Das deutsche Recht unterscheidet für die Ehe drei Phasen:
Zusammenlebende Ehegatten: Es gelten §§ 1353 ff. BGB. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, zum Familienunterhalt beizutragen (§§ 1360, 1360a BGB). Im gesetzlichen Güterstand gelten §§ 1365 ff. BGB.
Getrenntlebende Ehegatten (vgl. Legaldefinition § 1567 BGB) sind grundsätzlich immer noch Ehegatten und nicht Geschiedene. Besonderheiten gelten aber für den Unterhalt (Anspruch auf Trennungsunterhalt, § 1361 BGB). Außerdem gibt es ein besonderes Verfahren für die Zuweisung von Hausrat und Wohnung (§§ 1361a, b BGB).
Geschiedene Ehegatten: §§ 1353 ff. BGB sind nicht mehr anwendbar, vielmehr nur noch die Regeln über die Scheidungsfolgen, d.h. ggf. ein güterrechtlicher Ausgleich (Zugewinnausgleich, §§ 1373 ff. BGB), Anspruch auf nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB), Versorgungsausgleich (VersAusglG) sowie Zuweisung von Wohnung und Haushaltsgegenständen (§§ 1568a, b BGB).
Getrenntleben
Grundsätzlich sollen Ehen nur geschieden werden, wenn die Ehegatten vorher zumindest ein Jahr getrennt gelebt haben (Ablauf des sog. Trennungsjahrs, § 1566 Abs. 1 BGB). Getrenntleben bedeutet, dass die Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) nicht mehr besteht. Siehe die Legaldefinition in § 1567 BGB.
Getrenntleben muss nicht zwingend bedeuten, dass die Ehegatten getrennte Wohnungen haben. Getrenntleben in derselben Wohnung liegt vor, wenn kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt wird und sich das Zusammentreffen der Partner als bloß räumliches Nebeneinander ohne persönliche Beziehung darstellt (BGH NJW 1979, 1360 f.).
Getrenntleben hat vor allem Auswirkungen auf den Unterhalt: An die Stelle der Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen (§ 1360 BGB), tritt nach § 1361 Abs. 1 BGB ein auf Geld gerichteter Unterhaltsanspruch. Von einem nichterwerbstätigen Ehegatten ist dabei nur unter engen Voraussetzungen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erwarten (§ 1361 Abs. 2 BGB). §§ 1361a, 1361b BGB regeln die Benutzung der Ehewohnung und die Verteilung des Hausrats.
Vertiefungsfrage: Setzt der Anspruch auf Trennungsunterhalt heraus, dass die Ehegatten überhaupt einmal zusammen gelebt und gewirtschaftet haben? Der BGH sagt nein: Aus dem Wortlaut des § 1361 BGB ergibt sich keine Einschränkung (BGH NJW 2020, 1674 = Röthel JURA [JK] 2020, S. 1142).
Ehescheidung (Überblick)
Coester-Waltjen, Voraussetzungen der Ehescheidung, JURA 2006, 105 ff.
Ehescheidung ist die Auflösung der Ehe durch gerichtliches Urteil (§ 1564 BGB) für die Zukunft. Im Gegensatz zur Aufhebung der Ehe (§ 1314 BGB) beziehen sich die Ehescheidungsgründe auf Umstände, die erst nach der Eheschließung eingetreten sind. Besondere „Gründe“ sind dabei aber nicht erforderlich: Seit dem Jahr 1977 kann jeder Ehegatte die Scheidung beantragen, wenn die Ehe gescheitert ist. Es kommt nicht darauf an, ob daran den anderen Ehegatten ein Verschulden trifft (Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip).
Vertiefungshinweise: Soll es de lege ferenda eine Scheidung durch Vertrag (Konsensualscheidung) ohne Mitwirkung eines Gerichts geben? Dies rührt an grundsätzliche Fragen: Ist die Ehe mehr als ein „Organisationsvertrag“ über ein Dauerschuldverhältnis? Gibt es anerkennenswerte öffentliche Interessen daran, dass eine Ehe nicht „leichtfertig“ aufgegeben werde? Dazu Heiderhoff, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Autonomie in der Familie – eine Schwärmerei?, 2021, S. 41 ff., die im Ergebnis ein Schutzbedürfnis vor einem abrupten Ende durch „Wartefristen“ anerkennt und dies (auch) mit gesellschaftlichen Erwartungen an die Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit der Ehe begründet.
In Frankreich gibt es seit dem 1.1.2017 die Möglichkeit einer notariellen Scheidung („divorce sans juge“), geregelt in Art. 229 C.Civ. n.F. Danach können die Ehegatten die Scheidung durch beiderseitige einverständliche Erklärungen vor dem Notar nach vorhergehender anwaltlicher Beratung und anwaltlicher Gegenzeichnung bewirken und dabei zugleich die Scheidungsfolgen bestimmen („déjudicialisation“ und „contractualisation“ der Scheidung), soweit nicht ein minderjähriges Kind richterliches Gehör verlangt. Die Reaktionen des Schrifttums sind gespalten; für eine Kritik siehe etwa Fulchiron, Divorcer sans Juge, La Semaine Juridique 2016, n°48 du 28 Novembre 2016, 1267 ff.
Scheidungsgrund
Beispiel: M hat nach langer Ehe mit seiner Ehefrau F sein Glück nun bei K gefunden. M beantragt daraufhin die Scheidung. F meint, dass das unbeachtlich sei. Wenn jemand die Scheidung beantragen könne, dann nur sie. Sie wolle M aber noch einmal verzeihen. Wer hat Recht?
M, denn es kommt nur auf das Scheitern der Lebensgemeinschaft an (§ 1565 Abs. 1 BGB); dazu sogleich.
Scheitern der Ehe (§ 1565 BGB)
Scheidungsgrund
Einziger Scheidungsgrund ist das Scheitern der Ehe (§ 1565 Abs. 1 BGB). Dies ist der Fall, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Mit „Lebensgemeinschaft der Ehegatten“ ist mehr als ihre häusliche Gemeinschaft gemeint, nämlich vor allem ihre innere Verbundenheit. Die Aufhebung der Lebensgemeinschaft geht also über das bloße Getrenntleben hinaus, setzt es aber auch nicht zwangsläufig voraus.
Beispiel (nach BGH NJW 2002, 671): Frau F, Jahrgang 1914, und Herr M, Jahrgang 1970, schließen im Jahr 1995 die Ehe. Sie bleiben in ihren Wohnungen leben. Im Jahr 1996 wird bei Frau F eine Demenzerkrankung konstatiert. Ein Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass F nicht mehr in der Lage ist, ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen und hält die F aufgrund ihrer Demenz für geschäftsunfähig. F erhält daraufhin einen Betreuer, der nun die Scheidung der Ehe beantragt, da F „jedes Verständnis für die Ehe verloren habe.“ – Wird die Ehe geschieden werden?
Vorfrage: Ist es überhaupt möglich, dass ein Vertreter das Scheidungsverfahren betreibt? Ja, siehe § 125 Abs. 2 FamFG: „Für einen geschäftsunfähigen Ehegatten wird das Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter geführt. Der gesetzliche Vertreter bedarf für den Antrag auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe der Genehmigung des Familien- oder Betreuungsgerichts.“ Der Antrag auf Ehescheidung ist daher nicht höchstpersönlich zu stellen und wird nicht gehindert durch den Verlust der Geschäftsfähigkeit. Es ist aber ein gesetzlicher Vertreter (Betreuer) zu bestellen mit dem Aufgabenkreis „Führung eines Scheidungsverfahrens“. Überlegen Sie selbst: warum muss man höchstpersönlich testieren, kann sich aber durch einen Vertreter scheiden lassen?
Zwar hat niemals eine räumliche Lebensgemeinschaft bestanden, doch lebten M und F in innerer Verbundenheit. Daran könnte sich indes mit der Demenz etwas geändert haben. Zum Teil wird vertreten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mit einem Menschen mit geistiger Behinderung, der infolge seiner Behinderung jedes Verständnis für die Ehe verloren habe, allein aufgrund der Behinderung aufgehoben und die Ehe daher scheidbar sei (Staudinger/Rauscher § 1565 Rn. 44b). Dagegen BGH NJW 2002, 671, 672: Zwar kann die Ehe in einem solchen Fall nicht mehr als wechselseitige innere Bindung erlebt werden; solange sie sich aber noch objektiv als gelebte Verantwortungsgemeinschaft verwirklicht, sei sie der Scheidung nicht zugänglich. Dies war hier der Fall, da M sich aufopferungsvoll um F kümmerte.
Zum Fragenkreis Demenz und Scheidung auch OLG Hamm NJW 2014, 158 ff. – Scheidung auf Antrag eines inzwischen dementen Ehegatten, dessen Scheidungswille eindeutig feststellbar war und wo die Zerrüttung aus der Trennungszeit folgte.
§ 1565 Abs. 2 BGB ermöglicht ausnahmsweise eine Scheidung, wenn die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben (§ 1567 BGB). Die Scheidung setzt dann voraus, dass die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Dies soll verhindern, dass ein Ehegatte die Ehe einseitig zerstört und sogleich daraus für ihn günstige Rechtsfolgen aus seiner Rechtsverletzung ableitet (Gedanke des Rechtsmissbrauchs). Auch soll leichtfertigen und voreiligen Scheidungen entgegengewirkt werden (Seriositätsgarantie).
Die Rechtsprechung legt die Vorschrift eng aus. Die Gründe, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, müssten gerade die Aufrechterhaltung des „formellen Ehebandes“ unzumutbar erscheinen lassen. Dies wurde bejaht, wenn ein Ehepartner Gruppensex verlangt (OLG Köln FamRZ 1996, 108).
Abgrenzung (nach OLG Köln FamRZ 1997, 24): M ist seit acht Jahren mit F verheiratet. Nun verkündet F ihrem Mann, dass sie bereits seit Längerem eine Beziehung mit Klara K unterhält. Daraufhin kommt es zur Trennung, und F zieht zu K. M beantragt sogleich – noch vor Ablauf des sog. Trennungsjahres – die Scheidung. Wie wird das Gericht entscheiden?
Es wird eine Scheidung nur dann aussprechen, wenn die Voraussetzungen von § 1565 Abs. 2 BGB gegeben sind, d.h. wenn das Abwarten der Trennungszeit eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstellt. Das OLG Köln hat dies verneint: „Geschlechtliche Beziehungen eines Ehepartners zu einem gleichgeschlechtlichen Partner ... stellen für sich genommen keine unzumutbare Härte dar“, sondern sind lediglich Ausdruck der Zerrüttung, also des Scheiterns der Ehe.
Unwiderlegliche Vermutungen für das Scheitern der Ehe
Da die materielle Zerrüttungsprüfung für das Familiengericht schwierig und für die Beteiligten häufig unerfreulich ist, stellt § 1566 BGB zwei unwiderlegbare Vermutungen für das Scheitern der Ehe auf: erstens bei einjährigem Getrenntleben (§ 1566 Abs. 1 BGB) und Einverständnis über die Scheidung (= einvernehmliche Scheidung) und zweitens bei dreijährigem Getrenntleben (§ 1566 Abs. 2 BGB).
Als einvernehmlich wurde früher (§ 630 ZPO a.F.) nur eine Scheidung angesehen, bei der die Ehegatten über die elterliche Sorge für die Kinder und über den Umgang mit den Kindern sowie über Unterhaltspflichten und die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat einig sind. Eine solche Regelung enthält § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht mehr. Stattdessen genügt nun, dass im Scheidungsverfahren eine Erklärung darüber erfolgt, ob die Ehegatten diese Scheidungsfolgen bereits einvernehmlich geregelt haben.
In der Praxis erfolgen die meisten Scheidungen einvernehmlich (gemeinsamer Scheidungsantrag oder einseitiger Scheidungsantrag mit Zustimmung des anderen Ehegatten) nach einem Jahr Getrenntleben, d.h. gemäß § 1565 Abs. 1 BGB: Im Jahr 2010 waren dies 151.000 Scheidungen von insgesamt 178.000 Scheidungen. Der Scheidungsantrag wird indes überwiegend von der Ehefrau gestellt (98.000 gegenüber 72.000, allerdings Tendenz abnehmend).
Ausnahme: Härteklausel
Nach der Härteklausel des § 1568 BGB soll auch eine gescheiterte Ehe in bestimmten Ausnahmefällen nicht geschieden werden.
Hinweis: Bis zum Jahr 1986 war die Vorschrift auf Fälle beschränkt, in denen die Ehegatten nicht länger als fünf Jahre getrennt lebten. Das BVerfG hielt dies für mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, weil nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist keine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mehr möglich war, nahm jedoch an, dass die meisten Härten innerhalb von fünf Jahren ihre Bedeutung verlieren würden (BVerfGE 55, 134 ff.). Die Dauer des Getrenntlebens spielt also bei der Beurteilung, ob eine Härte i.S. von § 1568 BGB vorliegt, sehr wohl eine Rolle.
Die Aufrechterhaltung einer gescheiterten Ehe kann erstens im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder geboten sein (§ 1568 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ehescheidung nicht zwangsläufig dazu führt, dass die Bindung der Kinder zu einem Elternteil zerstört wird; vielmehr geht das deutsche Recht im Regelfall vom Fortbestehen der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge trotz Scheidung der Ehe aus (vgl. §§ 1626, 1671, 1687 BGB).
Zweitens kann die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse eines Ehegatten geboten sein (§ 1568 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Es geht dabei nur um die Aufrechterhaltung des rechtlichen Bandes zwischen den Ehegatten, nicht um die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine Härte kann etwa aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen resultieren, die durch eine Scheidung hervorgerufen würden (Selbstmordgefahr etc.).
Vertiefungshinweis: Auch hier ist die Rspr. sehr zurückhaltend. Der BGH betont allerdings: „Auch mutet es das Gesetz einem Ehegatten zu, die mit der Scheidung verbundene besondere seelische Belastung selbst dann hinzunehmen, wenn er aufgrund der an die Aufrechterhaltung des Ehebandes geknüpften Empfindungen glaubt, sich mit der Scheidung nicht abfinden zu können. Solange ihm die Verantwortlichkeit für sein Verhalten zuzurechnen ist, kann er grundsätzlich selbst vor der Gefahr einer Fehlreaktion mit Folgen für sein Leben oder seine Gesundheit nicht durch die Aufrechterhaltung der Ehe gegen den Willen des anderen Ehegatten geschützt werden“ (BGH NJW 1984, 2353 ff.). Auch wirtschaftliche Umstände können eine besondere Härte i. S. von § 1568 BGB darstellen, der Verlust einer Witwenrente aus betrieblicher Altersversorgung im Fall des Vorversterbens des Ehemanns genügt hierfür jedoch nicht (BGH NJW 1985, 2713 ff.).
Scheidungsfolgen
Zugewinnausgleich
Wird der gesetzliche Güterstand durch die Scheidung beendet, können Ansprüche auf Zugewinnausgleich entstehen, dazu bereits UE FamR 4.
Unterhalt
Die in der Praxis wohl bedeutsamste Scheidungsfolge ist der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt (§§ 1569−1586b BGB).
Überblick
Nach § 1569 BGB besteht ein Unterhaltsanspruch nur, soweit ein Ehegatte nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann; prinzipiell ist also jeder Ehegatte nach der Scheidung für sich selbst verantwortlich (= Grundsatz der Eigenverantwortung).
Plakativ: Der früher geltende Grundsatz „Einmal Chefarzt-Gattin, immer Chefarzt-Gattin“ wurde damit aufgegeben (insbesondere durch § 1578b Abs. 1 BGB). Mit zunehmender Zeitspanne verlieren sich die solidarischen Verpflichtungen des früheren Ehegatten, und jeder wird wieder selbst für seinen eigenen Lebensunterhalt verantwortlich. Dies kommt in erster Linie den möglichen neuen Angehörigen (neue Ehe, neue Kinder) des Unterhaltsverpflichteten zugute.
Näher Coester-Waltjen JURA 2008, 816 ff.
Beachte: § 1569 BGB ist nur eine Programmvorschrift („Ansage“). Die Anspruchsgrundlagen finden sich in §§ 1570−1573, 1575−1576 BGB.
Unterhaltstatbestände
Die Unterhaltstatbestände können danach eingeteilt werden, ob vom unterhaltsberechtigten Ehegatten an sich eine Erwerbstätigkeit „erwartet werden kann“ oder nicht. Im ersten Fall gewähren §§ 1573, 1575 BGB einen Unterhaltsanspruch bis zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 1574 BGB) bzw. bis zum Abschluss einer Ausbildung. Den zweiten Fall regeln §§ 1570−1572, 1576 BGB.
Zumeist kommt es darauf an, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Grund gegeben ist, so dass vom dem geschiedenen Ehegatten eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann (= Einsatzzeitpunkte); lies etwa § 1571 BGB.
Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB)
Bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des jüngsten gemeinschaftlichen Kindes ist eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht zumutbar (§ 1570 Abs. 1 S. 1 BGB; „Basisunterhalt“). Danach findet eine Einzelfallprüfung statt, die dazu führen kann, dass eine Erwerbstätigkeit nicht, teilweise oder in vollem Umfang zumutbar ist (Verlängerung aus Billigkeitsgründen, § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Verlängerung des Unterhalts kann entweder auf kindbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 1 S. 3 BGB) oder auf elternbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 2 BGB) beruhen. Bestehende Fremdbetreuungsmöglichkeiten sind nach dem 3. Lebensjahr grundsätzlich wahrzunehmen, soweit das mit dem Kindeswohl in Einklang steht. Anders als nach alter Rechtsprechung führt die Wahrnehmung von Fremdbetreuung (ab dem 3. Lebensjahr) grundsätzlich zu einer (zumindest teilweisen) Erwerbsobliegenheit.
Vertiefung: Bis zum Jahr 2008 hatte sich in der Rspr. das sog. Altersphasenmodell bzw. 0-8-15-Modell ausgebildet. Danach war dem betreuenden Elternteil bis zum Alter des Kindes von acht Jahren grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit zumutbar, bis zum Alter von 15 Jahren allenfalls eine Teilzeiterwerbstätigkeit. Diese Rspr. ist durch die Neufassung von § 1570 BGB hinfällig geworden; näher BGHZ 180, 170 ff. = JZ 2009, 914 ff. (Röthel). Heute ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass von einem betreuenden Elternteil eines dreijährigen Kindes eine Halbtagstätigkeit erwartet werden kann. Der betreuende Elternteil muss ggf. darlegen und beweisen, warum insbes. aus Gründen des Kindeswohls eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (z.B. Behinderungen, ADHS-Syndrom, Verhaltensauffälligkeit und besondere Betreuungsbedürftigkeit infolge der Scheidung). Der BGH stellt hohe Anforderungen an den Nachweis kindbezogener Verlängerungsgründe; siehe BGH NJW 2012, 1868 ff.
Auch an den Nachweis elternbezogener Gründe werden hohe Anforderungen gestellt. Dadurch soll das Vertrauen in die während der Ehe praktizierte Rollen- und Aufgabenverteilung geschützt werden. Allein der Umstand, dass der betreuende Elternteil durch ein Habilitationsverfahren (Fertigstellen der Habilitationsschrift) an weitergehender Erwerbstätigkeit gehindert ist, gehört jedenfalls nicht dazu, so BGH FamRZ 2012, 1624. Maßgeblich können diese Gründe, so weiter der BGH, aber im Rahmen von §§ 1574, 1575 BGB sein.
Der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines Kindes ist wegen §§ 1577 Abs. 4, 1586a Abs. 1 BGB besonders vorteilhaft.
Unterscheide den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes (Betreuungsunterhalt, § 1570 BGB) von dem Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern (§ 1601 BGB)! Der Unterhaltsanspruch des Kindes ist unabhängig davon, ob der betreuende Elternteil einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat.
Beide Unterhaltsansprüche dienen unterschiedlichen Bedürfnissen: Im einen Fall soll der Lebensbedarf des Ehegatten, dem eine eigene Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung des Kindes nicht zugemutet werden kann, gedeckt werden, im anderen Fall soll der Lebensbedarf des Kindes gedeckt werden.
Alter (§ 1571 BGB)
Die Voraussetzungen sind ab dem gesetzlichen Rentenalter automatisch gegeben. Davor kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist, ob einem Ehegatten nach längerer beruflicher Abstinenz der Wiedereintritt in das Erwerbsleben zugemutet werden kann. Das kann auch schon vor Erreichen des Ruhestandsalters nicht mehr der Fall sein.
Achtung: Die Voraussetzungen des § 1571 BGB sind nur erfüllt, wenn von dem Ehegatten im Zeitpunkt der Scheidung (§ 1571 Nr. 1 BGB) oder einem der anderen genannten Einsatzzeitpunkte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.
Gegenbeispiel: M und F lassen sich scheiden. Als F zehn Jahre später ihr 65. Lebensjahr vollendet, verlangt sie von M Unterhalt. Ist sie unterhaltsberechtigt?
Nur dann, wenn die Voraussetzungen von § 1571 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB vorliegen.
Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB)
Billigkeitsgründe (§ 1576 BGB)
§ 1576 BGB ist eine positive Härteklausel für Ausnahmefälle. Sie wird auch im Anwendungsbereich der §§ 1570−1575 BGB herangezogen (etwa: Betreuung nicht gemeinschaftlicher Kinder).
Beispiele: Betreuung von aufgrund gemeinsamen Entschlusses aufgenommenen Pflegekindern; Betreuung naher Angehöriger, die ursprünglich zur Betreuung gemeinsamer Kinder in den Haushalt aufgenommen wurden; besondere Lebensleistung (z.B. ein Ehegatte ist erwerbstätig, versorgt Haushalt und Kinder, um dem anderen Ehegatten ein aufwändiges Studium zu ermöglichen).
Zeitweiliger Unterhalt bis zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit (§§ 1573 f. BGB)
Welche Erwerbstätigkeit angemessen ist, bestimmt sich nach § 1574 BGB. Eine Beschäftigung, die den Ehegatten in gewissem, nicht allzu eklatantem Ausmaß unterfordert, ist zumutbar. Zu berücksichtigen sind auch die ehelichen Lebensverhältnisse. Diese können u. U. sogar die Rückkehr in den erlernten Beruf unzumutbar machen. Die Rückkehr zu einer der Ausbildung entsprechenden Tätigkeit soll ferner dann nicht zumutbar sein, wenn sie einer einverständlichen Lebensplanung während der Ehe widerspräche (Beispiel: Ehegatte nimmt entsprechend gemeinsamer Planung ein Studium auf und scheidet deshalb aus erlerntem Beruf aus).
§ 1573 Abs. 2 BGB gewährt Ergänzungsunterhalt.
Zeitweiliger Unterhalt wegen Ausbildung etc. (§ 1575 BGB)
Beachte: Mehrere Unterhaltstatbestände können nacheinander verwirklicht sein (z.B. ein Ehegatte erkrankt nach der Beendigung der Kindererziehung, kann dann keine angemessene Erwerbstätigkeit finden und kann schließlich kraft Alters Unterhalt verlangen) oder können sich ergänzen (z.B. einem Ehegatten ist neben der Kinderbetreuung eine Teilzeitbeschäftigung zuzumuten, er oder sie kann aber keine finden).
Unterhaltsbemessung
Der Unterhaltsanspruch richtet sich auf den gesamten Lebensbedarf (§§ 1578 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB). Was zum Lebensbedarf zählt (Einliegerwohnung oder Villa, Peugeot oder Porsche, Fritten oder Sternemenü etc.) richtet sich nach den Umständen, die die ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblich geprägt haben (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Unterhaltsberechtigte soll auf dem Niveau weiterleben können, das für die Lebensverhältnisse in der Ehe bestimmend war („Lebensstandardgarantie“). Maßgeblicher Zeitpunkt ist normalerweise derjenige der Scheidung.
Beispiel und Abgrenzung (nach BGHZ 177, 356 ff. – „wandelbare“ eheliche Lebensverhältnisse?): Als sich M und F wegen X scheiden lassen, verlangt F Unterhalt entsprechend den ehelichen Lebensverhältnissen. Kurz darauf heiratet M die X. Er meint, dass der Unterhaltsanspruch der F nun geringer sei, weil er ja schließlich auch der X Unterhalt schulde.
Der BGH hat dies bejaht und im Ergebnis eine Dreiteilung des verfügbaren Einkommens für richtig gehalten (BGHZ 177, 356, 370): Schuldet der Unterhaltsverpflichtete sowohl einem geschiedenen als auch einem neuen Ehegatten Unterhalt, so ist der nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) zu bemessende Unterhaltsbedarf jedes Berechtigten im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und beider Unterhaltsberechtigter zu bemessen (Lts. 1).
Dazu BVerfGE 128, 193 ff.: Die zur Auslegung von § 1578 BGB entwickelte Rechtsprechung unter Anwendung der Dreiteilungs-Methode „löst sich vom Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts und ersetzt es durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreitet sie die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletzt Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). – Zur Umsetzung siehe BGHZ 192, 145 ff. = JZ 2012, 745 ff. (Röthel). Der entscheidende Punkt ist, dass der Unterhaltsbedarf sich nicht mehr an Umständen orientieren soll, die nach der Scheidung eingetreten sind. Das Hinzutreten neuer Unterhaltsverpflichtungen ist daher erst bei § 1581 BGB (Leistungsfähigkeit) mit Blick auf den Unterhaltsrang (§ 1609 BGB) zu berücksichtigen.
Was dies im Einzelnen heißt, ist noch nicht ganz klar. Sind alter und neuer Ehegatte gleichrangig (§ 1609 BGB), wird es voraussichtlich im Rahmen der Billigkeitsentscheidung (§ 1581 BGB) wohl nach wie vor auf eine Dreiteilung hinauslaufen. Unterschiede werden sich aber dann ergeben, wenn der geschiedene Ehegatte dem jetzigen Ehegatten im Rang vorgeht. Der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten bestimmt sich nach den Einkünften, die während der Ehe zur Verfügung standen (§ 1578 BGB), also ohne die später entstandene Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem neuen Ehegatten. Erst im Rahmen der Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) spielt die Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Ehegatten aus § 1360 BGB (Familienunterhalt) als sonstige Verpflichtung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung eine Rolle. Reicht das Einkommen nicht für beide aus, geht die Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten aber vor wegen der Rangfolgeregelung in § 1609 BGB. Die Unterhaltsbemessung im Einzelnen muss sich aber noch einspielen.
In Ausnahmefällen kann der Unterhaltsbedarf auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesenkt werden (§ 1578b Abs. 1 BGB). Gemeint ist ein Lebensbedarf, der unterhalb der ehelichen Lebensverhältnisse liegt und der insbesondere den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten vor der Ehe entspricht.
Beispiel: Kindergärtner K heiratet Chemikerin C. Nach vier Jahren wird die Ehe geschieden. K kann wegen gesundheitlicher Probleme keine Arbeit finden.
Hier kann gemäß § 1578b Abs. 1 BGB eine Herabsenkung des Unterhaltsbedarfs geboten sein. Als „angemessen“ wird der Lebensbedarf angesehen, den der bedürftige Ehegatte vor der Eheschließung hatte oder den er jetzt haben würde, wenn die Ehe nicht geschlossen worden wäre.
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist aber zugunsten des Unterhaltsberechtigten zu prüfen, inwieweit die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten auf fortwirkenden ehebedingten Nachteilen, insbesondere aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit, beruhen (§ 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB).
Im Beispiel: Anderes könnte gelten, wenn K im Einvernehmen mit C auf eigene Erwerbstätigkeit verzichtet hätte, um die gemeinschaftlichen Kinder zuhause zu betreuen. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob das Unvermögen des Unterhaltsberechtigten, für sich selbst zu sorgen, im konkreten Fall aus der einvernehmlich gewählten Art des ehelichen Lebens resultiert (BGH FamRZ 2006, 1066).
Vertiefung: Eine Herabsetzung auf den „angemessenen Lebensbedarf“ liegt nahe bei krankheitsbedingtem Unterhalt, denn Krankheit ist in den meisten Fällen nicht ehebedingt, sondern schicksalhaft. Gleichwohl wird § 1578b BGB nicht so verstanden, dass in diesen Fällen automatisch eine Begrenzung des Unterhalts richtig sei. Etwas anderes könne sich insbesondere bei langer Ehedauer ergeben (BGH NJW 2010, 1598 ff.).
Außerdem ist der Unterhalt zu befristen, wenn ein unbefristeter Unterhalt unbillig wäre (§ 1578b Abs. 2 BGB). Die Befristung führt dazu, dass nach Zeitablauf der Unterhalt ganz entfällt. Sie ist also härter als die Begrenzung nach § 1578b Abs. 1 BGB.
Beachte: Beim Betreuungsunterhalt resultiert schon aus § 1570 BGB eine eigene Befristung, daher ist § 1578b Abs. 2 BGB hier nicht mehr anwendbar. Am bedeutsamsten ist § 1578b Abs. 2 BGB beim Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 BGB), Krankheit und Alter (§§ 1571, 1572 BGB).
Beispiel: M und F sind kinderlos verheiratet. M ist Professor, F führt das Unternehmen ihres Vaters weiter. Zufällig gerät das Unternehmen der F im Zeitpunkt der Scheidung in die Krise. F verliert ihr gesamtes Vermögen und kann auch keine Anstellung mehr finden.
Gemäß § 1573 BGB würde die Unterhaltspflicht des M so lange dauern, bis F eine Erwerbstätigkeit findet, vermutlich also bis zum Eintritt in das Rentenalter (dann Altersunterhalt). Dies wird angesichts der Lebensverhältnisse in der Ehe für unbillig gehalten. Denn die Ehe hat hier eigentlich mit den Erwerbsverhältnissen nichts zu tun: F hat nicht darauf vertrauen dürfen, von M lebenslang unterhalten zu werden. Dies spricht für eine Begrenzung und u.U. auch eine Befristung des Unterhalts.
Vertiefungshinweis: § 1578b BGB ist Ausdruck der mit der Unterhaltsreform gestärkten Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten (§ 1569 BGB). Dahinter steht eine neue Ausrichtung von Unterhaltsverpflichtungen: Es geht nicht mehr nur um die voraussetzungslose Aufrechterhaltung eines Lebensstandards, sondern um eine Begrenzung der Unterhaltspflicht auf einen Ausgleich ehebedingter Nachteile. Der innere Grund des Unterhaltsrechts hat sich damit etwas in Richtung Vertrauensschutz verschoben. In Einzelfällen wird der Unterhaltsanspruch begrenzt auf den Ersatz solcher Einbußen (Nachteile im Einkommen), die darauf beruhen, dass durch die Gestaltung der Ehe schutzwürdiges Vertrauen entstanden ist, dass der andere Ehegatte auch künftig für den Lebensunterhalt des Bedürftigen aufkommen werde. – Die Schaffung des § 1578b BGB hat im Schrifttum eine lebhafte Diskussion ausgelöst. Bedenklich erschien die Abwertung von Unterhaltsansprüchen nach langer Ehedauer. Diese Kritik hat schließlich dazu geführt, dass § 1578b BGB im Jahr 2013 nochmals neu gefasst wurde. Die Dauer der Ehe zählt nun zu den nach S. 2 besonders zu berücksichtigenden Umständen; bei langer Ehedauer wird der unterhaltsbedürftige Ehegatte in seinem Unterhaltsvertrauen stärker geschützt.
Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten (§ 1577 BGB)
Unterhaltsberechtigt ist nur, wer auch bedürftig ist, d.h. wer nicht in der Lage ist, den Lebensbedarf (§ 1578 BGB) aus eigenem Einkommen und Vermögen zu decken (§ 1577 Abs. 1 BGB).
(1) Vermögen: Es ist auch der sog. Stamm des Vermögens anzugreifen (§ 1577 Abs. 3 BGB).
(2) Einkünfte: Alle Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit mindern die Bedürftigkeit. Die Anrechnung von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit regelt § 1577 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift ist aus sich heraus schwer unverständlich. Gemeint sind Einkünfte, die aus einer überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit resultieren. Dabei wird als überobligationsmäßig nur eine Erwerbstätigkeit angesehen, die nicht angemessen i. S. von § 1574 Abs. 2 BGB ist
Beispiel: F ist ausgebildete Apothekerin. Weil sie nach ihrer Ehe keine Anstellung als Apothekerin findet, putzt sie stundenweise im Haushalt ihrer Nachbarin.
oder die wegen einer Unterhaltsberechtigung nach §§ 1570−1572 BGB nicht zu erwarten war.
Beispiel: Neben der Betreuung ihrer zweijährigen Drillinge arbeitet F im Supermarkt.
Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird allerdings als Indiz für ihre Zumutbarkeit angesehen. Unzumutbare Einkünfte sind nur insoweit anzurechnen, als dies der Billigkeit entspricht (§ 1577 Abs. 2 S. 2 BGB), in der Praxis zu 1/3 (OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1294).
Einkünfte können auch auf Zuwendungen Dritter beruhen. Diese mindern die Bedürftigkeit aber dann nicht, sofern sie nach dem Willen des Zuwendenden den Unterhaltsschuldner nicht entlasten sollen.
Beispiel: M und F sind geschieden. M ist erwerbs- und vermögenslos. Sein Bruder unterstützt ihn vorübergehend mit 500 € monatlich. F meint, M müsse sich auf seinen Unterhaltsbedarf die 500 € anrechnen lassen. Zu Recht?
Nein, denn der Bruder des M will nicht die F entlasten (begünstigen), sondern dem M eine höchstpersönliche Zuwendung machen.
Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (§§ 1581 ff. BGB)
In der Praxis folgt die entscheidendste Unterhaltsbegrenzung aus der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Denn ein Unterhaltsanspruch besteht nur insoweit, als der Unterhaltsverpflichtete auch seinerseits noch seinen eigenen Bedarf decken kann. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass grundsätzlich ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an den für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln (Halbteilungsgrundsatz) besteht. Dies könnte den erwerbstätigen Unterhaltsschuldner aber demotivieren: Wenn ohnehin die Hälfte abgegeben werden muss, „lohnt“ sich eine Anstrengung nicht mehr. Außerdem sind mit der Erwerbstätigkeit auch zusätzliche Lasten verbunden (Fahrten zur Arbeitsstätte, Kosten für Arbeitskleidung etc.). Daher gewährt die Rspr. dem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner einen Erwerbstätigenbonus (zuletzt bestätigt in BGHZ 224, 54 ff.).
Inzwischen wird der Erwerbstätigenbonus bundeseinheitlich mit 10% ausgewiesen, siehe nur die Düsseldorfer Tabelle vom 1.1.2022, B. I. (Anspruch auf 45% des anrechenbaren Erwerbseinkommens, d.h. nur 90% werden verteilt).
Beispiel: Die Ehe von M und F wird geschieden. Beide haben während der Ehe von den Einkünften der F (monatlich 4.000 €) gelebt. M ist nach wie vor einkommens- und vermögenslos. Unterhaltsanspruch des M?
Geht man von einem ehelichen Lebensbedarf von 4.000 € aus (§ 1578 BGB), den der M auch nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken kann (= Bedürftigkeit, § 1577 Abs. 1 BGB), so ergibt sich bei Anwendung eines Erwerbstätigenbonus von 10% (= 400 €) ein Unterhaltsanspruch gegen F in Höhe von 1.800 €.
Bei kleineren Einkommen ist darüber hinaus zu beachten, dass nach dem Gedanken von § 1581 BGB dem Unterhaltspflichtigen ein gewisser Mindestbetrag verbleiben muss (Selbstbehalt). Damit soll vermieden werden, dass der Unterhaltsverpflichtete auf Transferleistungen (z.B. Hartz IV) angewiesen wird. Die Oberlandesgerichte haben die in § 1581 BGB formulierte Billigkeitsregel im Interesse der gleichmäßigen Unterhaltsbemessung durch Richtlinien und Tabellen konkretisiert (z. B. Düsseldorfer Tabelle, zuletzt vom 1.1.2022, siehe Schönfelder Ergänzungsband Nr. 47 ff.).
Nach der Düsseldorfer Tabelle vom 1.1.2022 beträgt der „notwendige Eigenbedarf“ (Selbstbehalt) eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Unterhaltsanspruch von minderjährigen Kindern derzeit 1.160 €. Gegenüber anderen Unterhaltsansprüchen, insbesondere von volljährigen Kindern, beträgt der „angemessene Eigenbedarf“ mindestens 1.400 €.
Die Frage, in welcher Reihenfolge die Bedürfnisse mehrerer Unterhaltsberechtigter zu erfüllen sind (Mangelfälle), regelt § 1582 BGB unter Verweisung auf § 1609 BGB.
Härteklausel (§ 1579 BGB)
§ 1579 BGB begrenzt den Unterhaltsanspruch in Fällen grober Unbilligkeit oder schließt ihn sogar völlig aus. Praktisch bedeutsam ist der Ausschluss wegen kurzer Ehedauer (§ 1579 Nr. 1 BGB: Faustregel weniger als zwei Jahre bis zum Scheidungsantrag) oder wegen verfestigter Lebensgemeinschaft des Berechtigten (§ 1579 Nr. 2 BGB).
Beispiel: M und F sind geschieden. F ist einkommens- und vermögenslos, lebt aber inzwischen mit Millionär X zusammen. F und X haben sich bewusst gegen eine Eheschließung entschieden, um den Unterhaltsanspruch der F gegen M nicht zu gefährden.
In diesen Fällen wurde nach altem Recht gestützt auf die Generalklausel ein Unterhaltsanspruch versagt. Jetzt ist § 1579 Nr. 2 BGB einschlägig.
Die Generalklausel (§ 1579 Nr. 8 BGB) ist nur anwendbar für Gründe, die nicht schon unter Nr. 1−7 fallen.
Beispiel zu § 1579 Nr. 7 BGB nach BGH NJW 2012, 1443: Wenn die Ehefrau ihrem Ehemann verschweigt, dass ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt. Nicht erforderlich ist, dass der Mann seine rechtliche Vaterschaft des Kindes auch anficht. Mehr zu Kindschaft und Abstammung noch in UE 8.
Modalitäten der Unterhaltsgewährung
Der laufende Unterhalt ist monatlich im Voraus durch Geldrente zu gewähren (§ 1585 Abs. 1 BGB). In Ausnahmefällen kann eine Kapitalabfindung verlangt werden (§ 1585 Abs. 2 BGB – „clean break“).
Über den Unterhalt nach Scheidung sind Vereinbarungen möglich (§ 1585c BGB), auch schon bei oder vor der Eheschließung.
Wichtig: Genauso wie der Zugewinnausgleich (§ 1414 S. 2 BGB) kann auch die nacheheliche Unterhaltspflicht ausgeschlossen werden. Möglich sind aber auch sog. unterhaltsverstärkende Vereinbarungen, z.B. durch Abbedingung von § 1578b BGB.
Vor der Rechtskraft der Scheidung geschlossene Vereinbarungen bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 1585c S. 2 BGB). Es ist auch ein Unterhaltsverzicht möglich. Grenzen sind der Vertragsfreiheit aber durch § 138 BGB (Sittenwidrigkeit und daher Nichtigkeit eines Unterhaltsverzichts) bzw. durch § 242 BGB (Treuwidrigkeit einer Berufung auf einen Unterhaltsverzicht) gezogen.
Vertiefung: Dies geht zurück auf BVerfGE 103, 89 ff. = JuS 2001, 424 (Röthel); siehe in der Folge BGHZ 158, 81 ff. sowie BGH NJW 2013, 380 = Röthel JURA [JK] 5/13 BGB § 138/27 (Röthel). Das BVerfG argumentierte ähnlich wie in der Bürgschaftsentscheidung: Die Privatrechtsordnung müsse Grenzen ziehen, wenn Verträge aufgrund strukturellen Ungleichgewichts der Vertragschließenden nicht Ausdruck von Vertragsfreiheit seien. Dazu entwickelte der BGH eine Kernbereichslehre: Je unmittelbarer ein Vertrag in den Kernbereich der Scheidungsfolgen eingreift, desto eher ist anzunehmen, dass der Verzicht auf einseitiger Interessendurchsetzung beruht. Verzichtet ein vermögensloser Ehegatte auf jede Form von Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich, liegt damit Sittenwidrigkeit des Verzichts nahe.
Näher Röthel, Der Verzicht im Familien- und Erbrecht, JURA 2015, 1065 ff.
Das Ende des Unterhaltsanspruchs regeln §§ 1586 ff. BGB. Danach erlischt der Anspruch mit dem Tod des Berechtigten, ferner – mit der Möglichkeit des Wiederauflebens – bei Wiederheirat oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft; der Tod des Verpflichteten führt dagegen nicht zum Erlöschen des Unterhaltsanspruchs.
Abschließendes Beispiel zum Nachehelichenunterhalt (von der Anrechnungs- zur Differenzmethode): M und F werden geschieden. Während der Ehe war M nicht erwerbstätig. Sie lebten vom Einkommen der F (3.000 €). Nach der Ehe wird M wieder sofort in seinem ursprünglichen Beruf als Arzthelfer tätig (1.000 €) und verlangt Aufstockungsunterhalt. Zu Recht?
Entscheidend ist, was man zu den ehelichen Lebensverhältnissen zählt. Früher hat der BGH wie folgt argumentiert: Eheliche Lebensverhältnisse von 3.000 € (einfache Rechnung ohne Erwerbstätigenbonus), davon hat M Anspruch auf die Hälfte (1.500 €), muss sich aber sein eigenes Einkommen anrechnen lassen (1.000 €), so dass M im Ergebnis 500 € beanspruchen kann.
Dieses Ergebnis bedeutet, dass M sich schlechter steht, als wenn er schon während der Ehe gearbeitet hätte. Denn dann wäre sein Einkommen (1.000 €) zu den ehelichen Lebensverhältnissen gezählt worden (= 4.000 €) mit dem Ergebnis, dass M ein Unterhaltsanspruch von 2.000 € abzgl. eigener Erwerbstätigkeit, d.h. von 1.000 € verbliebe. Seit dem Jahr 2001 entscheidet der BGH nach der Differenzmethode (BGH FamRZ 2001, 986), wenn davon auszugehen ist, dass eine sofort nach der Scheidung der Ehe aufgenommene Erwerbstätigkeit eigentlich noch die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Dahinter steht der Gedanke, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nur durch die Erwerbstätigkeit, sondern auch durch Haushaltsführung und Kindererziehung geprägt wurden. Wenn dies durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit „erkauft“ wurde, hat dieser Verzicht die Ehe gleichermaßen geprägt (vgl. Schwab FamR Rn. 407).
Abgrenzung: Es bleibt aber bei der Anrechnungsmethode, wenn die spätere Erwerbstätigkeit die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat. Die Kasuistik dazu ist derzeit noch schwankend.
Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich ist im BGB nur noch in § 1587 BGB geregelt, Details finden sich im Gesetz über den Versorgungsausgleich (VersAusglG, Schönfelder Nr. 48).
Versorgungsausgleich meint den Ausgleich von Ansprüchen oder Anwartschaften zur Versorgung bei Alter oder Invalidität (z.B. Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrente, betriebliche Altersversorgung). Der Versorgungsausgleich verwirklicht das Prinzip des Zugewinnausgleichs auch für die Versorgung. Grundidee ist die Vorstellung, dass die von einem Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Ansprüche oder Anwartschaften vom anderen mitverdient sind. Dabei findet grundsätzlich eine sog. reale Teilung anstelle einer Saldierung von Ansprüchen aufgrund Einmalausgleichs statt: Jeder Ehegatte wird an den Anwartschaften des anderen hälftig beteiligt.
Zur Erinnerung: Durch Ehevertrag kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden (§§ 1408 Abs. 2, 1410 BGB: „ausdrücklich“!).
Zuweisung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen
Einigen sich die Ehegatten nicht über die Zuweisung der Ehewohnung und von Hausrat, kann dies vom Familiengericht geregelt werden. Die materiell-rechtlichen Grundlagen sind inzwischen wieder im BGB geregelt (§§ 1568a, b BGB); zum Verfahren siehe §§ 200−209 FamFG.
Exkurs: Ehescheidung und NS-Unrecht
Näher: Holzhauer, Das Ehegesetz von 1938 und die Ehescheidungsgründe, in: Hermann u.a. (Hrsg.), Nationalsozialismus und Recht, 2018, S. 115-136; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 7. Aufl. 2012, S. 400-413; Schwab, Entwicklungen im Familienrecht vor und nach 1945, in: Görtemaker/Safferling (Hrsg.), Die Rosenburg, 2013, S. 300-326.