Vorbemerkungen
Als das BGB in Kraft getreten ist, bewirkte die Eheschließung für die Frau eine erhebliche Schmälerung ihrer Handlungsmacht. Es galt in Deutschland zwar für alle die gleiche Rechtsfähigkeit (§ 1 BGB), doch im Verhältnis von Ehemann und Ehefrau endete die versprochene Gleichberechtigung schon wieder: Der Ehemann hatte ein Alleinentscheidungsmacht „in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten“ (§ 1354 BGB a.F.), sein Name war der Ehename (§ 1355 BGB a.F.), und es galt ein gesetzlicher Güterstand, in dem „das Vermögen der Frau durch die Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen [wird]“ (§ 1363 BGB a.F.). Dem Ehemann stand die Verwaltungsbefugnis über sämtliches Vermögen zu, und die Ehefrau bedurfte sowohl zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als auch zur Eröffnung eines Bankkontos der Zustimmung des Ehemannes. – Dieser aus heutiger Sicht eklatante Widerspruch zwischen § 1 BGB und dem patriarchalen Eherecht wurde erst schrittweise, vor allem nach Inkrafttreten des Grundgesetzes und Art. 3 Abs. 2 GG sichtbar. Aber auch danach hat es noch lange gedauert, bis sich die Überzeugung durchsetzte, dass Gleichberechtigung auch Gleichberechtigung in der Ehe bedeutet.
Beispielhaft für die Gegenargumentation: Neuhaus JZ 1952, 523: „M.E. könnte man … sagen, dass Art. 3 II … überhaupt nicht Ehe und Familie betrifft, dass er nur die Gleichberechtigung der Frauen als solcher meint, wo sie dieselben Funktionen wie Männer erfüllen, aber nicht in die Struktur spezieller Lebensverhältnisse eingreift, in denen sich ein Mann und eine Frau mit mehr oder weniger verschiedenen Funktionen gegenüberstehen.“ Eine Extremposition findet sich auch bei Wolf JZ 1973, 647, 649: „Ein ‚Grundsatz‘ des Inhalts, dass Männer und Frauen nur gleiche Rechte hätten, [ist] nicht möglich und [existiert] daher nicht…“
Nachzeichnung dieses Prozesses bei Duncker, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003 m.w.N.; zu den Eigentümlichkeiten von Emanzipationsprozessen Röthel JZ 2020, 645 ff.
Zu den allgemeinen Ehewirkungen gehört die eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB, unten I.) sowie die Möglichkeit eines Ehenamens (§ 1355 BGB, unten II. 1.) und die eheliche Unterhaltspflicht (§ 1360 BGB, unten II. 2.).
Zu den besonderen Ehewirkungen gehört das eheliche Vermögensrecht. Dies umfasst die Mitverpflichtung für Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB), die Besitz- und Eigentumsverhältnisse der Ehegatten (§ 1362 BGB) sowie das Güterrecht (§§ 1363 ff. BGB).
Eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB)
Ehe auf Lebenszeit (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB)
Eingefügt wurde § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB erst mit der Reform des Scheidungsrechts im Jahr 1977 (Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip). Es sollte verdeutlicht werden, dass aus der Ehe Solidarpflichten entspringen, die auch die Scheidung überdauern. Mit der jüngsten Unterhaltsreform aus dem Jahr 2008 (Gesetz vom 21.12.2007, BGBl. I 3189) ist die „Lebenszeitgarantie“ des Nachehelichenunterhalts aber bewusst aufgegeben und der Gedanke der Eigenverantwortlichkeit gestärkt worden (§§ 1569 S. 1, 1578b BGB). Dies steht in einem zunehmenden Spannungsverhältnis zu § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB.
Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB)
Die rechtlich bedeutsamste Verpflichtung, die die Ehegatten während bestehender Ehe aufgrund der Ehe füreinander haben, enthält § 1360 BGB: Die Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen. Daneben fungiert § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als Auffang- und Generalklausel, deren nähere Konkretisierung besondere Fragen aufwirft.
Denn was die Ehegatten als eheliche Lebensgemeinschaft verstehen und einander mit Eingehung der Ehe versprechen (wie viel Treue und Loyalität [„offene Zweierbeziehung“?], welches Lebens- und Rollenmodell – „homing“ oder „living apart together“ etc.), ist heute nicht mehr so selbstverständlich wie noch bei Inkrafttreten des BGB. Ausdruck dieses normativen Rückzugs ist die sukzessive Öffnung und Liberalisierung der §§ 1354, 1356 BGB (heute nur noch § 1356 BGB – nachlesen!). Gerade in der älteren Rspr. finden sich aber noch durchaus „starke“ Bekenntnisse für bestimmte Inhalte der Ehe, etwa die Verpflichtung zu Treue, Offenheit, Vertrauen und Rücksichtnahme (vgl. BGHZ 49, 155, 157; siehe auch RGZ 87, 56, 61).
Im Einzelnen ist zu unterscheiden (Schwab FamR Rn. 141 ff.):
Personale (nicht vermögensrechtliche) Ehepflichten sind jedenfalls nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG). Die Klage auf Herstellung der Lebensgemeinschaft hat damit eigentlich die Funktion einer Feststellungsklage (Appellfunktion). Sie verliert in der Praxis an Bedeutung. Ohnehin ist der Antrag unbegründet, wenn der Beklagte die Herstellung verweigern kann, weil die Ehe gescheitert (= zerrüttet, also scheidbar) ist, § 1353 Abs. 2 BGB.
Vermögensrechtliche Ehepflichten können sich bereits aus dem sonstigen Zivilrecht (etwa Schadensersatzpflicht bei Verletzung von Rechten und Rechtsgütern des anderen, § 823 BGB) oder aus besonderer gesetzlicher Anordnung (Unterhaltspflicht, § 1360 BGB) ergeben.
Die Begründung weitergehender vermögensrechtlicher (= durchsetzbarer!) Ehepflichten aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ist für Sie im Wesentlichen eine Argumentationsaufgabe. Vermögensrechtliche Ehepflichten werden – abgesehen von Unterhalt und Mitbenutzung von Hausrat und Wohnung – in zwei Fallgruppen ernsthaft für richtig gehalten:
Mitwirkung an der Steuererklärung
(BGH FamRZ 1977, 38, 40; FamRZ 1988, 143; FamRZ 2005, 182; FamRZ 2007, 1229): Eheleute M und F leben seit Mai 2005 getrennt. Das zu versteuernde Einkommen der F ist geringer als der Grundfreibetrag, sie lebt von Unterhaltszahlungen des M. F weigert sich, für den Veranlagungszeitraum 2004 eine gemeinsame Einkommensteuererklärung mit M abzugeben. Nachdem er sie mehrfach vergeblich zur Mitwirkung an der Erklärung aufgefordert hat, wählt M schließlich die getrennte Veranlagung und gibt seine Einkommensteuererklärung ab. Die Veranlagung des M wird durchgeführt, der Steuerbescheid bestandskräftig. M verlangt von F Ersatz desjenigen Betrags, um den die Steuer bei einer Zusammenveranlagung geringer ausgefallen wäre.
Hintergrund zur gemeinsamen Veranlagung:
Vgl. § 26 Abs. 1 Hs. 1 EStG: Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig … sind und nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind, können zwischen Einzelveranlagung (§ 26a) und Zusammenveranlagung (§ 26b) wählen.
§ 26b EStG: Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt.
§ 32a Abs. 5 EStG: Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer … das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren).
§ 268 AO: Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen … veranlagt worden sind, so kann jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 bei einer Aufteilung der Steuern ergibt.
§ 270 S. 1 AO: Die rückständige Steuer ist nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a EStG … ergeben würden.
Anspruch des M gegen F auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB?
Pflichtverletzung der F? Ehegatten sind zwar in steuerrechtlicher Hinsicht frei, ob sie zusammen oder getrennt veranlagt werden wollen (§ 26 EStG). Familienrechtlich kann jedoch eine Verpflichtung zur Zusammenveranlagung bestehen. Dies bejaht der BGH in st. Rspr.: Aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich für beide Ehegatten die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Ein Ehegatte ist daher verpflichtet, in die Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen Ehegatten vermindert, der mitwirkende Ehegatte aber keiner zusätzlichen Belastung ausgesetzt wird.
Dies ist der Fall: Durch die Zusammenveranlagung wäre F zwar der gesamtschuldnerischen Haftung für die Steuerschuld ausgesetzt worden (§ 26b EStG, § 44 AO), sie hätte aber nach §§ 268 ff. AO die Möglichkeit gehabt, die Vollstreckung gegen sie auf denjenigen Betrag zu beschränken, der sich ergibt, wenn die rückständige Steuer nach dem Verhältnis der Beträge aufgeteilt wird, die sich bei getrennter Veranlagung ergäben. F war daher zur Mitwirkung an einer gemeinsamen Einkommensteuererklärung verpflichtet (a.A. gut vertretbar, etwa mit dem Argument, dass die vermögensrechtlichen Pflichten der Ehegatten in den §§ 1360 ff. BGB abschließend bestimmt seien. Die Unterschiede sind auch gar nicht so groß: Denn durch die höhere Steuerlast mindert sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des M und dadurch auch dessen Leistungsfähigkeit, so dass die F letztlich zu ihrem eigenen Nachteil handelt).
Folgt man dem BGH, ist weiter zu prüfen: F hat durch ihre Weigerung vorsätzlich die Unmöglichkeit der Zusammenveranlagung herbeigeführt; für einen – nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden – Rechtsirrtum der F sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Rechtsfolge: F ist dem M zum Ersatz des aus der Pflichtverletzung resultierenden Schadens verpflichtet. Die Verpflichtung zu Schadensersatz wegen Verletzung einer aus dem ehelichen Lebensverhältnis resultierenden Pflicht verstößt, da es sich um vermögensmäßige Pflichten handelt, auch nicht gegen „das Wesen der Ehe“ (arg. § 120 Abs. 3 FamFG).
Der Schaden besteht in der Erhöhung der Steuerschuld. Dieser Schaden trifft M in voller Höhe, da ihm auch die Reduzierung in voller Höhe zugute gekommen wäre. Denn im Innenverhältnis der Ehegatten zueinander hat mangels anderweitiger Vereinbarung jeder Ehegatte für die Steuer, die auf seine Einkünfte anfällt, selbst aufzukommen. Die Steuerschuld ist in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem die Steuerschulden der Ehegatten bei getrennter Veranlagung zueinander stünden (vgl. § 270 AO). Da hier die gesamte Steuerschuld auf den Einkünften des M beruht, muss er auch im Innenverhältnis die Steuer in voller Höhe tragen, und umgekehrt kommen Steuervorteile allein ihm zugute. Er ist auch nicht verpflichtet, F daran partizipieren zu lassen, da der Splittingtarif die höhere Unterhaltslast ausgleichen soll und die Ersparnis daher demjenigen Ehegatten zugute kommen soll, der diese Unterhaltslast trägt.
Empfängnisvereinbarungen / Kind als Schaden
Beispiel (vgl. BGHZ 146, 391 ff.): M und F sind sich bei Beginn ihrer Ehe darüber einig, dass sie keine Kinder wünschen. Nach zwei Jahren überlegt F es sich anders und setzt die Pille ab, ohne dies M mitzuteilen. Am 15.9. wird K geboren. Die Ehe ist inzwischen zerrüttet, K lebt bei F. M verlangt von F Schadensersatz wegen des Kindesunterhalts, den er monatlich für K überweist. Er beruft sich darauf, dass F gegen ihre Vereinbarung verstoßen habe. F meint, die Vereinbarung sei nicht bindend.
Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB? Dazu müsste das zwischen F und M getroffene Einvernehmen über das Lebensmodell ein verpflichtendes und bindendes Schuldverhältnis darstellen. Dies ist streitig. Man kann bereits am Rechtsbindungswillen zweifeln (Einvernehmen gedacht als unverbindliche, situative Absprache; in diese Richtung Schwab FamR Rn. 128 f.). Der BGH hat argumentiert, dass Verhütung und Kinderwunsch keiner bindenden Vereinbarung zugänglich sind (BGHZ 97, 372, 379; 146, 391, 395 ff.; ähnlich Dethloff FamR § 8 Rn. 26: Bindung an Vereinbarungen in höchstpersönlichen Angelegenheiten könnte niemandem zugemutet werden). Andere sehen § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als Grundlage für eine entsprechende Verpflichtung: Die Verpflichtung zur Rücksichtnahme beinhalte auch die Verpflichtung, den anderen Teil darüber zu informieren, wenn man an der ursprünglichen Vereinbarung nicht mehr festhalten wolle (Gernhuber/Coester-Waltjen FamR § 18 Rn. 56). Nach einer dritten Auffassung wurzele die Mitteilungspflicht im ehelichen Vertrauensverhältnis, dessen Verletzung aber nicht vertragliche, sondern allein deliktische Ersatzansprüche auslöse (hierfür Looschelders JURA 2000, 169, 171 ff.: Anspruch gemäß § 826 BGB, wenn der getäuschte Ehegatte zum „Objekt“ für die Verwirklichung der fremden Lebensplanung degradiert wird).
Bejaht man eine Pflichtverletzung der F, wäre weiter zu prüfen: Vertretenmüssen der F (+), ersatzfähiger Schaden? M müsste beweisen, dass die Zeugung des K unterblieben wäre, wenn F ihn informiert hätte (jedenfalls [+], wenn die „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ gilt). Aber: Kann man den Unterhalt für ein Kind als ersatzfähigen Schaden ansehen? In der zivilgerichtlichen Rspr. (BGHZ 76, 249, 253) wurde die Ersatzfähigkeit von Unterhaltsaufwand grundsätzlich bejaht. Dagegen wandte sich der Zweite Senat des BVerfG im sog. Schwangerschaftsabbruch-Urteil und führte aus, dass die Rspr. der Zivilgerichte zu „Kind als Schaden“ zu überprüfen sei, da es die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt sei, jeden Menschen um seiner selbst willen zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 GG; BVerfG NJW 1993, 1751, 1764). In einer späteren Entscheidung hat der Erste Senat des BVerfG (BVerfGE 96, 375 ff.) die Rspr. der Zivilgerichte ausdrücklich als verfassungsgemäße Rechtsfortbildung gebilligt. Tragender Gedanke war, dass die Gewährung von Schadensersatz nicht die personale Anerkennung des Kindes in Frage stelle. Im Übrigen zeigten die §§ 844, 845 BGB, dass Unterhaltsansprüche ausnahmsweise einen ersatzfähigen Schaden darstellen können. Die Abweichung von der Entscheidung des Zweiten Senats war möglich, da es sich nicht um tragende Urteilsgründe handelte (obiter dicta; siehe die Auseinandersetzung in BVerfGE 96, 375 ff.). Seither gilt: Nicht das Kind als solches kann einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wohl aber der Unterhaltsaufwand (BGHZ 124, 128 ff.; 129, 178 ff.).
Soweit nach den vorstehenden Überlegungen der Unterhaltsaufwand grundsätzlich als ersatzfähiger Schaden angesehen wird, soll dies z.T. nur im Verhältnis zu Dritten (z.B. Ärzte nach pflichtwidrig unterlassener Aufklärung oder fehlgeschlagenem Schwangerschaftsabbruch; dazu BGHZ 143, 389, 393 m.w.N.), nicht aber im Verhältnis zu einem Elternteil (hier die Mutter) gelten. So etwa Gernhuber/Coester-Waltjen FamR § 18 Rn. 57, weil dies mit den Wertungen des gesetzlichen Unterhaltsrechts nicht vereinbar sei. Genauso BGHZ 76, 249, 257 ff. „aus Gründen des Kindeswohls“, weil dann letztlich das Kind für eine Pflichtverletzung der Mutter „büßen“ müsse. Gegenargumente: Kinder sind auch sonst nicht davor geschützt, dass ihre Eltern sich schadensersatzpflichtig machen; außerdem bedeutet es keinen Unterschied, ob Unterhaltsansprüche an Vermögensverhältnissen scheitern (keine Leistungsfähigkeit) oder wegen Schadensersatzpflichten zu begrenzen sind.
Beachte: Der Problemkreis „Kind als Schaden“ betrifft in erster Linie die Frage, ob Eltern den Unterhaltsaufwand für ein Kind von Dritten (Arzt, Krankenhausträger, Versicherung) verlangen können. Anspruchsgrundlage ist dann § 280 Abs. 1 BGB.
Faustformel: Der Anspruch besteht, wenn der Behandlungs- und Beratungsvertrag vor dieser wirtschaftlichen Belastung schützen sollte (Schutzzweck der Norm!, regelmäßig Schwerpunkt der Argumentation). Ist der Behandlungsvertrag auf den Abbruch einer Schwangerschaft gerichtet, bejaht die Rspr. Ansprüche nur, wenn der Schwangerschaftsabbruch nicht nur straflos, sondern auch rechtmäßig gewesen wäre.
Gestattung der Mitbenutzung von Haushaltsgegenständen und Wohnung
Nach allg. Meinung folgt unmittelbar aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB die Verpflichtung, dem anderen Ehegatten die Mitbenutzung von Haushaltsgegenständen und der Ehewohnung zu gestatten, auch wenn ein Ehegatte Alleineigentümer ist (vgl. BGHZ 12, 380, 399 f.; 73, 253, 257).
Beispiel: M und F sind verheiratet. Im Streit entfernt F sein Geschirr aus der Küche und schließt es in seinem Auto ein. Ansprüche der M? – Einräumung von Mitbesitz, sowohl gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als auch gemäß § 861 BGB.
In der Praxis geht es während bestehender Ehe aber nicht um diesen Anspruch auf Gestattung der Mitbenutzung selbst: Streit entsteht darüber zumeist erst, wenn die Ehe scheitert. Dann bestehen eigene Regeln über die Verteilung von Haushaltsgegenständen und der Ehewohnung (§§ 1361a, 1361b, 1568a, b BGB). – Während der Ehe ist nur bedeutsam, zu welchen Besitzverhältnissen die Gestattung der Mitbenutzung führt.
Beispiel: M und F sind verheiratet. F bringt eine Uhr in den gemeinsamen Haushalt ein. Die Uhr steht in einem Schrank zur gemeinsamen Benutzung. Wie ist die Besitz- und Eigentumslage?
F ist nach wie vor Alleineigentümerin der Uhr und ihre unmittelbare Besitzerin. Zweifelhaft war früher die Besitzposition des M. Zum Teil wurde angenommen, der nicht-Eigentümer-Ehegatte (hier M) sei lediglich Besitzdiener. Indes würde dadurch die Ehe einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis gleichgestellt. Diese Auffassung überwand der BGH bereits in den Anfangsjahren seiner Rechtsprechung: Vielmehr sei auch M als unmittelbarer Besitzer anzusehen, weil er genauso wie F die tatsächliche Sachherrschaft über die Uhr hat. Beide sind also unmittelbare Mitbesitzer. Allerdings resultiert der unmittelbare (Mit-)Besitz des M auf einer Gebrauchsüberlassung durch F als Ausdruck der ehelichen Lebensgemeinschaft. Dies wird als ein kraft Gesetzes entstandenes Besitzmittlungsverhältnis angesehen (BGHZ 12, 380, 399 f.). Der Nicht-Eigentümer-Ehegatte ist daher berechtigter unmittelbarer Besitzer (Besitzmittler), und der Eigentümer-Ehegatte ist nicht nur unmittelbarer Mitbesitzer, sondern auch mittelbarer Besitzer: „Aus der Besitzberechtigung [§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB] folgt, dass der mitbesitzende Nichteigentümer dem Eigentümer den Besitz vermittelt; der Eigentümer ist insoweit auch mittelbarer Besitzer i. S. von § 868 BGB“ (BGHZ 73, 253, 257).
Aus der Anerkennung eines gesetzlichen Besitzmittlungsverhältnisses folgt zugleich, dass eine Übereignung von Hausrat und Wohnung, die weiterhin in beiderseitigem Mitbesitz stehen sollen, an den Nichteigentümer gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB erfolgen kann:
Fortsetzung Beispiel: F möchte die Uhr M schenken. Was ist zu tun?
Zum Vollzug der Schenkung bedarf es in jedem Fall einer dinglichen Einigung (§ 929 S. 1 BGB). In Bezug auf die Übergabe kommt es darauf an: Hat M lediglich Sachherrschaft, aber noch keinen Besitz (unwahrscheinlich), genügt eine auf den Besitzerwerb gerichtete Einigung (§ 854 Abs. 2 BGB). Ist M indes bereits (Mit-)Besitzer, etwa weil sich die Uhr im gemeinsam benutzten Wohnzimmer befindet, ist die Übergabe entbehrlich gemäß § 929 S. 2 BGB. Hat M weder Sachherrschaft noch Besitz an dem Erwerbsgegenstand, etwa wenn es sich um Gegenstände des persönlichen Gebrauchs handelt (Uhr befindet sich in der von F verschlossenen Vitrine im Arbeitszimmer der F), wird die Übergabe ersetzt durch das aus der ehelichen Lebensgemeinschaft resultierende Besitzmittlungsverhältnis (s.o., § 930 BGB): Nunmehr mittelt der Veräußerer (F) dem Erwerber (M) den Besitz. – Unabhängig davon, ob die Übergabe auf § 854 Abs. 2 BGB oder auf § 930 BGB gestützt wird oder nach § 929 S. 2 BGB entbehrlich ist, ist jedenfalls keine Bewegung der Sache erforderlich, um einen Eigentumswechsel herbeizuführen!
Fazit: Gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB hat jeder Ehegatte Anspruch auf Gestattung der Mitbenutzung und damit auf Einräumung von Mitbesitz. Wird die Mitbenutzung gestattet, sind beide (unmittelbare) und berechtigte Mitbesitzer; zusätzlich ist der Eigentümer auch mittelbarer Besitzer.
Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft („deliktischer Schutz der Ehe“)
Zweifelhaft ist, ob die Verletzung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu deliktischen Schadensersatzansprüchen führen kann. Dabei wird unterschieden zwischen Ansprüchen der Ehegatten untereinander (unten a) und Ansprüchen gegen Dritte (unten b).
Beispiel: Ehegatten M und F leben seit fünf Jahren in ihrer gemeinsamen Ehewohnung. Eines Tages gesteht M dem F, dass er einen neuen Partner N hat, den er in die Wohnung aufnehmen will, was auch geschieht. F verlangt, dass M und N ihre Beziehung aufgeben. N soll die Wohnung verlassen und auch nicht mehr dorthin zurückkehren dürfen. Bis dahin werde F in ein Hotel ziehen. Die Hotelkosten verlangt er ebenfalls erstattet. Ansprüche gegen M und N?
Ehebezogene Ansprüche gegen den anderen Ehegatten
Für deliktische Rechtsgutsverletzungen haften die Ehegatten einander grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln, d.h. auch gemäß §§ 823 ff. BGB.
Beispiel: Im Streit wirft F dem M ein Buch an den Kopf. M erleidet eine Gehirnerschütterung. Die Behandlungskosten kann M von F ersetzt verlangen.
Einzige Besonderheit ist die Haftungsprivilegierung aufgrund § 1359 BGB (lesen!, siehe § 277 BGB, Grenze: grobe Fahrlässigkeit). Sie beruht auf dem Gedanken, dass man den ausgewählten Ehepartner „nehmen muss, wie er ist“. Die Vorschrift gilt unstreitig auch für deliktische Ansprüche, jedenfalls für Körperverletzungen und Sachbeschädigungen, die sich im häuslichen Bereich ereignen (BGHZ 63, 51, 57 f., st. Rspr.). Dahinter steht das Bestreben, dem geschädigten Ehegatten Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des schädigenden Ehegatten zu erhalten. Auch soll der familiäre Frieden nicht mit gegenseitigen Haftungsansprüchen belastet werden (zweifelhaft).
Beispiel nach BGH JuS 2009, 763: M und F sind verheiratet. Sie verbringen ihren Urlaub am Gardasee. Am 10.8.2001 fahren sie mit C auf dessen Motorboot zum Wasserskifahren auf den See hinaus. Als die F ihre Wasserskifahrt beenden will und auf das Motorboot zu schwimmt, drückt M nach einem zu späten Warnruf des C beide Gashebel nach vorne. Da sich – was M nicht wusste – beide Getriebehebel in Rückwärtsposition befanden, fuhr das Boot nicht wie beabsichtigt nach vorne, sondern nach hinten. Dadurch geriet die F in die Schiffsschraube und verletzte sich schwer. C wurde wegen Verletzung seiner Verkehrspflichten zu Schadensersatz an die F verurteilt. Jetzt verlangt er von M, ihn in Höhe von 80 % freizustellen.
AGL § 426 BGB, Anspruch auf Freistellung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs? Die Gesamtschuldnerschaft könnte hier auf § 840 BGB beruhen. Allerdings könnte M gemäß § 1359 BGB von der Haftung freigestellt sein. Hier fällt dem M lediglich ein leicht fahrlässiger Sorgfaltsverstoß zur Last (sog. „Augenblicksversagen“, so die Instanzgerichte). Anwendbarkeit des § 1359 BGB? Der BGH führt dazu aus, dass § 1359 BGB nicht nur für Verpflichtungen aus dem ehelichen Güter- oder Unterhaltsrecht gilt, sondern für alle Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Lebensverhältnis ergeben. Dazu könnten auch Verpflichtungen im Rahmen der Freizeitgestaltung (hier: Sportausübung) gehören. Allerdings soll dieselbe Einschränkung wie im Rahmen von § 277 BGB gelten: Bei der Teilnahme am Verkehr entlastet der Hinweis auf eigenübliche Sorgfalt nicht. Hier schuldet der Ehegatte dem anderen Ehegatten wie jedem Dritten die im Verkehr übliche Sorgfalt. Der Straßenverkehr, so die Begründung des BGH, lasse keinen Spielraum für individuelle Sorgfalt (BGHZ 53, 352, 355 f.; 61, 101, 104 f.). Diese Einschränkung gelte, dies ist das neue der Entscheidung, auch für den Motorschiffverkehr. Fazit: M haftet, und C kann von M Ausgleich (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB, Freistellung) verlangen.
Im Folgenden soll es nicht um diese allgemeinen deliktischen Ansprüche gehen, sondern darum, ob auch die Verletzung der Ehe, d.h. die eheliche Lebensgemeinschaft i. S. des § 1353 BGB, deliktisch geschützt ist und Anspruch auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB), Unterlassung und Beseitigung (§ 1004 BGB analog) nach sich zieht.
Anspruch auf Unterlassung „treuwidrigen“ Verhaltens?
Ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Ziel, den Ehegatten auf Unterlassung treuwidrigen Verhaltens zu verpflichten, setzt voraus, dass die Ehe als absolutes Recht und damit als deliktisch geschütztes Rechtsgut angesehen wird. Dies wird von den sog. absoluten Ehelehren bejaht (Ehe = absolutes Recht i. S. von §§ 823, 1004 BGB). Dagegen spricht die herkömmliche Vorstellung von absoluten Rechten als Beherrschungs- und Ausschließungsrechten. Diese Vorstellung passt auf die Ehe nicht: Die Ehe ist das, was beide Ehegatten einvernehmlich verwirklichen und daher ein rein innerehelicher Vorgang. Sie kann weder gegen den anderen Ehegatten noch gegen Dritte geschützt werden, wenn ein Ehegatte sie nicht verwirklichen will. Für einen nur relativen Schutz der Ehe auch BGHZ 23, 279, 281.
Anmerkung: Auch nach den absoluten Ehelehren ist die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG). Es besteht im Ergebnis Einigkeit, dass die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft weder über § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB noch über einen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch erzwungen werden kann.
Eine Ausnahme hat der BGH für den sog. räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe gemacht (BGHZ 6, 360, 364 ff.):
Aus dem rein persönlichen Bereich der Ehe „bildet sich jedoch in der Ehe regelmäßig ein anderer räumlich-gegenständlich bestimmter Bereich, der die äußere Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben abgibt und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll. ... Zu dem äußeren Bereich ... gehört vor allem die Ehe- und Familienwohnung.“
Daraus folge ein Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Entfernung des Dritten aus der Ehewohnung (analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB) und gegen den Dritten auf Unterlassung weiterer Störungen. Der Anspruch sei auch vollstreckbar, da es nicht um die Erfüllung ehelicher Pflichten gehe, sondern um die „Aufrechterhaltung der äußeren Grundlage der Ehe, an der sowohl ein öffentliches (?) als auch ein persönliches Interesse des an der Ehe festhaltenden Ehepartners bestehe, solange die Ehe nicht geschieden sei.“
Hinweis: Der BGH musste damals deshalb so entscheiden, weil die Ehefrau zunächst nicht als Besitzerin einer dem Mann gehörenden Ehewohnung angesehen wurde, sondern nur als Besitzdienerin. Daher standen ihr auch keine Besitzschutzansprüche zu. Dies hat sich indes inzwischen geändert. Das Klageziel – Entfernung der störenden Dritten – kann bereits als Besitzschutz (§§ 861, 1004 BGB) verwirklicht werden. Der Umweg über einen quasinegatorischen Schutz des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ ist daher heute nicht mehr erforderlich; so etwa Löhnig JA 2004, 611, 614 f.
Klausurhinweis: Beginnen Sie mit Ansprüchen aus allgemeinem Besitzschutz; danach können Sie den deliktischen Schutz des „räumlich-gegenständlichen Bereichs“ der Ehe vergleichsweise kurz abhandeln, etwa: „Zu demselben Ergebnis gelangt der BGH, indem er das Begehren der F auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB stützt und den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe als deliktisch geschütztes Rechtsgut anerkennt...“. – Im Ergebnis besteht also ein vollstreckbarer Anspruch gegen den Ehegatten (auch genauso gegen den Dritten) gerichtet auf Verweisung des Dritten aus der Ehewohnung.
Anspruch auf Schadensersatz wegen treuwidrigen Verhaltens?
Schadensersatzansprüche gegen den Ehegatten können sowohl auf §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 280 BGB gestützt werden (Verletzung von Pflichten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, dazu bereits oben, 2.) als auch auf § 823 Abs. 1 BGB, wenn man die Ehe als Recht oder Rechtsgut i. S. von § 823 Abs. 1 BGB ansieht. Dies ist streitig. Gegen einen deliktischen Schutz der Ehe spricht abermals die Einsicht, dass die Ehe das ist, was beide einvernehmlich verwirklichen (siehe vorstehend, aa). Dies ist auch der Standpunkt des BGH: Schadensersatzpflichten kämen praktisch einer Strafe für ehewidriges Verhalten gleich und würden zu einer Umgehung von § 120 Abs. 3 FamFG führen. Auch im Hinblick auf die Verletzung des räumlich-persönlichen Bereichs der Ehe (oben aa) verneint der BGH Schadensersatzansprüche (st. Rspr. seit BGHZ 23, 215, 221).
Siehe auch BGHZ 196, 207 ff.: Kein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB gegen die geschiedene Ehefrau wegen Ehebruchs und Verschweigen der Nichtvaterschaft eines Kindes. – Der BGH hat allerdings eine Auskunftsverpflichtung der Mutter gemäß § 242 BGB für möglich gehalten; dazu noch unten, C.
Weitergehend wurde im Schrifttum angenommen, dass eine Verpflichtung des anderen Ehegatten zu Schadensersatz bestehe, soweit nicht das Bestandsinteresse, sondern lediglich das Abwicklungsinteresse betroffen ist (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen FamR § 17 Rn. 10 f.), etwa Scheidungs-, Detektiv- und Unterbringungskosten. Dagegen spricht, dass auf diesem Weg über die Hintertür das Verschuldensprinzip wieder Einzug halten würde in das Scheidungsfolgenrecht (vgl. BGHZ 57, 229, 233).
Ehebezogene Ansprüche gegen Dritte
Anspruch auf Unterlassung von Ehestörungen
Der BGH entscheidet hier genauso wie gegenüber dem anderen Ehegatten und lehnt Ansprüche mangels Absolutheit der Ehe ab (BGHZ 57, 229, 232). Ansonsten fehlt es jedenfalls an der Vollstreckbarkeit (§ 120 Abs. 3 FamFG). Anders hat der BGH in Bezug auf die Wohnung entschieden (Verletzung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe) und einen Anspruch gegen den Dritten auf Entfernung (!) aus der Ehewohnung (analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB) bejaht (BGHZ 6, 360, 365 ff., dazu bereits oben, a).
Anspruch auf Schadensersatz wegen Ehestörungen
Die Argumentation ist ähnlich wie oben, a) bb): Der BGH lehnt deliktische Schadensersatzansprüche mangels eines absoluten Schutzes der Ehe ab, und zwar auch wenn der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe verletzt wurde.
Lösung des Eingangsbeispiels: Ansprüche des F gegen M
a) gerichtet auf Aufgabe der Beziehung zu N (Unterlassung ehewidrigen Verhaltens): sog. Eheherstellungsklage (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB), zwar an sich möglich, etwa gerichtet auf Mitarbeit im Haushalt (§ 1356 BGB) oder Unterrichtung über Vermögensverhältnisse, aber grundsätzlich bzgl. der personalen Ehepflichten nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG), hier außerdem schon wegen § 1353 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, da die Ehe gescheitert ist. Folgt man der Vorstellung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft als absolutes Recht geschützt ist, könnte sich ein entsprechender Unterlassungsanspruch auch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben, wäre aber ebenfalls jedenfalls nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG).
b) gerichtet auf Entfernung des N aus der Ehewohnung (§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog)? Denkbar, wenn man mit dem BGH annimmt, dass der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe absolut geschützt ist (BGHZ 6, 360, 364 ff.). Darauf könnte ein Anspruch gegen den Ehegatten gestützt werden, darauf hinzuwirken, dass N sich nicht mehr in der Wohnung aufhält.
c) gerichtet auf Ersatz der Hotelkosten: Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB? Nach Auffassung des BGH (-), da das Familienrecht die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe abschließend regelt (BGHZ 23, 215 ff.). Das Meinungsbild im Schrifttum ist differenziert: z.T. sollen nur Ansprüche gegen den Dritten, nicht aber gegen den Ehegatten bestehen, z.T. wird zwischen Verletzung von Bestandsinteressen (nicht ersatzfähig) und der Verletzung von Abwicklungsinteressen (ersatzfähig, etwa Detektiv-, Anwalts- und Unterbringungskosten) unterschieden. Hier würden die Hotelkosten zu den Abwicklungskosten zählen (Sie müssen sich also für eine Auffassung entscheiden).
Ansprüche des F gegen N
a) gerichtet auf Aufgabe der Beziehung (Unterlassung „ehewidrigen“ Verhaltens) gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB (-), richtet sich nur gegen den Ehepartner; §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nach Auffassung des BGH (-), da die Ehe ein rein innerehelicher Vorgang ist, s.o.
b) gerichtet auf Räumung der Ehewohnung (+) gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB (wegen Verletzung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe), s.o.
c) gerichtet auf Ersatz der Hotelkosten: nach Auffassung des BGH (-), da die Pflicht zur ehelichen Treue nicht von einem Dritten verletzt werden könne; nach a.A. (+) als ersatzfähiges Abwicklungsinteresse (alles gut vertretbar).
Auskunftsansprüche des Scheinvaters
Wird ein Kind geboren, dessen Mutter verheiratet ist, gilt der Mann, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, als Vater des Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB). Stellt sich später heraus, dass der Ehemann in Wahrheit gar nicht der biologische Vater ist, kann der Scheinvater von dem wahren Vater Regress für den an seiner Statt geleisteten Unterhalt verlangen.
Zur Erläuterung: Gemäß § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB geht der Anspruch des Kindes gegen den wahren Elternteil auf denjenigen über, der an seiner Statt Unterhalt geleistet hat. Ausnahmsweise besteht in diesen Fällen ein Anspruch des Kindes auf Unterhalt für die Vergangenheit. Dies folgt aus § 1613 Abs. 2 Nr. 2 lit. b BGB: Das Kind ist aus rechtlichen Gründen gehindert, Unterhalt von dem „wahren“ biologischen Vater zu verlangen, solange noch der Ehemann der Mutter als Vater gilt.
Dieser Regressanspruch setzt allerdings voraus, dass der Scheinvater weiß, wer der „wahre“ Vater ist. Dann stellt sich die Frage, ob die Mutter zur Auskunft verpflichtet ist und für ihre Nicht-Auskunft ggf. Schadensersatz schuldet.
Beispiel (nach BGHZ 196, 207 ff.): M und F haben im Jahr 1961 geheiratet. Im Jahr 1966 wird J geboren. Im Scheidungstermin am 21.6.1968 räumt F ein, dass sie „ehewidrige Beziehungen“ zu einem anderen Mann unterhalten hat. Im Jahr 2010 lässt M gerichtlich feststellen, dass er nicht der Vater des J ist. Weil F nicht offenbart, wer als Vater in Betracht kommt, verlangt M von F Schadensersatz in Höhe des für J geleisteten Unterhalts (insgesamt 40.000 €). Zu Recht?
Der BGH sagt zunächst nein: keine Schadensersatzpflicht der F gegenüber M wegen der „ehewidrigen Beziehungen“ („rein innerehelicher Vorgang“). Es ist kein von § 823 BGB geschütztes Rechtsgut verletzt. § 826 BGB nur in Extremfällen denkbar (hier abgelehnt). Aber: „Die Mutter ist nach Anfechtung der (ehelichen) Vaterschaft grundsätzlich verpflichtet, ihrem (geschiedenen) Ehemann Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat.“ Der BGH stützte den Auskunftsanspruch auf Treu und Glauben i.V. mit der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB). – Darin sah BVerfGE 138, 377 ff. eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung: „Auf eine privatrechtliche Generalklausel lässt sich eine verfassungsrechtlich schwerwiegende Belastung eines Beteiligten umso weniger stützen, je weniger sich im einfachgesetzlichen Umfeld Anknüpfungspunkte dafür finden lassen“ (Rn. 41). Denn das allg. Persönlichkeitsrecht schützt auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Die gerichtliche Verpflichtung der Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt. – Diese Anspruchsgrundlage sollte mit § 1607 Abs. 4 BGB i.d.F. des RegE vom 2.9.2016 geschaffen werden: „Die Mutter des Kindes ist verpflichtet, dem Dritten, der dem Kind als Vater Unterhalt gewährt hat, auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat, soweit dies zur Feststellung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Die Verpflichtung besteht nicht, wenn und solange die Erteilung der Auskunft für die Mutter des Kindes unzumutbar wäre.“ Diese Vorschrift ist allerdings in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr Gesetz geworden; für eine Kritik siehe Frank FamRZ 2017, 161 ff.
Weitere allgemeine Ehewirkungen (Überblick)
Ehename (§ 1355 BGB)
Zur Vertiefung: Coester-Waltjen JURA 2007, 586 ff.
Nach der ursprünglichen Fassung des BGB wurde der Name des Ehemannes automatisch der Ehename und damit auch der Name der Ehefrau. Dies ist heute anders, lies § 1355 Abs. 1 BGB.
Exkurs: Das BGB von 1900 sah zwingend bei der Eheschließung eine Namenseinheit der Ehegatten vor, weil dies „eine natürliche Folge der Innigkeit und ... der ehelichen Lebensgemeinschaft“ sei. Genauso „natürlich“ war damals, dass dies nur der Name des Mannes sein könne: „Die Stellung des Ehemannes bringt es mit sich, dass die Ehefrau den Familiennamen des Mannes erhält“ (jeweils Motive IV, 106). – Heute können die Ehegatten selbst bestimmen, ob sie einen gemeinsamen, also einen Ehenamen wünschen. Ein letzter Rest an gesetzlichem Leitbild ist nur noch darin enthalten, dass die Ehegatten einen gemeinsamen Familiennamen bestimmen „sollen“ (§ 1355 Abs. 1 S. 1 BGB), anders übrigens für eingetragene Lebenspartner: Nach § 3 Abs. 1 S. 1 LPartG „können“ Lebenspartner einen Lebenspartnerschaftsnamen bestimmen.
Zwei Dinge sind heute noch bedeutsam: Zum Ehenamen kann ein Geburtsname (§ 1355 Abs. 6 BGB) oder ein Name, den ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung führt (z.B. aus einer früheren Ehe, siehe auch § 1355 Abs. 4 BGB), bestimmt werden (§ 1355 Abs. 2 BGB). Ein Ehegatte, dessen Name nicht Ehename wird, kann dem Ehenamen seinen Geburtsnamen oder den zu dieser Zeit geführten Namen voranstellen oder anfügen (§ 1355 Abs. 4 BGB).
Beispiel: F. Müller, geb. Meier, heiratet M. Moritz, geb. Schulze. M und F einigen sich darauf, dass Ehename der Name „Müller“ sein soll. Wie kann M sich nennen? – Müller-Moritz, Moritz-Müller, Schulze-Müller, Müller-Schulze oder nur Müller.
Im Interesse der Klarheit und aus Praktikabilitätsgründen sollen durch Anfügung von Begleitnamen aber höchstens Doppelnamen, keine Namensketten entstehen (§ 1355 Abs. 4 S. 2 BGB; verfassungsgemäß nach BVerfGE 123, 90 ff.).
Die Wahl des Ehenamens erfolgt durch zwei inhaltlich übereinstimmende (nicht: gegenläufige) Erklärungen. Sie sind „gegenüber“ dem Standesamt abzugeben (§ 1355 Abs. 2 BGB; anders § 1310 Abs. 1 S. 1 BGB: Erklärung „vor“ dem Standesbeamten). Erklärungsempfänger ist also der Standesbeamte, nicht der andere Ehegatte.
Diese Erklärungen werden überwiegend nicht als privatrechtliche Willenserklärungen angesehen, sondern entweder als Willenserklärungen des öffentlichen Rechts oder als verfahrensrechtliche Handlungen (vgl. Staudinger/Voppel § 1355 Rn. 41, 46 f.). Sie sind jedenfalls nach h.M. unwiderruflich und unanfechtbar:
Beispiel: M. Meier und F. Fritz erklären anlässlich ihrer Eheschließung, dass „Meier“ der gemeinsame Familienname sein soll. Als der F. einige Monate später im Telefonbuch entdeckt, dass es in ihrer Stadt 30 F. Meier gibt, will er seine Namenserklärung rückgängig machen. Ist das möglich?
Denkbar wäre eine Anfechtung, etwa gemäß § 119 Abs. 2 BGB (Häufigkeit des Namens als wesentliche Eigenschaft). Dies scheitert nach allg. Meinung daran, dass Erklärungen über die Namenswahl nicht anfechtbar sind (Staudinger/Voppel § 1355 Rn. 47; Coester-Waltjen JURA 2007, 586, 588 m.w.N.). Dies ergibt sich auch im Gegenschluss aus der besonders geregelten Widerrufsbefugnis für die Wahl des Begleitnamens (§ 1355 Abs. 4 S. 4 BGB). Eine solche Widerrufsbefugnis ist für die Wahl eines Ehenamens allerdings nicht vorgesehen. Aus diesem Grund wird auch eine Namensänderung (§ 3 NamÄndG, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes) abgelehnt: Aus § 1355 Abs. 2 BGB ergebe sich, dass die Wahl des Ehenamens als endgültig anzusehen sei. § 3 NamÄndG solle nicht dazu dienen, die Wahl eines Ehenamens während bestehender Ehe zu korrigieren; anders für die Namensänderung von Kindern).
Familienunterhalt (§ 1360 BGB)
Ausdruck der ehelichen Lebensgemeinschaft ist die gegenseitige Verpflichtung der Ehegatten, durch ihre Arbeit und ihr Vermögen die Familie „angemessen zu unterhalten“ (§ 1360 S. 1 BGB).
In der Praxis spielt die Verpflichtung zum Familienunterhalt keine große Rolle. Erst wenn es in der Ehe kriselt, sind die Gerichte mit Unterhaltspflichten beschäftigt, d.h. wenn die Ehegatten getrennt leben (§ 1361 BGB) oder geschieden sind (§§ 1569 ff. BGB). Dies hängt auch damit zusammen, dass der Familienunterhalt nicht als Geldrente zu leisten ist (so etwa bei Getrenntleben, § 1361 Abs. 4 S. 1 BGB), sondern in der Weise, „die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist“ (Wohnen im Haus des Ehegatten, Sorge für die Kinder, Haushaltstätigkeit etc.). Praktisch bedeutsam ist allein der sog. Taschengeldanspruch des nichtverdienenden Ehegatten.
Beispiel: M und F sind verheiratet. M hat weder Einkommen, noch Vermögen; F kommt für das Familieneinkommen auf. Noch aus vorehelichen Zeiten schuldet M der B-Bank 500 €. Die B-Bank wendet sich nun an M. M meint, er habe nach wie vor weder Einkommen noch Vermögen, bei ihm sei nichts zu holen. Bei der B-Bank meint man, dass M mehr Ansprüche gegen F habe, als ihm bewusst sei und dass er verpflichtet sei, diese Ansprüche für die Schuldentilgung einzusetzen. Wie ist die Rechtslage?
Denkbar wäre die Verwertung des sog. Taschengeldanspruchs des M gegen F (AGL § 1360 S. 1 BGB, Geldrente zur Deckung der höchstpersönlichen Bedürfnisse des Ehegatten) im Wege der Zwangsvollstreckung (dazu BGH FamRZ 2004, 1784): Der Taschengeldanspruch ist grundsätzlich pfändbar (§ 850b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO, näher BVerfG FamRZ 1986, 773). Die Höhe des Taschengeldanspruch wird in der Rspr. zumeist mit 5−7 % des Nettogesamteinkommens bemessen (BGH FamRZ 2004, 1784). Dieser Taschengeldanspruch ist zu 7/10 pfändbar, sofern der (gesamte) Unterhaltsanspruch den Pfändungsfreibetrag des § 850c ZPO übersteigt und die Pfändung der Billigkeit entspricht (BGH FamRZ 2004, 1784, 1785).
Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB)
Zur Vertiefung: Herberger, Die Rechtsmacht des § 1357 BGB, JURA 2019, 374 ff.
Die Ehe führt nicht zwangsläufig zu einer Vermögens- und Haftungsgemeinschaft. Auch folgt aus ihr kein gesetzliches Vertretungsrecht in Vermögensfragen. Das Gesetz räumt jedoch in § 1357 BGB eine Verpflichtungsermächtigung bei Geschäften des täglichen Lebens ein.
Der Zweck der Vorschrift hat sich verändert. Früher diente sie dazu, dass die regelmäßig nicht verdienende Ehefrau die ihr gesetzlich (!) zugewiesene Aufgabe der Haushaltsführung (Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens, daher die Bezeichnung der Vorschrift als „Schlüsselgewalt“) überhaupt erfüllen konnte.
§ 1356 BGB a.F. (bis 1958) „Die Frau ist, unbeschadet der Vorschriften des § 1354, berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten.“
§ 1357 BGB a.F. (bis 1958) „Die Frau ist berechtigt, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten. …“
Seit dem 1.7.1977 sind §§ 1356, 1357 BGB geschlechtsneutral formuliert. Heute kommt § 1357 BGB auch dem Ehemann zugute und ist unabhängig davon anwendbar, ob der Handelnde den Haushalt führt.
Wirkungen
§ 1357 Abs. 1 BGB verleiht jedem Ehegatten die Rechtsmacht, den anderen Ehegatten bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs mit zu verpflichten. Hintergrund ist die heute beide Ehegatten gleichermaßen treffende Verpflichtung, zum Familienunterhalt (§ 1360 BGB) beizutragen, d.h. den Lebensbedarf zu decken (§ 1360a Abs. 1 BGB).
§ 1357 BGB hat heute damit zwei Funktionen: Einerseits soll die Vorschrift es dem Ehegatten, der nicht aus einer Erwerbsarbeit Einkommen erzielt, ermöglichen, die selbständige Erfüllung seiner ggf. aus §§ 1353 Abs. 1, 1356 Abs. 1 S. 2 BGB resultierenden Verpflichtung zur Haushaltsführung zu erfüllen. Andererseits soll sich der andere Ehegatte wegen seiner ohnehin bestehenden Unterhaltspflicht (§§ 1360, 1360a Abs. 1 BGB) nicht darauf berufen können, für Bedarfsdeckungsgeschäfte nicht aufzukommen. – Das BVerfG sah aus diesen Gründen in § 1357 BGB keine verfassungswidrige Benachteiligung der Ehe (BVerfGE 81, 1 ff.).
Diese Mitverpflichtungsermächtigung unterscheidet sich von der Stellvertretung dadurch, dass der Wille zum Handeln mit Wirkung für den anderen Ehegatten weder vorhanden noch dem Geschäftspartner offenbart (§ 164 Abs. 2 BGB) werden muss (Schwab FamR Rn. 169).
Unterscheide also die Verpflichtung kraft Stellvertretung und die Verpflichtung kraft Schlüsselgewalt (= Rechtsmacht „sui generis“)!
Im Klausurgutachten daher nicht direkt auf § 1357 Abs. 1 BGB springen, sondern zunächst § 164 Abs. 1 BGB anprüfen.
Nach der dispositiven Regel des § 1357 BGB ist jeder Ehegatte dazu ermächtigt, den anderen Ehegatten bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit zu verpflichten. Zwar können die Ehegatten im Innenverhältnis etwas anderes bestimmt haben. Im Außenverhältnis, d.h. gegenüber Geschäftspartnern, sind abweichende Bestimmungen nur unter den Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB bedeutsam, d.h. wenn das Vorhandensein eines Ehevertrages dem Dritten bei Vornahme des Rechtsgeschäfts bekannt gewesen oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist (§ 1412 Nr. 1 BGB).
Beispiel: M und F sind verheiratet; M lebt in München, und F lebt in Frankfurt. Als M bei F zu Besuch ist und für den Haushalt der F bei der Großhändlerin G eine Pfanne kauft, meint F, das Geschäft gehe sie nichts an. – Unabhängig davon, welche Vereinbarungen M und F im Innenverhältnis getroffen haben, kann sich eine Mitverpflichtung der F gemäß § 1357 Abs. 1 BGB ergeben, da eine Beschränkung der „Schlüsselgewalt“ für G mangels Kenntnis nach § 13 § 1357 Abs. 2 BGB jedenfalls nicht außenwirksam ist.
Voraussetzungen
Beispiel: F und M sind verheiratet. M bestellt zur Erstausstattung des gemeinsamen Haushalts über einen Katalog von Versandhändlerin Z eine Waschmaschine im Wert im Wert von 500 €. Als die Waschmaschine geliefert wird, ist F entsetzt und erklärt dem M, dass sie keinesfalls bereit sei, den Kaufpreis zu zahlen. Schließlich habe sie noch ihre „alte“ Waschmaschine, die noch gut funktioniere. Zugleich fordert sie den M auf, die Waschmaschine unverzüglich zurückzusenden. Außerdem schreibt sie noch am selben Tag an die Z, dass sie kein Interesse an der Waschmaschine habe und den Kauf ihres Ehegatten daher „rückgängig“ mache. Z fordert gleichwohl Bezahlung von F. Zu Recht?
Anspruch der Z gegen F auf Zahlung von 500 € gemäß § 433 Abs. 2 BGB? (+) wenn Vertragsschluss. Hier kein Angebot der F. M handelte auch nicht in rechtsgeschäftlicher Stellvertretung, kein Fall der Anscheins- oder Duldungsvollmacht, i.Ü. auch kein Handeln für den, den es angeht. Denkbar wäre aber eine Mitverpflichtung der F gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB.
Wirksame Eheschließung
§ 1357 BGB ist nur auf Ehegatten und Lebenspartner (§ 8 Abs. 2 LPartG), nicht aber auf Verlobte oder nichteheliche Lebensgefährten anwendbar. Auf den Güterstand kommt es nicht an. Dies folgt aus der systematischen Stellung von § 1357 BGB vor §§ 1364 ff. BGB.
Hier (+), wirksame Ehe (= keine Nichtehe) gemäß §§ 1303 S. 1, 1310 BGB.
Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs
Es muss sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs handeln (sog. Bedarfsdeckungsgeschäft, Schwab FamR Rn. 176 ff.). Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs sind Geschäfte, die nach den individuellen Lebensverhältnissen der Deckung des Lebensbedarfs der Familie dienen. Der Umfang des Lebensbedarfs wird in Anlehnung an das Unterhaltsrecht (§§ 1360, 1360a Abs. 1 BGB) bestimmt. Zum Lebensbedarf der Familie zählt nicht nur der gesamte Bedarf der (gemeinsamen) Haushaltsführung
z.B. der Erwerb von Einrichtungsgegenständen, Nahrung, Kleidung, Strom, Wasser etc., u.U. auch der Kauf eines Autos, die Buchung einer Reise oder die Beauftragung eines Steuerberaters (Argumentationssache!),
sondern auch eventueller persönlicher Bedarf der Ehegatten (Krankenbehandlungskosten) und der mit ihnen lebenden gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder (vgl. §§ 1360a Abs. 1, 1610 Abs. 2 BGB).
Fortsetzung Beispiel: (+) da Erwerb von Haushaltsgegenständen. Die Angemessenheit bestimmt sich nach dem Lebenszuschnitt der Ehe (entsprechend §§ 1360, 1360a BGB); i.E. zu argumentieren.
Auch die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses kann ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs darstellen, etwa der Abschluss eines Versicherungsvertrags (BGH NJW 2018, 1313 – Vollkaskoversicherung).
Was zum Lebensbedarf gehört, bestimmt sich grundsätzlich nach den individuellen Verhältnissen der Familie; zum Schutz des Vertragspartners kommt es allerdings entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie an, wie er nach außen in Erscheinung tritt (BGHZ 94, 1 ff.).
Das Bedarfsdeckungsgeschäft muss darüber hinaus angemessen sein. Geschäfte größeren Umfangs, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden können, sollen nicht unter § 1357 BGB fallen (BT-Drucks. 7/650, S. 99; BGH NJW 2018, 1313 = Röthel JURA [JK] 2018, S. 958, § 1357 BGB). Dies schützt den anderen Ehegatten vor einer „überraschenden Inanspruchnahme“.
Beispiel BGH NJW 2004, 1593 ff.: Ehemann M hatte einen Telefondienstvertrag abgeschlossen; im Zuge der Trennungsstreitereien rief M vermehrt 0190-Nummern an. Dadurch entstanden Kosten in Höhe von 7.000 DM. Nach Auffassung des BGH ist zu unterscheiden. Zwar gehört der Abschluss eines Telefondienstvertrags, d.h. des Bereitstellungsvertrags, zu den angemessenen Bedarfsdeckungsgeschäften. Die einzelnen Rechnungen überschreiten aber jedenfalls dann die Grenze der Angemessenheit, wenn sie mehr als das Doppelte des Durchschnittsbetrags der Vorjahreszeiträume betragen. Der BGH verneinte daher die Angemessenheit i.S. des § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB; denkbar wäre auch, im Rahmen von § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB zu argumentieren, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt (nämlich keine Mithaftung des Ehegatten wegen Überschreitung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit).
Nicht zur Bedarfsdeckung zählen Geschäfte der Vermögensverwaltung sowie beruflich veranlasste Geschäfte.
Vertiefungshinweis: Auch der Abschluss eines Darlehens kann unter § 1357 BGB fallen, wenn das Darlehen einem Bedarfsdeckungsgeschäft dient, z.B. der Erwerb eines Fernsehers auf Raten (Verbraucherkreditgeschäft; Achtung: für die Dauer des Widerrufsrechts ist der Fristbeginn beim handelnden Ehegatten entscheidend, wie hier etwa Löhnig FamRZ 2001, 135, 137).
Aus den Umständen ergibt sich nichts anderes (§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB)
Aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB resultiert keine Mitverpflichtung des nicht vertragsschließenden Ehegatten, wenn sich „aus den Umständen etwas anderes ergibt“. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich aus dem Vertragsschluss für den Vertragspartner ausdrücklich oder erkennbar der Wille des vertragsschließenden Ehegatten ergibt, nur sich allein zu verpflichten. Darüber hinaus entsteht eine Mithaftung für Bedarfsdeckungsgeschäfte nur insoweit, als der mitverpflichtete Ehegatte auch unterhaltsrechtlich zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Daran fehlt es, wenn das Bedarfsdeckungsgeschäft die Leistungsfähigkeit der Familie überschreitet (vgl. § 1360a Abs. 1 BGB).
§ 1357 BGB wird also sowohl in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen (Bedarfsdeckungsgeschäft) als auch in seinen tatbestandlichen Grenzen (Ausschluss der Mithaftung) maßgeblich durch das Unterhaltsrecht geprägt. Soweit mangels Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten kein Unterhaltsanspruch besteht, soll auch nicht mittelbar über § 1357 BGB eine Einstandspflicht erreicht werden.
(Einschub) Beispiel nach BGHZ 116, 184 ff. (näher Röthel, Fallrepetitorium Familien- und Erbrecht, 2009, Fall 1): Der krebskranke M ist nicht krankenversichert. Nach seinem Tod verlangt Krankenhausträger K von der vermögenslosen Witwe F Ausgleichung der Kosten für die Chemotherapie im Wert von 30.000 €. F meint, sie habe doch ausgeschlagen und könne daher nicht als Schuldner in Betracht kommen. Besteht ein Anspruch gegen F?
Haftung der F gemäß § 1967 BGB für eine Verbindlichkeit des M aus § 611 Abs. 1 BGB? (-); infolge der Ausschlagung ist F als Erbin „weggefallen“ (§ 1953 Abs. 1 BGB). Sie haftet daher nicht für Nachlassverbindlichkeiten.
Anspruch gegen F gemäß §§ 611 Abs. 1, 1357 BGB? Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs? Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs sind Geschäfte, die nach den Verhältnissen der Ehegatten der Deckung des Lebensbedarfs der Familie dienen. Der Umfang des Lebensbedarfs bestimmt sich in Anlehnung an das Unterhaltsrecht. Zum Lebensbedarf der Familie zählt nicht nur der gesamte Bedarf der (gemeinsamen) Haushaltsführung, sondern auch eventueller persönlicher Bedarf der Ehegatten und der mit ihnen lebenden gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder (vgl. §§ 1360a Abs. 1, 1610 Abs. 2 BGB), daher auch Aufwendungen, die nur einem Ehegatten zugutekommen, wie insbesondere medizinische Aufwendungen.
Angemessen ist ein Geschäft, wenn es den wirtschaftlichen Verhältnissen und den tatsächlichen Lebensgewohnheiten der Familie entspricht. Bei medizinisch notwendigen Behandlungen (+) unabhängig vom tatsächlichen Lebenszuschnitt. Anspruchsausschluss, weil sich aus den Umständen etwas anderes ergibt (§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB)? Nach Auffassung der Rspr. (+), soweit der mitverpflichtete Ehegatte unterhaltsrechtlich nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, z.B. wenn das Bedarfsdeckungsgeschäft die Leistungsfähigkeit der Familie überschreitet (vgl. § 1360a Abs. 1 BGB). Dies hat der BGH insbesondere für Geschäfte entschieden, die der Deckung von sog. Sonderbedarf dienen, d.h. unregelmäßigem außergewöhnlich hohem Bedarf (vgl. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dann ergibt sich aus den Umständen etwas anderes i. S. von § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB. – Ergebnis: Anspruch der F nur soweit sie leistungsfähig ist, d.h. i.Erg. (-).
Kein Ausschluss gemäß § 1357 Abs. 2 BGB
Siehe bereits oben, 1.
Kein Getrenntleben (§§ 1357 Abs. 3, 1567 BGB)
Getrenntleben meint Trennung von „Tisch und Bett“, d.h. noch keine Scheidung, aber schon eine getrennte Lebensführung. Dies muss nicht notwendig getrennte Wohnungen bedeuten (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB, im Einzelnen Tatfrage).
Rechtsfolgen
Mitverpflichtung
§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB führt zu einer Mitverpflichtung des Ehegatten, d.h. es bestehen nun – anders als bei der Stellvertretung – zwei Schuldner! Sie haften als Gesamtschuldner (§ 421 BGB).
Achtung: Daraus folgt allerdings nicht, dass im Innenverhältnis jeder zur hälftigen Lastenteilung verpflichtet ist (§ 426 Abs. 1 BGB). Die Verpflichtung im Innenverhältnis ergibt sich vielmehr aus dem Unterhaltsrecht (§§ 1360 ff. BGB): Darin ist „etwas anderes bestimmt“ i.S. von § 426 BGB. Ein barunterhaltspflichtiger Ehegatte ist daher im Innenverhältnis verpflichtet, die Kosten allein zu tragen und kann nicht Ausgleich von einem Ehegatten verlangen, der Familienarbeit (care) leistet.
Fortsetzung Beispiel (Fernabsatzgeschäft): Neben dem M ist daher auch F verpflichtet aus dem von M geschlossenen Vertrag. Ein Anspruch der Z gegen F gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB ist daher entstanden.
Vertiefungshinweis: Sollte der handelnde Ehegatte sich selbst nicht wirksam verpflichten können, z.B. mangels Geschäftsfähigkeit (Fall des § 1303 S. 1 BGB: wenn ein Ehegatte zwar das 16., nicht aber das 18. Lebensjahr vollendet hat und die Ehe nicht aufgehoben wurde, § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB), so ist die Willenserklärung des handelnden Ehegatten abhängig von der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (= nach wie vor die Eltern gemäß §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB, nicht der Ehegatte!). Dies hindert nach allg. Auffassung und entgegen dem Wortlaut des § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB („beide Ehegatten … verpflichtet“) aber nicht die Allein-Verpflichtung des anderen Ehegatten: Dies wird aus dem Rechtsgedanken des § 165 BGB (ähnliche Interessenlage wie bei der Stellvertretung) gefolgert.
Ergebnis: Verpflichtung des M gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB (+), daher Anspruch gemäß § 433 Abs. 2 BGB entstanden. Untergegangen infolge Widerrufs (§§ 355 Abs. 1, 312g Abs. 1, 312c BGB?) Widerrufserklärung konkludent; Widerrufsrecht (+); form- und fristgerechte Ausübung (§ 355 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB; Fristbeginn mit Zustellung an den handelnden Ehegatten, hier F). Frage: Steht § 1357 BGB einer „isolierten“ Widerrufsberechtigung des M entgegen? Dazu sogleich.
Befugnis zur Mitgestaltung
Unterschiedlich wird gesehen, wem Gestaltungsrechte infolge der Mitverpflichtung zustehen. Als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) und Gesamtgläubiger (§ 428 BGB, unten c) liegt es nahe, dass ihnen Gestaltungsrechte nur einvernehmlich zustehen, wenn dadurch Wirkungen „gesamt“, d.h. auch für den anderen Ehegatten eintreten sollen. Für das Rücktrittsrecht ist dies die gesetzliche Leitvorstellung (§ 351 BGB). Für den Widerruf ist die frühere Verweisung (§ 357 BGB) auf das Rücktrittsrecht aufgehoben worden. Denkbar ist aber, aus § 351 BGB einen allgemeinen Gedanken abzuleiten, der auch für andere Gestaltungsrechte (hier: Widerruf) gilt und der auch anwendbar ist, wenn eine Gesamtschuldnerschaft auf § 1357 BGB beruht.
Der BGH hat anders entschieden: So wie es den Ehegatten ermöglicht wird, für und gegen ihre jeweiligen Partner Rechte und Pflichten zu begründen, muss es ihnen „spiegelbildlich“ erlaubt sein, sich hiervon auch mit Wirkung für und gegen den anderen wieder zu lösen (BGH NJW 2018, 1313 ff. = Röthel JURA [JK] 2018, S. 958, § 1357 BGB; dafür auch schon Schwab FamR Rn. 197 ff. mit dem Argument, dass § 351 BGB nicht auf mitverpflichtete Ehegatten passe, da das Eheband enger als die bloße Mehrheit von Vertragspartnern sei).
Nach BGH NJW 2018, 1313 ff. ist der gemäß § 1357 BGB mitverpflichtete Ehegatte also berechtigt, Gestaltungsrechte (hier: die Kündigung eines Versicherungsvertrags) mit Wirkung auch gegenüber dem handelnden Ehegatten auszuüben und sowohl seine Mitverpflichtung als auch die Verpflichtung des handelnden Ehegatten aufzuheben. Im Schrifttum wird dagegen z.T. für richtig gehalten, dass der nur mitverpflichtete Ehegatte auch nur seine Mitverpflichtung beseitigen könne, während der handelnde Ehegatte durch Gestaltungsrecht den Vertrag mit Wirkung für beide Ehegatten kündigen könne (M. Schwab FamRZ 2018, 676).
Mitberechtigung als Gesamtgläubiger
Soweit § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB zur Mitverpflichtung des anderen Ehegatten führt, entsteht nach überwiegender Auffassung Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB, d.h. jeder Ehegatte kann die gesamte Leistung an sich selbst fordern. Dies entspricht einerseits der gesamtschuldnerischen Verpflichtung, andererseits erschiene es unbillig, dem Schuldner aufzuerlegen, stets an beide gemeinsam leisten zu müssen (Dethloff FamR § 4 Rn. 67). Die Anwendung des § 432 BGB widerspräche aber auch der praktischen Zielsetzung des § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB, dem haushaltführenden Ehegatten wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu gewähren.
Vertiefungsfrage: Kann ein Ehegatte vom anderen Ehegatten Schadensersatz verlangen, wenn er „gegen seinen Willen“ mitverpflichtet wurde? Oder ist eine Haftung des nicht handelnden Ehegatten gemäß §§ 177 ff. BGB gegenüber dem Vertragspartner denkbar, wenn die Voraussetzungen des § 1357 BGB nicht vorliegen, etwa weil ein Geschäft die „Angemessenheit“ überschreitet? – Dies wird verneint. Es gibt keinen „Missbrauch“ des § 1357 BGB, sondern das „Dürfen“ bestimmt das „Können“ (so Gernhuber/Coester-Waltjen § 19 Rn. 24; siehe auch Staudinger/Voppel § 1357 Rn. 42, dort auch zu abweichenden Auffassungen).
Keine dingliche Wirkung
Nach Auffassung der Rspr. entfaltet § 1357 BGB keine dingliche Wirkung (BGHZ 114, 74 ff.; a.A. Schwab FamR Rn. 200, da die Vorschrift sonst zur Gläubigerschutznorm degradiert würde). Die Vorschrift führt daher nicht automatisch zu Miteigentum. Vielmehr bestimmt sich die dingliche Rechtslage nach den allgemeinen Vorschriften, also nach §§ 929 ff. BGB. Dies kann je nach den Umständen und dem Willen der Beteiligten zu Alleineigentum des handelnden Ehegatten führen
Beispiel: M kauft sich einen Anzug, der ihm am nächsten Tag geliefert wird. M nimmt den Anzug entgegen. Unabhängig von der Mitverpflichtung der F wurde M gemäß § 929 S. 1 BGB Alleineigentümer.
oder zu Miteigentum.
Beispiel: M und F besprechen den Erwerb eines Fernsehers, den F vom gemeinsamen Konto bezahlt. F nimmt den Fernseher entgegen, als er am nächsten Tag angeliefert wird und präsentiert ihn dem M am Abend mit den Worten: „Sieh Dir unseren Fernseher an“. Spätestens damit ist M Miteigentümer des Fernsehers geworden.
In der Rspr. wird regelmäßig angenommen, dass Hausrat für den gemeinschaftlichen Haushalt unmittelbar zu hälftigem Miteigentum erworben wird, und zwar gestützt auf die Figur des „Geschäfts für den, den es angeht“ (BGHZ 114, 74, 80). Zur Begründung wurde auch § 8 Abs. 2 HausratVO (jetzt: § 1568b Abs. 2 BGB) herangezogen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass jedenfalls für Hausrat § 1357 BGB doch dingliche Wirkung beigemessen wird. Dagegen wenden Gernhuber/Coester-Waltjen FamR § 19 Rn. 46 ein, dass hier ein erwünschtes Ergebnis durch Konstruktion fingiert werde.
Eine andere Frage ist, ob der handelnde Ehegatte, der einen Gegenstand zu Alleineigentum erworben hat, zur Weiterübereignung verpflichtet ist, wenn der andere Ehegatte den Erwerb des Gegenstands finanziert hat. Dies wird vielfach bejaht, gestützt auf § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB (Gernhuber/Coester-Waltjen § 19 Rn. 47). Allerdings muss die Verpflichtung zur Rücksichtnahme (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht zwangsläufig zu Eigentum führen, sondern kann sich in der Verpflichtung erschöpfen, dem anderen Ehegatten die Mitbenutzung zu gestatten.
Nochmals: Mitverpflichtung und Stellvertretung
§ 1357 BGB unterscheidet sich tatbestandlich von der Stellvertretung dadurch, dass eine Verpflichtung des anderen Ehegatten entsteht, ohne dass der handelnde Ehegatte im Namen des anderen Ehegatten gehandelt haben müsste (= keine Offenkundigkeit). Auf Rechtsfolgenseite unterscheidet sich § 1357 BGB von der Stellvertretung dadurch, dass beide Ehegatten verpflichtet sind.
Zweifelhaft ist, ob § 1357 BGB anwendbar ist, wenn ein Ehegatte im Namen des anderen Ehegatten gehandelt hat, etwa unter Vorlage einer Vollmacht:
Beispiel: M und F sind verheiratet. F bestellt bei Händlerin K ausdrücklich im Namen und auf Rechnung des M unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht ein Bügelbrett. K fragt sich, von wem sie Bezahlung verlangen kann.
Von M? (+) gemäß §§ 433 Abs. 2, 164 Abs. 1 BGB, da die von F abgegebene Willenserklärung unmittelbar für und gegen den M wirkt: Abgabe einer eigenen Willenserklärung für einen anderen (Offenkundigkeit, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB), hier (+). F handelte aufgrund der von M erteilten Vollmacht auch mit Vertretungsmacht.
Auch von F? Zweifelhaft. Denn eigentlich war ihr Verhalten und ihr Wille auf eine Stellvertretung des M gerichtet und gerade nicht darauf, selbst auch verpflichtet zu werden. Gleichwohl ist § 1357 BGB nach Auffassung von BGHZ 94, 1, 4 nur dann nicht anwendbar, wenn der handelnde Ehegatte „eindeutig“ zu erkennen gegeben hat, dass er nicht (mit-)verpflichtet werden wolle; weitergehend Gernhuber/Coester-Waltjen § 19 Rn. 34: § 1357 BGB sei schon dann nicht anwendbar, wenn nach allg. Regeln (Offenkundigkeit) eine Fremdverpflichtung des nicht-handelnden Ehegatten begründet wurde.
Vertiefung: Eigentum und Besitz in der Ehe
Zusammenfassend: Coester-Waltjen JURA 2011, 341 ff.
Grundsätze
Die Ehe bedeutet grundsätzlich keine Durchbrechung der sachenrechtlichen Zuordnung von Eigentum und Besitz. Daher gilt: Jeder Ehegatte bleibt Eigentümer der Sachen, die er in die Ehe einbringt. Allgemeine sachenrechtliche Grundsätze (also §§ 929 ff., 873 ff. BGB) entscheiden darüber, wer Eigentum an während der Ehe erworbenen Sachen erwirbt. Aus § 1357 BGB folgt (nach h.M.) nichts anderes, s.o.
Besitz und Recht zum Besitz in der Ehe
Auch für den Besitz bleibt es bei den allgemeinen Regeln (§§ 854 ff. BGB). Entscheidend ist also die faktische Lage, d.h. wer die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Regelmäßig (Verkehrsanschauung!) führt aber die gemeinsame Ehewohnung dazu, dass Mitbesitz (§ 866 BGB) an der Wohnung und den gemeinsam genutzten Gegenständen besteht, während die Gegenstände des persönlichen Gebrauchs regelmäßig in Alleinbesitz stehen werden.
Beispiel: M und F wohnen gemeinsam in einer Wohnung der F (beide haben Schlüssel). M bewahrt in seinem Tresor (nur er kennt den Code) eine geerbte Armbanduhr auf. Wie ist die Besitzlage? – M und F sind Mitbesitzer der Wohnung, hingegen hat M Alleinbesitz am Inhalt des Tresors.
Abwandlung: Im Streit tauscht F das Wohnungsschloss aus. Wie ist die Rechtslage? Durch den Austausch des Wohnungsschlosses ist F Alleinbesitzerin der Wohnung geworden, und M hat seinen Mitbesitz verloren. M hat aber aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB nach h.M. Anspruch auf Gestattung der Mitbenutzung der Ehewohnung und ein daraus folgendes Recht zum Besitz (dazu bereits UE FamR 2). M kann daher sowohl possessorischen Besitzschutz (§ 861 BGB) als auch petitorischen Besitzschutz (§ 823 Abs. 1 BGB, Verletzung berechtigten Besitzes) geltend machen und Wiedereinräumung von Mitbesitz verlangen. Denkbar ist auch, den Anspruch auf §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 280 BGB zu stützen.
Vertiefung: Steht § 866 BGB einem Besitzschutz unter den Ehegatten wegen Entziehung des Mitbesitzes entgegen? Nein. Der Wortlaut ist unklar. Gemeint ist, dass Besitzschutz wegen Vorenthaltung des Besitzes nicht ausgeschlossen sein soll (historische Gründe, Entstehungsgeschichte). Nur Streitigkeiten über einzelne Benutzungsregelungen sind ausgeschlossen (vgl. BGHZ 62, 243, 248).
Eigentum unter Ehegatten
Bei beweglichen Sachen herrscht vielfach Unklarheit über die Eigentumsverhältnisse von Ehegatten, weil sich die Beteiligten beim Erwerb keine Gedanken über die rechtliche Zuordnung machen. Für die Gläubiger, die in bewegliches Vermögen vollstrecken wollen, bringt diese Situation Risiken mit sich. Zu ihrem Schutz enthält § 1362 BGB zwei wichtige Eigentumsvermutungen.
Gemäß § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB wird zugunsten der Gläubiger jedes Ehegatten – nicht untereinander! – vermutet, dass die im gegenwärtigen, auch mittelbaren Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen gerade dem Schuldner gehören. § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB gilt unabhängig davon, ob die Gegenstände während der Ehe erworben wurden oder von einem Ehegatten mit in die Ehe „eingebracht“ wurden.
Beispiel: Im gemeinsamen Haushalt von M und F befindet sich ein Fernseher. Als M mit der Tilgung eines noch vor der Ehe bei der B-Bank aufgenommenen Darlehens in Verzug gerät, lässt die B-Bank den Fernseher pfänden (siehe §§ 808, 809 ZPO und die Gewahrsamsfiktion von § 739 ZPO). F fragt, was sie dagegen tun kann.
F könnte Drittwiderspruchsklage erheben (§ 771 ZPO) mit dem Ziel, dass die Vollstreckung in den Fernseher für unzulässig erklärt wird. Dazu müsste sie ein die Vollstreckung hinderndes Recht i. S. des § 771 ZPO an dem Fernseher haben. Grundsätzlich sind Allein- oder Miteigentum solche vollstreckungshindernden Rechte. Hier befindet sich der Fernseher im Mitbesitz beider Ehegatten. Gemäß § 1006 BGB würde daher grundsätzlich vermutet werden, dass der Fernseher auch im Miteigentum beider Ehegatten steht. Dies würde die Vollstreckung in Haushaltsgegenstände wesentlich erschweren. Daher stellt § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB die gläubigergünstige Vermutung auf, dass die im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen Sachen allein dem Schuldner (hier also S) gehören. Fazit: F muss darlegen und ggf. beweisen, dass sie Allein- oder Miteigentümerin geworden ist.
Erläuterung: Dass F die Voraussetzungen des § 771 ZPO beweisen muss, entspricht den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung. Wo liegt also die Bedeutung von § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB? – Die Vorschrift führt dazu, dass § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB im Verhältnis zwischen Ehegatten und Gläubigern nicht gilt. § 1362 Abs. 1 BGB ist also lex specialis ggü. § 1006 BGB.
Nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung ist § 1362 BGB nur auf Ehegatten anwendbar. Eine analoge Anwendung auf nichteheliche Lebensgefährten hat der BGH abgelehnt, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle (BGH FamRZ 2007, 457 ff.).
Beachte: Für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmten Sachen (Arbeitskleidung, Tagebuch, Schmuck [dazu OLG Nürnberg JuS 2001, 186] etc.) wird gemäß § 1362 Abs. 2 BGB sowohl im Verhältnis der Ehegatten untereinander (!) als auch im Verhältnis zu Dritten vermutet, dass sie dem Ehegatten gehören, für dessen Gebrauch sie bestimmt sind.
§ 1362 Abs. 2 BGB ist lex specialis gegenüber § 1362 Abs. 1 BGB!
Besonderheiten während des Getrenntlebens (§§ 1361a, 1361b BGB)
Auch wenn sich die Beurteilung, wer Besitzer oder Eigentümer einer Sache ist, grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln richtet, wird die Verfolgung von Besitz und Eigentum im Innenverhältnis der Ehegatten mit Blick auf besondere Schutzbedürfnisse zum Teil eingeschränkt. Dabei geht es um die Frage, ob Ehegatten während der Trennungsphase „ganz normal“ gemäß § 861 BGB oder § 985 BGB Herausgabe von Sachen verlangen können. Grenzen ergeben sich aus §§ 1361a, 1361b BGB für Haushaltsgegenstände und die Ehewohnung:
Beispiel (nach BGH NJW 2017, 260 ff. = JURA [JK] 2017, S. 488, § 1361b BGB [Röthel]): M und F sind miteinander verheiratet. Sie leben in dem Haus des M. Als sie sich trennen, verlässt M zunächst das Haus, und F lebt dort mit ihrer gemeinsamen Tochter. Als die Tochter auszieht, verklagt M die F vor dem Familiengericht gestützt auf § 985 BGB auf Räumung des Hauses. Zu Recht?
Der BGH sagt nein: Während eines Scheidungsverfahrens sind Klagen gestützt auf § 985 BGB gerichtet auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig (Fortführung von BGHZ 67, 217 ff.). Die Regelungen über die Zuweisung der Ehewohnung (§ 1361b BGB, §§ 200 ff. FamFG: Ehewohnungssache i.S. des § 111 Abs. 1 S. 2 FamFG, nicht Familienstreitsache i.S. des § 112 Nr. 3 FamFG) entfalten vielmehr Sperrwirkung. Bedeutung hat dies einerseits, weil im Verfahren nach §§ 200 ff. FamFG der Amtsermittlungsgrundsatz gilt und Kinder ggf. anzuhören sind, andererseits weil es bei § 1361b BGB nicht (nur) auf die Eigentumslage, sondern mehr auf Angewiesenheit ankommt.
Vertiefungshinweis: Dieselbe Frage stellt sich für das Verhältnis von § 861 BGB zu §§ 1361a, 1361b BGB. Dies hat der BGH noch nicht entschieden; für einen Vorrang von § 1361a BGB (bzw. HaushaltsVO) aber OLG Köln FamRZ 1997, 1276.
Für andere Sachen als Haushaltsgegenstände und die Ehewohnung bleiben §§ 861, 985, 1007 BGB aber „ganz normal“ anwendbar.
Dazu auch OLG Celle NJW 2011, 2062 f. (vereinfacht): M und F leben getrennt. Das im Eigentum des M stehende Hausgrundstück wird der F im Rahmen eines Vergleichs zur Alleinnutzung zugewiesen (§ 1361b Abs. 1 BGB). F erklärt sich damit einverstanden, dass M das zum Verkauf stehende Haus samstags Kaufinteressen zeigt. F möchte nun wissen, welche Rechte ihr gegenüber einer Erwerberin zustehen.
F könnte in entsprechender Anwendung von § 566 BGB ein Besitzrecht zustehen, das sie auch gegenüber Erwerberinnen geltend machen kann. Dagegen wendet sich das OLG Celle: Die Zuweisung von Wohnraum gemäß § 1361b BGB für die Dauer des Getrenntlebens begründet kein Mietverhältnis oder ein ähnliches Verhältnis, das entsprechend § 566 BGB gegenüber einer Veräußerung der Immobilie Schutz böte. Einem besonderen Schutzbedürfnis des Ehegatten muss ggf. durch Schutzanordnungen im Rahmen von § 1361b BGB Rechnung getragen werden. Hier ist indes dem Vergleich gerade zu entnehmen, dass die Ehefrau mit einer Veräußerung rechnen musste und sich auch dazu verpflichtet hatte, aktiv an der Veräußerung mitzuwirken.