten Internetshop. Er hat den „Heinzelmann A++“ zu einem Preis von 200 EUR angeboten, um Kunden auf seine Seite zu locken. Eigentlich hatte er auch vor, vertragsgemäß zu leisten. Nach einer eingehenden Kalkulation stellt er aber fest, dass er sich das nicht leisten kann. Daher entscheidet er sich nach Bestellung und Bezahlung des K, diesem das Vorgängermodell zu schicken, dessen Marktpreis 200 EUR beträgt. K nimmt den gelieferten Staubsauger an und merkt zunächst nicht, dass er nur das Vorgängermodell erhalten hat.
Variante 4: Wie Variante 3 nur dass B den niedrigen Preis lediglich als Werbeinstrument einsetzen wollte und von Anfang an geplant hat, nur das Vorgängermodell zu liefern.
Beim Eingehungsbetrug wird für die Bestimmung des Schadens der Zeitpunkt des Vertragsschlusses herangezogen. Weil in diesem Zeitpunkt die Leistungen noch nicht ausgetauscht sind, werden im Rahmen der Saldierung die erworbenen Ansprüche miteinander verglichen. Diese sind wirtschaftlich zu bewerten, sodass insbesondere ein gesteigertes Ausfallrisiko ihren Wert mindert. Aus diesem Grund wurde der Eingehungsbetrug hier erstmals im Zusammenhang mit der Figur der gefährdungsbedingten Vermögensminderung vorgestellt (→ Rn. 103 ff.).
In Variante 1 darf nicht vorschnell ein vollendeter (Eingehungs-)Betrug gegenüber und zu Lasten von J verneint werden. Sein Vermögen könnte nämlich bereits durch den Abschluss des Kaufvertrages gemindert worden sein (gefährdungsbedingte Vermögensminderung). Dazu sind die wechselseitig erworbenen Ansprüche zu bewerten und zu vergleichen. Da B jedenfalls nicht lieferwillig ist, ist der von K erworbene Lieferanspruch erheblich im Wert reduziert. Zugleich besteht ein Anspruch des B gegen K, der die Gefahr begründet, dass K den Kaufpreis zahlt. Ob man diese Gefahr bereits als hinreichend konkret betrachtet, um eine Minderung des Vermögens von K zu bejahen, hängt davon ab, welche Bedeutung man der Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB), eventuellen Widerrufs- (§ 312g BGB) und Anfechtungsrechten (§ 123 BGB) zubilligt. Während die frühere Rspr. solche Möglichkeiten, den Schaden abzuwenden, noch weitgehend ausblendete, stellt sie heute stärker auf den Einzelfall ab und fragt, inwieweit die Gegenrechte erkennbar, beweisbar und durchsetzbar sind.
Beim Erfüllungsbetrug wird dagegen isoliert auf den Zeitpunkt der Erfüllung abgestellt. Damit werden die durch den Vertrag begründeten Ansprüche bei der Schadensbestimmung berücksichtigungsfähig. Maßgebliche Vermögensverfügung ist die Annahme der Leistung als Erfüllung mit der Folge, dass der Erfüllungsanspruch erlischt.
Eingehungs- und Erfüllungsbetrug unterscheiden sich aber nicht primär durch den Betrachtungszeitpunkt. Im Gegenteil ist nach ganz hM dann, wenn die Erfüllung sich lediglich als Abwicklung des täuschungsbedingt eingegangenen Vertrages darstellt, eine zusammenfassende Bewertung angezeigt. Daher wird in diesem Fall des abgewickelten Eingehungsbetrugs wie oben ein Vergleich der ausgetauschten Leistungen vorgenommen.
In Variante 2 ist daher die Kaufpreiszahlung mit dem Wert des Anspruchs zu vergleichen.
Dagegen zeichnet sich der Erfüllungsbetrug dadurch aus, dass der Wert des Erfüllungsanspruchs mit dem Wert des zur Erfüllung Geleistetem verglichen wird.
In Variante 3 ist der Kaufvertrag nicht durch Täuschung herbeigeführt worden und ist zudem für K wirtschaftlich günstig. In Betracht kommt jedoch ein Erfüllungsbetrug. K hat nämlich einen Anspruch auf einen „Heinzelmann A++“ erworben. B täuscht ihn nun über das gelieferte Modell und bringt K dadurch dazu, das Vorgängermodell als Erfüllung anzunehmen und damit den Lieferanspruch zum Erlöschen zu bringen (=Vermögensverfügung). Da das Vorgängermodell aber nicht den Wert des Anspruchs erreicht, entsteht ein negativer Saldo, mithin ein Vermögensschaden bei K. Dass K mit der Annahme einen Nacherfüllungsanspruch erwirbt (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) steht dem nicht entgegen. Denn dessen Wert ist dadurch gemindert, dass K ihn erstens erkennen und zweitens durchsetzen muss.
Ein Sonderproblem entsteht in Fällen, in denen dem Schuldner eine mangelfreie Leistung nicht möglich ist. Hier ist der Anspruch von vorneherein auf die mangelhafte Leistung beschränkt (§ 275 Abs. 1 BGB). Daher ergibt sich beim Vergleich des Wertes der erhaltenen Leistung mit dem Leistungsanspruch kein negativer Saldo. Daher kann die Annahme der Leistung nicht die maßgebliche Vermögensverfügung sein. Diese liegt vielmehr in der „Überzahlung“, wenn der Gläubiger im Glauben, eine mangelfreie Leistung erhalten zu haben, die volle Gegenleistung erbringt bzw. in der Nichtdurchsetzung von Mängelrechten (zB dem Minderungsrecht), wenn der Gläubiger seine Gegenleistung schon erbracht hat.
Variante 4 – oft als „unechter“ Erfüllungsbetrug bezeichnet – unterscheidet sich von Variante 3 dadurch, dass B von Anfang an vorhatte, K nur das Vorgängermodell zu liefern. Daher kann man argumentieren, dass der Erfüllungsanspruch des K bei wirtschaftlicher Betrachtung nie den Wert von 250 EUR erreichte, sondern wegen der Erfüllungsunwilligkeit des B auf den Wert von 200 EUR beschränkt war. Da der gelieferte Staubsauger 200 EUR wert war, fehlt es an einem Schaden. Die weiteren 50 EUR stellen sich aus dieser Perspektive als enttäuschte Gewinnerwartung dar, die vom Betrugstatbestand nicht geschützt wird. Für diese Betrachtungsweise spricht auch, dass es üblich ist, Eingehungs- und Erfüllungsstadium bei der Schadensbestimmung zu einer „Einheit“ zusammenzufassen, wenn sie durch dieselbe Täuschung bestimmt werden (s. o. → Rn. 166).
Dagegen kann eingewandt werden, dass K bereits ein Rechtsanspruch auf die höherwertige Leistung, den Heinzelmann A++, erworben hat. Es handelt sich daher nicht um eine bloße Gewinnerwartung, sondern um einen vollwertigen Vermögensbestandteil. Daher muss diese Variante genauso wie Variante 3 behandelt werden.
Normative Korrekturen auf Schadensebene
Neben den normativen Korrekturen des im Ausgangspunkt objektiv-wirtschaftlichen Vermögensbegriffs, die sowohl bei der Vermögensverfügung als auch beim Schaden eine Rolle spielen können, gibt es auch Fallgruppen, die nur auf der Ebene des Schadens eine Rolle spielen können. Diese sollen im Folgenden besprochen werden.
Individueller Schadenseinschlag
Dem sog. individuellen oder subjektiven Schadenseinschlag liegt der Gedanke zugrunde, dass es von individuellen Umständen abhängig ist, ob eine Gegenleistung, die man erhält, brauchbar und damit werthaltig ist und ob man durch das täuschungsbedingt eingegangene Geschäft weitere Nachteile erleidet.
Im Leitfall hat der Routenplaner zwar einen wirtschaftlichen Wert, für A und F ist er aber völlig unbrauchbar.
In solchen Extremfällen soll nach hM ein Abrücken von einer objektiv-wirtschaftlichen Vermögensbewertung möglich sein. Damit kann trotz objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein Schaden begründet werden.
Beispiel (angelehnt an BGHSt 16, 321):
A verkauft Melkmaschinen an landwirtschaftliche Betriebe. Dabei behauptet er gegenüber Bauer B, dass er ihm ein besonders gutes, weit unter dem Marktpreis liegendes Angebot machen könne, wenn er sofort bestelle. B bestellt für 20.000 EUR eine Melkmaschine, die für seinen Betrieb aber viel zu klein ist und die er sich auch nur unter Aufnahme eines Darlehens leisten kann, sodass ihm keinerlei finanzieller Spielraum mehr verbleibt.
In dieser Entscheidung hat der BGH drei Fallgruppen entwickelt, in denen eine zufließende Leistung nicht mit ihrem Marktwert in die bei der Prüfung des Merkmals „Vermögensschaden“ vorzunehmende Saldierung einzustellen sei, sodass auch bei ausgeglichenen Austauschverträgen ein Schaden in Betracht komme.
Fallgruppe 1: Der Leistungsempfänger kann „die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann“, sie insbesondere auch nicht ohne Weiteres weiterveräußern.
Fallgruppe 2: Der Leistungsempfänger wird „durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt“, zB zur Aufnahme eines sehr ungünstigen Darlehens oder zum Verkauf von Wertpapieren zur Unzeit.
Fallgruppe 3: Der Leistungsempfänger kann „infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügen kann, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung von Verbindlichkeiten oder sonst für eine den persönlichen Lebensverhältnissen angemessene Wirtschafts- und Lebensführung unerlässlich sind.“
Diese Voraussetzungen sind aus der Perspektive eines objektiven Dritten in der Person des Leistungsempfängers zu prüfen, es kommt also nicht darauf an, ob der Empfänger die Leistung selbst als unbrauchbar empfindet oder sich zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt sieht.
Die vom BGH entwickelten Fallgruppen werden teils heftig kritisiert.
Vertiefungshinweis: Teixeira, ZIS 2016, 307; Becker, Betriebswirtschaftliche Vermögensbewertung und Gefährdungsschaden, 2019, 151 ff.; 177 ff.
Rückverkaufsfälle
Auch bei der zweiten Fallgruppe der normativen Korrektur auf Schadensebene geht es darum, den objektiv vorhandenen wirtschaftlichen Wert einer Vermögensposition aus Wertungsgründen zu negieren. Dieser Korrektur liegt die Einsicht zugrunde, dass „[w]er nur leistet, was er sowieso ohne Entgelt leisten muss, sich nicht darauf berufen [kann], dass er einen anrechenbaren Gegenwert erbracht hat.“
Mag der Satz als solcher durchaus einleuchten, wird seine Anwendung wohl nur durch ein Beispiel deutlich:
W betreibt einen Metallschrotthandel. B möchte sich ein bisschen etwas dazuverdienen. Daher dringt er nachts in das Gelände des W ein und nimmt von dort mehrere Kilos Kupferschrott mit. W bemerkt den Vorfall nicht. Wie von Anfang an geplant begibt sich B einige Tage wieder zu W und verkauft ihm den Kupferschrott für den marktüblichen Preis von 40 EUR in bar.
Ein Diebstahl des B an dem Kupferschrott scheitert jedenfalls daran, dass B ohne Enteignungsvorsatz handelte. Schließlich ging er davon aus, dass der Kupferschrott zu W zurückkehren sollte. Dass er W den Veräußerungswert, also das lucrum ex negotio cum re, dauerhaft entziehen will, genügt nach der hM nicht zur Annahme eines Enteignungsvorsatzes (→ § 1 Rn. 80 ff.). In Betracht kommt aber ein Betrug beim Rückverkauf. Mit dem Verkaufsangebot unterdrückt B die Tatsache, dass W schon Eigentümer des angebotenen Kupfers ist. W irrt sich daher auch über seine Rechtsposition und verfügt auf Grund dieses Irrtums über sein Vermögen, indem er dem B Geld für das Kupfer bezahlt. Zugleich bringt er mit der Annahme des Kupfers seine Ansprüche auf Herausgabe (§§ 985, 861, 1007, 823, 812 BGB) gegen B zum Erlöschen.
Beim Merkmal des Vermögensschadens ist nun zu prüfen, ob die beschriebenen Vermögensabflüsse bei saldierender Betrachtung durch entsprechende Wertzuflüsse in das Vermögen des W kompensiert wurden.
Dabei ist zunächst auf die Vermögenslage des W vor der Vermögensverfügung zu blicken: In diesem Zeitpunkt war er Eigentümer von Bargeld im Wert von 40 EUR und hatte Ansprüche auf Herausgabe des entwendeten Kupferschrotts gegen B. Diese waren jedoch wertlos, da sie ihm nicht bekannt und daher auch nicht (gerichtlich) durchsetzbar waren. Sodann ist die Vermögenslage nach der Verfügung in den Blick zu nehmen. Nach dem Austausch der Leistungen hat W die 40 EUR in bar und die wertlosen Herausgabeansprüche verloren, dafür Besitz an Kupfer im Wert von 40 EUR erlangt. Damit hat sich seine Vermögenslage bei rein wirtschaftlicher Betrachtung nicht verschlechtert. Ohne normative Korrekturen läge daher kein Schaden vor und B ginge straflos aus. Um dieses von der hM als unbillig empfundene Ergebnisse zu vermeiden, verwehrt sie es B, sich auf den wirtschaftlichen Wert des Kupfers, das er an B liefert, zu berufen und nimmt daher einen Vermögensschaden iHv 40 EUR an.
Hinweis: Das Problem kann auch in Erpressungskonstellationen auftreten, wenn eine entwendete Sache „freigekauft“ werden soll (→ § 8 Rn. 29 f.).
Ausschluss bei bewusster Selbstschädigung – Zweckverfehlungslehre
Als Ausfluss der Fundamentalprobleme der Rechtsgutsbestimmung und der Opfermitverantwortung (→ Rn. 5) ist die Diskussion rund um die bewusste Selbstschädigung zu verstehen. Dazu folgende Beispiele:
Beispiel 1: B braucht dringend etwas Geld. Deshalb sucht er eine Villengegend in Hamburg auf und klingelt an der Haustür des O. B erzählt O bewusst wahrheitswidrig, er sammle für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ Spenden, und fragt ihn, ob er bereit wäre, ein paar Euro für einen guten Zweck zu geben. O fand die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen schon immer gut und gibt B 20 EUR im Glauben, damit die Arbeit der Hilfsorganisation zu unterstützen.
Beispiel 2 (angelehnt an BayObLG NJW 1952, 798): B sammelt tatsächlich für „Ärzte ohne Grenzen“ und hat vor, das eingesammelte Geld an die Organisation weiterzuleiten. Er ist aber von der Knauserigkeit vieler Villenbewohner enttäuscht. Daher erzählt er O, nachdem dieser ihm geöffnet hat, bewusst wahrheitswidrig, seine Nachbarn N und M hätten heute schon jeweils 100 EUR gespendet. Tatsächlich hatten sie jedoch nur 10 EUR gegeben. O glaubt dem B und möchte im Vergleich zu seinen scheinbar großzügigen Nachbarn nicht als Geizhals erscheinen. Daher gibt er B 150 EUR.
aa) In beiden Beispielen ist O bewusst, dass er für das hingegebene Vermögen bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung keine Gegenleistung erhalten wird. Dem Wortlaut des § 263 Abs. 1 StGB entsprechend könnte man davon ausgehen, dass der Betrugstatbestand ausschließlich eine durch Täuschung und Irrtum bedingte vermögensschädigenden Verfügung voraussetzt. Nicht erforderlich scheint dagegen, dass dem Getäuschten der vermögensschädigende Charakter verborgen bleibt (so noch die frühere Rechtsprechung, etwa RGSt 70, 255 [256]). Damit wäre in beiden Beispielfällen ein Vermögensschaden zu bejahen.
Umgekehrt könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass dem Täuschenden der Vermögensschaden nicht mehr zurechenbar ist, wenn er auf der bewussten Entscheidung des Getäuschten beruht. In der Sache wird damit die Opfermitverantwortung betont. Dafür ließe sich auch anführen – freilich mehr Postulat als Argument –, das Wesen des Betrugs werde dadurch geprägt, dass dem Getäuschten der schädigende Charakter der Verfügung verborgen bleibe. Danach wäre ein zurechenbarer Vermögensschaden in beiden Beispielfällen zu verneinen.
bb) Letztlich vermag keine dieser Extrempositionen zu überzeugen. Denn – wie Seitenblicke in die Einwilligungsdogmatik und auf die Irrtumsherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft zeigen (zur Parallelität von Betrug und mittelbarer Täterschaft → Rn. 5) – schließen Motivirrtümer die Eigenverantwortung des Getäuschten weder stets aus noch sind sie stets unbeachtlich.
(1) Während die Rechtsprechung daran festhält, dass das Bewusstsein der wirtschaftlichen Selbstschädigung den Vermögensschaden grundsätzlich nicht ausschließe, räumt sie dem Erreichen des verfolgten immateriellen Zwecks kompensierende Wirkung ein.
(2) Umgekehrt vertritt die herrschende Lehre, dass das Erkennen des selbstschädigenden Charakters grundsätzlich den Vermögensschaden ausschließe. Jedoch könne im Verfehlen eines Zwecks ein Vermögensschaden liegen, weil das Vermögen sinnlos aufgewandt werde. Wiederum sollen aber nicht beliebige, sondern nur sozial anerkannte Zwecke genügen. Der Gedanke der Zweckverfehlung wirkt in dieser Variante also strafbarkeitsbegründend.
(3) Damit unterscheiden sich diese Ansichten nur im Begründungsweg. In der Sache ist nach beiden zu untersuchen, ob ein sozial anerkannter oder indirekt wirtschaftlicher Zweck erreicht oder verfehlt wird. Welche Zwecke sozial anerkannt sind und welche nicht, ist allerdings wenig geklärt. Relativ große Einigkeit besteht noch darin, dass bloße Affektationsinteressen und rein subjektive, von der eigentlichen Leistung völlig losgelöste Zwecksetzungen auszugrenzen sind. Eine positive Formulierung der anerkennenswerten Zwecke ist dagegen noch nicht gelungen. Im zweiten Beispiel wird ein Vermögensschaden jedoch überwiegend abgelehnt. Das leuchtet ein, wird doch die wirtschaftliche Wirkung, also der objektivierte, von der konkreten Person des O losgelöste, Effekt einer Unterstützung der Wohltätigkeitsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ erreicht.
cc) Eine weitere Problematik in diesem Zusammenhang illustriert folgendes Beispiel:
Beispiel 3: B lebt vom Verkauf von Staubsaugern. Eines Tages klingelt er bei O und bietet ihm den Staubsauger „Heinzelmann“ zum marktüblichen Preis von 500 EUR an. Dabei behauptet er bewusst wahrheitswidrig, 10 % des Erlöses gingen an die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. O kauft einen Staubsauger, weil er glaubt, damit zugleich einen guten Zweck zu unterstützen.
In diesem Fall ist das täuschungsbedingt eingegangene Geschäft wirtschaftlich ausgeglichen. Es stellt sich aber die Frage, ob O nicht gleichwohl einen Vermögensschaden erlitten hat, weil er den zusätzlich verfolgten sozial anerkannten Zweck, eine Hilfsorganisation zu unterstützen, nicht erreicht hat. Überwiegend wird dies abgelehnt, weil der Vermögensabfluss vollständig kompensiert werde. Jedenfalls auf dem Boden der Variante der Zweckverfehlungslehre, die dem Verfehlen eines sozial anerkannten Zwecks schadensbegründende Wirkung zubilligt, erscheint dies jedoch nicht frei von Zweifeln. Denn warum sollte der durch die Zweckverfehlung begründete Schaden davon abhängen, ob das Geschäft im Übrigen wirtschaftlich ausgeglichen ist?
Zur Vertiefung des gesamten Problemkreises: Hefendehl, in: MüKo-StGB, Bd. 5, 4. Aufl. [2022], § 263 Rn. 1044 ff.
Klausurhinweis: Häufig anzutreffen ist die Problematik der bewussten Selbstschädigung bei öffentlichen Leistungen, die ohne Gegenleistung gewährt werden, etwa Subventionen oder Sozialleistungen.
Subjektiver Tatbestand und Irrtumskonstellationen
Nach dem Wortlaut des § 263 Abs. 1 muss der Täter „in der Absicht [handeln], sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil, zu verschaffen“. Daraus wird ein viergliedriger Aufbau des subjektiven Tatbestandes abgeleitet. Neben dem aus § 15 StGB folgenden allgemeinen Vorsatzerfordernisses (I.) ist die Absicht erforderlich, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen (II.). Dieser Vorteil muss – objektiv – rechtswidrig sein (III.), was vom Vorsatz – aber nicht von der Absicht (hM) – umfasst sein muss (IV.).
Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestands
Hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes genügt bedingter Vorsatz. Schwierige Probleme tauchen allenfalls im Zusammenhang mit der gefährdungsbedingten Vermögensminderung auf. Dazu nochmals folgendes
Beispiel (nach BGH NStZ 2013, 711):
A nimmt für seine Autowerkstatt einen Kredit bei Bank B in Höhe von 100.000 EUR auf, um eine neue Hebebühne zu kaufen. Dabei legt er geschönte Geschäftszahlen vor, sodass ihm der Kredit mit 5 % Zinsen p.a. gewährt wird. Bei Vorlage der richtigen Geschäftszahlen hätte er den Kredit nur mit 9 % Zinsen p.a. erhalten. A kann auch mit der neuen Hebebühne die Geschäftsentwicklung nicht drehen und geht einige Zeit später insolvent, ohne den Kredit getilgt zu haben.
Dieser Sachverhalt wird nun um die Information ergänzt, dass A zwar bewusst ist, dass der Wert eines Anspruchs von der Bonität des Schuldners abhängt, bei Vorlage der geschönten Zahlen aber darauf vertraut hat, dass er den Kredit tilgen und die Bank im Ergebnis ihr Geld zurückbekommen würde.
Bei anderen Tatbeständen, zB § 223 StGB, würde die hM den Vorsatz mangels voluntativen Elements verneinen, wenn der Täter auf einigermaßen nachvollziehbarer Faktengrundlage darauf vertraut hat, dass sich eine von ihm erkannte Gefahr für das Rechtsgut nicht realisieren und damit „schon alles gut gehen“ werde. Vor diesem Hintergrund wurde teils in der Rechtsprechung auch bei den Vermögensdelikten verlangt, dass der Täter den Endschaden, also die Realisierung der Gefahr, für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (BGHSt 51, 100[120] ff. – „Kanther“ zu § 266 StGB). Konsequent ist aber mE allein, auch in diesen Fällen in der unkompensierten Vermögensgefährdung schon einen „echten“ Vermögensschaden zu sehen und daher Vorsatz hinsichtlich der Vermögensgefährdung genügen zu lassen.
Zur Vertiefung: Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 263 Rn. 182 ff. mit umfassenden Nachweisen; vgl. zudem die Darstellung zu § 266 StGB (→ § 15 Rn. 40 f.).
Absicht stoffgleicher Bereicherung
Nach dem Wortlaut des § 263 Abs. 1 StGB muss der Täter weiter „in der Absicht [handeln], sich oder einem Dritten einen [...] Vermögensvorteil zu schaffen“. Diese Beschreibung des Gesetzes wird oft zu der – in der Sache wenig hilfreichen – Umschreibung „Absicht stoffgleicher Bereicherung“ verkürzt.
Vermögensvorteil
Der Täter muss eine Erhöhung des wirtschaftlichen Gesamtwertes seines Vermögens oder des Vermögens eines Dritten erstreben. Dabei wird überwiegend ein rein wirtschaftlicher Vermögensbegriff zugrunde gelegt.
Geht der Täter davon aus, das erstrebte Etwas nur gegen eine eigene Leistung zu erhalten, besteht der beabsichtigte Vermögensvorteil nur in deren die eigene Leistung übersteigenden Wert.
Ein Vermögensvorteil kann auch in der Abwendung eines Vermögensnachteils liegen.
„Absicht, sich oder einem Dritten [...] zu verschaffen“
Absicht
Mit Absicht ist in § 263 StGB dolus directus 1. Grades gemeint. Dem Täter muss es also gerade darauf ankommen, sich oder einem Dritten den Vorteil zu verschaffen. Dabei muss die Bereicherungsabsicht unstreitig nicht das einzige Motiv des Täters sein. Vielmehr genügt es, wenn der Täter in der Bereicherung eine sichere und erwünschte Nebenfolge sieht. Problematisch sind die Fälle, in denen der Täter zwar eine Position mit einem wirtschaftlichen Wert erlangen möchte, jedoch nicht um dieses wirtschaftlichen Wertes willen.
Beispiel (lose angelehnt an BGH NStZ 2020, 542):
B weiß, dass sein Kommilitone A mit seinem Smartphone Bilder auf einer Party Bilder von ihm gemacht hat. B findet die Bilder wenig schmeichelhaft und möchte daher eine Verbreitung unbedingt verhindern. Daher fragt er A in einer Mittagspause, ob er sein Smartphone haben könne, um sich kurz in den Park zu setzen und seine Oma anzurufen. A gibt ihm das Smartphone. B nimmt es mit und behält es – wie von vorneherein geplant –, ohne es zu benutzen oder zu verkaufen.
Der Besitz an einem Smartphone hat ohne Zweifel einen wirtschaftlichen Wert, aber er bildet – so der BGH – „nur dann einen Vermögensvorteil, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlichen messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. An einem solchen Vermögenszuwachs fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige und mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt.“
Stoffgleichheit
Die Stoffgleichheit wird als ungeschriebenes Merkmal in die Bereicherungsabsicht hineingelesen. Der Begriff stammt aus der heute nicht mehr vertretenen Identitätstheorie, wonach der Gegenstand der beabsichtigten Bereicherung mit dem Vermögensnachteil identisch sein müsse und führt oft zu Missverständnissen.
Beispiel (nach BGHSt 21, 348):
B verkauft als Vertreter für Z Zeitschriften. Dabei erhält er jeweils eine Provision in Höhe von 5 % der Vertragssumme, wenn er einen unterschriebenen Vertrag bei Z einreicht. Gegenüber A, der Mühe hat, eine Seite am Stück zu lesen, spiegelt er vor, ihm eine einfache Zeitschrift verkaufen zu wollen, mit der er seine Lesekenntnisse verbessern können. Tatsächlich legt er A einen Vertrag über ein einjähriges Abonnement des Goltdammer’s Archiv für Strafrecht zum Preis von 419 EUR vor. A unterschreibt. Den Vertrag gibt B an Z weiter und erhält eine Provision in Höhe von 5 % aus dem Vermögen des Verlags.
Neben dem Problem, wie mit dem aus § 123 BGB folgenden Anfechtungsrecht (→ Rn. 164) umzugehen ist und dem Problem, dass das Goltdammer’s Archiv natürlich sein Geld wert ist und daher ein Schaden nur über den individuellen Schadenseinschlag (→ Rn. 169 ff.) begründet werden kann, muss hier gesehen werden, dass eine Selbstbereicherungsabsicht des B beim Handeln gegenüber A am Kriterium der Stoffgleichheit scheitert. Denn A erlangt durch die Unterschrift des A selbst noch keinen Anspruch, da sein Provisionsanspruch erst mit dem Einreichen des unterschriebenen Vertrags entsteht (zur Drittbereicherungsabsicht und der Fortsetzung des Beispiels sogleich → Rn. 196 ff.).
Drittbereicherungsabsicht
Der Täter eines Betruges kann auch fremdnützig, also mit der Absicht, einen Dritten zu bereichern, handeln. Damit sind keine besonderen dogmatischen Probleme verbunden. Die Herausforderung in der Klausur ist vielmehr, den Überblick bei Mehrpersonenkonstellationen zu bewahren und genau zu analysieren, zugunsten und zulasten welcher Personen Vermögen ab- bzw. zufließen soll. Dies zeigt die
Fortsetzung des Beispiels mit dem Zeitschriftenabo (→ Rn. 195):
B hat nämlich Drittbereicherungsabsicht zugunsten von Z. Denn der Vertrag, aus dem Z einen Anspruch auf Zahlung erwirbt, ist notwendige und daher von ihm beabsichtigte Voraussetzung für seinen eigenen Provisionsanspruch.
Zudem kommt ein Betrug mit Selbstbereicherungsabsicht gegenüber und zulasten von Z in Betracht, den B begeht, indem er den unterschriebenen Vertrag bei Z einreicht und dabei konkludent erklärt, dass der Vertrag nicht täuschungsbedingt (und damit anfechtbar) zustande gekommen ist.
Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung
Der erstrebte Vermögensvorteil muss rechtswidrig sein. Daran fehlt es, wenn der Täuschende einen privat- oder öffentlich-rechtlichen, fälligen und einredefreien Anspruch auf den Vermögensvorteil hat. Das ist inzident im Rahmen des Vorsatzes zu prüfen.
Hinweis: Diese Rechtswidrigkeit hat einen anderen Bezugspunkt als die – üblicherweise – unter dem Gliederungspunkt II. (vgl. Aufbauschema → Rn. 231) geprüfte Rechtswidrigkeit. Während sich die hier geprüfte Rechtswidrigkeit auf die Bereicherung bezieht, bezieht sich die unter II. geprüfte Rechtswidrigkeit auf die Tathandlung.
Die Bedeutung und die Probleme des Rechtswidrigkeitsmerkmals erschließen sich, wenn man sich seinen Bezug zum geschützten Rechtsgut vor Augen führt:
Hat der Täter einen Anspruch auf die erstrebte Vermögensposition, so führt die – auch täuschungsbedingte – Leistung des Getäuschten grundsätzlich zu dessen Erlöschen. Daher wird das Vermögen nicht verletzt – es wird zwar einerseits durch den Abfluss der Vermögensposition gemindert, andererseits aber auch durch die Befreiung von der Verbindlichkeit gemehrt.
Diese Überlegung kann erstens verdeutlichen, dass die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung nach der objektiven Rechtslage zu bestimmen ist und nicht nach der subjektiven Vorstellung des Täters. Die Rechtswidrigkeit ist ein objektives Tatbestandsmerkmal, das lediglich aufgrund der gesetzlichen Formulierung in der Regel im subjektiven Tatbestand geprüft wird.
Zweitens erscheint bei Rückbezug auf das geschützte Rechtsgut einleuchtend, dass der Betrug keine Vermögensverteilung schützen soll, die der materiellen Rechtslage widerspricht. Daher kann es weder auf die Werthaltigkeit noch auf die faktische Durchsetzbarkeit eines Anspruchs ankommen.
Beispiel: B gibt A ein Privatdarlehen in Höhe von 5.000 EUR mit einer Laufzeit von sechs Monaten und lässt sich den Erhalt dieses Betrages quittieren. Nach den sechs Monaten verlangt er das Geld zurück. A meint, er wisse von nichts. B stellt mit Erschrecken fest, dass er die Quittung nicht mehr findet. Wenn B nun beschließt, die Quittung zu fälschen, um damit seinen Anspruch durchzusetzen, ändert dieses Vorgehen nichts daran, dass der Vermögensvorteil, den er erlangen will, nicht rechtswidrig ist und er sich nicht wegen Betrugs strafbar macht, sondern allenfalls wegen Urkundenfälschung.
Drittens funktioniert der Gedanke, dass das Rechtsgut Vermögen nicht verletzt wird, wenn der Vermögensabfluss dem -zufluss entspricht, nur, soweit Abfluss und Anspruch sich decken, also kongruent sind. Das kann in zwei Konstellationen zu Problemen führen. Zum einen kann bereits fraglich sein, ob dem Täter ein Anspruch zusteht. Dies ist durch inzidente Prüfung des vorgelagerten Sachrechts zu beantworten.
Vertiefungshinweise: Ein Sonderproblem stellt sich bei den Herausgabeansprüchen aus § 861 BGB. Der possessorische Besitzschutz setzt nämlich eine materielle Berechtigung des Anspruchsinhabers gerade nicht voraus (§ 863 BGB), d. h. selbst ein Dieb, dem das Diebesgut in verbotener Eigenmacht weggenommen wird, kann es nach § 861 BGB herausverlangen. Daher führt – entgegen der herausgearbeiteten ratio des Rechtswidrigkeitsmerkmals – die täuschungsbedingte Vermögensverschiebung auch bei Bestehen eines solchen Anspruchs nicht zu einer materiell rechtmäßigen Vermögenszuordnung. Mit anderen Worten lässt ein Anspruch nach § 861 BGB die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung und damit die Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB nicht entfallen.
Zum anderen kann fraglich sein, ob der Täter den Anspruch durchsetzt, den er tatsächlich hat, oder nicht vielmehr einen anderen Anspruch auf dieselbe Leistung, der ihm tatsächlich nicht zusteht. In solchen Fällen ist auf die zivilrechtlichen Maßstäbe für die Erfüllung zurückzugreifen. Nur wenn die Leistung zum Erlöschen des tatsächlich bestehenden Anspruchs führt, entfällt die Rechtswidrigkeit.
Beispiel: Künstler K hat Schwierigkeiten mit der Buchhaltung. Er vergisst daher immer mal wieder, die Miete für sein Atelier zu bezahlen. Zudem ist er eher knapp bei Kasse. Als die vier Monatsmieten für September bis Dezember nicht bezahlt wurden, möchte Vermieter V, der um die Vergesslichkeit des K weiß, das für sich ausnutzen. Er behauptet gegenüber K, es sei seit August keine Miete mehr eingegangen. K glaubt das sofort, hat aber im Moment nicht die Mittel, um fünf Monatsmieten aufzubringen. Daher einigen sich K und V darauf, dass K zunächst nur vier Mieten zahlt und die fünfte im Verlauf des Jahres. K überweist die vier Monatsmieten und gibt als Verwendungszweck „Miete für die Monate August bis November“ an. V hat in dieser Konstellation tatsächlich einen Anspruch auf vier Monatsmieten, allerdings nicht für den Zeitraum August bis November, da die Augustmiete schon gezahlt ist. Angesichts der eindeutigen Tilgungsbestimmung kann die Zahlung auch nicht so verstanden werden, dass die Miete für Dezember getilgt werden soll. Daher führt die Zahlung insoweit nicht zum Erlöschen (§ 362 BGB) der Forderung. K erleidet einen Schaden und V strebt eine rechtswidrige Bereicherung an.
Klausurhinweis: Bei Anwendung des ökonomisch-juristischen Vermögensbegriffs der hM lassen sich diese Überlegungen ganz überwiegend schon im Merkmal des Vermögensschadens abbilden. Die Rechtswidrigkeit läuft dann als eigenständiger Prüfungspunkt weitgehend leer.
Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit
Als objektives Tatbestandsmerkmal muss die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung nach § 15 StGB vom Vorsatz umfasst sein. Dabei genügt auch Eventualvorsatz, der Täter muss also – auch wenn man den Wortlaut des § 263 Abs. 1 StGB anders verstehen könnte – die Rechtswidrigkeit nicht beabsichtigen, sondern sie nur für möglich halten und billigend in Kauf nehmen. Dabei kommt es – wie bei anderen normativen Tatbestandsmerkmalen auch – auf eine Parallelwertung in der Laiensphäre an. Zu fragen ist daher, ob der Täter die laienhafte Vorstellung hat, dass ihm der Vermögensvorteil von Rechts wegen zusteht und er ihn gerichtlich durchsetzen könnte oder ob er – umgekehrt – Zweifel am Bestehen eines Anspruchs hat und er ihn gleichwohl durch Täuschung erlangen will.
Mit diesem Ausgangspunkt ist auch der Umgang mit Fehlvorstellungen des Täters vorgezeichnet:
Wenn der erstrebte Vermögensvorteil tatsächlich objektiv rechtswidrig ist, der Täter aber von der Rechtsordnung anerkannten, gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf den Vorteil ausgeht, liegt ein Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 S. 1 StGB vor. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn sich der Täter „nach den Anschauungen der einschlägigen kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt“.
Geht der Täter dagegen davon aus, dass er keinen von der Rechtsordnung anerkannten Anspruch hat, obwohl ihm tatsächlich ein Anspruch zusteht, so ist darin ein untauglicher Versuch – und kein Wahndelikt – zu sehen.
Hinweis: Die oft verwendeten Kategorien Rechts-, Subsumtions- und Tatsachenirrtum führen bei normativen Tatbestandsmerkmalen in die Irre. Wenn der Täter im vorgelagerten Zivilrecht falsch subsumiert und daher einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch annimmt, liegt natürlich ein Rechts- und auch ein Subsumtionsirrtum vor. Er führt gleichwohl nicht zur Anwendung von § 17 StGB. Entscheidend muss stets sein, ob der Täter seiner Vorstellung nach das spezifische Unrecht des Betruges, sich mittels Täuschung etwas zu verschaffen, auf das er von Rechts wegen keinen Anspruch hat, verwirklicht.
Rechtswidrigkeit und Schuld
Im Rahmen von Rechtswidrigkeit und Schuld gibt es beim Betrug praktisch nie Probleme.
Versuch
Der Versuch des Betruges ist nach § 263 Abs. 2 StGB strafbar. Einzige Besonderheit ist, dass beim Betrug die sog. Teilverwirklichungsregel beim unmittelbaren Ansetzen nicht herangezogen werden kann: Nicht jede Täuschungshandlung des Täters markiert bereits den Versuchsbeginn, sondern erst „diejenige, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll.“
Täterschaft und Teilnahme
Es gelten die allgemeinen Regeln. Zu beachten ist, dass die Bereicherungsabsicht kein besonderes persönliches Merkmal gem. § 28 StGB ist. Daher muss zwar jeder (Mit-)Täter Bereicherungsabsicht haben. Bei Anstiftern und Gehilfen, die Vorsatz hinsichtlich der Bereicherungsabsicht des Haupttäters haben müssen, führt das Fehlen einer eigenen Bereicherungsabsicht aber nicht zu einer Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 StGB.
Strafzumessung
Bei der Strafzumessung sind insbesondere die Regelbeispiele aus § 263 Abs. 3 StGB zu prüfen, die einen besonders schweren Fall des Betruges indizieren. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass über den Verweis in § 263 Abs. 4 StGB auf § 243 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Fall ausscheidet, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht (dazu näher → § 2 Rn. 44 ff.). Zudem muss bei den objektiv formulierten Regelbeispielen stets auch daran gedacht werden, das aus § 15 StGB folgende subjektive Element zu prüfen.
Gewerbsmäßigkeit oder Mitgliedschaft in einer Bande (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB)
Zu diesen Merkmalen gilt das im Rahmen des Diebstahls Ausgeführte entsprechend (→ § 2 Rn. 37 ff.).
Vermögensverlust großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB)
Ein Vermögensverlust großen Ausmaßes wird in der Regel ab einem Vermögensschaden von 50.000 EUR angenommen (BGHSt 48, 360). Streitig diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Behandlung von gefährdungsbedingten Vermögensschäden. Die Rspr. nimmt – unter Verweis auf den Wortlaut von § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB („Verlust“) und die Binnensystematik (Alt. 2: „Gefahr des Verlusts“) – an, dass nur ein endgültiger Vermögensschaden das Regelbeispiel erfüllen könne. Geht man aber davon aus, dass ein gefährdungsbedingter Schaden ein „echter“ Vermögensschaden iSv § 263 Abs. 1 StGB ist, ergibt diese Argumentation aber wenig Sinn.
Absicht, durch die fortgesetzte Begehung von Urkundenfälschung und Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen (§ 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 StGB)
Hintergrund der zweiten Alternative von § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB ist die besondere Strafwürdigkeit von Massenbetrug. Das Regelbeispiel ist rein subjektiv ausgestaltet, wobei der Täter von Anfang eine große Zahl von Menschen, also natürliche Personen, durch mindestens zwei Taten („fortgesetzte Begehung“) in die Gefahr eines Vermögensverlusts bringen wollen muss. Streitig ist die Schwelle zur großen Zahl (wohl jedenfalls ab 50).
Hinweis: Der Streit um mehr oder minder willkürlich gegriffene Zahlen ist wenig fruchtbar, sodass er hier nicht näher ausgebreitet wird. In der Fallbearbeitung ist es sinnvoll, sich eine Schwelle zu suchen, mit der der Sachverhalt subsumiert werden kann, und mithilfe des Wortlauts („große“) und des Telos (Massenbetrug) zu argumentieren, warum jedenfalls ab dieser Schwelle eine große Zahl vorliegt oder jedenfalls bis zu dieser Schwelle noch nicht.
Auslösen wirtschaftlicher Not (§ 263 Abs. 3 Nr. 3 StGB)
Wirtschaftliche Not liegt vor, wenn die andere – auch juristische – Person in eine Mangellage gerät, aufgrund derer der notwendige Lebensunterhalt für sie oder Personen, denen sie unterhaltspflichtig ist, ohne Hilfe Dritter nicht mehr gewährleistet ist. Herrschend ist ein weites Verständnis, dass auch mittelbare Schäden erfasst. Damit können auch Personen, die nicht unmittelbar durch den Betrug geschädigt werden, „andere Person“ iSv § 263 Abs. 3 Nr. 3 StGB sein.
Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB)
Die Begriffe Amtsträger bzw. Europäischer Amtsträger sind in § 11 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 2a StGB definiert. Ein Missbrauch der Befugnisse liegt beim Handeln innerhalb der Zuständigkeit vor, ein Missbrauch der Stellung beim Handeln außerhalb der Zuständigkeit, wenn die mit dem Amt einhergehenden Möglichkeiten genutzt werden.
Vortäuschen Versicherungsfalls nach Herbeiführung eines Versicherungsfalls zu diesem Zweck (§ 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB)
Mit der letzten Nummer des § 263 Abs. 3 StGB sollen vor allem die umgangssprachlich als „warmen Sanierungen“ bezeichneten Fälle erfasst werden. Das Regelbeispiel ist zweiaktig aufgebaut: Auf einer Zerstörungshandlung des Täters oder auch eines Dritten (1.) muss eine Täuschungshandlung (2.) aufbauen.
Zerstörung einer Sache
Der Täter des Betruges oder auch ein Dritter (!) müssen zunächst eine Sache von bedeutendem Wert (jedenfalls ab 1.000 EUR, tw. schon ab 750 EUR angenommen) in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht haben. Die Begriffe entsprechen denen bei den Brandstiftungsdelikten (→ BT I § 33 Rn. 5 ff.). Die Sache muss aber – anders als in § 265 StGB – nicht versichert sein.
Dieser erste Akt muss bereits vollendet sein und der zweite Akt – also das Vortäuschen des Versicherungsfalls – muss bereits bezweckt sein. Fehlt es an dieser Zwecksetzung und wird die Zerstörung nur als günstige Gelegenheit ausgenutzt, ist das Regelbeispiel nicht erfüllt.
Vortäuschen des Versicherungsfalls
Der Betrugstäter muss mithilfe der Zerstörung einen Versicherungsfall vortäuschen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn gar nicht die zerstörte Sache, sondern eine andere Sache versichert war, und der Täter gleichwohl behauptet, die zerstörte Sache sei versichert gewesen. Ein Versicherungsfall wird nach hM aber auch dann vorgetäuscht, wenn der Anspruch aus der Versicherung nach § 81 Abs. 1 VVG ausgeschlossen ist. Das ist inzident zu prüfen.
§ 81 Abs. 1 VVG lautet: „Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.“
Mit Blick auf § 81 Abs. 1 VGG muss man wissen, dass der Versicherungsnehmer sich Handlungen Dritter, die seine Repräsentanten sind, zurechnen lassen muss. Repräsentant ist derjenige, dem die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag übertragen ist. Es geht um Konstellationen, in denen ein Dritter einen selbstständigen Geschäftsbereich selbstständig verwaltet (zB der angestellte Filialleiter eines Supermarkts).
Hinweis zum Prüfungsaufbau: Das Regelbeispiel bringt es mit sich, dass es in der Klausur praktisch immer zusammen mit Brandstiftungsdelikten geprüft werden muss und in aller Regel auch § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB zu untersuchen ist. Dabei ist es in der Regel sinnvoll, nur einen Tatkomplex zu bilden und § 263 StGB zwar nach §§ 306, 306a StGB zu prüfen, aber vor § 306b StGB, da so am ehesten Inzidentprüfungen vermieden werden.
Qualifikation § 263 Abs. 5 (Verbrechen)
Ist der Täter Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugs- bzw. Urkundenstraftaten verbunden hat, und handelt er gewerbsmäßig, greift die Qualifikation aus § 263 Abs. 5 StGB. Dabei handelt es sich um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). Auf eine Prüfung der Regelbeispiele aus § 263 Abs. 3 StGB kommt es dann nicht mehr an, da sie auf die Qualifikation keine Anwendung finden.
Konkurrenzen
Betrug und weitere durch dieselbe Handlung begangene Delikte (§ 52 StGB)
Betrug kann zusammen mit anderen Tatbeständen durch dieselbe Handlung begangen werden. Dabei besteht zu Nichtvermögensdelikten Idealkonkurrenz (zB zu den Urkundendelikte, die mehrere Betrugshandlungen auch verklammern können). Bei Vermögensdelikten ist zu differenzieren: Da der Betrug nach hM zu den Eigentumsdelikten schon tatbestandlich in einem Verhältnis der Exklusivität steht, stellt sich die Frage nach der Konkurrenz nicht. Schwierig ist das Verhältnis zu § 253 StGB. Überwiegend wird angenommen, dass eine Täuschung, die nur eine Drohung ermöglichen oder verstärken soll, entweder schon nicht nach § 263 StGB tatbestandlich ist oder der Betrug auf Konkurrenzebene zurücktritt. Umgekehrt soll Erpressung tatbestandlich ausscheiden oder zumindest im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten, wenn die Drohung nur der Effektuierung der Täuschung dient.
Im Leitfall liegt es wohl nahe, dass die Drohung des B, ein Mahnverfahren einzuleiten und A bei der Schufa eintragen zu lassen, keinen gegenüber der Täuschung selbstständigen Charakter hat und die Verwirklichung von § 253 StGB daher jedenfalls auf Konkurrenzebene durch die Verwirklichung von § 263 StGB verdrängt wird.
Betrug und weitere, durch eine andere Handlung begangene Delikte (§ 53 StGB)
Die Täuschungshandlung folgt einer anderen deliktischen Handlung nach
Täuscht der Täter lediglich, um einen schon durch eine andere Handlung (zB eine Wegnahme nach § 242 StGB) erlangten Vermögensvorteil zu sichern, fehlt mangels Verfügung und Schaden entweder schon der Tatbestand oder aber § 263 StGB tritt jedenfalls als mitbestrafte Nachtat zurück (sog. Sicherungsbetrug). Anders ist das, wenn die Täuschung zu einem weiteren Schaden führt bzw. Zufluss beim Täter führen soll. In diesem Fall kommt aber ggf. in Betracht, dass der Betrug die andere Handlung als mitbestrafte Vortat zurücktreten lässt.
Beispiel: Der Täter stiehlt bei IKEA eine Lampe. Als sie ihm nach zwei Wochen nicht mehr gefällt, bringt er sie zurück und behauptet, sie gekauft zu haben. Der Firmenpolitik folgend wird ihm der Kaufpreis gegen Rücknahme der Lampe erstattet. ME liegt es in dieser Konstellation nahe, dass der Diebstahl als mitbestrafte Vortat zurücktritt, da sonst derselbe wirtschaftliche Schaden – also der Wert der Lampe – doppelt bestraft würde.
Zu § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB besteht Tatmehrheit (wobei aber nur eine Tat im prozessualen Sinne gegeben ist).
Die Täuschungshandlung geht einer anderen deliktischen Handlung voraus
Der Betrug kann aber auch selbst Vortat sein. Dienen nachfolgende Handlungen nur noch der Verwertung desselben Vermögenswerts desselben Verletzten sind sie mitbestrafte Nachtaten und werden auf Konkurrenzebene verdrängt. Dies gilt aber nach hM nicht für das Verhältnis des Betruges zu nachfolgenden Eigentumsdelikten, da in diesem Fall ein anderes Rechtsgut verletzt wird. Daher ist Tatmehrheit zu § 246 StGB anzunehmen, wenn der Täter sich eine Sache, deren Besitz er durch Täuschung erlangt hat, anschließend zueignet. Anders ist das, wenn schon die Handlung, die den Betrug erfüllt, eine Zueignung darstellt, da nach hM eine wiederholten Zueignung nicht möglich ist und § 246 StGB daher schon tatbestandlich ausscheidet.
Hinweis: Eine ausführliche Darstellung der Konkurrenzen findet sich bei Saliger, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 263 Rn. 333 ff.
Prüfungsschema
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Täuschung über Tatsachen
Täuschungsgegenstand = Tatsachen
Täuschungshandlung
Ausdrückliche oder
konkludente Täuschung oder
Täuschung durch Unterlassung (→ Rn. 61)
dadurch Irrtum
dadurch Vermögensverfügung
Subjektiver Tatbestand
Vorsatz bzgl. der objektiven Tatumstände
Absicht stoffgleicher Eigen- oder Drittbereicherung
Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung
Vorsatz bzgl. der Rechswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung
Rechtswidrigkeit
Schuld
Besonders schwerer Fall
Strafantrag
Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
Strafantragserfordernis
Zu beachten sind die Strafantragserfordernisse aus §§ 263 Abs. 4, 247 (Haus- und Familienbetrug als absolutes Antragsdelikt) und §§ 263 Abs. 4, 248a (Betrug mit geringem Schaden als relatives Antragsdelikt).
Feststellung bei Betrugsserien
Im Originalfall, der dem Leitfall zugrunde liegt, verurteilte die erste Instanz den Angeklagten nur wegen versuchten Betruges, obwohl einige Personen die gestellten Rechnungen bezahlten. Hintergrund war, dass das Landgericht die Personen aus prozessökonomischen Gründen nicht als Zeugen vernehmen wollte und daher keine Feststellungen zum Irrtum treffen konnte. Der BGH hat die Not der Tatgerichte bei Betrugsserien mit teils vielen tausend Einzeltaten erkannt und hält es – gerade bei normativ geprägten Vorstellungsbildern bei Massengeschäften – für rechtlich unbedenklich,
„wenn sich das Gericht zur Feststellung des Irrtums nicht auf die Aussage eines oder mehrerer ausgewählter Zeugen stützt, sondern sich die Überzeugung vom Vorliegen betrugsrelevanter Fehlvorstellungen aufgrund äußerer Umstände und allgemeiner Erfahrungssätze verschafft.“
BGH NStZ 2019, 43 (Rn. 6 f.).
Einziehung
Erlangt der Täter oder ein Dritter durch den Betrug einen Vermögensgegenstand, so ist an die Tatertragseinziehung (§§ 73, 73b, 73c StGB) zu denken. Diese ist in der Staatsanwaltsklausur im prozessualen Gutachten zu erörtern und Einziehungsanträge sind – zumindest in manchen Bundesländern – in der Anklage anzukündigen.
Übungsfälle
Anfängerklausuren
Konhäuser/Lindemann, Anfängerklausur – Strafrecht: Eingehungs- und Erfüllungsbetrug – Schlichter Wein in teuren Flaschen, JuS 2011, 804
Gilles/Stiel, Anfängerhausarbeit – Strafrecht: Betrug – Günstig in die Anden, JuS 2017, 748
Fortgeschrittenenklausuren
Rehmet/Ströhle, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: Kontoeröffnungsbetrug, Computerbetrug, Überweisungsbetrug, JuS 2021, 338
Klesczewski/Schröder, „Maskendeal“, JA 2021, 917
Schmitt-Leonardy/Wenig, „Heidelheimer Betrügereien“, JA 2022, 560
Heger/Petzsche/Rixecker, „(Masken-)Geschäfte in Corona-Zeiten“, JA 2023, 558
Referendarexamensklausuren
Hütwohl, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Urkundendelikte und Notwehr – Der „Unrechtsanwalt“?, JuS 2017, 598
Wickel, „Die kriminellen Geschäftsführer“, JA 2019, 747
Großmann, Referendarexamensklausur – Strafrecht: Der gedopte Boxer, JuS 2021, 1054
Ibold, Strafrecht II, Beck’sches Examinatorium, Vermögensdelikte, 2021, Fälle 2 (G‘schichtn vom Tegernsee), 3 (Casanova 2.0), 6 (Wie gewonnen, so zerronnen)
Assessorexamensklausuren
Lubini, (Original-)Assessorexamensklausur – Strafrecht: Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft – Sofortkredit auf Raten, JuS 2021, 253
Dietsch, (Original-)Assessorexamensklausur – Strafrecht: In der Cloud überführt, JuS 2022, 254
Kulhanek, Original-Examensklausur: „Ein Taxifahrer auf Abwegen“, JA 2022, 58